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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Zehntausend 05/2021
Götter, Tiere

 
 
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Globo85
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 38
Beiträge: 744
Wohnort: Saarland
Das silberne Eis in der Waffel DSFo-Sponsor


Beitrag20.05.2021 14:09

von Globo85
Antworten mit Zitat

Die Fenster sind offen, einfach mit der Maus vorübergehen.


Disclaimer

Die folgende Bewertung stellt nur meine persönlichen Leseeindrücke dar. Wertende Aussagen beziehen sich lediglich auf den gelesenen Text, nie auf die Verfasser:innen. Die Punktevergabe und meine persönliche Rangliste ist natürlich vollkommen subjektiv, insbesondere die Bewertung unter dem Gesichtspunkt E-Literatur.


Ersteindruck

Stark. Aber sollte da nicht ein Fenster sein?


E-Lit-Zugehörigkeit

Inhaltlicher Anspruch/etwas zu sagen/tiefer gründender Inhalt

Anhand dreier Einzelschicksale wird prägnant erzählt, was Menschen bereit sind auf sich zu nehmen, was sie verlieren, was sie nicht gewinnen. Bei jedem Lesen entdecke ich ein zusätzliche Facette: Die Geschichte vom König und Harun, Zahers Wandlung...

Stilistischer Anspruch

In ruhigen Worten erzählt und doch eindringlich nah.

Ungefügigkeit und Mehrschichtigkeit

Ungefügigkeit nicht, aber Schichten gibt es viele.

Für mich: E-Literatur.


Umsetzung des Themas

Fenster

 Da kann man viel interpretieren. Vielleicht die Geschichte vom König, von der Harun meint, es sei ihre Geschichte? Moussa hätte also durch das Fenster (die Geschichte) voraussehen können, was passiert. Aber er ist Vorübergegangen?

offen

-

Vorübergehen

-

Für mich: Irgendwie Thema umgesetzt.


Was mir gefällt

Der Fokus auf Einzelschicksale, auf die Menschen. Die Flüchtlingsproblematik bildet den Hintergrund, ist aber nicht das Thema, drängt sich nicht auf. Dennoch ist es präsent und eindringlich. Einfach die Ausgewogenheit der Erzählung.

Was mir nicht gefällt

Nichts.


Lieblingsstelle/Lieblingssatz

„Zaher sitzt noch lange in der Finsternis und lauscht den Stimmen von Wind, Wasser und Stein.“


Fazit und Punkte

Ein Text mit viel Freiheiten für den Leser. Eine große Geschichte, auch wenn sie im Kleinen erzählt ist. Es fällt mir schwer den Finger drauf zu legen, was mich an dem Text so begeistert. E-Literatur ist es definitiv, die Umsetzung der Themenvorgabe kann man auf jeden Fall reininterpretieren, aber ich möchte den Text auch nicht sezieren, dafür wirkt er einfach zu rund, zu natürlich, zu organisch. Mein dritter Platz.

Acht Punkte.
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anderswolf
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1069



Beitrag20.05.2021 17:36

von anderswolf
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Keine Ahnung, was ich mir da gedacht habe. Klar, die offenen Fenster als Einblicke in anderer Menschen Leben und das Verpassen von Zeitfenstern, und auch klar, endlich mal das Gilgamesh-Epos verwursten, aber mal ehrlich: was habe ich mir denn dabei gedacht, als wohlstandsverwöhnter Mitteleuropäer ohne ernsthafte Geld- oder Gesundheits- oder sonstige Sorgen eine Geschichte über Flüchtende aus der Sicht von Flüchtenden zu schreiben*, als wäre ich dafür irgendwie qualifiziert?!

Naja. Zu spät jetzt.

Edit: * ohne dabei auch nur irgendwie auf die tatsächlichen Schwierigkeiten, Hindernisse, Gefahren, Traumata, Ursachen, Lösungen (?) etc. einzugehen.
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nicolailevin
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 260
Wohnort: Süddeutschland


Beitrag21.05.2021 11:41

von nicolailevin
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Wow! Was für ein erster Satz. Ganz großer Einstieg schon mal.

Drei Mann in einem Boot. Aber keine heitere Partie auf der Themse diesmal, sondern ein absaufendes Schlauchboot im Mittelmeer. Und dann ein Flüchtlingslager, das abbrennt, also vermutlich das von Moria. Schicksale. Schicksale und Mythen.

Mit der mythischen Erzählung kann ich wenig anfangen, natürlich lässt sich allerhand reininterpretieren, aber so richtig erhellend finde ich sie nicht. Ist aber okay, es wäre zu billig und banal, wenn das Märchen jetzt punktgenau Moral und Abziehbild für die realen Probleme geboten hätte.

Insgesamt ist der Text handwerklich einwandfrei gemacht, verbirgt genug, um als Fiktion Spannung zu halten und den Leser zu fesseln. Ausgedachte (nehm ich mal an) Schicksale, ein fiktionales Feature über das Leid und Elend der Migrant_innnen. Dazu gedacht, Anteilnahme und politisches Interesse der Leser_innenschaft zu wecken.

Ich kann faktisch eigentlich nichts einwenden, mir widerstrebt das Ganze dennoch sehr! Mein Problem, ich weiß. Aber es erscheint mir einfach - in aller guten Absicht - obszön und pornografisch, so nah an reales gegenwärtiges Leid zu gehen, diese armen Teufel auch noch als Lieferanten für Wettbewerbsprosa auszubeuten, gewissermaßen. Ich respektiere das Können derjenigen, die das gemacht hat, aber Punkte gibt es keine dafür.
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anderswolf
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1069



Beitrag25.05.2021 17:04

von anderswolf
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Götter, Tiere. Oder: Über Menschen.

Vor etwas über einem Jahr lese ich auf reddit von einem Iraker, der nach Kanada flüchten will, wo er in der Ölindustrie arbeiten und dank der LSBTI*-freundlichen Gesetzgebung seinen Partner nachholen könnte. Im Irak wird Homosexualität offiziell "nur" mit Gefängnis bestraft, Morde an Schwulen werden aber nicht geahndet. Alles, was mit Homosexualität assoziiert werden kann, zum Beispiel eine HIV-Infektion, gleicht einem Todesurteil. Der Partner des Mannes ist vor Kurzem positiv auf HIV getestet worden; die Familie hat davon erfahren und ihn beinahe gelyncht. Nun sind beide auf der Flucht im eigenen Land, stets in Angst vor Entdeckung und in Sorge vor dem Ausbruch von AIDS. Mit Medikamenten aus dem Ausland halten sie die Infektion in Schach, aber die Beschaffung ist teuer und schwierig und erhöht ihr Risiko aufzufliegen.

Bei allem Mitgefühl, das ich empfinde, muss ich an das Gilgamesch-Epos denken; immerhin stammen die Männer aus dem Irak, dessen Gebiet auch das einstige Sumer umfasst, dessen berühmtester König Gilgamesch war. Im Epos sucht Gilgamesch nach dem Tod seines Gefährten Enkidu ein Mittel gegen die eigene Sterblichkeit und findet auf einer Insel inmitten der Wasser des Todes seinen Urahn, der ihm nicht nur die Geschichte der Großen Flut erzählt, sondern auch von der Pflanze der ewigen Jugend. Gilgamesch erringt die Pflanze, verliert sie jedoch an eine Schlange. Derart gescheitert kann er nur darauf hoffen, dass wenigstens sein Name ihn überleben wird.

Die Überlagerung individuellen Leids mit der mythischen Tragödie abstrahiert jene, deren Leben tatsächlich in Gefahr ist und nicht nur eine Geschichte; aber was soll ich tun? Ich kann nur Mitleid empfinden und tröstende Worte spenden. Ansonsten bleiben mir ohnehin nur Annahmen: Gibt es diesen Mann wirklich? Stimmt seine Geschichte? Oder ist das - auf reddit nicht abwegig - nicht nur eine mitleidheischende Erfindung? Ich blicke durch ein kleines Fenster in ein großes Leben, dessen Details ich nicht erkenne und nur mit Annahmen füllen kann.

Aber eigentlich ist eh gerade Corona, die Welt ist stehengeblieben, sonst hätte ich gar keine Zeit für reddit; und weil es da jede Menge Geschichten gibt, habe ich den Irak rasch wieder vergessen. Alles geht unter in der Flut der Schicksale. Andere Männer aus anderen homophoben Ländern, vor allem aber Pandemiegeschichten, in denen Existenzen oder ganze Leben von einer Krankheit bedroht werden, die anders als HIV/AIDS alle Menschen trifft und nicht scheinbar nur jene, die Randgruppen angehören oder sich in Subkulturen bewegen.

Corona raubt der ganzen Welt den Atem, ist eine laute Pandemie, während HIV/AIDS immer noch eine stille Seuche ist. Auch wenn mittlerweile Medikamente entwickelt wurden, die ein symptomfreies Leben ermöglichen und auch die Weitergabe des Virus verhindern. "Mittlerweile" heißt: über 30 Jahre, nachdem HIV/AIDS als Pandemie eingestuft wurde, hat die EU 2016 PrEP zugelassen. Heißt: Ein Ende dieser Pandemie ist noch nicht in Sicht; über HIV wird immer noch zu wenig gesprochen, Scham und/oder Unwissenheit führen dazu, dass sich täglich weltweit immer noch zehn Menschen neu mit HIV anstecken.
Das soll nicht heißen, dass mit den Corona-Infizierten genauso ignorant umgegangen werden soll wie mit den HIV-Infizierten. Es ist leichter, dem HI-Virus zu entgehen, es überträgt sich nicht über Aerosole, sondern über Körperflüssigkeiten. Corona tötet rascher, nach den sechs Wochen, die bei COVID zwischen Infektion und Tod stehen können, bemerkt ein HIV-Patient gerade mal die ersten Symptome. Corona priorisiert zu behandeln ist richtig und wichtig. Hätte die Welt wie bei HIV weggeschaut … ich will es mir gar nicht vorstellen.

Corona ist omnipräsent, ich hänge am Fernseher: neue Zahlen, neue Negativrekorde, neue Eskalationen. Ich lauere auf die nächsten Einschläge, die doch nie näher kommen. Ein entfernter Cousin ist an COVID gestorben, da ist die Pandemie kaum mehr als ein Gerücht, danach sind die Zahlen einfach nur Zahlen, keine Schicksale mehr, nur anonyme Infizierte, namenlose Tote. Der Welt da draußen geht die Luft aus und ich schaue durchs geschlossene Fenster in leere Straßen und lenke mich mit reddit, YouTube und Podcasts von meiner Langeweile ab.

Im September brennt Moria, in Deutschland unterschreiten die Corona-Neuinfektionen noch die 2000er-Grenze, und mein Mann und ich fahren für ein Wochenende an die Mosel. Wir trinken Wein, gehen essen, tragen unsere selbstgenähten Masken und fühlen uns sicher. Im März werden zwei afghanische Jugendliche für den Brand in Moria zu fünf Jahren Haft verurteilt. Lese ich heute, zwei Monate später. Gestern waren wir bei Freunden zum Grillen, bei Nieselregen saßen wir unter dem Vordach, reden darüber, was wir im letzten Jahr, also seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, alles nicht erlebt haben. In der Innenstadt sind die Außentische der Lokale voll besetzt. Pandemie? Welche Pandemie? Moria? Irgendwas mit Feuer. Ach ja, klar: In Moria tötete Gandalf der Graue den Balrog und kehrte als Gandalf der Weiße nach Mittelerde zurück.

Vor knapp vier Wochen stolpere ich auf reddit mal wieder über den Iraker. Sein Partner und er verstecken sich immer noch, sie haben immer noch Angst. Die Medikamente sind immer noch teuer, die Pläne für eine Flucht nach Kanada liegen auf Eis, wegen Corona schotten sich alle Länder ab. Der Iraker und sein Partner haben eine Corona-Infektion mit zweiwöchigem starken Fieber überlebt. Er schreibt, dass er in The Last of Us 2 zwei 60jährige Männer gefunden hat, die zusammen in der Wüste leben; einer sagt: "Früher hatte ich alles und brauchte nichts davon; jetzt brauche ich nur, was ich habe mit diesem Mann." Und der Iraker schreibt, dass er da habe weinen müssen vor Rührung, denn dieser Satz treffe auch auf ihn und seinen Partner zu: sie haben nur einander und doch ist das alles, was wirklich zählt.

Und dann kommt der Wettbewerb, es geht um geöffnete Fenster, an denen vorbeigegangen wird, und ich denke an Schicksale, an denen wir vorübergehen, Geschichten, die wir anschauen und abhaken, an Menschen, die uns begegnen und die wir vergessen. An den Iraker denke ich da gar nicht, sondern will nur einen anfangs gutwilligen Übersetzer in einer Erstaufnahmestation beschreiben, der vor lauter erzähltem Leben irgendwann ganz stumpf wird und werden muss, soll ihn das viele fremde Leid nicht auffressen. Mit diesem Gedanken schlafe ich ein, doch als ich mich morgens an den Schreibtisch setze, wartet da schon eine andere Geschichte und lässt sich mehr oder weniger so aufschreiben, wie sie jetzt da steht.

Erst später, kurz vor dem Einsendeschluss, geht mir auf, was ich getan habe: Mich parasitär an fremden Schicksalen und fremdem Leid bedient nämlich, und das dann auch noch in der Form pauschalisierter Annahme, kenne ich doch keinen einzigen Menschen mit Fluchthintergrund persönlich und selbst die Zustände von Moria nur aus meinem Fenster zur Welt, dem Fernseher. Das Ganze garniert mit dem Kernmythos einer untergegangenen, mir komplett fernen Kultur, die ich faszinierend - oder schlimmer: "exotisch" - finde, über die ich viel gelesen habe, die ich letztlich aber nur aus zweiter, dritter oder zwölfter Hand kenne. Während ich mich gleichzeitig darüber aufrege, dass die ARD-Produktion All you need  das Leben schwuler Männer in Berlin nicht nur oberflächlich und klischeehaft beleuchtet, sondern auch noch in den Hauptrollen nur mit heterosexuellen Männern besetzt.

Für einen neuen Text ist es da schon zu spät, außerdem mag ich die Geschichte trotz allem. Ich habe meine Figuren liebgewonnen, meine Remixe von Realitäten. Ich habe ihnen meine Vorstellung von Wirklichkeit eingeimpft, sprechende Namen gesucht: Moussa und Harun, die arabischen Varianten von Moses und Aaron; Zaher, den Helfer; İlkin, dessen Name "Erster" bedeutet, weil er sich selbst allem und allen voranstellt. Das Feuer  brannte sich in der xten Bearbeitung plötzlich in den Text. Keine Ahnung, was mit Moussa dabei passiert ist. Zaher sucht ihn kurz, wird ihn wohl mit der Zeit vergessen. Den einen Moment, wirklich mit Moussa Kontakt aufzunehmen, hat er verpasst, ihn vielleicht aktiv verstreichen lassen. Er stellt sich vor, wie es wäre, Moussa eine tröstende Hand hinzustrecken. Doch dann geht Moussa lieber zurück in das Zelt, wo ihn Gewalt erwartet, als weiter neben Zaher auf einem Stein zu sitzen, wo es noch nicht mal Trost gibt. Zu spät erst wird Zaher denken, alles wäre besser gewesen als nichts.

Mit diesem Gedanken rechtfertige ich auch meinen Text und wohl auch, wenn Heterosexuelle Nicht-Heterosexuelle darstellen: Es ist besser als nichts.
1993 hat Tom Hanks' Darstellung eines AIDS-Kranken in Philadelphia die Themen Homosexualität, Homophobie und HIV einem breiteren Publikum nähergebracht. Hätte die Rolle nur mit einem schwulen Schauspieler besetzt werden dürfen, wäre der Film wahrscheinlich überhaupt nicht gedreht worden oder hätte niemals die Reichweite bekommen, die er dank Tom Hanks erst erreicht hat.
Und ohne mich mit Hanks vergleichen zu wollen oder meinen Text mit diesem Film: Ich glaube, es ist besser, einen fehlerhaften Text aus angenommener Perspektive zu schreiben und so vielleicht wenigstens das Fenster zu einer Diskussion zu öffnen, als ein Thema komplett zu ignorieren, das uns sonst nur ins Bewusstsein rückt, wenn Lager brennen. Es wird immer besser gewesen sein als nichts.

Kurz vor dem Absenden streiche ich noch das "und" aus dem Titel und fühle mich superschlau, denn in dieser Geschichte geht es um Menschen und um das Göttliche und das Tierische in uns und wie das Spannungsfeld dazwischen uns erst zu Menschen macht; und es geht (überspitzt dargestellt) ein bisschen darum, wie die westlichen Menschen die geflüchteten Menschen wie Tiere in Lager sperren und wie Götter über Schicksale richten. Dabei sind wir nicht Götter oder Tiere, wir sind Göttertiere: Menschen. Wir alle sind nur Menschen.
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anderswolf
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Beitrag25.05.2021 17:08

von anderswolf
Antworten mit Zitat

hobbes hat Folgendes geschrieben:
Das ist eine dieser Geschichten, wäre sie als Musikstück Teil eines Konzerts, und wäre dieses Stück jetzt zu Ende, dann würde ich darauf hoffen, dass die Leute doch bitte, bitte, einfach mal still sind. Damit ich noch eine Weile hinterherlauschen kann. Aber nie sind sie wirklich lange genug still, viel zu schnell fängt der erste an zu klatschen und dann klatschen alle und schon geht sie dahin, die verdiente Stille.

Ein Glück bin ich nicht im Konzert.

Du hattest recht in diesem anderen Kontext, du hast mir wirklich wunderhübsche Worte unter meinen Text geschrieben, und ich bin doppelt gerührt, wegen der schönen Worte einerseits und weil das ja noch nie passiert ist. Verrückte Welt.

Zitat:
edit: Und jetzt fragst du dich vielleicht, warum dann nur vier Punkte? Tja, das ist so: Ich finde einerseits die "Botschaft" des Textes total wichtig. Dummerweise finde ich aber gleichzeitig, dass es doch ein ziemlicher "Botschafts-Text" ist. Und das ist jetzt ein bisschen paradox, denn wenn ich die für wichtig halte, warum komme ich dann trotzdem nicht damit klar? Hauptsächlich, weil ich Botschafts-Texte eben nicht sonderlich mag. Was jetzt nicht wirklich eine Erklärung ist, aber mei, geht nicht besser.

So richtig als Botschaft hatte ich den Text gar nicht gemeint, aber den Eindruck kann ich nachvollziehen. Und ich freue mich auch über vier Punkte, ich bin da nicht mäkelig. Danke dir!
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anderswolf
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Beitrag25.05.2021 17:12

von anderswolf
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Stefanie hat Folgendes geschrieben:
Wenigstens eine Andeutung, was für Fenster da gemeint sind, an denen jemand vorübergeht, wäre nett gewesen.
Traurige Geschichte, aber ich sehe keine Bezug zum Thema.


Als ich gesehen habe, wie haudraufig das Thema in einigen der anderen Texte behandelt wurde, war mir klar, dass mein Text als der einzige ohne wörtlich benutztes Fenster zu, sagen wir mal, subtil daherkommen würde mit all den Zeitverstreichungen und Geschichtenstreifungen und metaphorischen Kurzeinblicken in andere Leben.
Danke trotzdem für deinen Kommentar!
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anderswolf
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Beitrag25.05.2021 17:34

von anderswolf
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V.K.B. hat Folgendes geschrieben:
Die offenen Fenster, an denen man vorübergeht, hier die ungenutzten Gelegenheiten, die (offenen) Möglichkeiten, an denen man vorbeigegangen ist, als sie noch offen waren? Ich muss mich jedenfalls sehr anstrengen, das Thema in der Geschichte zu finden, geschweige denn, es im Mittelpunkt stehend zu sehen.


Inwiefern das Thema im Mittelpunkt der Geschichte stehen muss, ist sicher diskutabel, die Aufgabenstellung ist ja recht weit gefasst.
Du hast aber recht: die offenen Fenster sind in fast allen anderen Texten sehr viel offensiver in den Text gearbeitet.

Zitat:
Ansonsten gefällt mir die Geschichte, ich habe sie dreimal gelesen und über eine Menge nachgedacht, also qualifiziert sie (wenn auch gerade so) für E-Literatur. Sie ist vielschichtig und kommt auf mehreren Bedeutungsebenen daher.


smile

Zitat:
Die Geschichte in der Geschichte ist Moussas Geschichte, ganz klar ist mir nicht, was er für Harun gesucht hat. Medizinische Hilfe, oder wirtschaftliche Unterstützung? Ist er ein sogannter "Wirtschaftsflüchtling", der außer Landes sein Glück versuchen wollte, mit der Hoffnung auf ein besseres Leben, der jetzt bereut, gegangen zu sein, weil er eigentlich alles hatte (König)?
Zaher jedenfalls scheint die Stimme der Vernunft und Diplomatie, die immer weniger gehört wird und ihrer Aufgabe auch immer weniger nachkommen kann.
İlkin ist der Religiöse, Irrationale, und am Ende vermutlich Terrorist. Anscheinend war er aber vorher auch schon nicht besser.

Die Geschichte in der Geschichte ist, wie Harun sagt, "unsere", was zuerst Harun und Moussa impliziert, letztlich aber auch auf Zaher und İlkin ausgeweitet werden kann, wenn nicht sogar auf alle Menschen inner- und außerhalb des Textes. Menschen suchen Glück, Hoffnung, Unsterblichkeit, sie suchen und stürzen sich dabei ins Unglück. Manchmal wollen sie auch einfach nur überleben und fordern dabei ihr Glück heraus. Sie riskieren ihr Leben, weil sie leben wollen. Und am Ende müssen sie alle sterben ungeachtet all dessen, was sie vielleicht erreichen wollten oder erreicht haben.

Was Moussa gesucht hat, ist vielleicht das, was ich in meiner Langerklärung weiter oben geschrieben habe. Hier eine Kurzfassung: Einen Weg in die Freiheit und Sicherheit vor einer Krankheit, die Harun verzehrt hat.
Also ging Moussa Richtung Westen in der Hoffnung, Harun bald nachholen zu können. Doch dann starb Harun, und Moussa hatte keinen Grund mehr zurückzukehren. Moussa ging einfach weiter, bis es nicht mehr ging, nur begleitet von seiner Reue, nicht bei Harun geblieben zu sein.
Zaher ist vor allem mein Erzähler. Ich weiß nicht viel mehr über ihn, außer dass er mein Fenster zu dieser Welt war. So wenig, wie sich die anderen Figuren der Geschichte für ihn interessieren, so wenig scheine ich ihn hinterfragt zu haben.
Und İlkin ist vor allem Dingen Egoist, Opportunist, Rudel- und vielleicht Rädelsführer. Was er nicht ist: Empathisch oder sympathisch.

Zitat:
Punkte verteile ich erst, wenn ich alles gelesen habe. (...)
Diesen Text habe ich in den grünen Bereich eingeteilt, er erfüllt die Vorgaben dieses Wettbewerbs vollständig, landet auf Platz 7 und erhält damit 4 Punkte.

Vielen Dank für Kommentar und Punkte!
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anderswolf
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Beitrag25.05.2021 17:47

von anderswolf
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nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Moussa, Ilkin und Zaher dümpeln auf dem Mittelmeer in einem Schlauchboot, das langsamer aber sicher seine Luft verliert. Ursprünglich waren sie mehr, einige Mitgeflüchtete haben nicht überlebt. Moussa gelingt es, die beiden anderen durch eine Geschichte abzulenken, die aber an die religiösen Überzeugungen Ilkins rührt, der keine Erzählungen über Götter hören will, wo es doch nur einen gibt.
Ein Schiff des Militärs greift die drei auf, was von ihnen nach einem kurzen Moment der Freude seltsam teilnahmslos zur Kenntnis genommen wird - hier liegt für mich der größte Schwachpunkt der Geschichte. Während die Besatzung die Neuankömmlinge nacheinander abcheckt, wofür sie in Europa zu gebrauchen sein könnten, wird an der Reling die unterbrochene Götteranekdote zu Ende erzählt, als sei die Rettung ihres Lebens nur eine irrelevante Unterbrechung gewesen.

Der einzige, der sich tatsächlich freut, gerettet zu werden, ist İlkin. Moussa und in Teilen auch Zaher haben mehr so eine Art survivor's guilt, denn es ist eigentlich nur Zufall, dass sie noch leben und sie nicht als Folge des (im Text nur sehr verdeckt angedeuteten) Sturms umgekommen sind.

Zitat:
Ihre Stärke entfaltet die Prosa am nächsten Ort, im Flüchtlingscamp, wo die Probleme der Flüchtlinge dem Verhalten der Hilfskräfte gegenübergestellt werden, wobei Zaher als Übersetzer fungiert. Hier schafft es der Text, nicht der Verlockung einer wehleidigen Parteinahme für die Geflüchteten zu erliegen, sondern die Schicksale für sich sprechen zu lassen.
Aufgrund der unterschiedlichen Stellung im Lager entfremden sich die drei Kameraden voneinander und gehen nach einem angedeuteten Brand, der an die Geschehnisse auf Moria denken lässt, getrennte Wege.

Es freut mich, dass meine Bemühungen, hier als Erzähler nicht allzu sehr in den Vordergrund zu treten, tatsächlich gefruchtet haben. Tatsächlich habe ich die "wehleidige Parteinahme" gefürchtet.

Zitat:
Bei diesem Beitrag stehe ich wie bei keinem anderen vor der Frage, wie ich die Kriterien gewichten soll. An sich möchte ich ihm gerne Punkte geben, würde ihn auch schon als E-Literatur einordnen, aber ich finde die geöffneten Fenster nicht, an denen vorübergegangen wird - oder nur in so abstrakter, vager Form, dass ich sie in nahezu jedem Text außerhalb des Wettbewerbs finden könnte. Des weiteren kann ich mit dem Titel nichts anfangen und finde keine schlüssige Verbindung der Erzählung in der Erzählung, der Göttergeschichte, zum Rest, was aber an mangelnder Aufmerksamkeit oder fehlendem Hintergrundwissen meinerseits liegen mag.

Ich weiß nicht, ob dir da die Erklärungen, die ich weiter oben geliefert habe, weiterhelfen. Dass die Fenster in meinem Beitrag nicht einfach zu sehen sein würden, war mir klar, bevor ich ihn abgegeben habe, als ich dann aber die Interpretation des Themas durch andere gesehen habe, war mir klar, wie sehr ich mich da selbst sabotiert habe. Vor Abgabe fand ich sogar das Vorübergehen an gleichgültigen Blicken auf dem Weg ins Heck zu on the nose, jetzt weiß ich: hätte deutlich unsubtiler sein können.
Danke dir für deinen Kommentar!
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V.K.B.
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Beitrag25.05.2021 17:52

von V.K.B.
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Zitat:
Was Moussa gesucht hat, ist vielleicht das, was ich in meiner Langerklärung weiter oben geschrieben habe. Hier eine Kurzfassung: Einen Weg in die Freiheit und Sicherheit vor einer Krankheit, die Harun verzehrt hat.
Mit deiner Langerklärung und den dort beschriebenen Hintergründen wirkt das Ganze viel besser und die Geschichte viel intensiver. Aus dem Text allein kann man das allerdings nicht rauslesen, weil Mindset des Autors nicht gleich Mindset des Lesers ist. Schade, Andeutungen in diese Richtung hätten der Geschichte gutgetan und sie noch viel besser gemacht.

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hobbes
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Beitrag25.05.2021 18:06

von hobbes
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anderswolf hat Folgendes geschrieben:
hobbes hat Folgendes geschrieben:
Das ist eine dieser Geschichten, wäre sie als Musikstück Teil eines Konzerts, und wäre dieses Stück jetzt zu Ende, dann würde ich darauf hoffen, dass die Leute doch bitte, bitte, einfach mal still sind. Damit ich noch eine Weile hinterherlauschen kann. Aber nie sind sie wirklich lange genug still, viel zu schnell fängt der erste an zu klatschen und dann klatschen alle und schon geht sie dahin, die verdiente Stille.

Ein Glück bin ich nicht im Konzert.

Du hattest recht in diesem anderen Kontext, du hast mir wirklich wunderhübsche Worte unter meinen Text geschrieben, und ich bin doppelt gerührt, wegen der schönen Worte einerseits und weil das ja noch nie passiert ist. Verrückte Welt.

Oh, das freut mich. Die gleichen Worte hätte ich dir jetzt direkt noch mal unter deinen Kommentar zum Text schreiben können.


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anderswolf
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Beitrag26.05.2021 09:26

von anderswolf
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V.K.B. hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Was Moussa gesucht hat, ist vielleicht das, was ich in meiner Langerklärung weiter oben geschrieben habe. Hier eine Kurzfassung: Einen Weg in die Freiheit und Sicherheit vor einer Krankheit, die Harun verzehrt hat.
Mit deiner Langerklärung und den dort beschriebenen Hintergründen wirkt das Ganze viel besser und die Geschichte viel intensiver. Aus dem Text allein kann man das allerdings nicht rauslesen, weil Mindset des Autors nicht gleich Mindset des Lesers ist. Schade, Andeutungen in diese Richtung hätten der Geschichte gutgetan und sie noch viel besser gemacht.

Das von mir Gefettete ist dummerweise das, was ich gerne anderen zu ihren Texten sage, insofern hätte ich es mir vielleicht auch zu Herzen nehmen sollen wink
Vielleicht schaffe ich es ja beim nächsten Mal. Oder vielleicht erweitern wir den Wettbewerb einfach auf "20 Tage, 20000 Zeichen". Dann bekomme ich vielleicht alles unter, was ich sagen will lol
Vielen Dank für die nochmalige Rückmeldung!
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Beitrag26.05.2021 09:26

von anderswolf
Antworten mit Zitat

hobbes hat Folgendes geschrieben:
anderswolf hat Folgendes geschrieben:
hobbes hat Folgendes geschrieben:
Das ist eine dieser Geschichten, wäre sie als Musikstück Teil eines Konzerts, und wäre dieses Stück jetzt zu Ende, dann würde ich darauf hoffen, dass die Leute doch bitte, bitte, einfach mal still sind. Damit ich noch eine Weile hinterherlauschen kann. Aber nie sind sie wirklich lange genug still, viel zu schnell fängt der erste an zu klatschen und dann klatschen alle und schon geht sie dahin, die verdiente Stille.

Ein Glück bin ich nicht im Konzert.

Du hattest recht in diesem anderen Kontext, du hast mir wirklich wunderhübsche Worte unter meinen Text geschrieben, und ich bin doppelt gerührt, wegen der schönen Worte einerseits und weil das ja noch nie passiert ist. Verrückte Welt.

Oh, das freut mich. Die gleichen Worte hätte ich dir jetzt direkt noch mal unter deinen Kommentar zum Text schreiben können.

 rotwerd love
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Beitrag26.05.2021 09:52

von anderswolf
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Zitat:
Vorgaben: Nicht erfüllt, da keine Umsetzung der "an offenen Fenstern vorbeigehen" Vorgabe erkennbar ist.

Als du von Schubladentexten sprachst im Small-Talk-Faden, war mir relativ klar, dass du unter anderem meinen Text meinen würdest. Da konnte ich natürlich nicht gut erklären, wie ich das Thema aufgefasst und umgesetzt hatte. Vielleicht hat meine ausufernde Erklärung weiter oben das zumindest in Ansätzen vermocht.

Zitat:
Das ist sehr schade, denn die Geschichte ist gut, wichtig, eindringlich, zeitgemäß

Na, immerhin wink Vielen Dank!

Zitat:
- und hätte durch sehr geringfügige Änderungen vorgabentreu umgeschrieben werden können.

Ob geringfügige Änderungen da gereicht hätten, weiß ich nicht, aber ja: ich hätte sicherlich sehr viel offensiver sein können.

Zitat:
Das große Problem bei der Sache ist, dass jede metaphorische Umsetzung - eine literale ist in diesem setting per Definition schwierig (Fenster in Schlauchbooten oder Zeltlagern... hmmmm) - einem der Protas eine aktive Entscheidungsmöglichkeit gibt, da "Vorübergehen" ein bewusster Akt ist, dem eine Entscheidung - nämlich ob Vorübergehen, durchsteigen, hineinsehen oder was auch immer - vorausgehen muss.

Gilt "an gleichgültigen Blicken vorbei ins Heck gebracht" zu werden?
Wohl eher nicht, denn erstens ist auch das passiv und zweitens wäre das zwar symptomatisch für die Erzählung (der Blick auf andere ist eher unbeteiligt), aber eben auch nicht klar relevant für die Erzählung an sich.

Zitat:
Die Protas sind in dieser Erzählung aber komplett passiv und können nur reagieren. Möglicherweise ist es ein Anliegen des/der AutorIn, die Agonie und Hilflosigkeit dieser fremdbestimmten Passivität herauszustellen, aber damit ist auch sofort die Option des bewusst eingegangen Vorübergehens genommen.

Andererseits ist da durchaus Agieren, wie ich (natürlich) finde, und auch bewusstes Entscheiden und damit Vorübergehen. Beginnt damit, dass Moussa eine Geschichte erzählt, die auch sein eigenes, inzwischen bereutes Handeln beleuchtet; die Geschehnisse auf dem Schiff (Moussa wird sich (umsonst) anpreisen, und Zaher hätte ihm schon im Vorfeld sagen können, wie unnütz das ist); Zahers Stellung im Lager, um die er sich ja auch erst mal bewerben und durchsetzen musste (womit er ausnahmsweise mal ein Zeitfenster genutzt hat); Zahers aktives Übersetzen (das Einblicke in die Leben anderer bietet), aber auch, als er Fatins undurchsichtiges Geschäft mit den Decken ... äh ... deckt (womit er an einem geöffneten Fenster vorbeigeht: er hätte sich durch das Auf- ... äh ... -decken der Unterschlagung größeres Vertrauen, vielleicht auch eine sicherere Stellung verdienen können). Und natürlich Zahers Tiefspunkt: das mehr oder weniger aktive Verstreichenlassen der Möglichkeit, Moussa zu trösten. Und dann kommt das Feuer, und es ist eh alles egal. Da hatte ich dann nur noch einen Anflug von Rilkes Panther, was aber keinen Sinn ergibt.

Aber ja, das ist alles sehr subtil und es muss gesehen werden wollen. Angesichts eines Mitbewerberfelds, wo die meisten Texte die Interpretation des Themas weniger unoffensichtlich angegangen sind, war mir klar, dass mein Text da große Schwierigkeiten haben würde.  

Zitat:
Um in der Methaporik zu bleiben, handelt es sich bei dieser Erzählung also um verrammelte Fenster.

Wenn in der Geschichte eine Wendung drin gewesen wäre, in der Zaher die Möglichkeit gehabt hätte, durch seine Stellung im Lager "aufzusteigen" (offenes Fenster), sich aber dagegen entschlossen hätte (weil es ihn z.B. in Gewissenskonflikte bringt), wäre es eine Punktlandung geworden. So aber ist diese Erzählung zwar für sich genommen immer noch gut, hat aber in dem Wettbewerb nichts verloren.

Und obwohl du der Meinung warst, dass mein Text nicht in diesen Wettbewerb gehört, hast du dir trotzdem Gedanken dazu gemacht, und das freut mich natürlich trotzdem und hilft mir natürlich für zukünftige Texte, insofern: Vielen Dank für deinen Kommentar!
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anderswolf
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Beitrag26.05.2021 10:12

von anderswolf
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marinaheartsnyc hat Folgendes geschrieben:
Inhalt und thematische Umsetzung sind sehr originell, das mag ich. Sprache ist auch super schön und angenehm - strahlt eine große Ruhe aus und steht damit im interessanten Gegensatz zu dem aufwühlenden Inhalt. Punktabzug gibt es eigentlich nur, weil es mir ein bisschen zu bruchstückhaft ist bzw. etwas schwer, inhaltlich zu folgen - sonst hätte ich wahrscheinlich noch mehr Punkte vergeben.

Wenn ich selbstkritisch bin, dann kann ich deiner Kritik der Fragmentierung folgen. Ich hätte es dem Publikum sicher leichter machen können. Viel wichtiger aber, dass dir die Geschichte (und vor allem die Sprache) ansonsten aber zu gefallen schien.
Vielen Dank für deinen Kommentar und deine Punkte!
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anderswolf
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Beitrag26.05.2021 10:15

von anderswolf
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Vogelsucher hat Folgendes geschrieben:
Ein sehr interessanter Beitrag. Mir gefällt, wie sich eine scheinbare Fantasy-Geschichte in eine höchst zeitmäßige Erzählung verwandelt.
Der Schreibstil ist schlicht, offenbart aber dennoch Talent.

Kurzer und prägnanter Kommentar, Höchstpunktzahl, was könnte ich mehr wollen? Vielen Dank!
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anderswolf
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Beitrag26.05.2021 10:22

von anderswolf
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d.frank hat Folgendes geschrieben:
Der Anfang, die Geschichte, die Überlieferung schafft zu viel Distanz.
In der Mitte, als es um reales Leben ging, hattest du mich kurz, dann wurde es sehr dramatisch. Ich bin wahrscheinlich nicht der richtige Leser für diesen Text.

Hier war ich ganz kurz traurig, aber dann kam ja die große Überraschung smile

Zitat:
Ja, das überrascht mich jetzt selbst, dass ich diesen Text, den ich erst verwerfen wollte, nicht nur unter die Punkte stelle, sondern auch noch vor Texte, die ich nach dem ersten Lesen höher eingeordnet hab.

Vornehmlich liegt das an folgenden Sätzen und Absätzen:

(Anm. d. Red: rausgenommen)

Wenn ich so überlege, wie viel ich hier reinkopiere und wie jetzt auch die   Überlieferung langsam bei mir ankommt und macht, dass ich den Text nochmal lesen mag, frage ich mich, ob die Bepunktung nicht doch zu niedrig ist. Letztlich ist es wohl vor allem das Feuer, das ihn in meinen Augen wieder kaputtmacht, da wird das Thema mit einem letzten Paukenschlag bedient.
Aber: Ich habe jetzt alles wieder durcheinandergeworfen und gebe diesem Text 10 Punkte! Shocked

Ich lasse das einfach mal so stehen, weil ich mich natürlich wie bolle freue, dass ich mich da klammheimlich auf den zweiten Platz vorgeschrieben habe.
Aber: ich frage mich natürlich auch: wieso macht dir das Feuer das so kaputt? Weil es zu sehr Faust-auf-Auge-Moria-Fluchtdrama ist?

Ich danke dir auf jeden Fall sehr für deinen schönen Kommentar und vor allem natürlich die Punkte! Juhu!
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anderswolf
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Beitrag26.05.2021 10:34

von anderswolf
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Nihil hat Folgendes geschrieben:
Gut, dass ich zum Ende hin nochmal das Fenster aufgemacht habe, als du vorbeigelaufen bist, denn um ein Haar wärst du mir entgangen. Da hat wohl die Wettbewerbsmüdigkeit und das Lesen am PC seinen Teil dazu beigetragen, dass ich zuerst überhaupt nicht so begeistert von dieser Geschichte war. Später dafür sehr. Warum der Mythos von Gilgamesh und Enkidu hier unbedingt erzählt werden muss, erschließt sich mir zwar immer noch nicht (außer Ilkins Antagonismus darzustellen vielleicht), aber vielleicht muss es sich mir auch nicht erschließen. Der Text ist doch ziemlich gut gemacht, wie er einem genau so viel erzählt, wie man dringend wissen muss; und darin, dass er funktioniert, auch wenn man im letzten Jahr kein einziges Mal die Nachrichten eingeschaltet hat. Mir gefällt auch die Dynamik der Gruppe, Zaher, der Übersetzer, Moussa, der stark war, sich aber für das Überleben der Gruppe aufgebraucht hat, dann Ilkin, der nur die Religion im Kopf hat, sich um das Wohlergehen der anderen aber am wenigsten schert. Ob Ilkin es am Ende war, der den Brand gelegt hat, wird lediglichh angedeutet. Auch hier verstehe ich nicht ganz, weshalb er, trotz der Lippenbekenntnisse, als so ein eindeutiger Nihilist gezeichnet werden muss. Auch wenn im Lager das Recht des Stärkeren gelten mag, das allein wäre mir als Grund noch zu schwach gezeichnet gewesen (Fahin war derjenige, der die ganzen Decken erhalten hat – warum sich nicht auf ihn konzentrieren?).

Letztlich sind das aber Kleinigkeiten, und ich bin froh, dass ich den Text nochmal ausgedruckt und ordentlich gelesen habe, denn sonst wäre mir etwas entgangen.

 love

Nah, ganz ehrlich, vielen Dank für diesen schönen Kommentar. Wie bei d.franks Kommentar eben schon finde ich diese "Erst fand ich das doof - aber dann war ich selbst davon überrascht, wie gut ich den Text doch fand"-Reaktionen besonders toll (auch wenn es mir natürlich grundsätzlich ein Bein stellt, wenn meine Texte immer so sind).
Über die Funktion des Epos habe ich ja weiter oben schon was geschrieben, also weil ich es natürlich schon immer irgendwie verarbeiten wollte, aber weil es eben auch ein Echo eines anderen Schicksals ist, das für Moussa Pate stand. Das Epos ist also auch Moussas Geschichte, aber natürlich auch ein grundsätzliches.
Die Zeichnung von İlkin als Nihilist sehe ich nicht so, aber vielleicht weil ich ein sehr eindeutiges Bild von ihm als Opportunist und Egoist im Kopf habe und ich mit einem Nihilisten etwas anderes verbinde, aber da ist es vielleicht eine Frage der Definition.
Den Brand hat er meines Wissens nach nicht gelegt; dass er am Ende nur lacht darüber, dass Zaher sich um Moussa sorgt, als sei Moussa es wert, dass sich jemand um ihn sorgt; ist es das, was du als Nihilismus auslegst?
Und der Deckenjunge ... der klaut nur Decken, vielleicht verkauft er sie, vielleicht polstert er seinen Platz im Lager damit aus. Er ist letztlich nur einer von zu vielen Menschen in einem zu engen Lager, der versucht, das Beste für sich aus der Situation zu machen.

Ich danke dir sehr für deinen Kommentar und erst recht für die Punkte!
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anderswolf
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Beitrag26.05.2021 10:37

von anderswolf
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Babella hat Folgendes geschrieben:
Ich sehe den Bezug zur Vorgabe nicht.

Wie mehrfach anderswo geschrieben: das hätte ich deutlicher machen können. Trotzdem danke für den Kommentar.
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d.frank
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Beitrag26.05.2021 10:43

von d.frank
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20 Tage, 20000 Zeichen

Zitat:
Aber: ich frage mich natürlich auch: wieso macht dir das Feuer das so kaputt? Weil es zu sehr Faust-auf-Auge-Moria-Fluchtdrama ist?


Ja. Es ist eben das, was man vor Augen hat, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt: Boote im Mittelmeer, Lagerbrände.
Du hast es ja geschafft, dich deinen Figuren so zu nähern, dass ich sie als Menschen sehen durfte, von daher finde ich nicht, dass du hier etwas ausgeschlachtet hast!
Allerdings haben Einstieg und Ende dann doch wieder Vorurteile oder auch Klischees bedient. Ich denke, das wäre dir selbst aufgefallen, wenn du dir 20 Tage Schreibzeit genommen hättest.


_________________
Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
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Beitrag26.05.2021 10:47

von anderswolf
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Constantine hat Folgendes geschrieben:
Dänemark Afrika

Eigentlich: unbenannte Insel inmitten der Wasser des Todes. Vielleicht noch Moria, aber definitiv nicht Afrika. Da muss ich nochmal nachlesen, was Afrika nahelegen könnte.

Zitat:
der Text hat es sehr schwer bei mir.
Mir bleiben leider die Hintergründe/Hintergrundsgeschichten der Protagonisten zu unklar und dadurch leidet bei mir die Kontur, die scharfe Zeichnung, der Protagonisten. Alles etwas verwirrend/wirr. Ich bekomme sie nicht gegriffen und dann plätschert die Handlung vor sich hin, mit dem Drama und der Tragik der Dreiergruppe um Moussa, İlkin und Zaher.

Das ist natürlich doof für mich, dass das bei dir als eher wirr und plätschernd angekommen ist. Vielleicht helfen meine bisherigen Kommentare bei der Aufklärung.

Zitat:
Sicherlich ambitioniert, was die Zustände in der dritten Welt angeht, zwischen Hilfsorganisationen und Militärregimes, aber leider überzeugt mich dieser Text nicht. Da waren andere Texte stärker und die Punkte sind leider begrenzt.

Auch hier muss ich vielleicht nochmal bei mir selbst nachlesen, da ich ja eigentlich nicht Dritte Welt meine, sondern eher Auffanglager an der europäischen Südküste (was die Sache ja noch viel skandalöser macht) und nicht Militärregime, sondern eigentlich nur Soldaten, die als Bewacher abkommandiert wurden, damit nicht gleich wieder was brennt. Aber zugegeben: ich habe bewusst keine definitive Ortsangabe gemacht, da darf ich mich nicht beschweren, wenn das zu unscharf ist.

Zitat:
Der Text ist nicht in meiner Top Ten: zéro points.
Es tut mir leid.

Merci beaucoup
Constantine

Das muss und sollte dir nicht leid tun.
Ich danke vielmals für deinen Kommentar.
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Beitrag26.05.2021 11:00

von anderswolf
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d.frank hat Folgendes geschrieben:
20 Tage, 20000 Zeichen

Zitat:
Aber: ich frage mich natürlich auch: wieso macht dir das Feuer das so kaputt? Weil es zu sehr Faust-auf-Auge-Moria-Fluchtdrama ist?


Ja. Es ist eben das, was man vor Augen hat, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt: Boote im Mittelmeer, Lagerbrände.
Du hast es ja geschafft, dich deinen Figuren so zu nähern, dass ich sie als Menschen sehen durfte, von daher finde ich nicht, dass du hier etwas ausgeschlachtet hast!
Allerdings haben Einstieg und Ende dann doch wieder Vorurteile oder auch Klischees bedient. Ich denke, das wäre dir selbst aufgefallen, wenn du dir 20 Tage Schreibzeit genommen hättest.


Zugegeben, da habe ich mich darauf verlassen, dass das Publikum die mit der Fluchtkatastrophe assoziierbaren Bilder wiedererkennt und als solches die Situation einordnet, vielleicht auch mit einer entsprechenden Emotionalität bewertet.
Und wahrscheinlich hast du recht: bei 20/20k wäre mir das mehr ins Auge gesprungen (wie ja mein Zwischendurchkommentar auch zeigt, da war ich ja eher nicht so glücklich). Ob es mir besser gelungen wäre, hätte ich mehr Zeit gehabt: das ist die eigentliche Frage.
Aber: danke für den nochmaligen Kommentar und dafür: "Du hast es ja geschafft, dich deinen Figuren so zu nähern, dass ich sie als Menschen sehen durfte." Denn das war durchaus ein Ziel von mir, weil ich ja dann doch glaube, dass gerne vergessen wird, dass all die Menschen, die in irgendwelchen Zwischenlagern festhängen, tatsächlich Menschen sind.
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Beitrag26.05.2021 11:02

von anderswolf
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Raven1303 hat Folgendes geschrieben:
Liebe/r Unbekannte/r,

was für eine tolle Geschichte!

Zehn Punkte von mir.

LG Raven


Und was für eine tolle Bepunktung noch dazu smile extra

Vielen herzlichen Dank!
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