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Sibylle oder die schwarze Schnecke


 
 
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wunderkerze
Eselsohr
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Beitrag10.12.2023 21:03
Sibylle oder die schwarze Schnecke
von wunderkerze
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1
   Die Hand verharrte auf halber Höhe, der Cognac blieb ungetrunken, die dunkle Stelle auf der weiß gekachelten Küchenwand bewegte sich fast unmerklich weiter. Er fixierte die Stelle scharf; seine grünen Augen waren starr auf den Fleck gerichtet, als würden sie sich nur auf Befehl bewegen. Kein Zweifel: Der Fleck kroch langsam, aber zielstrebig die Wand hoch.
   Ulf Schönboom, Jahrgang 1976, kippte den Cognac, stellte das Glas ab, stand auf und sah sich die Stelle genauer an. Zuweilen, wenn man lange genug hinstarrt und besonders, wenn man nicht mehr ganz nüchtern ist, bewegen sich manche Dinge, die man bisher für unbeweglich gehalten hat; zum Beispiel ein Fleck an der Wand, ein Tapetenmuster, die Deckenlampe, der Kühlschrank. Doch nein, dies war keine optische Täuschung. Was er sah war eine winzige fahlgraue Nacktschnecke, etwa zwei Zentimeter lang, ein Scheckenbaby, das gerade dabei war, den unsichtbaren Film aus Blütenpollen, Pilzsporen, Bakterien und dergleichen abzuweiden, der sich unweigerlich auf den Kacheln eines Feuchtraums niederschlägt. Schönboom versuchte, das Tierchen behutsam mit einem Papiertuch zu entfernen. Doch die Schnecke saß auf der Kachel wie festgeklebt. Endlich gelang es ihm, indem er sie zerdrückt von der Kachel wischte.
   Es war jetzt zwei Uhr dreißig. Schönboom machte sich bettfein und ging schlafen.

                                                                                2
   Am anderen Morgen – es war ein Sonnabend – frühstückte er ausgiebig mit Kaffee, Rührei und Schinken. Dann machte sich an den Abwasch, der sich schon seit knapp einer Woche auf der Spüle türmte wie ein Haufen zerquetschtes Alteisen auf einem Schrottplatz. Um Raum für das Spülwasser zu gewinnen, nahm er das gebrauchte Geschirr aus dem Spülbecken. Plötzlich zuckte er zurück. Unter einem der Teller kauerten, von feucht-warmer Dunkelheit behütet, drei Nacktschnecken, allerdings jetzt nicht mehr im Baby-Format, sondern Teenager.  Er stöpselte zu und ließ kochendheißes Wasser ein. Mit Funken grausamer Rache in den Augen beobachtete er, wie sich die Tiere zunächst zusammenzogen und dann langsam aufquollen.

  Schönboom ließ Abwasch Abwasch sein, setzte sich an den Küchentisch, trank den Kaffeerest aus und blickte bekümmert vor sich hin. Dabei bemerkte er einen schmalen silbrigen Streifen, der sich über die Tischplatte zog und im Brotkorb verschwand. Er wusste sofort: Die trockene Kriechspur einer Schnecke. Er zog den Korb heran und blickte hinein; auf dem geblümten Deckchen, das ein Durchkrümeln verhindern sollte, fand sich ein Gewirr dieser silbrigen Bänder.
   Misstrauisch geworden durchsuchte er die Küche nach weiteren Spuren; er entdeckte sie auf der Anrichte, auf der Bastmatte vor der Spüle, auf einem Sitzkissen; so fein, dass sie bei Berührung auseinander fielen. „Sie benutzen meine Abwesenheit“, murmelte er mit steinerner Miene, „um hier weiter ihr ekelhaftes Unwesen zu treiben.“    
   Die Frage war jetzt: Wie kommen diese Schnecken, die er schon häufig im Garten, besonders nach Regenfällen, mit Widerwillen beobachtet hatte, in seine Küche? Die Biester spazieren doch nicht in einem unbeobachteten Augenblick durch eine geöffnete Tür. Außerdem hatte die Küche gar keinen Gartenzugang.  Also musste es geheime Wege geben, die ihm bisher verborgen geblieben waren.
   Er dachte über Möglichkeiten nach. Ein Riss im Mauerwerk? Im Fußboden? Ein undichtes Fenster? Solche Tiere können sich ja durch die engsten Ritzen zwängen. Aber einen Spalt oder dergleichen hatte er noch nirgendwo bemerkt. Um ganz sicher zu sein, kroch er auf allen Vieren auf den Fliesen herum und spähte Ecken und Hohlräume aus. Nichts. Schönboom setzte sich wieder und spekulierte weiter. Vielleicht kamen sie ja aus dem Abfluss der Spüle, der einzigen Öffnung weit und breit? Wäre doch möglich. Die Drainage lief durch den Garten, eine undichte Stelle, ein unentdeckter Rohrbruch . . . Unsinn, schalt er sich, das heiße Spülwasser . . . Oder doch? Jetzt ging ihm siedendheiß auf, dass er die Spüle tagelang nur benutzte, um Kaffeewasser einzufüllen. „Verdammt!“, rief er, „ja, das ist es!“ Er drehte den Heißwasserhahn bis zum Anschlag auf und beobachtete mit sieghaftem Grinsen, wie das dampfende Nass durch den Abfluss strudelte und mit röchelndem Geräusch versiegte. „So, Sibylle“, grunzte er, „hättste nich jedacht, was?“
   Er nahm sich vor, von jetzt ab jeden Tag heiß abzuwaschen.

   Schönboom zog Jogginganzug und -schuhe an und machte sich auf den Weg. Doch bereits nach ein paar hundert Metern kehrte er wieder um; eine zu Brei zertretene Nacktschnecke vermieste ihm die Lust am Laufen. Zuhause setzte er sich auf die Bank im Garten und begann zu grübeln.

                                                                                   3
    . . . Dabei hatte es doch so vielversprechend angefangen . . . Die Klettercamps in den Dolomiten, die Paddelbootfahrten über die masurischen Seen, die Radtouren durchs Weserbergland, das gemeinsame Pläneschmieden . . .
   . . . Doch dann, auch an einem Sonnabend, war eine Bekannte seiner Frau zu Besuch gekommen; man saß an der gedeckten Kaffeetafel, lachte und schwatzte so heftig, dass sich die Spatzen im Garten ängstlich die Ohren zuhielten. Die Frau, nicht jung, nicht alt, bunt wie ein Kirchenfenster, erzählte von ihren gescheiterten Ehen; bei jeder Scheidung, flötete sie, sei sie ärmer geworden. Inzwischen sei sie so gut wie pleite. Plötzlich lachte seine Frau hell auf. „Dann hast du etwas falsch gemacht, meine Liebe!“, rief sie, „man heiratet doch nicht um ärmer, sondern um reicher zu werden.“ Damit war der Teufel aus der Flasche. „Ach so“, rief er, „du hast mich also nur geheiratet, um an mein Geld zu kommen!“ Wütend sprang er auf – „nicht einen Cent bekommst du, nicht einen müden Cent!“ –  und lief aus dem Zimmer.
   Das Misstrauen war gesät (denn er war wirklich vermögend). Sie nahm übel, er nahm übel, zu einer Aussprache kam es nicht. Bald glich ihre Ehe einer Beziehung zwischen Igel und Stachelschwein: Immer öfter vergifteten böse Sticheleien ihren Alltag.
   Und es blieb nicht bei verbalen Verletzungen.
   Da war zum Beispiel das makabre Schauspiel, wenn seine Frau einen Apfel aß. Sie schlug ihre Zähne in die Frucht und riss sie auseinander – krach –, kaute mit halboffenem Mund – hrmpf – hrmpf. Der Saft lief ihr übers Kinn, tropfte auf ihre Bluse . . . Für einen Menschen seiner Erziehung eine schwer zu ertragene Provokation.
   „Sibylle, du hast mich nie wirklich geliebt“, murmelte er jetzt, „leugnen ist zwecklos. Es war eine reine Geldheirat. Du wolltest an meine Kröten, ich wollte Kinder. Beides hat nicht geklappt.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich war gutgläubig wie ein Wickelkind. Merkte nicht, warum du unbedingt sofort heiraten wolltest, nachdem wir uns kaum kennengelernt hatten. Und als ich es merkte, war es zu spät.“
   Schönboom beobachtete eine Amsel, die einen Regenwurm aus seiner Röhre zerrte. „Du hieltest mich für einen Wurm, den man aus seinem Loch ziehen und gemütlich verspeisen kann. Falsch. Ich bin kein Wurm. Ich bin ein Zitronenfalter, der weg fliegt, wenn man ihm zu nahe kommt.“

   Dann kam der Tag, an dem er die beiden winzigen Schnecken in der Gemüsesuppe entdeckte. Sofort legte er den Löffel beiseite und rief: „Sibylle, was soll das? Willst du mir den Appetit verderben?“ Um der Situation die Spitze zu nehmen, witzelte er: „Du weißt doch, ich esse kein Fleisch.“ Aber der Witz traf nicht.
   Doch, sie wollte ihm den Appetit verderben. So sah es wohl aus. In den nächsten Wochen häuften sich die tierischen Sticheleien: Fruchtfliegen im Apfelmus, Maden im Himbeerkompott, Würmer im Fisch, Käfer in den Salzkartoffeln. Und immer wieder Schnecken im Salat. Seine Frau aß mit sichtlich gutem Hunger. „Stell dich nicht so an“, schimpfte sie frech, wenn er wieder einmal mit hohlem Magen auf seinen Teller starrte, „Schnecken im Salat erhöhen dessen Nährwert.“
   Und so ging es weiter. Nicht jeden Tag und auch nicht jede Woche, doch so oft, dass er allmählich das häusliche Essen verlernte. Er magerte ab, wurde schmal wie ein abgelaichter Hering. Wenn er im Amt gegessen hatte, stellte ihn seine Frau abends mit angewidertem Gesicht zur Rede. „Was denkst du wohl, warum ich hier hinterm Kochtopf stehe und schwitze wie eine gemeine Küchenmagd!“, schrie sie ihn an. „Glaubst du, mir macht das Spaß?“
   „Dann lass es doch“, sagte er matt. Jetzt ging es erst richtig los. Er hielt sich die Ohren zu und lief hinaus.
   Ja, seine Frau war eine Furie mit Drahthaaren auf den Zähnen. Aber noch mehr als Tausend solcher Furien fürchtete er die Einsamkeit. Und streckenweise war das Leben mit ihr auch halbwegs erträglich.    
   Dann, vor etwa einem halben Jahr, kam seine Frau bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben. Ein alkoholisierter Autofahrer stieß sie vom Rad, direkt unter die Reifen eines LKW.
      Nach einigen Wochen großer Verwirrung fühlte er wieder Ruhe und Frieden in sich. Sogar das Essen schmeckte. Von Einsamkeit keine Spur, von Schnecken im Salat auch nicht.
   Doch jetzt waren wieder Schnecken im Haus; zwar nicht im Salat, aber auf dem Küchentisch.
   Schönboom schloss die Augen. Soll diese Qual denn nie enden?
   Inzwischen waren ihm Schnecken, besonders diese unbehaust-glitschig-nackten, zum Inbegriff allen  Animalisch-Ekelhaften geworden.

  Da sich das Wetter von seiner besten Seite zeigte, der Tag noch jung war und zu schade zum Vergrübeln, rief er bei Jens Meister, einem Freund noch aus Studientagen, an. „Hei, Jens, alter Knabe!“, rief er munter, „Lust auf ´ne Radtour, so ein, zwei Stündchen? Muss dir unbedingt was erzählen. Gut. Ich schlag den Alten Treidelweg vor und dann schau´n wir mal . . .  Fein! Wenn du soweit bist, komm doch einfach vorbei.“
Forts. folgt

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wunderkerze
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Arminius
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Beitrag11.12.2023 10:38

von Arminius
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Spannende Geschichte und lebendig erzählt. Hat mir Lust gemacht auf die Fortsetzung.
Stellen, die mit besonders gefallen haben:
wie ein Haufen zerquetschtes Alteisen auf einem Schrottplatz, bunt wie ein Kirchenfenster, Furie mit Drahthaaren auf den Zähnen Daumen hoch
Kleiner Tippfehler im ersten Absatz: Scheckenbaby


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wunderkerze
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Beitrag11.12.2023 15:10

von wunderkerze
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Hallo Arminius,
danke für dein Feedback und den Hinweis auf den Tippfehler.


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wunderkerze
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hobbes
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Beitrag11.12.2023 16:16

von hobbes
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Hallo wunderkerze,

ich habe dir bei deiner Antwort auf Arminius das Fortsetzungshäkchen entfernt.

Deine Geschichte habe ich gern gelesen, also na ja gern, igitt, habe ich zwischendurch des öfteren gedacht, aber das lag in der Natur der Sache, ich bin kein großer Fan von Nacktschnecken (wer ist das schon?).
Zwischendurch war ich ein bisschen verwirrt, aber ich warte mal die weiteren Teile ab, um herauszufinden, ob ich die Verwirrung hier breittrete, oder ob sie sich beim Weiterlesen von selbst auflöst.


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wohe
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Beitrag13.12.2023 18:20

von wohe
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Zeierlei:
- Ein dummer Spruch (reich heiraten) und die Ehe geht in die Brüche. Hm, ist das nicht etwas übertrieben?
- Seine Frau isst das Ungeziefer? Passiert das wirklich oder nur in seiner Vorstellung?
Ansonsten:
Hobbes hat recht: Nacktschnecken sind ziemlich ekelig (finde ich jedenfalls auch) - Igitt!
Dennoch schreit die Geschichte nach der Fortsetzung. Gut geschrieben ist sie auf alle Fälle. Der Stil gefällt mir (gut "show", wenig "tell") und spannend ist sie auch.
MfG Wohe
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wunderkerze
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Beitrag16.12.2023 15:51

von wunderkerze
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Hallo hobbes,
hallo wohe,
vielen Dank für eure Anmerkungen. Ich verspreche, es wird noch "ekeliger".

Der "dumme Spruch" . . . Ich erinnerte mich an ein Gepräch am Teetisch. Eine Bekannte sagte: "Ich war dreimal verheiratet und bin dabei immer ärmer geworden", worauf eine andere bemerkte: "Aber man heitaret doch, um reicher zu werden!" Hier deckt sich die Realität mit der Fabel. Außerdem geht die Ehe ja nicht an dem Spruch zugrunde sondern an dem, was folgt. Wer diese Geschichte liest wird feststellen, dass manches im Alltagsleben unwahrscheinlich wäre. Ich denke aber, die Frage ist nicht, ob es übertrieben oder unewahrscheinlich ist, sondern ob es im Sinne der Fabel vertretbar ist.
Aber das sind nur so meine Gedanken . . .
LG


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hobbes
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Beitrag16.12.2023 16:24

von hobbes
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Du hast es schon wieder getan Very Happy Wenn du hier einfach nur auf Beiträge antwortest, bitte nicht den Fortsetzungshaken setzen. Das erleichtert später denen das Lesen, die von einem Teil deiner Geschichte zum nächsten springen wollen.

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abentroth
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Beitrag17.12.2023 11:45
Re: Sibylle oder die schwarze Schnecke
von abentroth
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wunderkerze hat Folgendes geschrieben:
Sibylle oder die schwarze Schnecke
Erinnert mich ein wenig an Stephen King - nicht vom Stil her, eher durch die allmähliche Wandlung gewohnter Realität in etwas anderes - und durchaus Gruseliges. Insofern empfand ich die nacktschneckensalatverzehrende Gattin als durchaus passend. Die Szene hat bei mir kein "Wer macht das denn?" ausgelöst, sondern eher ein "Ups! Was ist denn da los?".

Gerne gelesen, bin gespannt, wie's weitergeht.

Gruß,
abentroth
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Haro
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Beitrag17.12.2023 14:35

von Haro
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Für Weihnachten fast zu gruselig. smile
Hat mir gut gefallen. Spannend. Schräg. Nacktschnecken zu nehmen bringt in der Tat ein King-Moment in die Geschichte. Eigentlich zu langsam für irgendwas, aber man ahnt, dass da noch was kommt!
Bin gespannt wie es weitergeht.
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wunderkerze
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Beitrag17.12.2023 17:44

von wunderkerze
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4
   Der Alte Treidelweg, ein mittelalterlicher Pfad fußläufiger Lastkahnschlepper, hatte sich inzwischen zu einer beliebten Radler-Route entwickelt. Er lag ja auch sowas von idyllisch; rechts der Fluss, schilf- und weidenbesäumt; dahinter glückliche Kühe auf fetten Gründen; blühende Wiesen unter heiterstem Himmel; in der Ferne sanfte Hügel mit in der Sonne blitzenden Kiefernwäldern; in luftiger Höhe tirilierende Lerchen. Links nochmal das gleiche.
   Nach einer Stunde strammen Tretens sagte Schönboom: „Lass uns am Aalkrug haltmachen, ich geb ein Bier aus.“
   Der Aalkrug, ein Speiselokal mit Biergarten und zwei riesigen blühenden Kastanien davor, war vermutlich ebenso alt wie der Weg. Es dauerte auch nicht lange, da trippelte eine kurz berockte Kellnerin mit schnippischem Blick herbei. „Die Herren wünschen?“
   „Nun erzähl“, sagte Meister, als die Frau mit ihren Getränkewünschen hüftschwingend davon getrippelt war, „was hast du auf dem Herzen?“
   „Du erinnerst dich doch sicher noch an die Salate mit Schneckeneinlage“, sagte Schönboom, „die mir Sibylle ab und zu vorsetzte. Von dem anderen Ungeziefer in meinem Essen will ich nicht reden. Könnte jetzt noch unter den Tisch kotzen wenn ich daran denke.“
   „Ja freilich! Du hast dich ja oft genug bei mir ausgeheult.“ Der Freund schüttelte den Kopf. „Weißt du, was ich mich damals immer gefragt habe, wenn du wie ein geprügelter Hund wieder abzogst?“
   „Na?“
   „Warum du dir das überhaupt hast bieten lassen. Warum hast du nicht mal kräftig mit der Faust auf den Tisch geklopft und gebrüllt: Verdammt nochmal, jetzt reicht´s! Noch eine Schnecke im Salat, und wir sind getrennte Leute!“
   Die Alster kamen; sie prosteten sich zu und tranken.
   „Hmmm . . . ahhh . . . herrlich“, stöhnte Schönboom und wischte sich mit dem Handrücken den Schaum vom Mund, „so ein kühles –“
   Meister lachte herzhaft. „Komm, komm, mein Lieber, nun weich nicht aus. Also, warum? Warum hast du dich nicht gewehrt? Du warst doch nicht in der beschissenen Lage, auf das Geld deiner Frau angewiesen zu sein. Im Gegenteil, du hast doch selbst übergenug.“
   Schönboom fuhr auf. „Das Geld, das Geld, das Geld!“, rief er in gesteigerter Lautstärke, „immer das verdammte Geld!“
    „Warum schreist du denn so?“, fuhr ihn Meister an, „die Leute gucken schon!“
   „Lass sie doch gucken.“
   Schönboom saß da, geduckt wie eine Taube mit Fieber. „Ja, warum hab ich mich nicht gewehrt. Im Grunde war es ganz einfach. Ich hab´s versucht, aber ich konnte nicht. Ein paarmal, wenn sich wieder so ein ekliges Ungeziefer in meiner Nachspeise krümmte, rannte ich aus dem Haus und hab mich in einem Hotel einquartiert. Nach ein paar Tagen war ich wieder zurück. Ich fühlte mich irgendwie halbiert, als hätte man mir das Herz aus der Brust gerissen. Ich konnte einfach nicht alleine sein. Irgendetwas in meinem Inneren warnte mich. Geh zurück, flüsterte es, du hältst das Alleinsein auf die Dauer nicht aus. Und ich ging zurück.“   
   „Dann war der Leidensdruck eben noch nicht hoch genug“, wand  Meister ein.
   „Doch war er“, erwiderte Schönboom. „Jeder normale Mann hätte vermutlich das Weite gesucht. Aber ich bin eben nicht normal.“
   Meister runzelte die Stirn. „Erzähl mir nichts vom Storch! Nimm es mir nicht übel, wenn ich das jetzt so sage, du bist ein ganz normales Weichei.“
   „Ich nehm´s dir nicht übel, schließlich sind wir Freunde, und in gewisser Weise stimmt´s ja, aber anders als du denkst.“
   „Was dank ich denn?“
   „Du denkst, der Loser hat sich von seiner Frau unterbuttern lassen wie das letzte Arschloch.“
   „Und, stimmt´s nicht?“
   „Nur teilweise. Nicht Sibylle hat mich untergebuttert, sondern mein Über-Ich.“
   „Soso, dein Über-Ich.“ Um Meisters schmale Lippen zitterte ein verhaltenes Grinsen. „Das solltest du mir genauer erklären.“
   Schönboom strich sich durch seine strohblonden Haare und dachte eine Weile nach. Dann sagte er: „Was ich dir jetzt erzähle, hab ich noch niemandem erzählt, noch nicht einmal, bis auf ein paar vage Andeutungen, Sibylle. Als ich acht oder neun Jahre alt war, quälten mich furchtbare Verlustängste, besonders nachts, wenn meine Eltern mal aus waren. Ich versuchte mich abzulenken, sah mir Comics an, wanderte durch die Wohnung, vergrub mich unter der Bettdecke – nichts half, immer drängender wurde die Angst, meinen Eltern könnte etwas zugestoßen sein. Schließlich wurde der Wahn so stark, dass ich hinunter auf die Straße lief, im Schlafanzug und mitten im Winter, und wildfremde Leute fragte, ob sie wüssten, wann meine Eltern wieder nach Hause kämen. Das Ergebnis war eine kräftige Erkältung.
   Ein Nachbar erzählte es meiner Mutter; sie nahm mich beiseite und befragte mich; ich druckste herum, denn was sollte ich ihr sagen? Dass sie, wie mein Vater eine blendende Tänzernatur, zuhause bleiben sollte?“
   Schönboom trank einen Schluck. „Mein Gott, unsere Eltern waren noch jung, und mein Bruder und ich in einem Alter, wo man eigentlich schon mal ein paar Stunden allein bleiben kann, ohne dass gleich die Welt unterging. Wir –“
   Meister unterbrach ihn. „Also schwere Verlustängste. Sieht mir alles nach Mangel an mütterlicher Zuneigung in früher Kindheit aus.“
   „Würde ich auch denken, wenn nicht mein Bruder wie ein narkotisierter Engel tief und fest schlief, während ich meine Angst aus dem Fenster hinaus schrie. Nein, nein, mein Lieber, mein Bruder und ich, wir wurden in demselben Stall groß, und, verdammt nochmal, warum litt nur ich, und nicht er auch? Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Mutter mich vernachlässigt hätte.“
   „Das mit dem Erinnern ist so eine Sache. Diese . . . Solche Defizite wirken meist in den ersten Lebensjahren besonders stark.“
   „Wie dem auch sei . . . Ich bin nun mal so und kann es nicht ändern. Jedenfalls ist das der Grund, warum ich nicht von Sibylle wegkam.“
   „Und jetzt? Sind die Verlustängste wieder da?“
   Schönboom klopfte auf den Tisch. „Toi toi toi, bisher noch nicht. Mein Über-Ich nimmt wohl gerade eine Auszeit.“ Er winkte der Kellnerin. „Frollein, zahlen!“
  
                                                                           5
      Schönboom stieg aus der Dusche und langte nach seinem Handtuch. Quer über das Tuch zog sich ein schmaler, silbriger Streifen: Die bekannte Schneckenspur. Wütend warf er das Handtuch auf den Boden und angelte sich ein anderes. Auch darauf hatten sich Schnecken getummelt; an mehreren Stellen glitzerten Spuren, und zwar kreuz und quer; es sah aus, als hätten sich die Tiere einen Kampf geliefert. Erst das dritte Tuch war spurenfrei.

   Angenehm duftend fläzte sich Schönboom auf die Couch im Wohnzimmer, ließ eine Flasche Bier aufknallen und stellte den Fernseher an. Nach kurzer Zeit war er eingeschlafen. Als er wieder aufwachte, zeigte die Uhr kurz vor drei. Er stand auf und ging ins Badezimmer. Dabei kam er an der geöffneten Küchentür vorbei. Auf dem Boden krochen zwei dicke Nacktschnecken langsam auf ihn zu.
     Im Nu war alle Schläfrigkeit verflogen. Schönboom stand wie zur Salzsäule erstarrt. Um seine Mundwinkel zuckte es krampfhaft. Mit allem hatte er gerechnet, nur nicht damit, dass Sibylle ihn auch noch nach ihrem Tod auf solch perfide Weise verfolgen würde.
   Ein nie gekannter Zorn überkam ihn. „Es reicht!“, schrie er, stürzte auf die Schnecken zu und versuchte, sie zu zertreten. Doch die erwiesen sich als unerwartet zäh. Mehrmals flutschten sie unter seinen von tausend Schritten glatt geriebenen Pantoffelsohlen weg und kugelten sich, Schleim ausstoßend, ab. Wütend bedeckte er eines der Tiere mit einem Stück Küchenpapier und trat kräftig zu; das Tier platzte auf und spritzte ihm grün-braunen Schleim ans Bein. Von grausem Ekel erfüllt schrie er auf; mit zitternden Händen kehrte er die Hinterlassenschaften des Schlachtfeldes samt der anderen, wieder zu alter Form gediehenen Schnecke auf, kippte alles ins ins Klo und spülte mehrmals nach. Aber auch hier war ihm das Schicksal nicht hold; wie zum Hohn tauchten die Schneckenkörper aus der schwarzen Gähne des Abflussrohres wieder auf. Endlich gelang es ihm unter entschiedenem Einsatz der Klobürste, sie in die Tiefe zu zwingen.
   Schönboom lief ins Badezimmer, entkleidete sich, seifte sich unter der Dusche von oben bis unten gründlich ein und drehte den Hahn auf. Lange stand er reglos unter den heißen, säubernden, silbrig perlenden Wasserstrahlen; endlich, als er meinte, alles Schmutzige und Befleckende sei abgewaschen, drehte er zu, trocknete sich mit einem frischen Handtuch ab, schlüpfte in seinen Pyjama und ging, mit Cognacflasche und -glas bewaffnet, zu Bett.   

  Er war so erregt, dass er den Rest der Nacht nicht schlafen konnte. Seine Fantasie raste, schlug Purzelbäume, durchbrach Wände und Zäune, riss Mauern ein, errichtete Barrikaden, riss sie wieder ein, verwandelte Küchen in Kellerräume, Badezimmer in Kathedralen. Und überall Würmer, Maden, Käfer . . . Und Schnecken, Schnecken, Schnecken . . . Dicke, große, widerlich schleimige Schnecken, die ihn mit gestielten Augen höhnisch anglotzten. Dann landete er da, wohin er nicht wollte: Bei seiner unglücklichen Ehe. Er schreckte hoch . . . Ein paar kräftige Züge aus der Kognakflasche keulten ihn schließlich in einen schweißnassem Halbschlaf.

   Als er am anderen Morgen, einem Sonnabend, mit dröhnendem Schädel aufwachte, war er überzeugt, dass ihn seine Frau post mortem in den Wahnsinn treiben wollte.
   Er stand auf, um sich einen Magentee aufzugießen. Die Aufregung und der Alkohol hatten seinen Zitronenfalter-Magen angegriffen. Als er die Küche betrat, blickte er auf eine widerlich fette Nacktschnecke von der Größe und dem Aussehen einer überreifen Minibanane. Das Vieh war gerade dabei, ein Tischbein hochzukriechen.
    Schönboom schrie auf; in wilder Hast riss er eine Schublade auf, ergriff den Fleischklopfer und schlug wie ein Besessener auf die Schnecke ein; endlich begriff er, dass ihn seine überdrehte Fantasie genarrt hatte: Die vermeintliche Schnecke war gar keine, sondern ein langgestreckter dunkler Fleck im Holz, ein angeschnittener Ast. Er ließ sich auf einen Stuhl fallen, stützte den Kopf in die Hände und dachte nach. Sibylle, was hab ich dir getan, grübelte er, warum strafst du mich so? Sicherlich, ich war kein guter Liebhaber, aber kann das ein Grund sein, mich so zu quälen?
    Und er verstieg sich in immer abenteuerlichere Selbstvorwürfe.
   Forts.folgt

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wunderkerze
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Arminius
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Beitrag17.12.2023 18:06

von Arminius
Antworten mit Zitat

Langsam nähern wir uns einem bedenklichen Geisteszustand. Schönbooms Erklärungsversuch erscheint mir aber nicht ganz stichhaltig. Ich hätte mir einen anderen traumatischen Auslöser vorgestellt. Aber warten wir ab, wie es weitergeht...
in gesteigerter Lautstärke kann man weglassen.


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wunderkerze
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Beitrag22.12.2023 20:44

von wunderkerze
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6
   Allmählich fand er sein Gleichgewicht wieder. Er nickte erleichtert und nahm sich vor, das Schneckenunwesen einfach zu ignorieren und sich mit seinem Schicksal abzufinden. Vielleicht würde er für den Rest seines Lebens mit Schnecken in Küche und Bad leben müssen, halb so wild, schließlich gewöhnt sich der Mensch sogar an Schlimmeres. Außerdem sind Schnecken nicht giftig. Ich habe jahrelang mit einem Rhinozeros in ehelicher Gemeinschaft gelebt, dachte er, und mich auch daran gewöhnt.
   Trotzdem, irgendetwas an diesen feuchten nackten Schnecken kam ihm unheimlich vor. Waren das überhaupt Wesen von diesem Planeten? Da war ihre seltsame Ruhe, die überhaupt nicht zu dieser quirligen Welt mit ihrer hektischen Betriebsamkeit passte. Dann hatte er noch nie gesehen, dass sich irgend ein Tier an sie heranmachte. Die Krähen aus dem Stadtpark nicht; die Amseln in seinem Garten ignorierten sie; der Hund des Nachbarn beschnüffelte sie kurz, dann drehte er uninteressiert den Kopf weg. Dabei fraß der doch alles Mögliche, sogar Erbrochenes. Auch ihre Gewohnheit, sich erst bei Dunkelheit aus ihren Verstecken zu wagen, machte sie in seinen Augen nicht sympathischer. Dann war da noch die unsägliche Beobachtung, dass sie zerquetschte oder sonstwie zu Tode gekommene Artgenossen auffraßen. Schönboom verzog angewidert das Gesicht. Lichtscheues Gesindel, murmelte er, Kannibalen, Leichenfledderer, unbehaust und ohne erkennbaren Nutzen. Anscheinend nur dazu da, mich zu quälen.
   „Sibylle!“, rief er, „lass es gut sein! Du hast gewonnen.“    
   Aber Sibylle ließ es noch nicht gut sein.
7
   Schönboom saß auf der Terrasse seiner Parterre-Wohnung und frühstückte. Der kleine Garten dahinter sah ziemlich angetrocknet aus; seit vier Wochen hatte es nicht mehr anständig geregnet. Infolgedessen war ihm der Anblick von Schnecken und anderem Feuchtigkeit liebendem Gewürm erspart geblieben. Seltsamerweise auch in Küche und Bad.
   An Sibylle dachte er kaum noch. Zuweilen erschien ihr Phantombild in halbwachen Albträumen; er wischte den Alb weg wie die Schneckenspuren auf dem Küchentisch, die sich gelegentlich noch zeigten.
   Er warf dem Hund, der ihn bettelnd ansah und mit dem Schwanz schlug, ein Leckerli zu. Das Tier, ein Weibchen mit Namen Marlene, gehörte dem Nachbarn. Der hatte Schönboom vor ein paar Tagen gefragt, ob er Marlene nicht für kommenden Sonntag übernehmen könne; er müsse dringend zu einer Familienfeier in B. und sein Hundesitter sei krank. Schönboom hatte nichts dagegen, im Gegenteil: Er freute sich. Im Aalkrug hatte er doch etwas zu voreilig auf Holz geklopft; immer öfter pochte die Einsamkeit an seine Haustür. Und Marlene, eine halbhohe braun-weiße Promenadenmischung, liebte ihn aus einem geheimen Grund mit geradezu überwältigender Hingabe. Diese Liebe, auch wenn´s nur eine Hundeliebe war, tat ihm gut, wertete sein angeknackstes Selbstbewusstsein auf, vertrieb für ein paar Stunden das Gefühl der Verlassenheit.  
   Schönboom kniff ein Auge zu. „Diesen Schluck noch“, sagte er, „dann geht’s los.“ Marlene sprang hoch, legte ihre Vorderpfoten auf seine Knie und sah ihn freudig hechelnd an.
   Die Küchenuhr zeigte 7 Uhr 35.

   Der Weg durch den Stadtwald bis zur Brücke über den Fluss und zurück beträgt etwa sieben Kilometer – kein Problem für die lauffreudige Marlene, und für Schönboom erst recht nicht. Das ferne Gewittergrollen, das schon seit einiger Zeit in der Luft lag und immer drängender wurde, ignorierte er. Doch bald verfiel Schönboom in einen zügigen Trab, denn schon fielen die ersten Tropfen. Plötzlich gab es einen heftigen Knall, Sekunden darauf schüttete es wie aus Eimern – ein für diese feuchte Talaue nicht ungewöhnlicher Gewitterschlag.
   So schnell der Guss gekommen war, so schnell war er auch vorüber. Schönboom, vor Nässe triefend, verfiel in den Schritt. Der Weg war jetzt gepflastert und dampfte eine schwüle, beklemmende Feuchtigkeit aus. Ein paar Schritte vor sich bemerkte er eine große schwarze Nacktschnecke, die gerade über den Weg kroch.
  Wie vom Donner gerührt blieb er stehen. Ihm war sofort klar: Sibylle hatte noch nicht aufgegeben. Im Gegenteil: Sie hatte ihn die ganze Zeit beobachtet. Mehr noch. Das schwarze Scheusal deutete an, dass sie ihn vollständig vernichten wollte.
   Marlene nutzte diese Pause, um eifrig einem unsichtbaren Tier nachzuschnüffeln. Dabei legte sich die Hundeleine um Schönbooms Beine; als der nun, in einem Anfall verzweifelter Angst, davon laufen wollte, verhedderte er ich in der Leine, stürzte schwer aufs Gesicht und blieb ein paar Sekunden besinnungslos liegen.  
   Als er sich wieder aufrichtete, war ihm die Gegend völlig unbekannt. Zudem konnte er sich nicht erinnern, wie er hierher gekommen war, noch wohin er wollte. Mechanisch und leicht schwankend setzte er sich in Bewegung; allmählich erkannte er den Weg wieder, den er schon hundertmal gelaufen war. Endlich erinnerte er sich, dass irgendwo am Ende dieses Weges seine Wohnung lag.

                                                                                   8
   Schönberg trat vor den Badezimmerspiegel. Ein Schneidezahn wackelte, sein Gesicht war geschwollen und von blutigen Schrammen gezeichnet. Allerdings, das Spiegelbild war nicht ganz klar; mit einem feuchten Tuch wischte er die Scheibe ab, doch auch jetzt nahm er sein Gegenüber wie durch einen dünnen Schleier wahr.
    Die leichte Gehirnerschütterung verging bald, der Schleier verschwand. Jedoch vernahm er mit Bestürzung ein neues, schnirgelndes Geräusch in seinem Kopf, für andere unhörbar, für ihn eine Qual. Nachts wurde es zuweilen so stak, dass er nicht schlafen konnte. Er suchte einen Arzt auf; der befand: Tinnitus, verordnete Sauerstoff und empfahl, sich möglichst oft in der frischen Luft zu bewegen. Die frische Luft, meinte er und nickte dem Patienten aufmunternd zu, werde den Kobold, der in seinem, Schönbooms, Kopf rumorte, schon vertreiben.  
   Doch der Kobold ließ sich nicht vertreiben, ebenso wie Sibylle nicht. Nach ein paar Tagen vermeinte Schönboom, in dem unsäglichen Geschnirgel Wortfetzen zu vernehmen; er hörte genauer hin, doch indem er genau hinhörte, zerfloss das Geräusch zu einem gestaltlosen Rauschen. Da er im Home-Office arbeitete, fiel diese Einschränkung beruflich zunächst kaum ins Gewicht; was er über der Woche nicht schaffte, holte er an den Wochenenden nach.
   
   Doch eines Nachts – um sich zu beruhigen, hatte er seine Kehle am Abend zuvor  in etlichen Cognacs gebadet – schreckte er aus dumpfem Halbschlaf auf: Jemand hatte deutlich seinen Namen gerufen, und er hatte deutlich Sibylles Stimme erkannt. Halb betäubt sprang er aus dem Bett, lief auf den Flur und rief: „Sibylle, bist du das?“ Er machte Licht; der Flur war leer, nichts rührte sich. Gerade wollte er das Licht wieder ausschalten, da sah er sie: Eine dicke fette schwarz-glänzende Nacktschnecke in der Badezimmertür. Er gab sich keinen Illusionen hin: Seine Frau, die zu ihren Lebzeiten nie unbekleidet vor ihm erschienen war, hatte sich in eine schamlose Nacktschnecke verwandelt.
   Verwirrt schlich er zurück in sein Bett und zog die Decke über den Kopf. „Bitte, gib, dass es eine Sinnestäuschung ist“, murmelte, obwohl er nicht wusste, an wen er die Bitte richten sollte. An Schlaf war nicht mehr zu denken.

   Noch vor Tagesanbruch schälte er sich aus dem Bett. Draußen lösten die ersten Sonnenstrahlen die Dunstschleier der Nacht auf. Die Geräusche in seinem Kopf waren fast verschwunden, dafür fühlte er sich wie durch die Mangel gedreht. Er schlüpfte in seine Pantoffeln und schlurfte in die Küche. Auf dem Weg dahin kam er an der Zimmerlinde vorbei, ein altersschwaches, saftlos-kümmerliches Gewächs, das er schon vor Jahren von seiner Mutter ‚geerbt‘ hatte und aus Pietät ab und zu goss. Er stutzte. Die Blätter der Pflanze sahen wie angefressen aus. Voll böser Ahnung drehte eines dieser Blätter um; an der Unterseite klebten etliche dieser ekelhaften kleinen Biester. Auch an anderen Blättern sah es nicht besser aus. Wütend riss er die Pflanze hoch, öffnete das Küchenfenster, holte aus – da fuhr ein stechender Scherz, der ihm für kurze Zeit den Atem nahm, in den Rücken. Aufstöhnend ließ den Topf fallen, humpelte krumm wie eine Eberswalder Gurke zurück ins Schlafzimmer und und ließ sich erbärmlich ächzend ins Bett gleiten.

                                                                                    9
   Schönboom stellte das Heizkissen auf die höchste Stufe. Er lag im Bett und grübelte. Schwarze Gedanken verdüsterten ihm den Tag.
   „Jetzt“, murmelte er, „jetzt hat Sibylle mir nicht nur ausgeschlagene Zähne und dieses verdammte Ohrensausen angehext, sondern auch noch einen widerlichen Bandscheibenvorfall. Dieses hundsgemeine Ass! Abgesehen davon, dass ich auf unbestimmte Zeit arbeitsunfähig bin und mir nutzlos den Arsch platt liege –“, er knirschte verbittert mit den Zähnen –, „noch nicht mal den Rasen mähen kann ich. Und joggen . . .“ Er drehte sich mühsam auf die Seite, ergriff die Cognacflasche und tat einen kräftigen Zug. „Brrr . . . Puh . . .“, machte er angenehm kribbelnd durchfeuchtet und schüttelte den Kopf, „so kann das nicht weitergehen. Werde noch zum Alkoholiker.“ Er seufzte. „Wenn ich nur wüsste, was sie als nächstes vorhat.“
   Er nahm noch einen Schluck und stellte die Flasche zurück auf den Nachttisch. Plötzlich richtete er sich auf, sank aber im selben Moment stöhnen zurück in die Kissen. „Das wird es sein!“, rief er, „wie bei Herbert Prinz!“ Prinz war ein Kollege, der vor zwei Jahren im Badezimmer angeblich auf einem Stück Seife ausgerutscht und mit dem Hinterkopf hart gegen einen Heizkörper geknallt war. Seitdem lag er im Koma. Schönboom lachte übertrieben laut. „Ha! Das war ne fiese Schnecke, keine Seife, wie seine Frau behauptet!“
   Ja, diese Frau . . . Schönboom hatte sie auf einer Weihnachtsfeier kennengelernt. Ihr Gesicht glich einem frisch gepflügten Acker, und ihr Benehmen . . . Was ihn, Schönbooms, damals so geärgert hatte, war, dass sie ihrem Mann ständig den Rücken zudrehte. Klar, der saß nach zwanzig Dienstjahren immer noch auf A 12, zu wenig für eine Frau, die gerne die 'Grande Dame' gespielt hätte, wo sie doch einen Prinzen zum Mann hatte. „Der trau ich alles zu“, brabbelte er, „die hat das Badezimmer mit Nacktschnecken bevölkert.“

   Er räkelte herum; endlich fand er eine weniger schmerzhafte Position. Und schon schlich sich ein neuer Gedanke ein. Grande Dame . . . Grande Dame . . .  Seine Frau hätte sie nicht nur spielen, sondern auch ausleben können. Die Mittel dazu waren dagewesen. Aber er hatte auf seinem Geld gehockt wie der Teufel auf dem Sünder. Jetzt ging ihm ein Licht auf. „Das ganze Theater mit den Nacktschnecken im Salat “, grummelte er „sie wollte mir andeuten, dass sie nichts vernünftiges anzuziehen hatte. Ja Sibylle“, schluchzte er, vom Alkohol weinerlich gemacht und hilflos die Fäuste ballend, „warum, verdammt noch mal, hast du denn nichts gesagt? Du hättest doch jeden Tag Große Dame spielen können.“ Dieser Gedanke beruhigte ihn; Sibylle hatte anscheinend die Kleiderfrage auf ihre Weise gelöst, indem sie neuerdings gar nichts mehr anzog.
    Wie unsinnig all diese Gedanken waren, fiel ihm nicht auf.

                                                                              10
   Dank einer Reihe medizinischer Anwendungen ließen die Schmerzen allmählich nach. Zudem entdeckte er, dass ihm das Radfahren gut tat. Nach einer ausgedehnten Tour waren die Ohrgeräusche fast völlig verschwunden. Die Schneckenspuren in der Wohnung übersah er. Das Leben ist zu kurz, war jetzt seine Devise, um sich über solche Kleinigkeiten aufzuregen. Jedoch . . . Tief im Inneren hauste die Furcht, die Spuren könnten von Sibylle stammen.

   Am 18. Juni, gegen neun Uhr dreißig, machte er sich im Glanz eines strahlenden Sommermorgens zu einer ausgedehnten Radtour auf. Vier Stunden später kehrte er in adrenalingesättigter Erschöpfung im Aalkrug ein. Er bestellte ein Radler und ein Fleischgericht mit Salatbeilage. Wieder saß er an dem Tisch, an dem er vor ein paar Wochen mit Meister gesessen hatte, und es war dieselbe schnippische junge Frau, die ihm nach angemessener Wartezeit nach seinen Wünschen fragte. Nur eine Kleinigkeit war anders: Damals trug die Bedienerin eine weiße Schürze, diesmal war sie vollständig in Schwarz.
   Das Essen kam. Schönboom stocherte mit der Messerspitze vorsichtig in der Salatbeilage herum, wendete ein Salatblatt, da sah er es – ein kleines, ovales, fast durchsichtiges Etwas, einer winzigen Nacktschnecke ähnlich.
   „He, Sie da!“, rief er der Bedienerin, die gerade am Nachbartisch kassierte, zu, „kommen Sie doch mal bitte her!“
   „Einen Augenblick noch, muss noch einen Tisch abkassieren.“
   „Sofort!“, schrie er außer sich.  
   Die Frau wollte den offensichtlich über eine Kleinigkeit erbosten Gast nicht weiter reizen und ging zu ihm an den Tisch. „Stimmt was nicht?“, fragte sie.
   Schönboom deutete mit der Messerspitze auf die vermeintliche Schnecke. „Können Sie mir mal sagen, was das da ist?“
   Die Kellnerin beugte sich über den Salatteller. Dann sagte sie: „Ich seh nur Salat.“  
   „So, Sie sehen nur Salat“, knirschte Schönboom in kaum beherrschtem Zorn. Plötzlich brüllte er los: „Und i c h sehe eine Nacktschnecke.“ Er sprang auf, das Messer in der Hand. „Sibylle!“, schrie er in stockender Raserei, „fängst – du – schon – wieder an? Doch jetzt – ist es – aus mit dir!“, und er fing an, auf die Frau einzustechen. Sofort sprangen einige Männer herbei und überwältigten den Rasenden.
   Ende

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Arminius
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Beitrag22.12.2023 21:47

von Arminius
Antworten mit Zitat

Da lag ich mit meiner Prognose über den Geisteszustand nicht ganz daneben Mr. Green Dennoch hatte ich ein anderes Ende erwartet. Die Messerattacke überzeugt mich nicht ganz.
Trotzdem mitreißend geschrieben Daumen hoch
Kleine Anmerkung: "Dieses hundsgemeine Ass!" Hier ist der Finger wohl zu schnell vom a zum s gerutscht...


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abentroth
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Beitrag23.12.2023 10:38

von abentroth
Antworten mit Zitat

Ich schließe mich  Arminius an: Die Messerattacke kommt ein wenig unvermittelt, auch wenn das stete Auf und Ab aus schneckophobem Schrecken und Wiederberuhigung durch immer abstrusere Erklärungsversuche ein solches Ende gut vorbereitet. Vielleicht ließe sich die finale Szene noch ein wenig dehnen - er sieht immer mehr Nacktschleimlinge im Salat, die Kellnerin weiterhin nur Grünzeug, dafür werden ihre Gesichtszüge der guten Sybille immer ähnlicher -, irgendetwas, dass den letztlichen Kontrollverlust noch plausibler erscheinen lässt.

Insgesamt aber hat mir die Geschichte sehr gefallen!
Danke fürs Teilen.

Gruß,
abentroth
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Haro
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Beitrag23.12.2023 11:59

von Haro
Antworten mit Zitat

Ich hatte eigentlich mit irgendetwas Übersinnlichem gerechnet und war tatsächlich etwas enttäuscht, dass es "nur" ein Durchgeknallter ist.
Insgesamt wirken die neuen Teile auf mich zu langatmig, insbesondere, wenn man das, gefühlt aus dem Nichts auftauchende, Messer-Szenario am Ende betrachtet, das im Gesamtbild auf mich etwas überhastet und angeklebt wirkt.
Eine Straffung mit durchgehendem, kontinuierlicherem Aufbau würde mir besser gefallen. Statt des "Über-ich" Erklärungsversuchs, nebst schlechter Kindheitserlebnisse, vielleicht besser der Wahn, die Ex wäre tatsächlich übersinnlich und hätte ihn verhext?
Trotzdem gerne gelesen.
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Gast







Beitrag26.12.2023 11:36

von Gast
Antworten mit Zitat

So. Mich bis zum Ende durchgeekelt (Nacktschnecken, igitt! Grr ) und den Kernsatz gefunden:

wunderkerze hat Folgendes geschrieben:
Sicherlich, ich war kein guter Liebhaber, aber kann das ein Grund sein, mich so zu quälen?


Ja.
Aber ist das ein Grund, deswegen arme, unschuldige Kellnerinnen zu meucheln?
 hmm
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wunderkerze
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Beiträge: 384



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Beitrag28.12.2023 21:45

von wunderkerze
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Arminius
"... Messer-Szenario am Ende betrachtet, das im Gesamtbild auf mich etwas überhastet und angeklebt wirkt."
Natürlich kann man es so sehen, wenn man den Zustand des Prots außer acht lässt. Er kann nicht mehr und will einfach Schluss machen. Seine Widerstandkraft erleidet einen plötzlichen Herztod.

Miss Purple:
"Aber ist das ein Grund, deswegen arme, unschuldige Kellnerinnen zu meucheln?"
Ich würde eher sagen: Aber ist das ein Grund, deswegen arme, unschuldige Nacktschnecken zu meucheln?
Außerdem wird sie ja nicht wirklich gemeuchelt, sondern nur mit Meuchelung bedroht.

Ich danke allen für ihr Feedback und wünsche ein gutes neues Jahr.
Wunderkerze


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