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Teil 11 Jahreswechsel 2002/2003


 
 
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teccla
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 66
Beiträge: 160
Wohnort: Costa Blanca


Was suchst Du in Madagaskar?
Beitrag27.03.2008 20:21
Teil 11 Jahreswechsel 2002/2003
von teccla
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Sebastian, Frau Katze und ich verlebten die nächste Zeit in Tana. Es war langweilig, jeden Tag in die Stadt zu fahren. Abends saßen wir im Hotelzimmer, warteten den Regen und den täglichen Stromausfall ab. Doch es war auch eine leichte, heitere Zeit. Wir lachten viel.
Keiner war da, der meckerte, maulte und die Laune vermieste.
Jeden Tag erkundeten wir ein wenig mehr.
Wir erlebten Situationen, die uns so berührten, so tief, dass wir noch tagelang davon redeten, um den Eindruck zu verarbeiten.
Ein Beispiel:

Ein Taxifahrer- das Auto selbst ein einziger Schrotthaufen, das seine beste Zeit vor ca. dreißig Jahren hatte, der Tank war eine Flasche am Fahrersitz und die Zündung wurde beim Starten kurzgeschlossen, den Berg runter rollte man und machte den Motor später wieder an, völlig normal für hiesige Verhältnisse. So ein Taxifahrer, der auch noch an der Tankstelle das Geld im Voraus brauchte, um seine 2 Liter Sprit zahlen zu können, so ein Mann, der sicher täglich betete, dass sein Auto anspringen möge, sah an der Straße einen Behinderten, der auf dem Boden krabbelte, auf allen Vieren, weil seine Beine völlig verkrüppelt waren. Er sah ihn, fuhr an die Seite und reichte diesem Menschen aus dem Auto einen Geldschein. Ich nahm an, es war ein 500 FMG-Schein, nicht viel, aber für ihn sicher mehr, als er entbehren konnte. (Ein Liter Diesel kostete 5520 FMG).
Wir saßen auf den Rücksitzen, sahen uns an und dachten an die gleichen Begriffe: Nächstenliebe und Mitgefühl.
Sebastian sagte später: „Jeder Mensch in Europa sollte solche Momente miterleben, vielleicht würde sich dann etwas ändern.“

Es gab auch Begegnungen, die uns glücklich machten. Momente, die man nicht vergaß.
Wir saßen im "Glacier" zum Mittagessen, als uns ein Mann vom Nachbartisch ansprach, ob wir Franzosen sind.
“Nein allemande."
“Aha, dann sprechen Sie auch deutsch, wie ich?"
Es war ein kleiner alter Mann, wir schätzten ihn auf 60. Wir kamen schnell ins Gespräch und er erzählte aus seinem Leben. Er war noch jung, wollte 1945 Berlin verteidigen, doch man schickte ihn nach Norwegen. „Vielleicht habe ich nur deshalb überlebt.“ meinte er. Nach dem Zusammenbruch des Deutschen reiches war er in der ganzen Welt unterwegs. Seit vielen Jahren lebte er in Madagaskar. Er war 76 Jahre alt!
Ein Mann gesellte sich zu ihm an den Tisch. Offenbar war Hans mit ihm verabredet.
“Ich hatte ein Gestüt mit vielen Pferden. Mein Freund Patrice hier ist Madagasse. Er hat bei mir früher gearbeitet, damals habe ich ihn aufgelesen, ihm einen Job gegeben. Heute sorgt er für mich. Er ist Sportfunktionär und hilft mir, wo er kann. Er ist ein wirklich guter Freund. Wenn ihr mal Schwierigkeiten habt, kann er euch helfen. Jetzt lebe ich in der Nähe von Antsirabe. Wo wollt ihr hin?“
“Wir wollen eine Firma in Majunga gründen, ein Internetcafe.“
“Ah, Majunga, da ist es schön, aber sehr heiß. Immer sehr heiß. Ihr dürft nicht ohne Kopfbedeckung laufen. Am besten einen Hut tragen oder eine Kappe.“
“Einen Hut?“ fragt Sebastian nach.
“Ja, einen Sonnenhut. Ihr seid sehr hellhäutig. Ihr braucht unbedingt einen Sonnenschutz.“
Hans erinnerte mich irgendwie an meinen Vater. Vielleicht war es das schüttere weiße Haar, oder die blauen Augen, oder auch seine Besorgnis oder die Art, wie er erzählte.
Sebastian macht ein Foto von ihnen. Wir konnten uns kaum losreißen. Es war schon nach wenigen Minuten das Gefühl der Vertrautheit zu diesem Mann da. Auch Sebastian empfand es so. Das war für uns beide sehr erstaunlich. Als wir dann aufbrachen, umarmten wir uns zum Abschied. Und wir versprachen ihm, das Foto zu schicken und anzurufen, wenn wir Hilfe brauchen.
Doch ich rief nie an.
Ich hatte seine Telefonnummer nicht mehr...

Silvester wollten wir im Hotel verbringen, denn uns wurde gesagt, im Hotel sei eine Silvesterparty.
Nun, es gab zwar eine Party im Keller, aber nicht für die Gäste. Es war eine private Party des Hotelbesitzers.
Basti und ich saßen im Speisesaal und hörten die Musik von unten, das Lachen und Jubeln.
Die Küche war geschlossen.
Es gab nichts. Mit Eau Vive (Wasser) und Cola erwarteten wir das neue Jahr. Der Fernseher lief und es war sterbenslangweilig.
Ich schrieb auf dem Laptop eine lange Mail an meine Freundin Cindy und feierte in Gedanken mit ihr.
Von Jan war seit seinem Abflug nicht viel zu hören. Er rief einmal abends an. Das war’s.

Das neue Jahr 2003!
Kein Feuerwerk! Nur betrunkenes Geschrei aus dem Keller. Keine Böller, keine Raketen, um das neue Jahr zu begrüßen.
Irgendwann gingen wir ins Bett. Ich war nicht traurig, innerlich spürte ich Einsamkeit, aber die war auch schon da, als Jan noch bei mir war.
Nun saß ich mit Basti und Katze in Madagaskar und wie würde es weiter gehen?
Würden wir es auch ohne Jan schaffen? Aber mein Traum sah doch etwas anders aus!
Wird er wiederkommen?
Werden wir einen neuen Anfang finden?

Neujahr. Im Hotel war die Küche geschlossen. Feiertag! Es gab keinen Kaffee, kein Frühstück. Das Küchenpersonal hatte frei. Ein nahe gelegenes Restaurant war ebenfalls geschlossen. Wir schoben Kohldampf am Neujahrsmittag. Also doch in die Stadt fahren? Lustlos sahen wir uns an. Mit dem Taxi fuhren wir zum Essen und anschließend gleich wieder zurück ins Hotel. Mit den Laptops lagen wir auf dem Bett in meinem Zimmer und erzählten. Solche Tage hatten nur einen Pluspunkt: Auch sie gingen irgendwann vorbei.

Der nächste Besuch im Internetcafe fiel enttäuschend aus. Keine Mail von Jan, keine Neujahrsgrüße. Ich schrieb Cindy, was sie besorgen sollte, damit es Jan mitbringen konnte. Ich wusste, da stimmt etwas nicht.
In einer Nacht drehte ich fast am durch. Ich weinte und wusste, es war entweder etwas passiert oder kaputt gegangen.
Ich sollte es bald erfahren…

Mit Sebastian fuhr ich fast jeden Tag in die City. Hitze, Staub und Abgase. Aber auch neue Eindrücke. Wir erfuhren, welche Dokumente notwendig waren, um die Zollpapiere für unsere Autos und den Hausrat, die mit dem Schiff bereits unterwegs waren, zu bekommen.
Es hieß, Umzugsgut sei zollfrei, nun ja, wir sammelten unsere Erfahrungen.
Das Spielchen ging wieder von vorn los.
“Kommen Sie am Dienstag, dann sind die Papiere fertig.“
“Kommen Sie am Donnerstag.“
“Nein, der Chef hat noch nicht unterschrieben, kommen Sie am Montag.“
Die Nerven wurden immer dünner.
Auch die Auskünfte, wann denn nun die Autos in Majunga ankommen würden, wurden immer konfuser.
“Diese Telefonnummer ist nicht die richtige, wir können keine Auskünfte erteilen.“
“Ihre Autos kommen entweder mit diesem Schiff oder mit jenem Schiff, genau wissen wir das nicht.“
“Rufen Sie in einer Woche noch mal an.“
“Ihre Autos sind schon im Hafen...“
“Nein, Ihre Autos sind noch in Reunion und werden erst nächste Woche verladen...“
Also WIR kamen uns ganz schön verladen vor.

In all dem Chaos bekamen wir eines Tages die Auskunft vom Ministerium für Finanzen, dass wir die Abmeldebestätigung vom Meldeamt in Deutschland brauchten, um den Hausrat als Umzugsgut zu deklarieren.
Nun, das war’s!
Wir hatten es versäumt, uns polizeilich abzumelden. Meine Recherche im Internet nach den Meldeämtern in Berlin war erfolgreich, Telefonnummern, Fax usw. konnte ich ermitteln.
“Fanja, wo kann ich nach Deutschland anrufen?“
„Wir müssen erst eine Karte kaufen mit Einheiten und dann können wir von einer Telefonzelle aus versuchen durchzukommen.“
“Gut, dann machen wir das.“
Nach etwa einer Stunde standen wir mit unserer Karte in einer Telefonzelle.

Cindys Handy war aus. Stimmt, sie hatte mir geschrieben, sie hat ein neues Handy und eine neue Rufnummer, doch diese kannte ich nicht. Ihr Ansagetext vom Anrufbeantworter war sehr lang, und verschlang meine Telefoneinheiten. Endlich das Piepzeichen. Ich sprach ihr auf den Anrufbeantworter und hoffte inständig, dass sie diese Nachricht noch abhört. Sie sollte versuchen Jan zu erreichen, damit er die Unterlagen mitbringen kann.
Auch auf Jans Anrufbeantworter hinterließ ich die Nachricht, dass es dringend sei, er sollte die Abmeldebescheinigungen mitbringen.
Mehr konnte ich nicht tun.
Nun mussten wir abwarten.



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Gabi
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Wohnort: Köln


Beitrag27.03.2008 22:41

von Gabi
Antworten mit Zitat

Hallo Angela!

Oh, ich ahne Schreckliches. Jan und Cindy.
Ich muss sagen, weiterhin verfolge ich gespannt die Geschichte und fühle mit dir. Puuh, ist das ein Abenteuer. Ich hoffe es geht noch lange nicht zu Ende. Wink

L.G.
Gabi

@Lore
Auch ich sitze wibbelig vor den Dauerbrennern und warte immer gespannt auf einen neuen Teil von Madagaskar. Aber es gefällt mir so gut, dass ich die Kommentare dazu glatt vergesse. Werde mir aber angewöhnen, wenigstens ein oder zwei Sätze zu schreiben, damit Angela weiß, dass ich noch da bin. Wink


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teccla
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Wohnort: Costa Blanca


Was suchst Du in Madagaskar?
Beitrag27.03.2008 22:44

von teccla
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Naja, Gabi, die Abenteuer kommen noch...

Danke für deinen KOmmentar.
Freut mich immer, wenn es Feedback gibt.

Liebe Grüsse
angela


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