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Cabo Formentor


 
 
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BlueNote
Geschlecht:männlichStimme der Vernunft


Beiträge: 7304
Wohnort: NBY



Beitrag29.12.2009 01:52
Cabo Formentor
von BlueNote
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Cabo Formentor (in zwei Teilen)

I.

Es ist mir egal, ob das die Wirklichkeit ist. Real ist sicherlich diese Insel, auf der in den Sommermonaten massenweise erholungssuchende Besucher anzutreffen sind. Die Touristen bevorzugen die Sandstrände im Tal, rund um die Stadt Alcúdia. Auf den Serpentinen zum Cap de Formentor, die durch eine grandiose und dennoch unbeschreiblich melancholische Landschaft führen, sieht man jetzt im Frühjahr eher selten ein Auto vorbeikommen. Mein Aufenthalt an diesem Ort erscheint mir wie ein Traum. Die Situation, in der ich mich befinde, ist so bizarr und unglaubwürdig, dass man sie eher dem Reich des Schlafes zuordnen möchte: Schwankend stehe ich am Abgrund eines Riffs, nachdem ich mich soeben von einer Totentafel erhoben habe. Kann das die Realität sein? Womöglich existieren all die Leichen hinter mir in Wirklichkeit gar nicht. Waren die unangenehmen Begegnungen in der Vergangenheit und die zerplatzten Zukunftspläne etwa auch nur Phantasie? Bald werde ich es wissen. Spätestens im Moment, da mich die Oberfläche des Meeres treffen und  auseinander reißen wird, mögen sich Traum und Wirklichkeit von einander trennen. Wenn jener lächerlich kleine Schritt über den Abgrund endlich ausgeführt ist, werde ich wissen, ob ich wirklich falle, oder doch nur träume.
 
Ein frischer Wind weht hier oben auf dem Mirador del Mal Pas. Er bläst Muster in die Grashalme, wellenbewegte Bilder, immer nur sichtbar für einen kurzen Moment. Die Sonne kommt hinter den Wolken hervor und wirft ihr Licht auf den Bergsattel. Sie beleuchtet die Szenerie wie ein Scheinwerfer die Bühne eines Theaters. Ich halte mich am Geländer der Aussichtsterrasse fest und sehe die Steilküste hinunter. Ich kann meinen Herzschlag hören. Viel zu laut hinein geschlagen in die Stille, die alles umgibt. Meine Füße kleben fest am Boden, die Hände umklammern krampfhaft die Metallstange der Sicherheitsabsperrung. Eine ständige Luftströmung möchte mich mit sanfter Hand fortbewegen. Unter mir die wunderschönen Lichtspiegelungen des Meeres. Die Wellen, die unaufhörlich  gegen die Felsen schlagen, werden mir mehr und mehr vertraut. Weit draußen auf dem Meer sehe ich, wie der Horizont zu verschwimmen beginnt und in den Himmel übergeht. Irgendwann dringt ein leises, kurzes Lachen an mein Ohr. Erschreckt drehe ich mich um. Hinter mir sind schwere Tische mit weißen Leinentüchern aufgestellt, aufwändig mit Blumengestecken geschmückt. Kristallgläser spiegeln das Licht der Frühlingssonne. Eine Ahnung von klassischer Musik durchdringt meinen Geist. Die Gesellschaft jedoch, die an der Tafel sitzt, ist reglos und stumm.
„Da bist du ja, meine allerliebste Braut!“, flüstere ich. „Mitten unter ihnen. Ich weiß, du kannst mich nicht sehen. Ich bin nur ein Lufthauch für dich, der über das Gras weht und sich zwischen den Felsen wieder verliert.“ Dein Blick sieht starr auf das Meer hinaus. Hier ist es der Wind, der alles bewegt. Die Tischtücher, Kleider, Frisuren. Die Menschen dagegen sind starr.
  
"Hast du es nicht bemerkt", frage ich dich, "alle um dich herum sind tot?“  Die Speisen stehen unberührt vor den prächtig gekleideten Menschen. Köstliches Eis mit exotischen Früchten garniert, auf blütenweiß strahlenden Tellern. Auf den Stühlen sitzen die Menschen wie gespenstisch modellierte Wachsfiguren. Ein allerletztes Lächeln liegt wie eingefroren auf den toten Lippen der Brautmutter. Dem Vater quellen die Augen aus den Augenhöhlen. Er ist   offensichtlich an einem Stück Fleisch erstickt, das ihm die Kehle verschloss. Bunte Giftcocktails erstrahlen im Licht der Nachmittagssonne. Die Gesichter der beängstigenden Gestalten sind seltsam verzerrt, wie irrsinnige, bösartige Karnevalsmasken. Des Bräutigams Kopf liegt achtlos im Gras.

(Fortsetzung folgt)

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Bananenfischin
Geschlecht:weiblichShow-don't-Tellefant

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Silberne Harfe



Beitrag29.12.2009 18:16

von Bananenfischin
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Hallo BlueNote,

dieser Text, vor allem seine Atmosphäre, gefällt mir sehr gut!
Die Naturbeschreibung finde ich besonders gelungen, ich fühlte mich davon zwischendrin regelrecht ein wenig "eingelullt", was sehr gut passt.

Ein paar Kleinigkeiten, sehr subjektiver Natur:
Zitat:
Es ist mir egal, ob das die Wirklichkeit ist.

 "... ob dies ..." hört sich für mich runder an.

Zitat:
Die Situation, in der ich mich befinde, ist so bizarr und unglaubwürdig,
Ich finde, "unglaubwürdig" kann weg.

Zitat:
Spätestens im Moment,

"in dem Moment" liest sich, ja, ich bemühe das Wort noch einmal, runder.

Zitat:
Des Bräutigams Kopf liegt achtlos im Gras.
Ich bin unschlüssig, aber ich denke, der Satz "geht" so nicht. Wie liegt der Kopf da? Achtlos. Also wäre der Kopf achtlos. Hm. "achtlos hingeworfen/weggeworfen" oder so ähnlich, das würde gehen, falls es denn zur Situation passt. Oder der Satz muss komplett umformuliert werden.

Freu mich auf die Fortsetzung!

Liebe Grüße
Bananenfischin


_________________
Schriftstellerin, Lektorin, Hundebespaßerin – gern auch in umgekehrter Reihenfolge

Aktuelles Buch: Geliebte Orlando. Virginia Woolf und Vita Sackville-West: Eine Leidenschaft

I assure you, all my novels were first rate before they were written. (Virginia Woolf)
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Biggi
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Beiträge: 782
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Beitrag29.12.2009 23:23

von Biggi
Antworten mit Zitat

Hi BN,

es gibt diesen an anderer Stelle von Dir angekündigten Text ja tatsächlich und mit genau diesem Schlusssatz.

Die bizarre Landschaft und die Stimmung sind Dir wohlbekannt, so wie Du sie beschreibst. Dann die gespenstische Atmosphäre, die Du daneben legst. Mir schwant nichts Gutes.

Ja, nun. Ich hätte gern noch den zweiten Teil gelesen. Den mit den 484 Wörtern. Und bitte bald.

Gruß,
Biggi
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BlueNote
Geschlecht:männlichStimme der Vernunft


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Wohnort: NBY



Beitrag30.12.2009 10:07

von BlueNote
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Guten Morgen die Damen,

@Bananenfischin

Es freut mich, dass dir die Naturbeschreibungen gefallen - ich glaub, die schreibe ich sowieso am liebsten. "Eingelullt" ist gut, denn der Protagonist weiß ja selber nicht so recht, ob das, was ihm da sein Gehirn so vorsetzt, der Wirklichkeit entspricht.
Zitat:

Zitat:
Es ist mir egal, ob das die Wirklichkeit ist.

"... ob dies ..." hört sich für mich runder an.

Ja, das stimmt! Im nächsten Satz geht es aber mit "dieser" Insel weiter. Da muss man also mehr umstellen.
Zitat:

Zitat:
Spätestens im Moment,

"in dem Moment" liest sich, ja, ich bemühe das Wort noch einmal, runder.

Nehm ich!
Zitat:

Zitat:
Des Bräutigams Kopf liegt achtlos im Gras.  
Ich bin unschlüssig, aber ich denke, der Satz "geht" so nicht.

Geht das nicht? Niemand beachtet den Kopf ... Achtlos hingeworfen passt nicht so recht zur Situation. Vielleicht kann sich hier noch jemand äußern?
Der Satz ist ja auch ein wenig arg spektakulär, ich könnte ihn auch umformulieren oder ihn ersetzen. Der Bräutigam ist aber im weiteren Verlauf noch wichtig.


@Biggi
Interessant, wie du das mit der "gespenstischen Atmosphäre daneben legst" ausgedrückt hast.
Zitat:

Mir schwant nichts Gutes.

Was könnte passieren? Wenn der Protagonist ein Ich-Erzähler ist, wird`s schwierig, ihn über die Klinge springen zu lassen. Vielleicht im Präsens gerade noch machbar. Nun, wir werden sehen wink

Zitat:

Ja, nun. Ich hätte gern noch den zweiten Teil gelesen. Den mit den 484 Wörtern. Und bitte bald.

Von mir aus sofort - aber du weißt ja, die VORSCHRIFTEN! wink

Also dann bis zum zweiten Teil ...

BlueNote
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mondblume
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Beitrag30.12.2009 12:04

von mondblume
Antworten mit Zitat

Morgen BlueNote,

die Geschichte musste ich natürlich lesen, da ich selber einmal dort war. Du hast die Gegend in ihrer Wildheit und Melancholie sprachlich sehr schön eingefangen.

Zum Inhalt:
Zitat:
Schwankend stehe ich am Abgrund eines Riffs, nachdem ich mich soeben von einer Totentafel erhoben habe.

Da musste ich innehalten, weil ich mit der Tafel erst nichts anfangen konnte. Ich dachte an eine Tafel im Sinn eines Gegenstandes und dachte an einen Grabstein, den ich dann wiederum nicht in die Geschichte einorden konnte. Würde vielleicht ein anderes Wort für die Tafelrunde suchen (ausser, ich wäre die einzige, die daran etwas aussetzt!). Vielleicht Totengesellschaft?

Zitat:
Unter mir die wunderschönen Lichtspiegelungen des Meeres.

Das klingt für mich nicht korrekt. Das Licht spiegelt sich im Meer. Müsste also irgendwie so geschrieben werden:
"Unter mir die wunderschönen Spiegelungen des Lichtes im Meer." Klingt allerdings nicht sehr elegant. Vielleicht "Unter mir spiegelte sich das Licht wunderschön funkelnd im Meer". Oder so ähnlich.

Zitat:
Eine Ahnung von klassischer Musik durchdringt meinen Geist.

Schön!

Zitat:
Irgendwann dringt ein leises, kurzes Lachen an mein Ohr.

Zitat:
„Da bist du ja, meine allerliebste Braut!“, flüstere ich. „Mitten unter ihnen. Ich weiß, du kannst mich nicht sehen. Ich bin nur ein Lufthauch für dich, der über das Gras weht und sich zwischen den Felsen wieder verliert.“

Dieser Abschnitt liess mich wieder stutzen. So wie es bis jetzt scheint, ist er der einzig Lebende. So wie du aber schreibst, scheint er ein Geist zu sein. Denn wenn die Braut tot ist, kann sie ihn zwar nicht sehen, aber auch den Lufthauch nicht spüren. Wäre er hingegen ein Geist, könnte sie ihn nicht sehen, wohl aber den Lufthauch spüren.
Ausserdem - woher kommt das Lachen, wenn doch alle tot sind? Eine Einbildung seinerseits?

Zitat:
Die Gesellschaft jedoch, die an der Tafel sitzt, ist reglos und stumm.

Zitat:
Dein Blick sieht starr auf das Meer hinaus. Hier ist es der Wind, der alles bewegt. Die Tischtücher, Kleider, Frisuren. Die Menschen dagegen sind starr.

Bisschen viel reglos und starr innerhalb weniger Zeilen.

Zitat:
"Hast du es nicht bemerkt", frage ich dich, "alle um dich herum sind tot?“

"Hast du es nicht bemerkt?", frage ich dich. "Alle um dich herum sind tot!" oder
"Hast du nicht bemerkt", frage ich dich, "dass alle um dich herum tot sind?"

Zitat:
Des Bräutigams Kopf liegt achtlos im Gras.

Hier stimme ich Bananenfischin zu, das achtlos passt nicht. Probier's doch mal mit "unbeachtet"
Ausserdem: Wenn der Erzähler mit seiner Braut redet, müsste er doch der Bräutigam sein? Wie kann dann sein Kopf im Gras liegen? Ausser, er wäre der Möchtegern-Bräutigam.

Ich hoffe, im 2. Teil kommt die Auflösung!


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BlueNote
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Beitrag30.12.2009 17:19

von BlueNote
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Hallo mondblume und Unzuchtsengel,

Zitat:
Zitat:
Schwankend stehe ich am Abgrund eines Riffs, nachdem ich mich soeben von einer Totentafel erhoben habe.

Da musste ich innehalten, weil ich mit der Tafel erst nichts anfangen konnte. Ich dachte an eine Tafel im Sinn eines Gegenstandes und dachte an einen Grabstein, den ich dann wiederum nicht in die Geschichte einorden konnte. Würde vielleicht ein anderes Wort für die Tafelrunde suchen (ausser, ich wäre die einzige, die daran etwas aussetzt!). Vielleicht Totengesellschaft?


Über die "Totentafel" habe ich bereits lange nachgedacht. Sie ist tatsächlich ein Wackelkandidat. Vielleicht die Tafel in Verbindung mit dem Fest->Festtafel.

Zitat:


Zitat:
Unter mir die wunderschönen Lichtspiegelungen des Meeres.

Das klingt für mich nicht korrekt. Das Licht spiegelt sich im Meer. Müsste also irgendwie so geschrieben werden:
"Unter mir die wunderschönen Spiegelungen des Lichtes im Meer." Klingt allerdings nicht sehr elegant. Vielleicht "Unter mir spiegelte sich das Licht wunderschön funkelnd im Meer". Oder so ähnlich.


Jetzt, da du es sagst, sehe ich den Bezugsfehler auch.


Zitat:

Zitat:
Irgendwann dringt ein leises, kurzes Lachen an mein Ohr.

Zitat:
„Da bist du ja, meine allerliebste Braut!“, flüstere ich. „Mitten unter ihnen. Ich weiß, du kannst mich nicht sehen. Ich bin nur ein Lufthauch für dich, der über das Gras weht und sich zwischen den Felsen wieder verliert.“

Dieser Abschnitt liess mich wieder stutzen. So wie es bis jetzt scheint, ist er der einzig Lebende. So wie du aber schreibst, scheint er ein Geist zu sein. Denn wenn die Braut tot ist, kann sie ihn zwar nicht sehen, aber auch den Lufthauch nicht spüren. Wäre er hingegen ein Geist, könnte sie ihn nicht sehen, wohl aber den Lufthauch spüren.
Ausserdem - woher kommt das Lachen, wenn doch alle tot sind? Eine Einbildung seinerseits?

In dieser Geschichte ist sehr wenig klar (außer am Schluss). Diese Verwirrung ist durchaus gewollt. Der Protagonist denkt ja auch viel darüber nach, ob er träumt oder nicht.
Das Lachen kannst du dir so vorstellen, dass es von anderen Touristen kommt, die irgendwo in der Nähe sind (an dieser Stelle sind schließlich fast immer Touristen). Der Protagonist ist jedoch so in sich selbst versunken, dass er das alles gar nicht richtig wahrnimmt.

Die vielen "regungslos" muss ich dezimieren.

Zitat:

Zitat:
Des Bräutigams Kopf liegt achtlos im Gras.

Hier stimme ich Bananenfischin zu, das achtlos passt nicht. Probier's doch mal mit "unbeachtet"
Ausserdem: Wenn der Erzähler mit seiner Braut redet, müsste er doch der Bräutigam sein? Wie kann dann sein Kopf im Gras liegen? Ausser, er wäre der Möchtegern-Bräutigam.


Da suche ich so lange nach dem richtigen Wort und hier ist es: "unbeachtet". Du hast es einfach aus dem Hut gezaubert. Dafür danke ich dir.

Zitat:

Wie kann dann sein Kopf im Gras liegen? Ausser, er wäre der Möchtegern-Bräutigam.
Ich hoffe, im 2. Teil kommt die Auflösung!
Zitat:


Ja, im zweiten Teil kommt die Auflösung. Ich hoffe du/ihr bist/seid damit zufrieden.

Vielen Dank, deine Rezension war außerordentlich hilfreich.

BlueNote
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BlueNote
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Beitrag01.01.2010 11:02

von BlueNote
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II.

Der Mittelmeerwind weht einen Hauch von Jasminduft zu mir herüber. Ich bin aufgeregt, denn heute ist der Tag, an dem ich zum ersten Mal in meinem Leben das Fliegen probieren werde. Mit den Winden bis hinauf in den Himmel steigen und allen Sorgen entschweben. Ich drehe mich um und blicke erneut aufs Meer. Unter mir der schneidende Fels. Meerfinger, die nach den Stränden greifen. Wenn es Nacht wird, stelle ich mir vor, wird mein Körper schon auf den Wellen treiben. Mein letzter Gedanke soll ein Gedanke an dich sein. Einen kurzen Moment später wäre dann alles vorbei. Denkst du noch einmal an mich? Ach, auch du bist ja tot – wie konnte ich es vergessen.

Ich spüre die Anwesenheit der Hochzeitsgesellschaft hinter mir noch immer, obwohl kein Laut von ihnen zu hören ist. Jeder schweigt, niemand steht auf zum Tanz. Es ist für mich völlig offensichtlich, dass ich der Mörder dieser unschuldigen Menschen bin. Und darum muss ich jetzt auch sterben. Wie ein Faustschlag soll mich die Oberfläche des Meeres treffen und mir all meine Knochen durcheinander wirbeln. Ich beginne, mich nach jenem Augenblick zu sehnen, so, wie ich mich in der Vergangenheit immer nach einem Leben mit dir gesehnt habe.

Vertraute Bilder schweben wie ein Film an mir vorbei. Manche Worte aus der Vergangenheit spreche ich noch einmal aus, andere würde ich gerne für immer aus der Erinnerung löschen. Deine Haut fühlte sich so zart an, wenn man mit der Hand über sie strich, deine Lippen waren so aufregend schön. Es gab kein einziges Geschöpf auf der Welt, das bezaubernder war als du. Unsere Kinder hätten den ganzen Tag am Meer spielen können. Zusammen wären wir auf einer Holzbank gesessen und hätten jeden Tag in den Sonnenuntergang gesehen, bis es vollkommen finster geworden wäre. Vor unserem Haus am Meer, das ich für dich gebaut hätte.

Lange Zeit stehe ich am Rande des Riffs, bis ich plötzlich zu frösteln beginne. Irgendwann gehe ich zögerlich die wenigen Schritte zu meinem Auto zurück, steige ein, ohne jedoch den Motor anzulassen. Nach mehren Minuten fahre ich los, die Serpentinen hinunter in das Tal. In Pollença komme ich an einer kleinen, spanischen Kirche vorbei. Kurz halte ich den Wagen an und höre von außen der feierlichen Musik zu. In diesem Augenblick, so stelle ich mir vor, gibst du jenem anderen Mann, den ich niemals kennengelernt habe, das Versprechen für ein ewiges Leben mit dir. Sicher fällt zu Hause in eurer Stadt gerade der Regen in deine frisch frisierten Haare und auf dein weißes Kleid. Doch das macht dir nichts aus, weil du glücklich bist. Ich erinnere mich, wie wir vor Jahren gemeinsam auf dem Mirador de Mal Pas standen und auf das Cabo Formentor sahen. Der großartige Anblick brannte sich für immer ein in mein Gedächtnis. Und ich wusste, dass ich mein ganzes Leben nur mit dir verbringen wollte. Ich wusste es, doch ich hatte es dir nie gesagt.


Ende
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mondblume
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Beitrag01.01.2010 14:12

von mondblume
Antworten mit Zitat

Oha, jetzt habe ich doch glatt ein wenig Gänsehaut bekommen ... Obwohl der ganze Text eigentlich ziemlich nüchtern geschrieben ist, fährt er dennoch unter die Haut. Sehr schön!

Zitat:
Und darum muss ich jetzt auch sterben.

Hier bin ich ein wenig gestolpert. Besser vielleicht:
"Und darum muss auch ich jetzt sterben"

Zitat:
Wie ein Faustschlag soll mich die Oberfläche des Meeres treffen und mir all meine Knochen durcheinander wirbeln.

"wirbeln" ist mir zu harmlos, zu lustig. Hier bräuchte es meiner Meinung nach ein brutaleres Wort, um auch etwas vom Schmerz zu zeigen. Ein Faustschlag zertrümmert ja meist, oder zerschmettert.

Zitat:
Manche Worte aus der Vergangenheit spreche ich noch einmal aus, andere würde ich gerne für immer aus der meiner Erinnerung löschen.


 Daumen hoch
Frohes neues Jahr wünsche ich dir noch!


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BlueNote
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Beitrag02.01.2010 10:32

von BlueNote
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Guten Morgen Mondblume,

mondblume hat Folgendes geschrieben:
Oha, jetzt habe ich doch glatt ein wenig Gänsehaut bekommen ... Obwohl der ganze Text eigentlich ziemlich nüchtern geschrieben ist, fährt er dennoch unter die Haut. Sehr schön!

Dann hat sich das Schreiben doch gelohnt.
Zitat:

Zitat:
Und darum muss ich jetzt auch sterben.

Hier bin ich ein wenig gestolpert. Besser vielleicht:
"Und darum muss auch ich jetzt sterben"

Das klingt besser.

Zitat:

Zitat:
Wie ein Faustschlag soll mich die Oberfläche des Meeres treffen und mir all meine Knochen durcheinander wirbeln.

"wirbeln" ist mir zu harmlos, zu lustig. Hier bräuchte es meiner Meinung nach ein brutaleres Wort, um auch etwas vom Schmerz zu zeigen. Ein Faustschlag zertrümmert ja meist, oder zerschmettert.

Ich hatte bereits sehr viele verschiedene Wörter an Stelle des "Wirbelns", z.B. zerschmettern. Das wäre eigentlich das Naheliegendste. Wirbeln ist zwar extravaganter, aber nicht ganz so zutreffend. Die Stelle ist jedenfalls schon mal rot markiert.

Zitat:
Manche Worte aus der Vergangenheit spreche ich noch einmal aus, andere würde ich gerne für immer aus der meiner Erinnerung löschen.


Wahrscheinlich hat mich an dieser Stelle die "meine/deine" Folge gestört. Aber "meine" klingt natürlich besser.


Zitat:
[ Daumen hoch
Frohes neues Jahr wünsche ich dir noch!


Meines fing ja mit deiner Kritik bereits sehr froh an. Ich wünsche dir auch ein gutes neues Jahr.

BlueNote
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Biggi
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Beitrag02.01.2010 12:56

von Biggi
Antworten mit Zitat

Hi,

so, nach dem zweiten Teil, der zum Gesamtbild noch gefehlt hat, gebe ich Dir meinen Senf dazu.
Vorab: ich gehe von einer fiktiven Geschichte aus und deswegen hart mit ihr ins Gericht. Sollte sie in irgendeiner Weise authentisch sein, wirst Du mit meinen Texten künftig anders umgehen. Dessen bin ich mir durchaus bewusst... Aber das sind alles nur meine Eindrücke und Vorschläge, nicht vergessen!
Eine im Grunde genommen tragische Geschichte, die Du da erzählst. Die Sprachlosigkeit - und zwar nicht nur die an diesem Aussichtspunkt, da bin ich mir absolut sicher! - war schuld daran, dass eine Beziehung in die Brüche gegangen ist. Wenn jemand alleine zurückbleibt und genau weiß, dass er die Frau seines Lebens gerade an einen anderen Mann verliert, weil er selbst die Zähne nicht auseinander gebracht hat zur rechten Zeit, hat er allen Grund in Selbstmitleid zu versinken.
Für mich klingt er nicht verzweifelt. Er wirkt auf mich also nicht, als würde er ernsthaft springen wollen. Die Geschichte hat in der Hinsicht eine "Sollbruchstelle" (s.u.).

Zur sprachlichen Gestaltung, abgesehen von mondblumes Anmerkungen:
Ich bin kein Fachmann, aber hier bin ich gestolpert:
Zitat:
Der Mittelmeerwind weht einen Hauch von Jasminduft zu mir herüber.

Ablandiger Wind bringt vermutlich diesen Duft mit. Nennt man den dann 'Mittelmeerwind'? Dem geneigten Leser ist ohnehin längst klar, dass sich die Geschichte am Mittelmeer abspielt. 'Wind' reicht.
Zitat:
Ich bin aufgeregt, denn heute ist der Tag, an dem ich zum ersten Mal in meinem Leben das Fliegen probieren werde.

'das Fliegen' stört für mich den Fluss. Vorschlag: ...probieren werde zu fliegen? Wenn überhaupt, denn:
Zitat:
Mit den Winden bis hinauf in den Himmel steigen und allen Sorgen entschweben.

Das klingt mir zu verklärt. Auch ihm dürfte klar sein, dass es nichts wird mit dem Emporsteigen. 9,81 Meter pro Sekunde² sind ein beeindruckender Grund, der dagegen spricht.
Hat er außer dieser einen Sorge eigentlich noch andere?
Zitat:
Unter mir der schneidende Fels. Meerfinger, die nach den Stränden greifen.

Warum schneidend? Stellt er sich also vor, dass er darauf landet und in Stücke gerissen wird? Die Finger klingen dagegen zu zart. Kommt mir zu kurz hintereinander.
Zitat:
Mein letzter Gedanke soll ein Gedanke an dich sein.

Das war knapp an Julio Iglesias vorbei... Wolltest Du das wirklich?
Der Mann nimmt sich sogar vor, was er als letztes denken will. (Obwohl er vor dem Auftreffen mit hoher Wahrscheinlichkeit feststellen wird, dass es der allergrößte Blödsinn seines Lebens war zu springen. Das dauert einfach viel zu lang von dort oben. Die wenigen überlebenden Golden-Gate-Bridge-Springer, die noch dazu in der Lage sind, erzählen davon.)
Zitat:
Einen kurzen Moment später wäre dann alles vorbei. Denkst du noch einmal an mich? Ach, auch du bist ja tot – wie konnte ich es vergessen.

Allerspätestens nach diesem 'Ach', das für mich nur zynisch klingt, kaufe ich ihm nichts mehr ab.
Zitat:
Wie ein Faustschlag soll mich die Oberfläche des Meeres treffen

Klingt wie "der Blitz soll dich treffen". Das passiert danach auch nie. Vermutlich absichtlich so formuliert? Dass ich das denke, liegt an dem 'Ach' von vorhin...
Zitat:
Deine Haut fühlte sich so zart an, wenn man mit der Hand über sie strich,

Nein, möchte ich dem guten Mann sagen, nicht 'man', hier MUSS 'ich' stehen! Spricht aber grundsätzlich für sein Verständigungsproblem. Selbst wenn er von der Liebe seines Lebens in ihrer Abwesenheit spricht, versteckt er sich. Mich wundert nichts mehr...
Zitat:
Lange Zeit stehe ich am Rande des Riffs, bis ich plötzlich zu frösteln beginne.

'Plötzlich' braucht es nicht hier. Die Kälte kriecht in/an ihm hoch. Der Wind hat sich vielleicht gedreht. Er bleibt trotzdem stehen. Hier fehlt mir irgendwie die Stimmung, die Du im ersten Teil so gut transportiert hast.
Zitat:
das Versprechen für ein ewiges Leben mit dir.

'ewig' ist für mich zu religiös. Ohne das Wort klingt es auch gut.

Mag sein, dass ich zu hart bin mit dem armen Sprachlosen. Im Gegensatz zu dem rauchenden Gesellen, den Du mir in "Gekreuzte Lebensläufe" vorgestellt hast, kann ich mich in diesen Mann - vor allem im zweiten Teil -nicht recht einfühlen. Zuwenig sagst Du mir über die Beziehung zwischen den beiden. Leider. Weißt doch, dass ich darauf stehe - unspektakulär-kitschlos beschreiben, damit ich zwischen den Zeilen lesen kann.  Cool

Redst jetz noch mit mir????
Etwas besorgte Grüße (die Neujahrswünsche hatten wir an anderer Stelle),
Biggi
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Hardy-Kern
Kopfloser

Alter: 74
Beiträge: 4832
Wohnort: Deutschland


Beitrag02.01.2010 13:43

von Hardy-Kern
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Die Noten der Geschichte stimmen eigentlich rundweg, bis auf einige Kleinigkeiten welche die Kollegen schon korrigiert haben. Smile

Ich hätte die Teile anders gesetzt. Die wunderbar beschriebene Festtafel mit den götzenartigen Gästen hätten besser in den 2. Teil gehört, weil du dann mit dem achtlos herumliegenden Kopf eine bessere Wirkung erzeugt hättest.

ER hat wieder Mut gefasst und fährt zurück zu seiner Geliebten, in der Hoffnung diese Hochzeitsgesellschaft in diesem Zustand mit dem Kopf so vorzufinden. Ein letzter Funken an Hoffnung. Nur ein Gedanke von mir.

Gute Geschichte.

Hardy
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BlueNote
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Beitrag02.01.2010 17:16

von BlueNote
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Hi!
@Hardy
Zitat:

Die wunderbar beschriebene Festtafel mit den götzenartigen Gästen hätten besser in den 2. Teil gehört, weil du dann mit dem achtlos herumliegenden Kopf eine bessere Wirkung erzeugt hättest.

Da bin ich mir noch nicht recht schlüssig bezüglich einer Verschiebung. Diese Festtafel zu beschreiben hat jedenfalls am meisten Spaß gemacht. Da könnte ich noch 3 Seiten ergänzen wink
Zitat:

ER hat wieder Mut gefasst und fährt zurück zu seiner Geliebten, in der Hoffnung diese Hochzeitsgesellschaft in diesem Zustand mit dem Kopf so vorzufinden. Ein letzter Funken an Hoffnung. Nur ein Gedanke von mir.

Sag bloß, du stehts auf Happy Ends? Obwohl, wenn ich bedenke, das mit dem Kopf ... ist wohl doch eher eine Tragödie.

Irgendwas werde ich wohl schon noch umschreiben ... Ich weiß noch nicht so recht in welche Richtung.


@Biggi
Zitat:

Vorab: ich gehe von einer fiktiven Geschichte aus und deswegen hart mit ihr ins Gericht.

Auf so was steh ich! wink Uns geht es ja hier ums Schreiben und nicht darum, uns unsere Lebensgeschichten um die Ohren zu hauen. Sicher ist immer etwas dabei, was man selbst erlebt hat. Aber man sollte schon mit dem nötigen Abstand schreiben und keine Rücksicht vom Leser erwarten.

Zitat:

hat er allen Grund in Selbstmitleid zu versinken

Das Selbstmitleid ist tatsächlich eine wichtige Komponente - und das macht den Protagonisten natürlich nicht unbedingt sympathischer. Aber vielleicht versteht man den armen Kerl dann irgendwann doch ...

Zitat:

Für mich klingt er nicht verzweifelt. Er wirkt auf mich also nicht, als würde er ernsthaft springen wollen.

Verzweifelt soll er nicht klingen - er ist schon eine Stufe weiter: resigniert. Er "liebäugelt" nur mit seinem Selbstmord - allerdings kann es in einem wirren Moment auch einfach "passieren".
Zitat:

Ablandiger Wind bringt vermutlich diesen Duft mit. Nennt man den dann 'Mittelmeerwind'?

Wahrscheinlich nicht ... Danke für diesen Hinweis.

Die ganze "Fliegen" Geschichte ist wohl problematisch. Der Protagonist stellt sich vor, dass er sich am Abgrund abstößt und ... fliegt. Dass er fällt wissen wir natürlich - und er eigentlich auch. Das sind halt einfach nur Träumereien ... Aber immer mit der Option, dass er es doch macht ...

Zitat:

Zitat:
Mit den Winden bis hinauf in den Himmel steigen und allen Sorgen entschweben.  

Das klingt mir zu verklärt.

Das kann sein. Es ist ja alles ein wenig dahin gesäuselt.
Zitat:

Zitat:
Unter mir der schneidende Fels. Meerfinger, die nach den Stränden greifen.

Warum schneidend? Stellt er sich also vor, dass er darauf landet und in Stücke gerissen wird?

Ja ... So ist das am Cabo Formentor ...
Zitat:

Die Finger klingen dagegen zu zart. Kommt mir zu kurz hintereinander.

Dann werde ich versuchen, das zu entzerren.

Zitat:

Zitat:
Mein letzter Gedanke soll ein Gedanke an dich sein.  

Das war knapp an Julio Iglesias vorbei... Wolltest Du das wirklich?

Hihi! Nee, das wollte ich nicht wirklich. Der Julio ... Und das Meer singt sein Lied ... (und das Lied hört nie auf bis in die Unendlichkeit - du hast Recht, das ist echt zu viel wink )
Zitat:

Der Mann nimmt sich sogar vor, was er als letztes denken will.

OK, vielleicht sollte er sich besser nicht vornehmen, was er beim Aufprall denken will.
Zitat:

Allerspätestens nach diesem 'Ach', das für mich nur zynisch klingt, kaufe ich ihm nichts mehr ab.

Ein bisschen Zynismus kommt hier natürlich schon ins Spiel (im Tonfall eines Klaus Kinskis etwa) - schließlich ist der Protagonist der Verlassene. Das würde ich schon gerne beibehalten.

So, Zeitscheibe erst einmal wieder abgelaufen. Zum Rest sage ich später was.

BlueNote
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Murmel
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Beitrag02.01.2010 20:39

von Murmel
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Hm... diese Aufteilerei ist wirklich nicht gut, denn sie beeinflusst auch das Beurteilen.

Wie oft liegt der Schwerpunkt deiner Geschichte in der ersten Hälfte anstatt in den ersten zwei Dritteln. Das ist ungünstig. Die Reflektionen sollten vor dem Schluss gesetzt werden. Auch solltest du Auflösen, ob er die Leute tatsächlich getötet hat und ob seine Braut die ist, die er sieht.

Ansonsten gut geschrieben. smile


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Hardy-Kern
Kopfloser

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Beitrag02.01.2010 21:37

von Hardy-Kern
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Note, eigentlich ist mir das Ende ziemlich egal, aber wenn der Kopf da so gemütlich rumliegt und Grund zum Rätseln gibt, könnte man ihn als krönenden Abschluss für eine Tragödie verwenden.

Wird nun etwas kompliziert das umzubauen.

Hardy
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BlueNote
Geschlecht:männlichStimme der Vernunft


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Wohnort: NBY



Beitrag02.01.2010 23:04

von BlueNote
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@Hardy
Zitat:

aber wenn der Kopf da so gemütlich rumliegt und Grund zum Rätseln gibt, könnte man ihn als krönenden Abschluss für eine Tragödie verwenden.

Das gibt es aber schon: Hamlet wink

@Murmel
Zitat:

Hm... diese Aufteilerei ist wirklich nicht gut, denn sie beeinflusst auch das Beurteilen.

Manche Leser sind auch enttäuscht, wenn es nicht so weiter geht, wie sie es sich gedacht haben, bzw. wenn es nicht mehr die erwartete Steigerung gibt.
Zitat:

Wie oft liegt der Schwerpunkt deiner Geschichte in der ersten Hälfte anstatt in den ersten zwei Dritteln.

Man würde den Schwerpunkt zerteilen ... Dann wohl besser alles auf einmal posten.
Zitat:

Auch solltest du Auflösen, ob er die Leute tatsächlich getötet hat und ob seine Braut die ist, die er sieht.

Denkst du, das ist nicht klar? Er redet ständig davon, zu träumen, die Situation mit der Hochzeitsgesellschaft ist sehr unrealistisch (traumhaft) und "seine" Braut heiratet einen anderen. Habe da Angst, dass es etwas plump wird, wenn man noch mehr erklärt.

Danke für dein
Zitat:

Ansonsten gut geschrieben.  


@Biggi
Zitat:

Zitat:
Deine Haut fühlte sich so zart an, wenn man mit der Hand über sie strich,

Nein, möchte ich dem guten Mann sagen, nicht 'man', hier MUSS 'ich' stehen! Spricht aber grundsätzlich für sein Verständigungsproblem. Selbst wenn er von der Liebe seines Lebens in ihrer Abwesenheit spricht, versteckt er sich. Mich wundert nichts mehr...

Hmm, soll ich jetzt "man" oder "ich" schreiben? wink
Zitat:

Zitat:
Lange Zeit stehe ich am Rande des Riffs, bis ich plötzlich zu frösteln beginne.  

'Plötzlich' braucht es nicht hier.

Ist gestrichen!
Zitat:

Zitat:
das Versprechen für ein ewiges Leben mit dir.

'ewig' ist für mich zu religiös. Ohne das Wort klingt es auch gut.

Sollte an das Heiratsversprechen erinnern. Ich muss noch mal nachschauen, wie da der genaue Wortlaut ist.

Zitat:

Mag sein, dass ich zu hart bin mit dem armen Sprachlosen.

Das kann schon sein ... Mich jedenfalls nimmt das immer total mit, wenn so ein Jüngling keine abkriegt und er an nix anderes mehr denken kann ... als an sie.
Zitat:

Im Gegensatz zu dem rauchenden Gesellen, den Du mir in "Gekreuzte Lebensläufe" vorgestellt hast, kann ich mich in diesen Mann - vor allem im zweiten Teil -nicht recht einfühlen.

In den Gekreuzten Lebensläufen wollte ich ja zwei Egomanen beschreiben, die aufeinandergetroffen sind, sich dann aber völlig unterschiedlich entwickeln. Es wundert mich fast ein bisschen, dass dir das gefallen hat, denn die zwei Menschen sind ja auch keine großen Sympathieträger.
Zitat:

Redst jetz noch mit mir????

Gredt habbi noch nie mit dir! Nur geschrieben wink Jetzt z.B.
Ich schätze deine ausführliche Kritik, keine Angst.

Ciao

BlueNote
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Einherjer
Geschlecht:männlichKlammeraffe


Beiträge: 545



Beitrag03.01.2010 00:15

von Einherjer
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Guten Abend.


Sehr stimmungsvolle Geschichte, besonders der erste Teil gefällt mir.


Im zweiten Teil hat mich aber folgende Passage vollkommen aus der Lesestimmung gebracht:

Zitat:
Ich bin aufgeregt, denn heute ist der Tag, an dem ich zum ersten Mal in meinem Leben das Fliegen probieren werde. Mit den Winden bis hinauf in den Himmel steigen und allen Sorgen entschweben.


Das ist für mich zu kitschig. Dein Protagonist ist ja nicht 12 oder 13.


Zuletzt muss auch ich zugeben, dass ich deine Geschichte nicht hundertprozentig verstehe.
Vielleicht hilft dir meine Interpretation weiter:
Ein Mann steht an der Klippe und spielt mit dem Gedanken sich umzubringen. Die Liebe seines Lebens heiratet einen anderen. Er stellt ich vor, wie die gesamte Hochzeitsgesellschaft an (seinem?) Gift gestorben ist. Danach steigt er in sein Auto und fährt zurück, und denkt an seine Liebe, die in diesem Moment (in Deutschland?) einen anderen heiratet.

Würde mich interessieren, wie weit ich daneben liege. wink



Gruß

Einherjer


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Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist der gleiche wie zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen. (Mark Twain)
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Bananenfischin
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Beitrag03.01.2010 15:44

von Bananenfischin
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Hallo BN,

mir hat auch der zweite Teil gefallen, wenn auch nicht ganz so gut wie der erste. Vieles wurde schon gesagt, also noch ein paar Kleinigkeiten von mir dazu:

Zitat:
Ich bin aufgeregt, denn heute ist der Tag, an dem ich zum ersten Mal in meinem Leben das Fliegen probieren werde.

Über den Satz bin ich auch gestolpert. Warum nicht einfach "Heute ist der Tag, an dem ich fliegen werde."?

Zitat:
Ach, auch du bist ja tot – wie konnte ich es vergessen.

Du schreibst, es soll zynisch sein, hm, okay, aber für mich ist das auch ein zu starker - und daher nicht ganz glaubwürdiger - Kontrast zu der Art, wie er vorher und nachher über die Frau denkt und erzählt.

Zitat:
Habe da Angst, dass es etwas plump wird, wenn man noch mehr erklärt.

Ich finde, dass es klar genug wird und hebe daher die Hand für: Bitte nicht mehr erklären! Very Happy

Liebe Grüße
Bananenfischin


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Schriftstellerin, Lektorin, Hundebespaßerin – gern auch in umgekehrter Reihenfolge

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BlueNote
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Beiträge: 7304
Wohnort: NBY



Beitrag04.01.2010 10:20

von BlueNote
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Guten Morgen allerseits,

@Einherjer
Zitat:

Sehr stimmungsvolle Geschichte, besonders der erste Teil gefällt mir

Meistens gefällt den Lesern der erste Teil besser (ist mir aufgefallen). Vielleicht, weil sie sich da noch eigene Gedanken machen können.
Die von dir als kitschig angesehene Stelle werde ich dann wohl ändern (Fliegen lernen). Überzeugt!
Zitat:

Ein Mann steht an der Klippe und spielt mit dem Gedanken sich umzubringen. Die Liebe seines Lebens heiratet einen anderen. Er stellt ich vor, wie die gesamte Hochzeitsgesellschaft an (seinem?) Gift gestorben ist. Danach steigt er in sein Auto und fährt zurück, und denkt an seine Liebe, die in diesem Moment (in Deutschland?) einen anderen heiratet.

Exakt! Der Ausdruck "ihr seid für mich gestorben" ist hier bildlich umgesetzt - die Menschen sind tatsächlich tot, aber nur in der Vorstellung des Protagonisten.


@Bananenfischin
Zitat:

"Heute ist der Tag, an dem ich fliegen werde."?

Vielleicht überlegt er sich, wie es wäre, jetzt fliegen zu können. Gut, die Stelle ist markiert (geistig) und ich grüble noch darüber.
Zitat:

Du schreibst, es soll zynisch sein, hm, okay, aber für mich ist das auch ein zu starker - und daher nicht ganz glaubwürdiger - Kontrast zu der Art, wie er vorher und nachher über die Frau denkt und erzählt

Guter Hinweis! Zynisch ist aber auch zu krass ausgedrückt. Seine Braut ist für ihn aber auch gestorben, d.h. aus seinem Leben verschwunden. Das muss man schon noch irgendwie reinbringen.
Zitat:

Ich finde, dass es klar genug wird und hebe daher die Hand für: Bitte nicht mehr erklären!  

Da schlage ich doch sofort zu! Ich meine, diesen Ratschlag befolge ich sofort wink

Vielen Dank für eure hilfreichen Hinweise.

BlueNote
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Piratin
Geschlecht:weiblichExposéadler

Alter: 58
Beiträge: 2186
Wohnort: Mallorca
Ei 2


Beitrag25.05.2015 16:07

von Piratin
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Hallo BN,

gerade bin ich über die Geschichte gestolpert und habe natürlich gerne etwas mit einem Schauplatz meiner jetzigen Heimat gelesen.
Den meisten bisherigen Anmerkungen stimme ich zu und auch mich hat der erste Teil mehr in die Geschichte gezogen als der zweite Teil. Das mag natürlich auch daran liegen, dass im zweiten Teil die Realität ein bisschen mehr die Überhand gewinnt.
Insgesamt ist die Stimmung gut eingefangen und vielleicht hast Du die Geschichte ja auch schon überarbeitet.
Eines ist mir aufgefallen: "Riff" ist hier nicht richtig, denn ein Riff befindet sich als Erhebung unter der Wasseroberfläche, Du meinst wohl eher eine Klippe, oder? Allerdings hat das gerade im ersten Teil eine in der Nachbetrachtung "irre" Wirkung bei mir gemacht, denn ich bin tatsächlich von einer Totentafel unter Wasser ausgegangen, in die sich der Prota von außerhalb des Wassers hineindenkt. Und als er diese verlassen will, durchstößt er dann die Wasseroberfläche nicht von oben durch einen Sturz sondern vielmehr von unten nach oben, verlässt diese Zwischenwelt und den "Tod" und kehrt ins Hier und Jetzt zurück.
Viele Grüße Piratin


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Rike Charlotte
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Alter: 56
Beiträge: 251
Wohnort: In den Wäldern des Einhorns


Beitrag25.05.2015 17:45

von Rike Charlotte
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Diese Texte haben, was meinen Texten fehlt: sehr viel Emotion.  Deswegen diese kurze  Notiz als mein Merkzettel zum gründlichen Lesen.  Vielen Dsnk für diese tolle Inspiration!
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BlueNote
Geschlecht:männlichStimme der Vernunft


Beiträge: 7304
Wohnort: NBY



Beitrag27.05.2015 15:01

von BlueNote
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Schönen Nachmittag Piratin & Rike

... und, danke fürs Ausgraben.
Zitat:

gerade bin ich über die Geschichte gestolpert und habe natürlich gerne etwas mit einem Schauplatz meiner jetzigen Heimat gelesen

Ich habe versucht, mir den "Schauplatz" vorzustellen außerhalb der "Hauptsaison", ein Platz, der normalerweise voller Menschen ist, ohne bzw. ohne richtige d.h. lebendige Menschen. Vielleicht hast du ja die "Einsamkeit" des Caps mal erleben können, ich musste sie mir vorstellen. Anders als in Ponte dei Sospiri. Da habe ich die kalte (und einsame) Jahreszeit Venedigs wirklich erlebt - als etwas sehr Seltsames und dennoch sehr Emotionales.
Zitat:

Allerdings hat das gerade im ersten Teil eine in der Nachbetrachtung "irre" Wirkung bei mir gemacht, denn ich bin tatsächlich von einer Totentafel unter Wasser ausgegangen, in die sich der Prota von außerhalb des Wassers hineindenkt. Und als er diese verlassen will, durchstößt er dann die Wasseroberfläche nicht von oben durch einen Sturz sondern vielmehr von unten nach oben, verlässt diese Zwischenwelt und den "Tod" und kehrt ins Hier und Jetzt zurück.

Deine Gedanken inspirieren mich zu einer neuen Geschichte. Darüber, wie du das Bild "missverstanden" hast, könnte man tatsächlich mal eine eigene Geschichte schreiben.
Zitat:

Diese Texte haben, was meinen Texten fehlt: sehr viel Emotion. Deswegen diese kurze Notiz als mein Merkzettel zum gründlichen Lesen. Vielen Dank für diese tolle Inspiration!

Meine Texte sind nie sehr emotional geschrieben, behandeln aber sehr oft Emotionen. Auch dieser Text ist auf eine gewisse Weise "distanziert". Die Sichtweise des Protagonisten beispielsweise auf die (Todes-)Szenerie ist mit Distanz erzählt. Trotzdem aber "emotional". Es ist oft dieser Gegensatz von Erzählweise und Inhalt, der mich beim Schreiben fasziniert.
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