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Unser grösster Feind


 
 
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Flexxus
Geschlecht:männlichSchneckenpost

Alter: 35
Beiträge: 14
Wohnort: Bern, Schweiz


Beitrag13.02.2008 21:32
Unser grösster Feind
von Flexxus
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Weiss nicht genau, ob sowas hier hingehört...


Unser größter Feind – Ein Requiem der Zeit

Wir Menschen sind im Laufe unserer Evolution zum mächtigsten aller Lebewesen herangewachsen. Seit Jahrtausenden regieren wir über die Welt und ein Ende scheint nicht in Sicht zu sein. Wir können aufbauen und zerstören wie im Sandkasten. Kaum ein anderes Wesen kann uns aufhalten, nicht einmal die geballte Kraft der Natur. Aber welche Allgegenwärtigkeit zwingt uns jeden Tag in die Knie? Wer bricht unser scheinbar unbeugsamer Wille? Es gibt nur etwas in der Essenz des Daseins. Es ist jemand, der ausnahmslos alle hinter sich herzieht, bis man liegen bleibt. Nur einer immateriellen Sache wird jedes Lebewesen für immer und chancenlos Untergeben sein… unserem größten Feind: Der Zeit. Sie war schon immer da. Wie alt sie ist, kann man nicht in Zahlen fassen und sie wird jede Gestade, Epoche und Ära überweilen. Auch wenn es schon Jahrmillionen her sein wird, als der letzte Tropfen Blut eines Lebewesens in der Erde versickert ist, wird sie gelassen und geduldig den Materialismus umschlingen und in Schach halten. Keine Apokalypse vermag es sie zu stürzen, oder ihr nur einen Kratzer zu zufügen. Die Zeit ist zeitlos. In ihrem Zeichen steht weder gut noch böse und sie macht uns auf eine brutale Art immer wieder klar, dass wir hier nur zu Besuch sind. Nur die Zeit hat die Gabe uns hochmütigen Menschen auf den bitteren Boden der Sterblichkeit zurück zutragen. Sie zeigt dies in unseren Spiegelbildern. Der Fluss der Zeit nagt an unseren Seelen, lässt unsere Haut altern. Die Zeit läuft uns davon, merkt ihr das nicht?
Auf den vermehrten Gängen auf den Friedhof, schauen wir der Zeit direkt in die Augen. Wir fragen warum. Unsere Herzen toben vor Wut und Trauer, wenn die unbarmherzige Zeit uns wieder eine Mutter, einen Vater, ein Geschwister, oder einen engen Freund weggenommen hat. Sie kennt keine Gnade. Sie ist weder gut noch böse. Höchstwahrscheinlich ist sie blind. Sie ist überall und nirgendwo, sieht und riecht alles. Sie umschlingt alles und zieht es mit sich. Und es wird nicht lange dauern… nicht lange, bis ich entkräftet und gefesselt in den Schlingen der Zeit vor ihr knie und sie um Gnade anbete… um Gnade anbete, damit ich für meine Fehler in meinem Leben eine zweite Chance bekomme. Aber für die Zeit bin auch ich nur ein kleiner, wertloser Punkt im Dschungel des Daseins.

Die einzigen Fußstapfen, die sie in unseren Herzen hinterlässt, sind die Erinnerungen. Auch hier kennt sie keine Mentalitätstrennung. Selbst die schlimmsten, traumatischsten Erlebnisse lässt sie nicht aus unseren Köpfen verschwinden. Sie kennt den Schmerz und die Trauer nicht. Auch nicht wenn wir mit Tränen in den Augen vor den Gräbern unserer Liebsten stehen. Sie setzt uns aber auch ein Lächeln auf, ein Gefühl der Freiheit, wenn wir uns den schönen Zeiten in unserem Leben entsinnen. Sie kann uns schänden und foltern, aber auch küssen und heilen. Der Genuss ihres heilenden Hauches ist unbezahlbar. Der Schmerz ihrer Peitschen ist unverkraftbar.

Fast tagtäglich schlitzt mich die Zeit mit ihrem Schwert auf – Nein, schlagt es euch wieder aus dem Kopf. Ich bin kein wahnsinniger Psychopath, ich rede bloss von Tatsachen - Immer wieder schaue ich beängstigt auf die Uhren… diese grauenhafte Konstanz der laufenden Zeiger. Worauf warten wir eigentlich? Ist jede neue Minute der Anfang eines Nullpunktes? Eines Ultimatums? Ich stehe schweißgebadet vor diesen vielen runden Höllen… was geschieht jede volle Stunde bei dieser Zeigerfinsternis? Der Anfang vom Ende? Mich würde es interessieren, wie viele Menschen bei einem Blick auf eine Uhr schwer und mühsam schlucken… Wie sich die Zeitschlinge jede Stunde ein wenig zusammenzieht. Wir alle sind doch so ehrgeizig und möchten so vieles erreichen. Im gleichen Atemzug sind wir Menschen mit einem ausgeprägten Drang zum Nichtstun geboren. Hab ich gerade jemanden ertappt? Durch diesen Drang lassen wir uns treiben, obwohl wir durch die Messlatte, die täglich von der Gesellschaft kollektiv erhöht wird, jenseitig zu tun haben. Und dann kommt der unangenehme Blick auf den runden Teufel mit Zeigern… wieder zieht sich der Zeitgalgen zusammen und wieder habe ich nichts gemacht. Ich denke das Problem liegt darin, dass wir uns ausruhen, bevor wir müde werden.
Eine Uhr ist quasi eine Okkultistin der Zeit. Sie befehligt uns. Sie sagt uns wann wir aufstehen, zur Arbeit gehen, wann wir essen und wann wir unsere Geister wieder ruhen lassen. Doch das wichtigste, was uns die Zeit mitteilt ist, dass wir nicht unsterblich sind. Sie sagt uns unbekümmert: „Ihr alle werdet auf mein Geheiß sterben.“, wobei sie dies mit zwei ungleichlangen Zeigern manifestiert. Nicht einmal schlafen muss diese eiskalte Furie… Nachts steht sie neben unseren Betten. Sie beobachtet uns, wie wir wenigstens im Schlaf versuchen der Realität zu entgehen. Sie streichelt uns mit ihrem Schwert und ihre Klinge rostet nicht an unserem kalten Nackenschweiß…

Immer noch stehe ich wie geohrfeigt vor dieser monströsen Uhr… der Wahrheit in die Augen blickend… Mein Herz pumpt und pumpt… vermischt sich mit dem gnadenlosen Ticken der Zeiger… Tick, tick… tick… Ich, einer der die Melodien so liebt ausgeliefert an diesem seelenlosen Ticken. Nur noch die Herzpumpe und das Ticken sind zu hören. An den Ketten der Zeit gefesselt fließt der Schweiß in Rinnsalen herunter. Diese runde, schizophrene Karikatur… sowohl die Blüte des Lebens, als auch die Todesbotin verkörpert sie… Der Druck steigt wie in einem Dampfkessel. Schweiß mischt sich mit Blut, das sich den Weg durch die Venen bahnt und sich durch die Poren presst. Der Galgen um meinen Hals verengt sich… langsam hebe ich meinen Kopf… aus einem verschwommenen Blick erkenne ich eine bevorstehende Zeigerfinsternis. Mein Puls… so rastlos wie noch nie, zieht er mich mit. Ich warte. Angst mischt sich mit Gleichgültigkeit. Wie ein Fanatiker warte ich auf den Endpunkt, wie ein Selbstmordattentäter auf die bevorstehende Detonation. Wieder senke ich meinen Kopf, meine Augen bleiben offen, meine Sinne werden schärfer. Ich rieche schwarzen Stahl und höre wie er durch das Kontinuum gleitet. Zähne fletschend teilt er die Luft entzwei. Wie schon oft spüre ich, wie sich ihre Klinge durch die Pigmente meiner Haut reißt. Arterien platzen, Knochen brechen, Sehnen reißen… Ich darf nicht an das Wort Fleisch denken. Mir wird schwindlig… ich erkenne eine sich ausweitende Blutlache vor mir auf dem Boden. Ich werde ohnmächtig, während der lange Zeiger nur eine Handbreite einer Kollision mit dem kurzen bevorsteht. Verkrampft aber regungslos warte ich auf das, was die Zeiger bei ihrer nächsten Finsternis bringen. Die letzten Tickeinheiten lassen ein langes Echo in meinem Kopf erklingen. Und dann… der Nullpunkt. Ein gewaltiger Ruck schießt durch meinen Körper. Denn auf die Finsternis genau, werde ich durch die monotone Glocke meines Weckers zurück in die Welt der Wachen geschleudert… zurück in den Fluss der Zeit… meinem größten Feind.

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Brynhilda
Felix Aestheticus

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Wohnort: Oderint, dum probent.


Edgar Allan Poe (1809 bis 1849) - Zum 200. Geburtstag
Beitrag15.02.2008 12:11

von Brynhilda
Antworten mit Zitat

Lieber Flexxus!

Da es sich bei diesem Text NICHT um ein Gedicht handelt, werde ich ihn in den Belletristik-Bereich verschieben.

Mit freundlichen Grüßen,
Brynhilda
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