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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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09.08.2020 00:12 spurlos von Tula
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spurlos
die zeit tilgt alle stunden
langes fluten der not
fallwege durchs gestrüpp
tief unter der haut
schon viermal alles drüber und
drunter nach-gewuchert
jedes blatt im gezweig
hin und wieder nur
eitert die kerbe
im mark
veröffentlicht in: silbende_kunst 22, ISSN 1869-9464, Juli 2020
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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poetnick Klammeraffe
Alter: 62 Beiträge: 835 Wohnort: nach wie vor
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12.08.2020 11:05
von poetnick
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Hallo Tula,
es wäre schade, würde der Titel zum Gedicht seinem Schicksal im Forum vorangestellt.
Denn der Text befasst sich tiefgründend in dem Bildern mit Verletzung/ Heilung, (oder vielleicht auch nur Linderung).
Zitat: | schon viermal alles drüber und
drunter nach-gewuchert |
Also brauchte es schon einige Tapes um Erlebtes zu verbinden, abzudecken.
Hier frage ich mich, ob die Nennung 'viermal' eine Willkürliche ist (glaube ich nicht) - und warum hier nicht 'vielmal' geschrieben steht.
Es bleibt etwas latent-(re)aktiv, wie bei einem Schlot, der hin und wieder, bei entsprechendem Druck, sein Material an die Oberfläche schickt.
Glückwunsch zur Veröffentlichung.
LG - Poetnick
_________________ Wortlos ging er hinein,
schweigend lauschte er der Stille
und kam sprachlos heraus |
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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12.08.2020 23:29
von Tula
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Hallo poetnick
erstmal Danke, dass dieses hier nun doch nicht gänzlich unbemerkt im Sommer-Loch versinkt.
Wie man sagt, die Zeit heilt alle Wunden. Dabei denke ich immer, dass das eigentlich gar nicht zutrifft. Wie tief oder weniger tief gewisse Kerben heute noch sitzen, man kann nichts einfach so aus der Erinnerung verbannen und was wären wir ohne unsere schmerzhaften Erfahrungen? Ohne sie hätten wir nichts gelernt! Dazu braucht der Mensch ein paar Niederlagen, nicht nur Erfolge.
Die zweite Strophe arbeitet mit den Metaphern des Wachstums und der Erneuerung (das jährliche Blattwerk): ein langsamer Prozess, der Lebensbaum braucht seine Zeit, ebenso jede Art des Überwucherns. Doch warum viermal? - das ist schwerer zu entschlüsseln. Vielleicht hast du schon mal gelesen, dass sich ein Mensch alle sieben Jahre erneuert, auch seelisch:
https://nlp-atelier-nuernberg.de/alle-7-jahre-veraendert-sich-der-mensch
Viermal entspricht also in etwa 30 Jahren, der Zeitspanne zwischen der Jugend und dem mittleren Alter. Das muss man natürlich nicht rein rechnerisch sehen und nicht unbedingt den Autor dabei suchen. Der Leser soll sich schließlich selbst im Text finden. Es passten also auch dreimal, fünfmal usw., je nach Selbstfindungs-Bedarf.
Dankend lieben Gruß
Tula
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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Elena Eselsohr
E Alter: 82 Beiträge: 218 Wohnort: Berlin
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E 15.08.2020 08:50 spurlos von Elena
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Hallo Tula,
nachdem ich das Gedicht gelesen habe, hadere ich doch ein wenig mit dem Titel. Er widerspricht der Conclusio. Zwar ein Stilmittel so ein Widerspruch,
aber in diesem Fall nicht ganz befriedigend. Denn der Mensch ist nicht nur, was er ist, sondern auch, was er war. Nach 30 Jahren erkennt man seine Freunde nicht mehr, will sie nicht mehr kennen, und vielleicht auch sich selbst nicht. Doch im Grunde tut etwas noch weh - die eiternde Kerbe im Mark. Ich denke, das Ich braucht noch etwas Zeit, um die Welt zu erkennen und sich selbst, die Frage beantworten zu können: Wie will ich leben, wer will ich sein?
Ein schöner, nachdenklicher Text.
Lieben Gruß, Elena
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menetekel Exposéadler
Alter: 104 Beiträge: 2452 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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15.08.2020 08:59
von menetekel
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Lieber Tula,
ein ungemein inspirierendes und doch ruhiges Gedicht, das vollkommen zu Recht veröffentlich wurde.
Bzgl. des Titels stimme ich Elena zu: Wären "Spuren" oder "Spurensuche" nicht passender? Oder ein Synonym für Reste?
Herzliche Grüße
m.
_________________ Alles Amok! (Anita Augustin) |
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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16.08.2020 01:12
von Tula
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Hallo Elena und Menetekel
Dank Euch beiden fürs feedback und es freut mich, dass das Gedicht gefällt.
Ja, der Titel steht in der Tat im Widerspruch zur eigentlichen Aussage, was gewiss Absicht war, auch dem Motto der Ausschreibung entsprechend. Ob das klug war oder nicht, darüber mag man sich streiten. Allgemein denke ich ich, dass Titel nicht erklären bzw. die Aussage/Pointe vorweg nehmen sollten, insofern fällt mir keine wirklich bessere Variante ein, wobei ich die Argumente dagegen natürlich nachvollziehen kann.
Nun werde ich selbst für ein paar Tage mehr oder weniger spurlos verschwinden. Ob der Urlaub dann ein paar neue Blätter sprießen lässt, ich hoffe es.
LG
Tula
_________________ aller Anfang sind zwei ...
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