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Teil 55 Von LKW und Palmendach


 
 
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teccla
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 66
Beiträge: 160
Wohnort: Costa Blanca


Was suchst Du in Madagaskar?
Beitrag15.01.2009 17:20
Teil 55 Von LKW und Palmendach
von teccla
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Es war mittlerweile November 2004.
GTZ Majunga meldete sich bei mir, wegen einer Webseite. Nun hatte ich wieder zu tun, aber diese Arbeit machte ich gern. Außerdem wollte ich diese Webseite als spätere Referenz nutzen.
Die Webseite für die GTZ wurde nach einiger Zeit fertig gestellt, doch der Leiter und ich konnten uns nicht über die vertraglichen Modalitäten einigen. Der Lohn war ausgehandelt. Ich wurde nicht bezahlt. Ich sollte einen Anstellungsvertrag unterzeichnen. Ich wollte keinen Vertrag, sondern den vereinbarten Lohn.
Die Webseite mit vielen Unterseiten war fertig, in vielen Stunden Arbeit erstellt. Doch ohne Gegenlohn, nahm ich sie wieder aus dem Internet.

Der Bau des Pavillons auf der Terrasse verzögert sich immer wieder. Der Tischler kam und dann kam er wieder nicht. Er bat er um Vorschuss, dann war er wieder drei Tage nicht zu sehen. Eines Tages meinte er, der Pavillon sei fertig. Wir waren da anderer Meinung. Hin und her. Immer wieder meinte er, er hätte mit Jan dieses und jenes abgesprochen. Jan konnte kein Französisch. Der Franzose regte sich auf. Wir wurden beide laut. Ich sagte ihm, um diese Auseinandersetzung endlich zu beenden, wenn er keine Lust mehr hat, soll er es sagen, dann nehme ich einen anderen Tischler und der bekommt dann den Rest des vereinbarten Geldes.
Nach einer Stunde Diskussion, auf die ich überhaupt keine Lust hatte, gab er klein bei. Er verpflichtete sich, den Pavillon fertig zu stellen, wie es abgesprochen war und bat wieder um Geld für Material. Ich sagte ihm, er soll erst den Pavillon fertig stellen, wie verabredet, dafür braucht er kein weiteres Material. Für Regale hatten wir noch Holz, das konnte man dann erst einmal verwenden. Zerknirscht sagte er zu, am Mittwoch zu kommen und alles an einem Tag fertig zu stellen.
Es wurde Mittwoch, doch kein Franzose in Sicht. Gegen 16.00 Uhr kam er und begann lustlos zu arbeiten. Da sagte ich ihm dann endlich, er muss nicht weiter arbeiten. Das war's. Wir machen den Rest selbst und ziehen es von dem Restbetrag ab, der ihm noch zu steht. Alles in allem wieder eine Lektion, die wir gelernt haben.


Der Pavillon im Bau

Immer wieder sah ich Häuser an. Dieses Jahr begann die Regenzeit früher, ich wollte noch vor der Regenzeit in ein anderes Haus umziehen. Doch was ich mir auch anschaute, entweder es war zu weit entfernt oder zu teuer oder oder. Es war nicht „DAS“ Haus dabei.

Die Rücklichter des LKW wurden gestohlen, fein säuberlich abmontiert. Wir mussten sie bestellen. Entweder wir kauften unsere eigenen Rücklichter zurück, oder bei einem anderen LKW würden diese Rücklichter plötzlich fehlen...So funktionierte nicht selten das Bestellsystem in den Werkstätten.

Die Diebstähle nahmen zu, so wie die Lage der Bevölkerung sich verschlechterte, trotzdem war die Kriminalität im ganzen Land nicht so hoch wie in einer europäischen Stadt.

Doch erschreckte es, wenn man von einigen Vorkommnissen hörte. Eine „Bildzeitung“ gab es hier nicht. Die hätte viel Stoff für Schlagzeilen. Man erzählte die Neuigkeiten noch von Mund zu Mund. So hatte ein Deutscher Streit mit seiner madagassischen Frau. Er hatte sie geschlagen. Am nächsten Tag kam ihr Bruder und schlug ihm mit einer Machete den Kopf ab. Brutal.

Oder Anfang des Jahres wurden drei Touristen am Rande der Stadt bei einer Wandertour überfallen. Ihnen wurden Schmuck und Bargeld im Wert von einigen tausend Euros abgenommen. Wir fragten uns, warum sie echten Schmuck und so viel Bargeld mit auf einen Tagesausflug in eine einsame Gegend nahmen. Ihnen wurde in Deutschland geraten, keine Wertsachen im Hotel zu lassen. So ein Unsinn! Dabei hatte fast jedes Hotel einen Safe.

Die Diebstähle hatten uns schon viel Zeit, Geld und Nerven gekostet. Meine Garderobe hatte auch stark abgenommen. Hängte ich 15 Kleidungsstücke auf zum Trocknen, waren 13 noch da, wenn ich sie abnehmen wollte. Doch ich hatte keine Zeit mich stundenlang auf den Wäscheplatz am Haus zu setzen, um auf die Wäsche auf zu passen.

Bei Alliance Francaise wechselte der Direktor. Der neue Direktor kaschierte seine anfängliche Unsicherheit mit Strenge und aufgesetzter Autorität, doch ging es um Entscheidungen, so berief er sich auf das Gremium. Seine Frau war ständig an seiner Seite und spielte Chefin. Mit ihrer schnippischen Art war sie nicht beliebt bei den Angestellten der Einrichtung, aber nach einigen Monaten wurde sie schwanger und war fortan mit dem Nachwuchs beschäftigt.

Dem neuen Direktor der Einrichtung gefiel der Mietvertrag nicht und auch die schriftlichen Vereinbarungen zum Ausbau der Räume und der Terrasse schienen ihm ein Dorn im Auge zu sein.
Er schien einen Grund zu suchen, um den Mietvertrag zu kündigen. Wir mussten auf der Hut sein.
Doch Jan ließ sich nicht beirren und provozierte weiterhin.

Ich dachte oft an Deutschland, an Berlin. Suchte Kontakte und Austausch im Internet.
Ich begann einem monatlichen Tagebuch ähnlich meine Erlebnisse im Internet zu veröffentlichen. Im Forum der Zeitschrift „Brigitte“ schrieb ich im „Schreiberlingforum“, ebenso in einem Forum für Autoren. Ich erhoffte mir Tipps, Hinweise und Hilfe, um an meinem Ausdruck und Stil zu arbeiten. Meine Erlebnisse wollte ich später mal in Form eines Romans niederschreiben.
Die Leser reagierten positiv auf meine Berichte und einige besuchten mich sogar in Mahajanga.

Doch dachte ich an das Leben in Deutschland, überfiel mich Traurigkeit.
Nein, das war keine Alternative mehr für mich.
Die Gefühle an die einstige Heimat waren ähnlich dem Empfinden für einen Liebhaber, den man liebt, aber mit dem man nicht leben kann. Aus der Ferne lieben, das war okay. Da war diese Zerissenheit aus Sehnsucht und Traurigkeit und andererseits das Wissen, es geht nicht mehr. Es würde nie wieder so sein.

Solche Gedanken zündeten einmal mehr den Funken, der das Feuer entfachte, für die Zukunft zu sorgen, Träume wahr zu machen -ohne „wenn“ und „aber“- und im Jetzt das Glück zu leben.
Carpe diem.

In unserem Geschäft zog die Routine ein.
Unser Terrassencafe wurde zum Treffpunkt der VIP's.
So konnte ich dem Sohn des Königs der Sakalafas die Hand zur Begrüßung drücken oder bekannten Sängern und Musikern. Auf der Terrasse wurden Musikvideos gedreht. Es war eine begehrte Kulisse auch für Werbevideos.


Das Internetcafe

Es war schick bei uns zu sitzen. Wir wurden landesweit empfohlen.
Immer wieder kamen Gäste und erzählten, wo ihnen empfohlen wurde, unbedingt bei uns einzukehren. Ein Ehepaar, Weltreisende, die an einem Reiseratgeber arbeiteten, wollten uns in ihr Buch aufnehmen.
Anerkennung schlug uns entgegen.


Das Terrassencafe

Fanja aus Tana rief an. Sie hatte einige Interessenten für den LKW. Ihr Mann kam nach Mahajanga, um den LKW abzuholen. Sebastian fuhr mit ihm mit. Als nach einigen Wochen die Nachricht kam, dass ein Käufer gefunden wurde, fuhr ich nach Antananarivo.

Die Fahrt in die Hauptstadt war wieder einmal außergewöhnlich. Die Brandrodung war zwar in Madagaskar mittlerweile verboten, doch immer wieder sah man gegen Abend den Feuerschein zum Himmel lodern. Es wurden riesige Flächen abgebrannt. So fuhr unser kleiner Überlandreisebus in der Nacht auch durch so ein brennendes Gebiet.
Links und rechts brannte alles. Flammen schlugen hoch in den Himmel, loderten über den schmalen Weg. Doch der Bus fuhr mitten durch. Wir schlossen die Fenster. Der beißende Rauch ließ die Mitreisenden husten. Der Fahrer gab Gas, so hatte der Feuerteufel keine Zeit, das Gepäck auf dem Dach des Busses nicht in Mitleidenschaft zu ziehen.

Ich kam gut in Tana an und wir trafen uns mit Fanja. Der Vertragsabschluss und die Übergabe der Kaufsumme dauerte einen ganzen Tag.
Während wir im Auto saßen und auf den Käufer warteten, trat eine Frau mit einem Baby auf dem Arm an unser Fenster, sprach mit Fanja und deutete immer wieder auf mich. Hielt ihr Kind so hin, als sollte ich es ansehen und beurteilen. Wie mir Sebastian übersetzte, bot sie mir ihr Kind zum Kauf an. Es sollte knappe 400 Euro kosten. Ich war erschüttert.

Kinder auf Madagaskar - Fotoserie

Wir fuhren erst einen Tag später zurück nach Mahajanga. Denn einen Tag lang wollten wir noch shoppen gehen und Freunde treffen. Wohin mit dem Geld?
Die 86 Mio madagassische France (ca. 8000 Euro) füllten eine Plastiktüte. Wohin damit in einem drittklassigen Hotel? Wir schmissen sie auf einen zwei Meter hohen Schrank. Jedes Mal, wenn wir das Hotelzimmer betraten, ging der Blick zum Schrank, ob die Tüte noch da ist.
Mit diesem großen Betrag stiegen wir auch in den Überlandreisebus. Allerdings packte ich auf die Geldbündel noch jede Menge dreckige Wäsche und Gemüse. Bei einem Überfall würde man zuerst die Reisetasche durchsuchen.

Als wir nach 3 aufregenden Tagen aus Tana zurück kamen, war der Pavillon noch immer nicht fertig. Unsere Angestellten besorgten nun Männer, die den Pavillon fertig stellten.
Er wurde noch vor dem Weihnachtsfest fertig. Ein Tischler sorgte für die von Jan gewünschten Regale und Halterungen für Gläser.
Der Boden wurde gefliest und extra Arbeitsflächen wurden gemauert und gefliest. Der amerikanische Kühlschrank mit Ice-crrusher wurde eingebaut. Beleuchtung gelegt. Das Dach aus Palisanderholz mit Palmenblätter bedeckt.


Der fertige Pavillon mit Gina, unserer Kellnerin

Eines Abends, als Jan wieder seiner Wege ging, saß ich mit einer Deutschen zusammen. Wir unterhielten und tranken einige Gläser Pina Colada, die Jean Yes excellent zubereiten wusste. Plötzlich sprudelte aus mir der Kummer heraus, machte ich meinem Herzen Luft. Sie hörte sich alles an und gab mir dann diesen Satz mit auf den Weg: “Es wurde noch keine Frau geliebt, nur weil sie ein Geschäft aufbaut oder einen LKW verkauft...“
Ja, sie hatte Recht und wie sie Recht hatte.



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