Happy Bärsday!

[Margarete59]

Geschichten aus dem alltäglichen Schulwahnsinn, die sich so oder so ähnlich zugetragen haben. Nichts als die unreine Wahrheit.

Happy Bärsday!
     
     Welches ist der wichtigste Tag im Leben eines Grundschülers? Einschulung, Ferienbeginn, Wandertag, Weihnachten?
Nichts von allem kann ein immer wiederkehrendes, sehnsüchtig erwartetes Ereignis toppen: Der eigene Geburtstag! Da werden schon Wochen zuvor die Tage, bzw. Nächte gezählt und je näher das Freudenfest rückt, desto weniger kann das Kind stillstehen oder sich auf etwas anderes konzentrieren.
Schließlich wird es an diesem Tag der wichtigste und liebenswerteste Mensch auf der ganzen Welt sein, der von allen beglückwünscht, gedrückt und beschenkt wird, einfach weil er da ist.
»Wie schön, dass du geboren bist.« Da steht einen Moment lang die Zeit still und die Sonne scheint nur für dich.
Und genauso empfindet es an diesem schönen Morgen die zierliche Chanel, die strahlend in der Tür steht. Sie steckt in einem rosa weißen Traum aus Tüll und Glitzer. Zusammen mit ihrer weniger zierlichen Mutter und einer riesigen Torte füllen sie den gesamten Türrahmen aus.
Gleich nach der Begrüßung ehren wir das Geburtstagskind mit unserem Lied, das inzwischen endlos viele Strophen hat. Jeder kennt es.
Auf  einem  Bild,  welches  mir  eine  Schülerin mal schenkte, sah der Text so aus: Häpie bürstie! Mein Rotstift bekam einen Tinteninfarkt und verabschiedete sich.
Wir singen aber auch: Schwajösani versä, Tante Guri a Tee, Kompleanjos Verlies und je nach Herkunft und Zusammensetzung der Klasse das Ganze noch auf türkisch, albanisch, russisch und arabisch. Ach ja, hätte ich fast vergessen, wir singen natürlich auch die deutsche Version.
Heute klopft es schon während der italienischen Strophe an  der Tür und ein Zweitklässler kommt mit Arbeitsheft und Mäppchen herein.
»Ich bin aufgeteilt«, sagt er in eine Singpause hinein. Gerne würde ich antworten: »Dafür siehst du aber noch ziemlich komplett aus!« Aber erstens kommt jetzt die spanische Strophe und zweitens darf man Zweitklässlern gegenüber noch nicht ironisch sein.
Bis wir alle Strophen gesungen haben, hat sich die Anzahl der aufgeteilten Kinder vervierfacht und ich schiebe am hinteren Tisch die edle Torte und sechs Flaschen Multivitaminsaft zur Seite, damit unsere Gäste Platz haben.
Jetzt überreiche ich Chanel,  die  immer  noch  eine leuchtende Aura um sich herum verbreitet, mein Geschenk (es ist natürlich ein Bärchen) und setze sie auf  den  lila lackierten, mit  viel  Glitzer versehenen Ehrenstuhl.  Dann  kann  der  Unterricht beginnen.
In einer  Einführung  erkläre  ich  den Viertklässlern mithilfe einiger anschaulicher Bilder wie die Wirkung von Adjektiven noch verstärkt werden kann, indem man sie mit einem Nomen verbindet. Nach ein paar Beispielen bilden die Kinder nun eifrig zusammengesetzte Adjektive wie messerscharf, eiskalt und kinderleicht.
Ich schlendere durch die Reihen und gebe Tipps.
Chanel hat nach einem kreativen Schub schon mal die Wörter ‚schweinekalt‘ und ‚rattenscharf‘ notiert. Nun ja, den Sinn der Übung hat sie eindeutig begriffen.
Benni hält zweifelnd das Bildchen mit den Kindern in der Hand und fragt, ob es das Wort kinderscharf gibt, das Messer hat er bereits dem Wort kalt zugeordnet. Ich helfe gern.
Immer wieder fällt mein Blick auf das cremig süße, mit rosaroten Marshmallows dekorierte Ungetüm von Torte und auch ich gerate ins Zweifeln.
Kurz vor der großen Pause frage ich Chanel, wie wir den Kuchen verteilen wollen. Sie zeigt auf eine große Plastiktüte neben ihrem Schulranzen und erklärt: »Die Mama hat Elsa-Teller und Becher eingepackt.« Leider finde ich in der Tüte weder Teller noch Messer oder gar einen Tortenheber, sondern nur die Becher und kleine bunte Eislöffel. Besser als nichts.
Ich kombiniere messerscharf. Eiskalt schaufele ich mit einem großen Löffel Tortenmasse in die Elsa-Becher als wären es Eistüten und stecke die Plastik-Löffelchen hinein. Geht kinderleicht.
Aber das, was von dem einst so prächtigen Backwerk übrigbleibt, lässt sich auch mit zusammengesetzten Adjektiven nur unzureichend beschreiben. Vielleicht mordskatastrophal oder monstervermatscht?

[Struwwelpeter]

Niedlich. Kurzweilig. Ganz subtil mit Schulwahnsinn-Zuckerguss garniert. Eine runde Sache. Und als Lehrerin fühle ich mich besonders angesprochen. :D

[Arminius]

Wie die Currywurst ein sehr launiger Einstand. Hat man schon irgendwie selbst erlebt, daher plausibel und authentisch. Handwerklich OK.
Gern gelesen!
Arminius

[Margarete59]