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Autor |
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uffjedn Leseratte
Alter: 42 Beiträge: 140 Wohnort: Berlin
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04.09.2017 23:31 Gummi auf Asphalt von uffjedn
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Gummi auf Asphalt
Heute hast du was gemacht.
Bequeme Hose.
Bequemes Shirt.
Du hast das Eis schmelzen lassen, ohne Zungenschlag.
Und den Schreibtisch leergefegt,
wie das WM-Finale die Opernhäuser.
Und als du gefragt wurdest, was du heute so getan hast,
da lachtest du und sagtest: Wassermelonen getragen.
Heute warst du draußen.
Kaffee ohne Zucker.
Und Schuhe ohne Lack.
Du hast dich in die Sonne geworfen, wie ein Planet sich
in seinen sterbenden Stern.
Du brachtest dem Regen das Schwitzen bei.
Und als dir der Wind nicht den Rücken stärken wollte,
hast du ihn entwunden.
Heute, da ging was.
Blicke in den freien Himmel.
Und Gummi auf Asphalt.
Du hast Oma angerufen, wie damals und wie gestern.
Die Stimme vom Minikassettenband war lustig und brüchig,
wie ihre Aprilscherze.
Und als du ihr deinen Tag erzähltest,
wuchs auf ihrer Brust weiter der Garten.
Heute warst du draußen.
Da hast du was gemacht.
Heute, da ging was.
Weitere Werke von uffjedn:
_________________ sagt Paul. |
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holg Exposéadler
Moderator
Beiträge: 2396 Wohnort: knapp rechts von links
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19.09.2017 16:19
von holg
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Der Text wirkt fertig auf mich.
Aber das ist hier die Werkstatt. Und du hast ihn hier rein gestellt und nicht ins Feedback.
Da sind ein paar Dinge, die ich hinterfragen würde.
Im ersten Teil wird das Gedicht nicht wirklich konkret. Da wird Zuhause rumgewerkelt. Eis schmelzen, aber ohne Zunge (Kühlschrank?), Schreibtisch leer gefegt (weg gearbeitet oder wusch auf den Boden?) und sonst nix wirklich bewegendes, außer vielleicht (bleibt offen) Dirty Dancing geguckt.
Im zweiten Teil draußen Sonne, Regen, Wind. Natur erlebt und Perspektiven ausprobiert.
Im dritten Teil wird Gummi auf Asphalt gelassen auf dem Weg zum Grab der Oma. Aber nee, da wird nur der Anrufbeantworter angerufen, der immer noch läuft, obwohl sie schon längst unter der Erde liegt. Und irgendwie scheint es, als ob sie die einzige ist, die dem Erzähler Ruhe gibt, bei der er verweilen kann, die er vermisst.
Das klingt alles gut und rund, und wenn es auch nur halb so angekommen ist, wie du es auf die Reise geschickt hast, ist das nicht schlecht.
So ein bisschen würde ich mir in dem Gerüst ein paar Griffe wünschen, an denen ich mich entlang hangeln kann. Ein paar Formulierungen kommen mir zu Floskelhaft daher (den Schreibtisch leergefegt, wie das WM-Finale die Opernhäuser), ein paar könnten aus meiner Sammlung stammen - original 80er - (brachtest dem Regen das Schwitzen bei, vor allem dieser dritte Teil von in die Sonne geworfen bis entwunden).
Das klingt slick und originell. Nur ist das so wenig konkret, dass sich der Leser alles mögliche dazu ausmalen kann. Und das finde ich wieder ein bisschen schade, dass ich da so allein gelassen werde. Ich hätte gerne ein Bild (das eine Empfindung transportiert). Nicht eine coole Formulierung, aus der ich mir ein Bild basteln soll, das …
Wie der letzte Teil. Der mit der Oma. Den finde ich sehr gut.
Nur Meine Meinung.
_________________ Why so testerical? |
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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22.09.2017 00:25
von Tula
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Hallo uffjedn
weniger ausführlich mein feedback, aber immerhin: das Gedicht spricht mich durchaus an. Der ansonsten (sich aus beruflichen Gründen) gut gekleidete Lyri, wahrscheinlich Büro-Hengst, kommt wohl selten an die frische Luft , befreit sich am Wochenende oder wann auch immer und lässt alles scheinbar Wichtige hinter sich, "macht etwas", auch wenn 'das' eher belanglos erscheint oder sogar sinnlos, was es natürlich nicht ist, sich die Stimme der Oma und die Erinnerung an sie zurückzuholen usw.
Auch die Struktur finde ich insgesamt gelungen, das Einschieben der Dreizeiler erzielt mMn die Wirkung, auch wenn mir "Gummi auf Asphalt" nicht so gefallen will, klingt mir irgendwie nach "Ich will fahrn, ich will fahrn..."
Vielleicht könnte das Gedicht durch Verkürzung an Aussagekraft gewinnen. Einige der bereits genannten Bilder gefallen mir eigentlich recht gut (z.B. das Eis ohne Zungenschlag), in der Gesamtheit sind es mir aber zu viele. Als Beispiel nenne ich hier die Strophe mit Sonne, Wind und Regen: Jedes Bild für sich ist ok (vielleicht doch zu grandios, es ginge an dieser Steller etwas sanfter, denn eigentlich sollte an diesem Tag das Wetter dem Lyri ziemlich nebensächlich bleiben), alle drei hintereinander wirken auf mich zu konstruiert, etwas Effekthascherei. Zu viel des Guten.
Die Aufzählungen könnten ohne die 'Und'-Wiederholungen auch stärker werden; überhaupt auf Redundanz achten. z.B.:
Du hast das Eis schmelzen lassen, ohne Zungenschlag.
den Schreibtisch leergefegt, ... <eine weitere belanglose Sache>
Und als du gefragt wurdest, was du heute so getan hast,
lachtest du nur: Wassermelonen getragen!
Ansonsten wie gesagt, habe ich es gern gelesen. Eine schöne Reminiszenz ohne ins Wehmütige abzugleiten.
LG
Tula
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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uffjedn Leseratte
Alter: 42 Beiträge: 140 Wohnort: Berlin
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20.11.2018 22:47
von uffjedn
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Hey Tula,
danke für das Lob.
Ich halte im Kontext des Gedichts keine der Aktivitäten für belanglos. Im Gegenteil: Jede Aktivität ist eine Erfolg. Im Subtext lungern Depression, unbewältigte Trauer, volle Schreibtische, zu wenig Sonne, viel Fernsehen (das Dirty Dancing Zitat), rausgehen sonst nur in Verkleidung.
Ich kann mich auch von den großen Bildern nicht trennen, die gehören für mich einfach dazu.
Allerdings habe ich einen deiner Ratschläge befolgt und in einem heute wieder aufgetauchten, sehr alten Text von mir, alle linkischen "unds" vernichtet und finde das Resultat deutlich besser. Danke dafür!
_________________ sagt Paul. |
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Berni Exposéadler
Alter: 64 Beiträge: 2518 Wohnort: Südhessen (aus NRW zugelaufen)
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24.11.2018 00:31
von Berni
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Geiler Text. Ich glaube, in der Werkstatt besteht die Gefahr, dass daran herumgepiepelt wird. Hat er gar nicht nötig.
Das ist einer dieser Texte, die keinen wirklichen Angriffspunkt bieten, im ersten Moment aber dennoch irgend etwas an sich haben, was man kritisieren will. Nur was? Und dann lässt man sich auf den Text ein, jenseits der Sinnfrage , und fühlt sich plötzlich wohl, mitten in diesem Text. Er lebt auf, er lebt. Schade, dass er ein Ende hat. Tolle letzte drei Zeilen übrigens.
So geht es mir bei diesem Text. Ganz mein Geschmack. Ich würde nichts ändern. Ab damit ins "Feedback".
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Abari Alla breve
Alter: 43 Beiträge: 1838 Wohnort: ich-jetzt-hier
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24.11.2018 01:36
von Abari
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Hey,
ich mag den Text sehr. Wahrscheinlich, weil er so ehrlich modern-maskulin daherkommt, ohne protzig oder unflätig zu werden. Er ist einfühlsam, gut beobachtet und eben... ehrlich.
Was auch immer das LDu bewegt oder zu bewältigen hat - ich denke an Niedergeschlagenheit, Depression, Trauer, Weltverdrossenheit - das LI spricht ihm darin Mut zu, indem es die Tagesleistung des LDu würdigt. Aber eben in einer Sprachlichkeit, die sich dediziert männlich gibt und sich damit nicht im Geringsten zu verstecken braucht.
Auch technisch völlig in Ordnung. Wie die Anfangsverse der ersten drei Dreizeiler den letzten ergeben: Prima. Ich finde, dass das ein sehr gut durchkomponiertes Gedicht ist und wüsste auch nirgends anzusetzen. Meinen Glückwunsch zu diesem Text.
_________________ Das zeigt Dir lediglich meine persönliche, höchst subjektive Meinung.
Ich mache (mir) bewusst, damit ich bewusst machen kann.
LG
Abari |
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