18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Einstand
Na denn, der Einstand: Jemand wird unsanft geweckt.


 
 
Gehe zu Seite 1, 2  Weiter
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
Saga
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 60
Beiträge: 44
Wohnort: Tønsberg


Beitrag12.10.2014 20:25
Na denn, der Einstand: Jemand wird unsanft geweckt.
von Saga
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Neue Version »

Dies ist der Anfang meines bisher etwa 800 Normseiten umfassenden Romans, den ich mir ab November zur "großen Durchsicht" vornehmen werde - und um den nächsten Teil zu planen. Hauptperson ist ein herzlich unverantwortlicher Filou, von dem man hoffentlich in diesen ersten Zeilen einen Eindruck bekommt. Es tut mir leid, dass die Textprobe relativ lang ist, aber nur der erste Abschnitt wäre denn doch etwas kurz ...

Unsanft geweckt

Die Lattentür jaulte in den Angeln, schlug krachend ein Stück Putz aus der Wand, schmutzige Stiefel polterten auf die Schwelle, gefolgt von einer Hand, die sich am Rahmen festkrallte, und einem Messer, das wirbelnd die staubige Luft zerteilte und mit dumpfem Knall in den zernarbten Balken fuhr, der mitten im Zimmer das Dach stützte. Der Messerwerfer, ein junger Mann mit langen blonden Haaren, taumelte über die Schwelle, schwankte vornüber bis sein Haar den Boden fegte, und zog sich eine speckige Lederjacke über den Kopf. Mit einem angestrengten Grunzen kam er anschließend wieder hoch, warf die Jacke über den Griff der Waffe und verlor endgültig das Gleichgewicht. Er langte nach dem Balken, machte unfreiwillig eine halbe Drehung, wurde von der Fliehkraft erfasst und ging wie ein nasser Sack auf einer zerwühlten Pritsche nieder. Ehe er erlosch, nahm er eine wabernde, zerfließende, sich verdreifachende Gestalt neben der Feuerstelle wahr, aber bevor irgendeine daraus folgende Erkenntnis sein Gehirn erreichen konnte, sägte er bereits Holz, dass die dünnen Scheiben klirrten.
Durch die offen gelassene Tür konnte man einen Blick auf die mit Unrat übersäte Gasse werfen, wo die unbrauchbaren Reste des täglichen Lebens aus dem Straßenstaub ragten wie die Zeugnisse einer antiken Zivilisation. Pfützen von ungewisser Herkunft glänzten milde im ersten Sonnenlicht. Vom Dach her schimpfte unermüdlich eine Elster.
Schek, schek, schek …
Ein ärgerliches Schnalzen kam von dem Fremden mit dem blauen Samtbarett. Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken, durchmaß mit drei Schritten den Raum und sah über seinen Bauch hinweg auf den Schlafenden herab, nahm mit schmalen Lippen den offenen Hosenlatz zur Kenntnis, ehe er sich vorbeugte, den Kopf auf die Seite legte und das Kinn studierte. In beunruhigender Nähe zur Kehle zog sich quer eine hässliche Narbe über dessen Unterseite, die ihm bestätigte, dass er am richtigen Ort war und nebenbei die Frage aufwarf, wieso der Mann überhaupt noch am Leben war. Ein säuerlicher Geruch ging von ihm aus, der den Fremden schaudern ließ. Er wich zurück, kehrte an den verrußten Herd zurück, wo ihm ein hölzerner Eimer aufgefallen war, bückte sich, eine Hand auf den Oberschenkel gestützt, und verließ damit die Hütte. Die Lattentür quietschte und schlug zu. Der Mann mit der Narbe murmelte irgendwas und schnarchte weiter.
Schek, schek, schekeschek …
Die Elster hüpfte zum Dachrand, legte den Kopf schief und spähte in die Gasse hinunter. Der Fremde kam zurück, schleppte krumm an dem Eimer, aus dem Wasser schwappte und seinen Mantel durchnässte. Er wankte über faulige Gemüsereste, wich einer toten Maus aus, stieß die jaulende Tür auf, wuchtete den Eimer über die Schwelle und stellte zu seinem Bedauern fest, dass der Mann, den er so dringend zu sprechen wünschte, sich weiterhin im Zustand tiefer Bewusstlosigkeit befand. Er zögerte, rieb sich das Kinn, entschied sich, hob den Eimer und leerte den Inhalt über dem Schlafenden aus. Es platschte und spritzte, der Mann schoss brüllend aus dem Bett, sprang mit einem einzigen Satz zur Zimmermitte, riss das Messer aus dem Balken, wirbelte herum, die blitzende Klinge vorgestreckt. Seine hellen Augen starrten voller Mordlust ins Leere. Der Fremde ließ den Eimer fallen und stolperte zurück. Seine Hände fuhren wie aufgeschreckte Vögel durch die Luft.
„Nicht!“
Der Mann mit dem Messer zuckte zusammen, knallte mit dem Hinterkopf an den Balken, stöhnte, griff sich an die Stirn und blinzelte angestrengt.
„Wer seid Ihr!“ Er hustete und krümmte sich. „Was macht Ihr in meinem Haus!“
Aus sicherer Entfernung umfasste der Fremde mit einer weiten Armbewegung das ganze Zimmer, das außer Tisch und Bett nur noch zwei Schemel, ein schiefes Wandregal und einen Schrank enthielt, dem eine Tür fehlte. In seiner Stimme klang echte Empörung.
„Nennt Ihr diesen Schweinestall ein Haus?“
Seine Augen wanderten von dem nackten Oberkörper des Mannes über die fleckige Lederhose zu den staubigen Dielenbrettern und zurück zu seinem Gesicht, wobei er sich auf einen Punkt zwischen den struppigen Augenbrauen konzentrierte.
„Seid Ihr Estrit Fagus, genannt die Narbe?“
Estrit senkte das Messer ein wenig. Ein gewöhnlicher Schuft machte sich wohl kaum die Mühe, den Namen des Hausherrn zu erfragen, bevor er ihm an den Kragen ging. Außerdem erinnerte ihn der unerwartete Gast eher an eine bauchige, irgendwie geblümte Vase, als an einen Schurken.
„Wer will das wissen?“
„Der Herr Zedrik, Vikarius von Zweibrück.“ Der Mann strich über seinen Mantel, richtete einen besorgten Blick auf die dunklen Flecken. „Was mich angeht, ich bin nur der Nuntius.“
„Der was?“
Der rundliche Mann hüstelte, reckte das Kinn.
„Der Bote. Aber das ist ganz unwichtig, und Ihr im Übrigen auch. Letztlich sind wir beide nur bescheidene Diener.“
„Soso – Diener, was?“
Mit einem energischen Hieb versenkte Estrit das Messer wieder im Balken bückte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht und hängte seine Jacke wieder auf. Er hielt sich den Kopf.
„Ich brauch´ was zu trinken.“
„Es ist leider kein Wasser mehr da.“
Estrit machte einen langen Schritt auf den ungebetenen Besucher zu, der eilig zur Seite wich, fischte den Eimer vom Boden, wandte sich zur Tür und wankte nach draußen. Der Bote griff sich an die Brust, ging in Ermangelung einer anderen Beschäftigung zu dem Tisch neben der Feuerstelle und probierte vorsichtig einen der wackeligen Schemel. Mit spitzen Fingern, unter Beschreibung eines rechten Winkels, nahm er sein Barett ab, betrachtete es gründlich von allen Seiten, strich liebevoll nicht vorhandenen Staub herunter. Er hoffte inständig, diesem Estrit Fagus nicht auch noch in irgendeine Schenke folgen zu müssen! Wie er diesen dreckigen Stadtteil hasste! Himmelspforte! Was für ein unpassender Name!
Eine wahre Schande für Zweibrück!

Schek, schekeschek, schekeschekeschekeschek …
Als Estrit die Tür hinter sich zuzog, traf ihn fast der Schlag. Obwohl es noch so früh am Tag war, erstickte das Viertel bereits im Würgegriff der Schwüle aus dem nahen Sumpf und das helle Sonnenlicht brannte augenblicklich ein Loch in seinen Schädel. Er grunzte, senkte den Kopf, legte eine Hand vor die Augen. Im gleichen Augenblick zerteilte ein grelles Kreischen sein Gehirn in Scheiben.
Guten Mooorgen, werter Herr! Schon wieder auf! Wo du doch bis eben noch zwischen meinen Knien gelegen hast!“
Estrit lugte vorsichtig zwischen den Fingern hervor. Die fesche Margot stand mitten in der Gasse auf dem einzigen kotfreien Fleck und drehte mit angehobenem Rock ein wohlgeformtes Bein hin und her. Sie öffnete den Mund und schrie weiter.
„Schon bereit für die nächste Runde?“
Estrit biss die Zähne zusammen. In seinem Kopf dröhnten die Glocken, als wären sie gerade vom Turm gefallen.
„Besuch“, quetschte er hervor.
Besuch!“, orgelte Margot. „Da wird doch nicht ein anderes Frauenzimmer meinen Platz eingenommen haben!“
Sie knickste spöttisch, rief „Da wünsch´ ich doch dem Herrn einen angenehmen Vormittag mit seinem Besuch!“, ließ den Rock fallen und rauschte hoch erhobenen Hauptes davon.
Estrit sog zischend die Luft durch die Zähne, strich sich das verfilzte Haar aus der Stirn und machte sich seinerseits mit schleppenden Schritten auf den Weg zum Brunnenplatz, wobei er die verschrumpelte Maus vor sich herkickte, die der Bote zuvor umrundet hatte. Manchmal zweifelte er wirklich an seinem Verstand. Andererseits – er wurde unwillkürlich langsamer, blieb schließlich stehen, versuchte sich an die vergangene Nacht zu erinnern. Weich, warm, irgendwie feucht? Er schlurfte weiter. Andererseits, wenn man es genau nahm, wurde Verstand unter gewissen Umständen eindeutig überbewertet.
Schon von Weitem wurde klar, dass er nicht der Erste war, den die frühe Stunde auf den kleinen Platz trieb. Aus dem allgemeinen Stimmengewirr erhoben sich einzelne Rufe, jemand brüllte „Mögen dich die Flöhe zwicken, dass du drei Nächte nicht schlafen kannst!“, jemand klatschte, er hörte ein blökendes Schaf, die schleifenden Räder eines Handkarrens, das im Rhythmus langsamer Schritte sich wiederholende hölzerne Klacken eines Stabes auf dem Pflaster. Er bog um die Ecke und stieß um ein Haar mit dem alten Tauler zusammen, einem bekannten Säufer und Propheten, dem die Wache mitleidig erlaubte auf dem Brunnenplatz zu betteln. Beide gerieten aus dem Gleichgewicht.
„´tschuldigung.“
„Wenn alles ins Wanken gerät“, rezitierte Tauler mit selten klarer Stimme, „kann selbst der Weiseste nichts mehr tun.“
Estrit verdrehte die Augen, Tauler streifte ihn mit trübem Blick, fasste seinen Stab fester und schlurfte weiter. Rund um den Brunnen schwärmten ausschließlich Frauen, und zwar in solcher Menge, dass Estrit schon nach fünf Schritten den Rand der wartenden Traube erreichte. Er entdeckte eine Lücke zwischen der reizenden Gewürzhändlerin Deidra und einer gebeugten Frau mit einer bunten Schürze voller Fettflecke, schob sich hinein und erhielt sofort einen spitzen Stoß in die Rippen.
„He, Narbe!“, krächzte die Alte und ließ drei lange gelbe Zähne sehen. „Stell dich gefälligst hinten an!“
Deidra sah nur kurz zu ihm auf, ihr Blick war schmal und giftig. Estrit stellte sich ergeben hinter sie, außerstande auch nur eine Spur von Charme zu mobilisieren. Der einzige Plan in seinem brummenden Schädel kreiste um köstliches, kaltes, erfrischendes Wasser. Er stellte den Eimer ab, stemmte sich breitbeinig gegen den Schwindel, der ihm Hirn und Magen vertauschte, blinzelte über die schnatternden Frauen hinweg zum Ziel seiner Sehnsüchte. Hinter dem Brunnen zog sich die Hauptstraße des Viertels in Richtung auf den Sumpf hin, flankiert von grün und braun verfärbten Fassaden in den verschiedensten Stadien des Verfalls. Die Frau des Gemüsehändlers war eben mit dem Schöpfen fertig, teilte mit dem Tragejoch die Wartenden wie das Rote Meer und warf Estrit im Vorübergehen einen flammenden Blick zu. Estrit sah ihr verständnislos hinterher, dann an sich hinunter.
Ups!“, entfuhr es ihm, und etliche Damen wendeten den Kopf.



_________________
Jede Geschichte kann erzählt werden - wenn man es richtig macht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Einar Inperson
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1675
Wohnort: Auf dem Narrenschiff


Beitrag12.10.2014 20:55
Re: Na denn, der Einstand: Jemand wird unsanft geweckt.
von Einar Inperson
Antworten mit Zitat

Hallo Saga,

au wei, au wei, was soll das denn. Der erste Absatz ist ja dermaßen überladen, dass sich nur der Kopf darüber schütteln lässt.

Wie gut, dass du dann auf ein erträgliches Maß herunterfährst und das Lesevergnügen beginnt.

Obwohl, ganz so stimmt es nicht. Denn das ist nur der erste Eindruck. Der zweite Eindruck spult bei der Eingangsszene einen sehr lebendigen Film im Kopf ab.

Gut gefallen hat mir die Elster, die verdeutlicht, wenn sich die Tür öffnet.

Nicht sicher bin ich mir, ob die Dialoge sprachlich konsequent konzipiert sind, oder ob da nicht die eine oder andere moderne Sprachmelodie Einzug hält.

Beispiele:
Wie klänge statt „´tschuldigung.“ z.B. "Verzeiht"
oder kann ein "Ups" an dieser Stelle wirklich bestehen?

Aber das sind nur kleine subjektive Nörgeleien.

Deshalb Fazit: Gerne gelesen.

Ich bin sehr neugierig, wie andere Leser das sehen.

Achso, dein Eintrag ist von der Länge her, noch absolut im Rahmen.


_________________
Traurige Grüße und ein Schmunzeln im Knopfloch

Zitat: "Ich habe nichts zu sagen, deshalb schreibe ich, weil ich nicht malen kann"
Einar Inperson in Anlehnung an Aris Kalaizis

si tu n'es pas là, je ne suis plus le même

"Ehrfurcht vor dem Leben" Albert Schweitzer
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Saga
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 60
Beiträge: 44
Wohnort: Tønsberg


Beitrag12.10.2014 21:02

von Saga
pdf-Datei Antworten mit Zitat

smile extra Du stolperst genau über das Richtige, sozusagen. Das soll so sein. Fantasy-Geschichten, in denen man sich ausschließlich so ausdrückt, als hätten wir noch das Mittelalter, langweilen mich.
Daher gibt es in der gesamten Geschichte sowohl Dialoge, die man vom Tonfall her als "altertümlich" einstufen würde, als auch den einen oder anderen Spruch, den man genausogut heute von sich geben könnte.

Crossover? Nennt man das nicht so?
Ich liebe das.

Lg, Saga - und danke für´s Lesen!


_________________
Jede Geschichte kann erzählt werden - wenn man es richtig macht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Cephalopode
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 30
Beiträge: 15
Wohnort: Wien


Beitrag12.10.2014 22:40

von Cephalopode
Antworten mit Zitat

Hallo Saga

Als erstes muss ich sagen, dass mir dein Text sehr gut gefallen hat, und ich kann Einar Inperson nur zustimmen, dass sich das Geschehen durch die Länge der Handlungsabfolgen gut nachvollziehen lässt.
Aber Teilweise bringst du auch Informationen in deinen Text, die  zu einem späteren Zeitpunkt wiederhol werden.

Zitat:
Ein ärgerliches Schnalzen kam von dem Fremden mit dem blauen Samtbarett.

Ich fand die stelle zunächst verwirrend, weil die Kopfbedeckung plötzlich zur Personenbeschreibung herangezogen wurde.
Zitat:
Mit spitzen Fingern, unter Beschreibung eines rechten Winkels, nahm er sein Barett ab, betrachtete es gründlich von allen Seiten, strich liebevoll nicht vorhandenen Staub herunter.

Hier beschreibst du sowieso, dass der Bote sein Barett abnimmt.
Das macht die Beschreibung im ersten Zitat redundant.

Wiederkehrende Details in Texten sind meiner Meinung nach aber nicht unbedingt etwas Schlechtes.
Zitat:
Er wankte über faulige Gemüsereste, wich einer toten Maus aus, stieß die jaulende Tür auf, wuchtete den Eimer über die Schwelle und stellte zu seinem Bedauern fest, dass der Mann, den er so dringend zu sprechen wünschte, sich weiterhin im Zustand tiefer Bewusstlosigkeit befand.

Zitat:
Estrit sog zischend die Luft durch die Zähne, strich sich das verfilzte Haar aus der Stirn und machte sich seinerseits mit schleppenden Schritten auf den Weg zum Brunnenplatz, wobei er die verschrumpelte Maus vor sich herkickte, die der Bote zuvor umrundet hatte

Das Wiederauftreten der toten Maus hat mich zum schmunzeln gebracht.Ich finde, dass du damit den aufmerksamen Leser, dem sie schon vorher aufgefallen ist, belohnst.

Durch die Fülle an Informationen hab ich trotz deiner eher beiläufigen Beschreibung der Schauplätze ein klares Bild von der Umgebung bekommen.
Aber manchmal könntest du vielleicht etwas mehr darauf achten, wann du welche Informationen in deinen Text bringst.

Zum Abschluss sind mir noch zwei recht unschöne Wortwiederholungen aufgefallen.
Zitat:
In beunruhigender Nähe zur Kehle zog sich quer eine hässliche Narbe über dessen Unterseite, die ihm bestätigte, dass er am richtigen Ort war und nebenbei die Frage aufwarf, wieso der Mann überhaupt noch am Leben war.

Zitat:
Er wich zurück, kehrte an den verrußten Herd zurück, wo ihm ein hölzerner Eimer aufgefallen war, bückte sich, eine Hand auf den Oberschenkel gestützt, und verließ damit die Hütte.


Ansonsten wär ich sehr gespannt darauf, wie es weitergeht.

Liebe Grüße
Cephalopode
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Michel
Geschlecht:männlichBücherwurm

Alter: 52
Beiträge: 3374
Wohnort: bei Freiburg
Das bronzene Bühnenlicht Das goldene Niemandsland
Der silberne Durchblick Der silberne Spiegel - Prosa
Silberne Neonzeit


Beitrag13.10.2014 08:58

von Michel
Antworten mit Zitat

Temporeich. Farbig. Deftig. Und durcheinander.

Ein knalliger Start in ein vermutlich mit Action gepacktes Abenteuer. Sehr gut gefallen haben mir Formulierungen wie die jaulende Tür, die fantasievoll und präzise eine Wahrnehmung beschreiben, mit Worten, die zumindest ich so noch nicht gelesen habe. Die häufige Aneinanderreihung von Eindrücken oder Abläufen macht auf positive Weise ungeduldig. Bei diesem Text habe ich den Eindruck: Da weiß ich, was ich bekomme. Sicher keine tiefgreifende Entwicklung der Hauptfigur, sondern eine Geschichte, die prall gefüllt ist mit Action und getragen wird von einem ironischen Ton, den ich mag.

Was ich nicht mag: Wenn ich mich nicht zurechtfinde.
In den ersten Abschnitten habe ich ständig nach dem Fokus gesucht. Das Ganze läuft ja ab wie ein Actionfilm. Tür fliegt auf, Protagonist wankt herein, schneller Schwenk über den wortlosen Beobachter in der Ecke usw. Sehr passend für ein Drehbuch oder eine auktoriale Perspektive. Muss nicht immer personal sein.
Nur hältst Du die Perspektive nicht aufrecht. Plötzlich finde ich mich im Kopf des Nuntius wieder, der sich Gedanken über das "Himmelreich" macht. (Bei Zweibrück muss ich übrigens immer an Zweibrücken im Saarland denken.) Ein Buch mit personaler Perspektive funktioniert anders als ein Drehbuch. Auktorial geht, aber der Preis könnte sein, dass man an Deinen Helden nicht wirklich herankommt. Macht nichts, als Serienheld wird er sich vermutlich nur wenig ändern. Aber die gewählte Perspektive sauber durchzuhalten, täte dem Text gut.
An modernem Straßenslang störe ich mich ebenfalls. Crossover, ja, sicher - solange es nicht nur eine Ausrede ist, konsistent zu formulieren. Muss ja nicht jeder "werter Herr" sagen, aber zusammenpassen sollte es schon.

Fazit: Spannend. Wird nach kräftigem Schleifen noch mehr funkeln.

Herzliche Grüße,
Michel
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag13.10.2014 13:55
Re: Na denn, der Einstand: Jemand wird unsanft geweckt.
von Constantine
Antworten mit Zitat

Hallo Saga,

na, das nenne ich einen flotten, filmreifen Romananfang. Wenn allein schon die Beschreibungen des ins Bett Fallens des angetrunkenen Estrit Fagus so actionreich daherkommt, wie mögen dann erst die echten Action-Szenen ausfallen?

Deinen ersten Satz als Einstieg fand ich zunächst etwas überfrachtet und atemraubend, nach ein, zwei weiteren Leseschritten entfaltete er sich bei mir besser und ich konnte dem Eindösen Estrits besser folgen. Dem weiteren Verlauf konnte ich anschließend gut folgen. Insgesamt gefällt mir deine Sprache und deine Einführung in den Vernarbten.
Hier und da stockte ich kurz, weil mich ein möglicher Perspektivbruch oder einer deiner wuchtigen Vergleiche heraus riss. Z.B. "wie ein nasser Sack auf einer zerwühlten Pritsche" habe ich als einen Vergleich verstanden und dachte zunächst, Estrit knallt auf den Boden und döst ein. Später merkte ich, dass er auf einem Bett liegt und musste meine Vorstellung der Szene neu sortieren und diesen Vergleich nur auf "wie ein nasser Sack" reduzieren, damit Estrit auf seiner Pritsche liegt. Mit dem Begriff Pritsche konnte ich nicht Bett verbinden, aber ich denke schon, dass diese synonym zueinander sind. Es ist nur mein Leseeindruck.

In diesem Satz empfand ich eine leichte Überfrachtung mit Beschreibungen:
"Ehe er erlosch, nahm er eine wabernde, zerfließende, sich verdreifachende Gestalt neben der Feuerstelle wahr, aber bevor irgendeine daraus folgende Erkenntnis sein Gehirn erreichen konnte, sägte er bereits Holz, dass die dünnen Scheiben klirrten."
Das ist mir schon etwas zu viel Bildlichkeit, mir gleichzeitig ein Wabern, ein Zerfließen und ein Dreifachsehen vorzustellen, was alles den trunkenen Zustand deines Protagonisten zeigt.

"Durch die offen gelassene Tür konnte man einen Blick auf die mit Unrat übersäte Gasse werfen, wo die unbrauchbaren Reste des täglichen Lebens aus dem Straßenstaub ragten wie die Zeugnisse einer antiken Zivilisation. Pfützen von ungewisser Herkunft glänzten milde im ersten Sonnenlicht. Vom Dach her schimpfte unermüdlich eine Elster."
In diesem Satz finde ich die Stimme des Erzählers schön, aber die Formulierung mit dem Blick durch die offen gelassene Tür, was man draußen sieht, reißt mich raus. Einerseits als Überleitung zur Gestalt im Rahmen der Tür und dem Einbringen der Elster gedacht, andererseits eine Beschreibung, wie es draußen aussieht. Meiner Meinung nach könntest du darauf verzichten.
Ich als Leser bin jetzt eher auf die Gestalt im Türrahmen, als den Blick nach draußen zu werfen. Mit dem anschließenden "schek schek schek..." kannst du die Elster vom Dach vernehmen lassen und diese Außenbeschreibungen kannst du einflechten, wenn Estrit später mit dem leeren Eimer rausgeht. Hier fand ich diesen Einschub eher störend.


"In beunruhigender Nähe zur Kehle zog sich quer eine hässliche Narbe über dessen Unterseite, die ihm bestätigte, dass er am richtigen Ort war und nebenbei die Frage aufwarf, wieso der Mann überhaupt noch am Leben war."
Hier betrachtet der Nuntius den Protagonisten und für mich ist klar, dass Nuntius gefunden hatte, wen er sucht. Was sich mir dann nicht wirklich erschloss, war dann die Frage von Nuntius "Seid Ihr Estrit Fagus, genannt die Narbe?“. Wenn der Nuntius sich sicher ist, wie aus dem vorigen Satz ersichtlich, hätte ich mir von der Logik her keine Frage sondern eine Feststellung von Nuntius gewünscht. Anstelle "Seid Ihr Estrit Fagus, genannt die Narbe?“ eher "Mein Herr wünscht eure Dienste, Estrit Fagus." Dementsprechend würde ich den kurzen Dialog leicht anpassen.



"...hob den Eimer und leerte den Inhalt über dem Schlafenden aus. Es platschte und spritzte, der Mann schoss brüllend aus dem Bett, ..."
MMn könntest du auf das Platschen und Spritzen verzichten. Ich stelle es mir gut vor, wie Nuntius den Eimer anhebt und über den Schlafenden leert und dieser brüllend aus dem Bett schießt. Für meinen Geschmack bedarf es an dieser Stelle nicht unbedingt diesen Beschreibungen.

"Er hoffte inständig, diesem Estrit Fagus nicht auch noch in irgendeine Schenke folgen zu müssen! Wie er diesen dreckigen Stadtteil hasste! Himmelspforte! Was für ein unpassender Name!
Eine wahre Schande für Zweibrück! "
Ich bin mir nicht sicher, ob mir dies von der Perspektive her passend erscheint.

"Estrit biss die Zähne zusammen. In seinem Kopf dröhnten die Glocken, als wären sie gerade vom Turm gefallen. "
Mir will dieser Vergleich nicht zusagen. Ich bekomme ihn nicht passend verknüpft. Wenn er anderen nicht auffällt, sondern nur mir, dann ist ok, aber ich bin hier hängen geblieben.


"Sie knickste spöttisch, rief „Da wünsch´ ich doch dem Herrn einen angenehmen Vormittag mit seinem Besuch!“, ließ den Rock fallen und rauschte hoch erhobenen Hauptes davon. "
Für mich ist dieses "hoch" doppelgemoppelt mit "erhobenen Hauptes" und könnte eingespart werden.


"Andererseits – er wurde unwillkürlich langsamer, blieb schließlich stehen, versuchte sich an die vergangene Nacht zu erinnern. Weich, warm, irgendwie feucht? Er schlurfte weiter. Andererseits, wenn man es genau nahm, wurde Verstand unter gewissen Umständen eindeutig überbewertet.
Schon von Weitem wurde klar, dass er nicht der Erste war, den die frühe Stunde auf den kleinen Platz trieb."
Ich finde, hier könntest du versuchen etwas umzuformulieren, um das ein oder andere "wurde" einzusparen.


Insgesamt gefällt mir dein Romananfang und lässt auf eine muntere und flotte Handlung hoffen. Vielleicht ist unter meinen Anmerkungen etwas Hilfreiches dabei.
Sehr gerne gelesen.

LG,
Constantine
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
03mtep13
Geschlecht:männlichWortedrechsler

Alter: 35
Beiträge: 64
Wohnort: Linz


Beitrag13.10.2014 15:54

von 03mtep13
Antworten mit Zitat

Hallo Saga,

ich hatte leider bislang nicht die Zeit, mich tiefgehend mit dem Text zu befassen, vielleicht kommt das noch. Aber du hast ja auch schon von anderer Seite Feedback bekommen. Also schreibe ich dir erstmal nur meinen Ersteindruck, den ich beim Überfliegen hatte.

Positiv: Beschreibungen sind akzeptabel, man kanns ich die Umgebung und die Personen vorstellen. Aber es ist noch ausbaufähig. (Für meinen Geschmack)
Der Anfang macht Lust auf mehr, storytechnisch gesehen. Also sehr gut.

Negativ: Manche haben es schon angesprochen, man wird im ersten Absatz praktisch überrannt. Man gewöhnt sich zwar schnell daran und die schnelle Gangart hat auch positives. Aber es sind einfach viel zu viele Beistriche. Manche Sätze könntest du auf drei oder mehr Sätze aufteilen. Das würde den Inhalt nicht reduzieren, aber etwas mehr Ruhe hineinbringen. Man neigt dazu einen Satz in einem "Rutsch" zu lesen. Bei einem Punkt setzt man ab und analysiert den Satz. Man wird deswegen überladen, weil die Sätze einfach zu lang sind.
Das ist mein größter Kritikpunkt, der ohne größere Eingriffe zu beheben wäre. Wenn das gewünscht ist...

Ansonsten, vielleicht nehme ich mir später Zeit, genauer auf den Text einzugehen, grobe Sschnitzer sind mir bislang aber nicht aufgefallen (bis auf die Sätze).


_________________
Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.

Albert Einstein
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Saga
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 60
Beiträge: 44
Wohnort: Tønsberg


Beitrag13.10.2014 19:40

von Saga
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Vielen Dank an euch alle, die ihr euch die Mühe gemacht habt, den Text zu lesen!
Ich fühle mich sehr bereichert smile extra

@Cephalopode:

Danke für deine Anmerkung zum Barett. Für mich ist die erste Erwähnung die Sichtbarmachung des Boten, der ein blaues Barett trägt. Es geht tatsächlich darum, einen Farbtupfer ins Geschehen zu bringen.
Die zweite Erwähnung ist eine Handlung, die der Bote mit seinem Barett vollzieht, und die etwas über ihn aussagt, was sich im weiteren Verlauf der Geschichte bestätigen wird: Er liebt schöne Dinge.
Ich kann den Einwand nicht so ganz nachvollziehen. Wenn ich, sagen wir, das Schwert beschreiben würde, das jemand am Gürtel trägt, und später lasse ich es ihn ziehen, um jemanden zu töten – das wäre wohl kaum „redundant“. Oder irre ich mich?

Schön, dass dir die Maus aufgefallen ist. Sie taucht kurz darauf noch ein drittes Mal auf – bevor sie endgültig tot ist, sozusagen Smile

Herzlichen Dank auch für den Hinweis auf die Wortwiederholungen. Ärgerlich, ärgerlich – aber das passiert mir immer wieder. Die werden auf jeden Fall verschwinden!

@Michel:
Freut mich, dass dich der Anfang der Geschichte mitnehmen konnte!
Zur auktorialen Perspektive: Da ich mich selten mit technischen Begrifflichkeiten aufhalte (es sei denn, man reibt sie mir unter die Nase), musste ich erst einmal nachschlagen Buch
Unter anderem fand ich da diesen Satz: „Die Kunst des Erzählens ist es gerade, mit unklaren Standpunkten zu spielen. Häufig begegnen sich widersprüchliche Erzählerstandorte (...). Daher können Versuche, Erzählperspektiven einzuordnen und mit Modellen und Typologien festzuhalten, immer nur teilweise gelingen. Als Verständnishilfe können solche Abstraktionen allerdings sinnvoll sein."

Meine Frage(n) dazu:
Ist es ein unverzeihlicher Stilbruch, zwischen auktorial und personal zu wechseln?
Kann man der Geschichte trotzdem folgen, unter der Voraussetzung, man liest sie nicht, um sie zu analysieren, sondern eben um sie zu lesen? Wiederum unter der Voraussetzung, der Autor stellt sich bei seinen Perspektivwechseln nicht allzu dämlich an?
Wenn ich es richtig begriffen habe, ist es in beiden Erzählweisen möglich, auch das Innenleben der Figuren zu schildern.
Es kommen (teilweise bin ich mir sicher) immer mal wieder Abschnitte vor, die aus der Sicht eines allwissenden Erzählers geschrieben sind (einmal erlaube ich mir sogar, dem Leser ein eindeutiges Augenzwinkern zuzuwerfen)– aber sie sind von meiner Seite aus nur als „Anschub“ gedacht. Hm. Tja …
Wieso kann ich nicht – wie bei einem Kameraschwenk – über die Szene gleiten, um schließlich das Geschehen ablaufen zu lassen, einschließlich der Gedanken der Protagonisten, denn schließlich befinde ich mich ja in einem Roman, und nicht in einem Film mit „Off“-Kommentaren.
Geht das nicht?
Möglicherweise ist der Gedankengang des Nuntius einfach zu lang?

Man wird dem Helden später ziemlich nahe kommen – und ich bezweifle, dass er ganz und gar der bleibt, der er am Anfang ist – und ich bin jetzt völlig verwirrt, ehrlich gesagt.

Straßenslang: Ich empfinde „´tschuldigung“ nicht als solchen. Wirklich nicht. Nur als eine kleine Verschiebung der Erwartungen (über „Ups“ werde ich noch einmal nachdenken. Ist auch das einzige Mal, dass es vorkommt).

@Constantine:
Zitat:
das nenne ich einen flotten, filmreifen Romananfang
Ich beuge mich in den Staub und sage: „Danke für diesen Kommentar.“ rotwerd

Zum ersten Satz: Ich habe ihn gefühlte tausend Mal gelesen und gefühlte fünfhundert Mal umgeschrieben und bin mir darüber im Klaren, dass er für einen ersten Satz ziemlich lang ist. Und auch, dass die weiteren Sätze dem Leser erst einmal keine Atempause gönnen. Aber mir ist es ungeheuer wichtig, dass das Ganze in einem Rutsch abläuft: Tür knallt auf, Typ taumelt rein, schafft es eben noch, seine Jacke auszuziehen und kracht ins Bett. Da ist irgendwie kein Platz für Punkte …

Und apropos „kracht ins Bett“ - das könnte möglicherweise eine bessere Formulierung sein als „wie ein nasser Sack“. Aber vielleicht fällt mir auch noch etwas Anderes ein, wie ich die unwiderstehliche Anziehungskraft schildern kann, mit der die Schwerkraft einen Volltrunkenen in die Horizontale befördert.

Zitat:
... wabernde, zerfließende, sich verdreifachende ...

Du hast recht: entweder „wabernd“ oder „zerfließend“ werden dran glauben müssen. Oder beide werden durch etwas Anderes ersetzt. Oder alles ...

Den Teil mit der „offen gelassenen Tür“ bis zur „Elster“ habe ich nachträglich hinzugefügt. Ursprünglich ging´s direkt mit dem ungebetenen Gast weiter. Ich werde mal sehen, ob ich die Gasse anderweitig unterbringen kann. Es gefiel mir – sozusagen als Schwenk vom Bett (links) über die offen gelassene Tür hin zum Boten (rechts von der Tür), aber das ging wohl so nur in meinem Kopf und nicht im Text ab.

Zitat:
für mich ist klar, dass Nuntius gefunden hatte, wen er sucht.

Ach du lieber Himmel … Ja. Sollte man meinen. Ich kann den Satz allerdings nur leicht umformulieren, zu „Ihr seid Estrit Fagus, …?“, und ihn vorher „vermuten lassen“, dass er den richtigen Mann gefunden hat, denn das, was du vorschlägst, würde Estrits Frage „Wer will das wissen?“ unmöglich machen. Und die ist mir in ihrer kopfschmerzverursachten Aufmüpfigkeit wichtig.

Zitat:
Es platschte und spritzte

Gefiel mir auch noch nie so richtig. Ich hoffe, mir fällt etwas Besseres ein, um die kurze Verzögerung fühlbar zu machen zwischen dem Auftreffen des Wassers und dem Moment, wenn der Held aus dem Bett springt.

Zitat:
"Er hoffte inständig, diesem Estrit Fagus nicht auch noch in irgendeine Schenke folgen zu müssen! Wie er diesen dreckigen Stadtteil hasste! Himmelspforte! Was für ein unpassender Name! 
Eine wahre Schande für Zweibrück! " 
----
Ich bin mir nicht sicher, ob mir dies von der Perspektive her passend erscheint. 

Wäre es so besser?
Mit spitzen Fingern, unter Beschreibung eines rechten Winkels, nahm er sein Barett ab, betrachtete es gründlich von allen Seiten, strich liebevoll nicht vorhandenen Staub herunter.
Wie er diesen dreckigen Stadtteil hasste!

(Vorausgesetzt, es ist nicht grundsätzlich ein unverzeihlicher stilistischer Fauxpas, dass ich einen Schwenk in den Kopf des Boten mache …)

Zitat:
In seinem Kopf dröhnten die Glocken, als wären sie gerade vom Turm gefallen.

Damit bin ich auch nie so recht warm geworden. Ich brauchte nur deine Bestätigung, um wirklich zu wissen, dass es nicht gerade eine 5-Sterne-Formulierung ist. Dankeschön!

Und zuletzt noch danke für den Hinweis auf „hoch erhoben“ und die Wortdoppelungen.

@03mtep13:
Leider kann ich mit deinen Anmerkungen nicht so viel anfangen, da ich weder weiß, was du mit „akzeptabel“, noch was du mit „ausbaufähig“ ansprichst.
Was die Länge der Sätze angeht, denke ich nicht, dass ich sie verkürzen möchte. Sicher müssen sie noch etwas gerade gerückt werden (damit man sich nicht gezwungen fühlt, abzusetzen, um sie zu analysieren Embarassed ), aber das Tempo beruhigt sich später von ganz alleine …
--------------------

Noch einmal: „Danke an euch alle“. Von ganzem Herzen.
Mir ist jetzt so ungefähr klar, was für eine Arbeit ich mit den weiteren siebenhundertachtunneunzigeinhalb Seiten noch vor mir habe (das wusste ich zwar schon vorher - aber jetzt weiß ich es noch besser smile ). Gut möglich, dass ich irgendwann mit einigen Abschnitten in der "Werkstatt" aufschlage.
Lg, Saga


_________________
Jede Geschichte kann erzählt werden - wenn man es richtig macht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Zeitenträumer
Geschlecht:männlichLeseratte
Z

Alter: 44
Beiträge: 123



Z
Beitrag14.10.2014 00:44

von Zeitenträumer
Antworten mit Zitat

Hallo Saga,
da vieles schon gesagt wurde, konzentriere ich meine Anmerkungen auf einen Punkt, der noch nicht zur Sprache kam, obwohl er mir als erstes ins Auge stach. Du verwendest zwar originelle und lebendige Adjektive, aber mir scheinen es doch recht viele zu sein ... Twisted Evil gleiches gilt teilweise für die Adverbien.
Ich finde, dass dein Text seinen Reiz aus dieser sehr bildhaften Sprache zieht, aber wenn du die Adjektive sparsamer einsetzt erhöhst du ihre Wirkung meiner Meinung nach beträchtlich.

Ich versuche mal, es dir am ersten Abschnitt zu verdeutlichen.
Blau = Adjektiv, auf das man theoretisch verzichten könnte, womit ich keinesfalls meine, dass sie alle weg sollen - die Auswahl musst du allerdings selbst treffen
Grün = Adjektiv, das ich in jedem Fall beibehalten würde
Orange = Adverb

Zitat:
Die Lattentür jaulte in den Angeln, schlug krachend ein Stück Putz aus der Wand, schmutzige Stiefel polterten auf die Schwelle, gefolgt von einer Hand, die sich am Rahmen festkrallte, und einem Messer, das wirbelnd die staubige Luft zerteilte und mit dumpfem Knall in den zernarbten Balken fuhr, der mitten im Zimmer das Dach stützte. Der Messerwerfer, ein junger Mann mit langen blonden Haaren, taumelte über die Schwelle, schwankte vornüber bis sein Haar den Boden fegte, und zog sich eine speckige Lederjacke über den Kopf. Mit einem angestrengten Grunzen kam er anschließend wieder hoch, warf die Jacke über den Griff der Waffe und verlor endgültig das Gleichgewicht. Er langte nach dem Balken, machte unfreiwillig eine halbe Drehung, wurde von der Fliehkraft erfasst und ging wie ein nasser Sack auf einer zerwühlten Pritsche nieder. Ehe er erlosch, nahm er eine wabernde, zerfließende, sich verdreifachende Gestalt neben der Feuerstelle wahr, aber bevor irgendeine daraus folgende Erkenntnis sein Gehirn erreichen konnte, sägte er bereits Holz, dass die dünnen Scheiben klirrten.
Durch die offen gelassene Tür konnte man einen Blick auf die mit Unrat übersäte Gasse werfen, wo die unbrauchbaren Reste des täglichen Lebens aus dem Straßenstaub ragten wie die Zeugnisse einer antiken Zivilisation. Pfützen von ungewisser Herkunft glänzten milde im ersten Sonnenlicht. Vom Dach her schimpfte unermüdlich eine Elster.


Einen deiner schönsten Sätze finde ich diesen hier:

Zitat:
Durch die offen gelassene Tür konnte man einen Blick auf die mit Unrat übersäte Gasse werfen, wo die unbrauchbaren Reste des täglichen Lebens aus dem Straßenstaub ragten wie die Zeugnisse einer antiken Zivilisation.

Das Bild ist wirklich wunderbar! Der gesamte Satz allerdings würde für mich noch besser, wenn du ein paar Adjektive wegließest:

Zitat:
Durch die Tür konnte man einen Blick auf die mit Unrat übersäte Gasse werfen, wo die Reste des täglichen Lebens aus dem Straßenstaub ragten wie die Zeugnisse einer antiken Zivilisation.


Es wird nach diesem Absatz deutlich weniger, aber mir immer noch ein kleines Bisschen zu viel.

Noch ein paar andere Dinge:

Zitat:
Mit einem energischen Hieb versenkte Estrit das Messer wieder im Balken bückte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht und hängte seine Jacke wieder auf. Er hielt sich den Kopf.
„Ich brauch´ was zu trinken.“
„Es ist leider kein Wasser mehr da.“

Hier war ich etwas enttäuscht, dass Estrit nicht etwas wie: "Ich will mich ja auch nicht waschen!" sagt und nach Hochprozentigem verlangt. Wer weiß, vielleicht hat der Andere ja sogar mitgedacht und etwas dabei ... ?

Zitat:
Der Bote griff sich an die Brust, ging in Ermangelung einer anderen Beschäftigung zu dem Tisch neben der Feuerstelle und probierte vorsichtig einen der wackeligen Schemel.

Warum greift er sich an die Brust? Wenn es keinen Sinn hat, streiche es, wenn doch, deute diesen zumindest an. Hat er irgendeine chronische Krankheit? Dann könnte er vorher zucken ... etc.

Zitat:
Mit spitzen Fingern, unter Beschreibung eines rechten Winkels, nahm er sein Barett ab, betrachtete es gründlich von allen Seiten, strich liebevoll nicht vorhandenen Staub herunter.

Hier war mir zunächst nicht klar, was einen rechten Winkel beschreibt - erst hatte ich eine Assoziation zu angewinkelten spitzen Fingern, bis mir klar wurde, dass wahrscheinlich seine Bewegung gemeint ist. Wenn ja, könntest du das Substantiv "verbisieren" und gleichzeitig dieses Missverständnis beseitigen:
Zitat:
Er beschrieb einen rechten Winkel mit seiner Hand, nahm mit spitzen Fingern sein Barett ab, betrachtete es gründlich von allen Seiten, strich liebevoll nicht vorhandenen Staub herunter.


Zitat:
Er hoffte inständig, diesem Estrit Fagus nicht auch noch in irgendeine Schenke folgen zu müssen! Wie er diesen dreckigen Stadtteil hasste! Himmelspforte! Was für ein unpassender Name!
Eine wahre Schande für Zweibrück!

Was für die Adjektive gilt, gilt auch für Ausrufungszeichen: weniger ist mehr. Z.B.:
Zitat:
Er hoffte inständig, diesem Estrit Fagus nicht auch noch in irgendeine Schenke folgen zu müssen. Wie er diesen dreckigen Stadtteil hasste! Himmelspforte! Was für ein unpassender Name - eine wahre Schande für Zweibrück!


Zitat:
Rund um den Brunnen schwärmten ausschließlich Frauen, und zwar in solcher Menge, dass Estrit schon nach fünf Schritten den Rand der wartenden Traube erreichte.

Dies ist eine merkwürdig anmutende Genauigkeit, die uns zudem nicht hilft, da wir nicht wissen, wie weit er vom Brunnen entfernt war. Würde ich durch was allgemeineres ("wenigen") ersetzen oder irgendwie ausmerzen.

Zitat:
Die Frau des Gemüsehändlers war eben mit dem Schöpfen fertig, teilte mit dem Tragejoch die Wartenden wie das Rote Meer und warf Estrit im Vorübergehen einen flammenden Blick zu.

Nichts gegen das Bild, auch wenn es meiner Meinung nach "wie Moses das Rote Meer" heißen müsste. Aber gibt es das Rote Meer in dieser Welt überhaupt? Fand ich merkwürdig.

Das war's was  mir aufgefallen ist. Vielleicht kannst du was gebrauchen. Insgesamt erzeugst du eine stimmige Atmosphäre, verwendest, wie gesagt, sehr lebendige Bilder und erzählst schnell und mit einer Spur Humor, die mir gut gefällt. Klingt vielversprechend!

Beste Grüße,

David
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag14.10.2014 01:22

von Constantine
Antworten mit Zitat

Saga hat Folgendes geschrieben:

@Constantine:
Zitat:
das nenne ich einen flotten, filmreifen Romananfang
Ich beuge mich in den Staub und sage: „Danke für diesen Kommentar.“ rotwerd

Wir müssen mal entstauben, das ist doch kein Zustand hier. Erheb dich und lass dir mal den Staub abklopfen. Smile

Hallo Saga,
freut mich, wenn unter meinen Anmerkungen einiges Hilfreiche dabei war oder ich die ein oder andere Formulierung, mit der du selbst nicht ganz zufrieden warst, aufgegriffen habe.
 
Saga hat Folgendes geschrieben:

Zum ersten Satz: Ich habe ihn gefühlte tausend Mal gelesen und gefühlte fünfhundert Mal umgeschrieben und bin mir darüber im Klaren, dass er für einen ersten Satz ziemlich lang ist. Und auch, dass die weiteren Sätze dem Leser erst einmal keine Atempause gönnen. Aber mir ist es ungeheuer wichtig, dass das Ganze in einem Rutsch abläuft: Tür knallt auf, Typ taumelt rein, schafft es eben noch, seine Jacke auszuziehen und kracht ins Bett. Da ist irgendwie kein Platz für Punkte …

Ja, gleich mit einem Poltern in die Geschichte starten und dabei alles in einem Rutsch ablaufen lassen, ist schon mal nicht schlecht und eigentlich kannst du es auch so belassen. Ich würde dir dennoch gerne eine Alternative anbieten (wahrscheinlich unter den 500plus Umschreibungen von dir mit dabei), wie ich mir den Einstieg vorstellen könnte. Dein Protagonist ist betrunken und für mich ist dies der Ansatz:
Die Lattentür jaulte in den Angeln und schlug krachend ein Stück Putz aus der Wand. Auf der Schwelle polterten schmutzige Stiefel und eine Hand krallte sich am Rahmen fest, während ein Messer wirbelnd die staubige Luft des Zimmers zerteilte und mit dumpfem Knall in den zernarbten Dachbalken fuhr.
Ich stelle es mir so vor, dass Estrit die Tür aufschlägt und dadurch, dass er betrunken ist, könnte ich mir nach dem "krachend ein Stück Putz an der Wand" einen Punkt vorstellen. Dadurch, dass er betrunken ist, tritt eine kurze Verzögerung ein und er kann ins Zimmer poltern und sein Messer in den Dachbalken versenken. Den Zusatz, dass der Balken mitten im Zimmer das Dach stützt, habe ich verkürzt und hoffe, dass die Betitelung des Balkens als Dachbalken für den Leser als Info ausreicht beim Vorstellen der Szene. Es ist nur ein Vorschlag, als die Idee für eine Punktsetzung.

Saga hat Folgendes geschrieben:
Und apropos „kracht ins Bett“ - das könnte möglicherweise eine bessere Formulierung sein als „wie ein nasser Sack“. Aber vielleicht fällt mir auch noch etwas Anderes ein, wie ich die unwiderstehliche Anziehungskraft schildern kann, mit der die Schwerkraft einen Volltrunkenen in die Horizontale befördert.

Ausprobieren. Drück dir die Daumen für eine geeignete Formulierung. Aber wie gesagt, ich bin an der Formulierung "wie ein nasser Sack auf einer zerwühlten Pritsche" gestolpert. Ob das andere auch tun, weiß ich nicht.

Saga hat Folgendes geschrieben:

Zitat:
... wabernde, zerfließende, sich verdreifachende ...

Du hast recht: entweder „wabernd“ oder „zerfließend“ werden dran glauben müssen. Oder beide werden durch etwas Anderes ersetzt. Oder alles ...

Sich verdreifachend finde ich gut. "Wabernd" oder "zerfließend" hätte ich auch gewählt, oder die dritte Möglichkeit anstelle der beiden Begriffe einen anderen setzen. Bin gespannt.

Saga hat Folgendes geschrieben:

Den Teil mit der „offen gelassenen Tür“ bis zur „Elster“ habe ich nachträglich hinzugefügt. Ursprünglich ging´s direkt mit dem ungebetenen Gast weiter. Ich werde mal sehen, ob ich die Gasse anderweitig unterbringen kann. Es gefiel mir – sozusagen als Schwenk vom Bett (links) über die offen gelassene Tür hin zum Boten (rechts von der Tür), aber das ging wohl so nur in meinem Kopf und nicht im Text ab.

Wenn du solcherlei Schwenks als Stilmittel häufiger hast, könnte es passen. Mir fiel auf, dass der Schwenk eigentlich recht allein in der Szene steht, ja, wie nachträglich eingefügt, und du könntest ihn genauso gut weglassen. Die Beschreibung der Gasse könntest du an anderer Stelle einbauen.

Saga hat Folgendes geschrieben:

Zitat:
für mich ist klar, dass Nuntius gefunden hatte, wen er sucht.

Ach du lieber Himmel … Ja. Sollte man meinen. Ich kann den Satz allerdings nur leicht umformulieren, zu „Ihr seid Estrit Fagus, …?“, und ihn vorher „vermuten lassen“, dass er den richtigen Mann gefunden hat, denn das, was du vorschlägst, würde Estrits Frage „Wer will das wissen?“ unmöglich machen. Und die ist mir in ihrer kopfschmerzverursachten Aufmüpfigkeit wichtig.

Ich denke, mit dem Vermutenlassen den richtigen Mann gefunden zu haben, bist du näher dran, was die Frage von Nuntius angeht. Mein Vorschlag hätte eine Überarbeitung des Dialoganfangs samt Szenenbeschreibung zur Folge, das wäre etwas mehr Frickelarbeit.


Saga hat Folgendes geschrieben:

Wäre es so besser?
Mit spitzen Fingern, unter Beschreibung eines rechten Winkels, nahm er sein Barett ab, betrachtete es gründlich von allen Seiten, strich liebevoll nicht vorhandenen Staub herunter.
Wie er diesen dreckigen Stadtteil hasste!

(Vorausgesetzt, es ist nicht grundsätzlich ein unverzeihlicher stilistischer Fauxpas, dass ich einen Schwenk in den Kopf des Boten mache …)

Unverzeihlich ist der Schwenk nicht und er kann ja zu deinen Stilmitteln gehören, die der Leser annehmen muss (oder nicht). Perspektivbrüche zu vermeiden, ist mMn nicht falsch, aber vielen Lesern fallen sie auch nicht auf.
Zu deinem Vorschlag, warum "nicht vorhandenen Staub"? Gerade wenn sich Staub auf dem Barett befinden würde und der Nuntius ihn abklopft, würde mir sein Gedanke, wie sehr er diesen Stadtteil hasst, passen.

Saga hat Folgendes geschrieben:

Zitat:
In seinem Kopf dröhnten die Glocken, als wären sie gerade vom Turm gefallen.

Damit bin ich auch nie so recht warm geworden. Ich brauchte nur deine Bestätigung, um wirklich zu wissen, dass es nicht gerade eine 5-Sterne-Formulierung ist. Dankeschön!

Gern geschehen, wenn ich einen Satz getroffen habe, der dem Autor selbst nicht so gut gefallen hat.



Saga hat Folgendes geschrieben:
Noch einmal: „Danke an euch alle“. Von ganzem Herzen.
Mir ist jetzt so ungefähr klar, was für eine Arbeit ich mit den weiteren siebenhundertachtunneunzigeinhalb Seiten noch vor mir habe (das wusste ich zwar schon vorher - aber jetzt weiß ich es noch besser smile ). Gut möglich, dass ich irgendwann mit einigen Abschnitten in der "Werkstatt" aufschlage.
Lg, Saga

Du hast noch viel Arbeit vor dir, aber du siehst eigentlich, wie wenig hier an deinem jetzigen Text zu bemängeln war. Das spricht schon für eine gute Qualität, aber da steckt noch einiges an Feilerei und Hochglanzpolieren drin.
Viel Erfolg und klar, dafür ist die Werkstatt da. Es gibt hier noch den AG-Bereich, der sicherlich auch eine Möglichkeit für dich wäre.

LG,
Constantine
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Saga
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 60
Beiträge: 44
Wohnort: Tønsberg


Beitrag14.10.2014 10:59

von Saga
pdf-Datei Antworten mit Zitat

@Zeitenträumer

Hei David,
Ich habe ja darauf gewartet, ob wohl jemand sich die Adjektive vornimmt …
Es ist mir völlig klar, dass es viele sind, aber sie sind ein unverzichtbarer Teil dieses Stils (ich kann auch anders). Der Leser lässt sich entweder mitreißen, oder er beginnt zu analysieren und kommt zu dem Schluss, dass man die Hälfte oder mehr davon weglassen könnte. Korrekt. Wenn es meine Absicht wäre, einen bereinigten Durchschnittstext zu produzieren, was aber im Falle der Geschichte um Estrit Fagus nicht meine Absicht ist.
Was die Adverbien angeht: Weder auf „krachend“, noch auf „wirbelnd“ oder auf „unfreiwillig“ kann verzichtet werden: Im ersten Falle verschwände das Geräusch, im Zweiten das Bild, im Dritten würde aus einer vom Alkohol verursachten, nicht-freiwilligen Bewegung eine willentliche. Was „milde“ und „unermüdlich“ angeht: Sie sind Schnörkel, wie in einem Bild, das noch ein-zwei Pinselstriche mehr vertragen kann, um noch mehr nach „überbordendem Barock“ auszusehen.
Zitat:
Durch die offen gelassene Tür konnte man einen Blick auf die mit Unrat übersäte Gasse werfen, wo die unbrauchbaren Reste des täglichen Lebens aus dem Straßenstaub ragten wie die Zeugnisse einer antiken Zivilisation.

Was wären denn „die Reste des täglichen Lebens“ ohne den Hinweis darauf, dass es sich um ehemals benutzbare Gegenstände gehandelt hat? Diese „Reste“ sind nicht einfach Dinge, die „irgendwie“ in die Gasse geraten sind, sondern sie wurden dort hingeworfen, weil für definitiv „unbrauchbar“ befunden.
Was die Tür angeht: Türen sind nicht durchsichtig, man kann nicht durch sie hindurchsehen. Wenn ich mich dazu entschließen würde „offen gelassen“ zu streichen, müsste ich die gesamte Tür weglassen.
Zitat:
Mit einem energischen Hieb versenkte Estrit das Messer wieder im Balken bückte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht und hängte seine Jacke wieder auf. Er hielt sich den Kopf. 
„Ich brauch´ was zu trinken.“ 
„Es ist leider kein Wasser mehr da.“
--------------
Hier war ich etwas enttäuscht, dass Estrit nicht etwas wie: "Ich will mich ja auch nicht waschen!" sagt und nach Hochprozentigem verlangt. Wer weiß, vielleicht hat der Andere ja sogar mitgedacht und etwas dabei ... ?

Klar, David. smile Ich mache aus dem überkandidelten Boten des Herrn Zedrik einen Mann, der mit der Schnapsflasche bewaffnet seinen Dienst versieht, aus dem verkaterten Helden einen Alkoholiker, und schreibe anschließend die gesamte Geschichte um. Nee. Nicht wirklich smile extra
Zitat:
Der Bote griff sich an die Brust, ging in Ermangelung einer anderen Beschäftigung zu dem Tisch neben der Feuerstelle und probierte vorsichtig einen der wackeligen Schemel.
--------------
Wenn es keinen Sinn hat, streiche es, wenn doch, deute diesen zumindest an.

Wirkt der Text in seiner Gesamtheit so, als wäre er von jemandem geschrieben, der sich keine Gedanken über den Sinn seines Tuns macht? Er greift sich an die Brust, weil Estrit Fagus ihn brüskiert, dadurch, dass er sich einfach den Eimer schnappt und verschwindet. Es ist eine etwas „weibische“ Geste.
Ich werde mir deinen Einwand notieren, vielleicht lässt es sich noch deutlicher sagen.
Zitat:
Deine Version: Er beschrieb einen rechten Winkel mit seiner Hand, nahm mit spitzen Fingern sein Barett ab, betrachtete es gründlich von allen Seiten, strich liebevoll nicht vorhandenen Staub herunter.

smile Wieso beschreibt er einen rechten Winkel mit der Hand und wohin? Klappt er den Daumen auf und hält die Hand hoch? Mag sein, dass meine Variante nicht besonders gut ist, aber deine macht auch keinen Sinn.

Ausrufezeichen: Die stehen da, weil der Bote ein etwas hysterischer Typ ist. Schriftsprache ist nicht nur dazu da, Informationen zu transportieren.

Fünf Schritte: „Wir“ wissen nicht, wie weit er vom Brunnen entfernt war? Das spielt auch keine Rolle. Nach fünf Schritten erreicht er den Rand der wartenden Traube. That´s it. Eine präzise, kurze Distanz.

Das Rote Meer: Moses ist nicht nötig. Die Frau mit dem Tragejoch ist ja da. Und nein: Es gibt kein Rotes Meer in dieser Welt. Aber in deinem Kopf. Und in meinem. Daher wissen wir, was gemeint ist.

Fazit: Die Hinweise auf die Gesten des Boten werde ich mir merken. Ansonsten scheint es mir, dass du ein wenig das Ganze aus den Augen verlierst auf der Suche nach überflüssigen Adjektiven und Wendungen, die deinen Erwartungen nicht entsprechen. Ich kann deinen Drang, meine Sätze umzuschreiben absolut nachvollziehen, aber du wirst sicher auch verstehen, warum ich dein Angebot so nicht annehmen kann.
Es ist nämlich mein Text, und nicht deiner.

Nichtsdestotrotz: aufrichtigen Dank dafür, dass du dem Text deine Zeit gewidmet hast!
Lg, Saga


_________________
Jede Geschichte kann erzählt werden - wenn man es richtig macht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Michel
Geschlecht:männlichBücherwurm

Alter: 52
Beiträge: 3374
Wohnort: bei Freiburg
Das bronzene Bühnenlicht Das goldene Niemandsland
Der silberne Durchblick Der silberne Spiegel - Prosa
Silberne Neonzeit


Beitrag14.10.2014 11:17

von Michel
Antworten mit Zitat

Zitat:
Ist es ein unverzeihlicher Stilbruch, zwischen auktorial und personal zu wechseln?
 Kann man der Geschichte trotzdem folgen, unter der Voraussetzung, man liest sie nicht, um sie zu analysieren, sondern eben um sie zu lesen? Wiederum unter der Voraussetzung, der Autor stellt sich bei seinen Perspektivwechseln nicht allzu dämlich an?

Unverzeihlich finde ich gar nichts. Die "Fehler" von heute sind vielleicht der angesagte Stil von morgen. Laughing Man kann jede Schreibregel brechen. Besser funktioniert es nach meiner Erfahrung oft, wenn man sie vorher beherrscht.
Ich habe die Perspektive  angemerkt, weil ich tatsächlich beim Lesen darüber gestolpert bin, v.a. im ersten Teil. Ich wusste z.T. tatsächlich nicht, durch wessen Augen ich gerade blicke oder wo die Kamera ist. Das passiert mir im Film eher selten. Laughing

Zu den Adjektiven: Sicher, kann man machen. Es gibt nicht nur die Extrempunkte "barock ausufernd" und "neue Sachlichkeit". Mir sind es auch eher zu viele, ein paar weniger gäben dem Text noch mehr Kontur. Wenn mehrere Testleser das Gleiche rückmelden, ist möglicherweise etwas dran.
Aber: Geschmackssache. Dein Text.

HG Michel
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Zeitenträumer
Geschlecht:männlichLeseratte
Z

Alter: 44
Beiträge: 123



Z
Beitrag14.10.2014 11:21

von Zeitenträumer
Antworten mit Zitat

Hey Saga,
oh je, da hab ich offenbar einen falschen Eindruck erzeugt... Confused  Keine Sorge, dein Text soll natürlich deiner bleiben!  Wenn du meinst, dass du alle Adjektive brauchst, absolut ok! Ich fand nur, dass sie durch die Häufung ein wenig ihre Wirkung verlieren.

Zitat:
Die Hinweise auf die Gesten des Boten werde ich mir merken. Ansonsten scheint es mir, dass du ein wenig das Ganze aus den Augen verlierst auf der Suche nach überflüssigen Adjektiven und Wendungen, die deinen Erwartungen nicht entsprechen.

Das ganz sicher nicht! Mal abgesehen von den Adjektiven habe ich an den Stellen Anmerkungen gemacht, an denen ich gestolpert bin. Ich selbst weiß oft nicht, was nötig ist, um ein Bild im Kopf zu erzeugen bzw. was es kaputt macht, denn in meinem Kopf gibt es das Bild ja.

Zum Beispiel:

Zitat:
Was wären denn „die Reste des täglichen Lebens“ ohne den Hinweis darauf, dass es sich um ehemals benutzbare Gegenstände gehandelt hat? Diese „Reste“ sind nicht einfach Dinge, die „irgendwie“ in die Gasse geraten sind, sondern sie wurden dort hingeworfen, weil für definitiv „unbrauchbar“ befunden.

Für mich reicht "Reste des täglichen Lebens" völlig, um ein Bild von Müll, Unrat, alten Möbeln etc. zu erzeugen.

Zitat:
Was die Tür angeht: Türen sind nicht durchsichtig, man kann nicht durch sie hindurchsehen. Wenn ich mich dazu entschließen würde „offen gelassen“ zu streichen, müsste ich die gesamte Tür weglassen.

Die Tür war aufgeflogen und daher in meinem Kopf noch offen.

Zitat:
Zitat:
Deine Version: Er beschrieb einen rechten Winkel mit seiner Hand, nahm mit spitzen Fingern sein Barett ab, betrachtete es gründlich von allen Seiten, strich liebevoll nicht vorhandenen Staub herunter.

smile Wieso beschreibt er einen rechten Winkel mit der Hand und wohin? Klappt er den Daumen auf und hält die Hand hoch? Mag sein, dass meine Variante nicht besonders gut ist, aber deine macht auch keinen Sinn.

Kann sein. Ich sage auch nicht, dass ich deine Version nicht gut fand, sondern dass sie mich hat stutzen lassen, weil ich mir nicht vorstellen konnte, was passiert.

Zitat:
Das Rote Meer: Moses ist nicht nötig. Die Frau mit dem Tragejoch ist ja da. Und nein: Es gibt kein Rotes Meer in dieser Welt. Aber in deinem Kopf. Und in meinem. Daher wissen wir, was gemeint ist.

Schon richtig, aber es reißt mich an dieser Stelle aus der Handlung in "meine" Welt ... dabei wollte ich doch eine neue erkunden.

Naja, wie auch immer. Tut mir leid, wenn ich dich verärgert haben sollte. Ich denke halt, dass es immer "unbeabsichtigte" Wirkungen eines Textes geben kann, auf die man als Autor niemals gekommen wäre - denn man weiß ja genau, was wie gemeint ist ...
Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie es weiter geht.

Lg,

David
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Saga
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 60
Beiträge: 44
Wohnort: Tønsberg


Beitrag14.10.2014 11:46

von Saga
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hei Constantine, direkt zur Sache smile

Zitat:
Die Lattentür jaulte in den Angeln und schlug krachend ein Stück Putz aus der Wand. Auf der Schwelle polterten schmutzige Stiefel und eine Hand krallte sich am Rahmen fest, während ein Messer wirbelnd die staubige Luft des Zimmers zerteilte und mit dumpfem Knall in den zernarbten Dachbalken fuhr.

Deine Variante ist nicht schlecht, aber „während“ und der darauffolgende Satzteil bringen ein Element hinein, das den schnellen Ablauf verzögert. Da fehlt mir die Wucht. Die „auf der Schwelle polternden Stiefel“ gefallen mir. Dachbalken geht leider nicht: Das sind die, die unter der Decke quer verlaufen, und das ergibt keinen Sinn. Mein Balken steht aufrecht mitten im Zimmer – sonst könnte der Held nicht danach langen …
Über den Punkt werde ich nachdenken – danke für die Anregung.

Zitat:
... wabernde, zerfließende, sich verdreifachende ...

Jepp. „Sich verdreifachend“ beschreibt´s schon recht genau, wie ich aus eigener Erfahrung weiß smile

Die offen gelassene Tür: Es ging mir darum, direkt auch einen Eindruck von der Umgebung zu vermitteln. Es wird im weiteren Verlauf der Geschichte klar (das hoffe ich zumindest!), warum sich der Held in der übelsten Gegend der Stadt niedergelassen hat – und ich dachte mir, dass gerade an dieser Stelle eine kleine Zäsur zumindest keinen allzu großen Schaden anrichtet. Es entsteht ja sowieso eine Pause, dadurch, dass jetzt der Bote den aktiven Teil übernimmt. Ich wollte sozusagen einen Rahmen um das Bild malen.
Durchaus möglich, dass es solche Einschübe öfter gibt. Bevor ich mir darüber Gedanken mache, den Teil zu verschieben, werde ich das überprüfen. Wenn sich herausstellt, dass ich dabei eine Eigenschaft in meinem Schreibstil entdecke, die mir bisher noch nicht bewusst war, wird der Einschub zur Umgebung bleiben.
Wirklich sehr nützlich, dass du mich darauf aufmerksam machst!

Nuntius hat gefunden, wen er sucht: Ja, zu mehr als einer kleinen Kurskorrektur kann ich mich nicht durchringen, weil die Frage des Nuntius die Möglichkeit gibt, den Helden mit Namen einzuführen.

Nicht vorhandener Staub: Das dient zur Charakterisierung des Nuntius. Der Mann taucht später immer wieder auf und wechselt u.a. auch das Amt. Er ist äußerst „etepetete“ was Reinlichkeit und Wohlverhalten angeht. Aber der Einwand ist trotzdem interessant. Es ginge tatsächlich auch andersherum und wäre dann vermutlich auch logischer.

Perspektivenschwenk: Dann werde ich ihn lassen, aber verkürzt, denn es kommt in jedem Falle öfter vor.

Zitat:
Du hast noch viel Arbeit vor dir, aber du siehst eigentlich, wie wenig hier an deinem jetzigen Text zu bemängeln war. Das spricht schon für eine gute Qualität, aber da steckt noch einiges an Feilerei und Hochglanzpolieren drin.
Viel Erfolg und klar, dafür ist die Werkstatt da. Es gibt hier noch den AG-Bereich, der sicherlich auch eine Möglichkeit für dich wäre.


Es freut mich wirklich, dass ich mit meiner eigenen Einschätzung nicht völlig danebengelegen habe. Auch wenn ich weiche Knie kriege, wenn ich daran denke, wie wohl die weitere Entwicklung der Geschichte rein vom „Plot“ her aufgenommen wird - sie ist nicht eben „straight to the point“. Womit sie dem entspricht, was ich auch selber gerne lese, was aber sicher nicht jedermanns Sache ist.
Auf die AG komme ich möglicherweise zurück, wenn ich meine 100 Beiträge beisammen habe smile extra

Lg, Christine


_________________
Jede Geschichte kann erzählt werden - wenn man es richtig macht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
seitenlinie
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1829

Pokapro 2015


Beitrag14.10.2014 12:23

von seitenlinie
Antworten mit Zitat

Hallo Saga,

du willst griffige bis abstruse Bilder, Tempo, Adjektive, eine opulente Sprache.
Und deine sprachlichen Bilder sind, wenn ich Einzelnes rauspicke, wirklich bemerkenswert.

Aber du vergeudest sie. Du willst zu viel mit einmal.

Dort, wo man Tempo um jeden Preis will, muss der Inhalt belanglos sein. Ich sehe nur Streiflichter und keinen Film
vor mir. Erst wenn ich vor, zurück, und wieder vorwärts lese, kommt etwas vom Inhalt an. Aber ich möchte lesen,
nicht sezieren.
  
     
Mal am Beispiel:

... das wirbelnd die staubige Luft zerteilte und mit dumpfem Knall in den zernarbten Balken fuhr, der mitten im Zimmer
das Dach stützte.


Erst im Nachhinein weiß ich, dass ein Messer durch die Luft flog.
Erst im Nachhinein sehe ich, dass eine Holzsäule im Zimmer steht.
Dass die Säule das Dach stützt, ist technisch nicht falsch und als Information völlig o.k. Aber als Leser brauche ich ein
Bild und sehe hier tatsächlich eine Säule, die ein Dach stützt.

(Und sollte eher ein Deckenbalken gemeint sein, passt "mitten im Zimmer" nicht.)


Er langte nach dem Balken, machte unfreiwillig eine halbe Drehung, wurde von der Fliehkraft erfasst und ging wie ein
nasser Sack
auf einer zerwühlten Pritsche nieder.


An der Stelle meldet sich der Erzähler mit Wertung und Begründung. Ob man das überhaupt mag, ist Geschmacksache.
Aber hier lenkt es vom Geschehen ab.
 

Was nützen die eindrucksvollen Formulierungen, wenn im Kopfkino des Lesers kein Film entsteht?
Deshalb heißt es treffend „Kill your darlings“. Wenn eine Formulierung noch so wundervoll, ein Adjektiv noch so
bombastisch ist- wirf es raus. Wirf raus, was den Film blockiert! Auch wenn es schwer fällt, umzuschalten.  

Gruß,
Carsten
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Saga
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 60
Beiträge: 44
Wohnort: Tønsberg


Beitrag14.10.2014 12:24

von Saga
pdf-Datei Antworten mit Zitat

@Michel:
Ok. Danke. Ich werde ein Auge auf die Perspektive haben. Gut, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast. Es liegt ja nicht in meiner erklärten Absicht, Stolpersteine zu errichten oder Verwirrung zu stiften.
Ein paar Adjektive werden sicher noch das Zeitliche segnen. Aber im Großen und Ganzen wird der überbordende Charakter bleiben.
Lg, Saga
---------------------------

@Zeitenträumer
Nicht doch. Ich bin nicht verärgert.
Deine Hinweise waren nur zum Teil in einer Weise subjektiv, dass ich, wenn ich sie ernst genommen hätte, die gesamte Geschichte hätte umschreiben müssen.
Es ist für mich viel erhellender, zu erfahren, welches Bild du denn nun im Kopf hast, ohne mir sofort Vorschläge zu machen, was ich weglassen oder anders schreiben könnte.
Dadurch ergäbe sich nämlich für mich die Möglichkeit, selbst andere Wege zu finden.

In diesem Sinne ist dein zweiter Post eine größere Bereicherung für mich:

Zum Beispiel, dass „Die Reste“ für dich als Bild reichen. Jetzt liegt es an mir, zu entscheiden, ob ich noch einen zusätzlichen Hinweis auf die Bewohner des Viertels anbringen möchte, oder nicht.

Und: Es ist ja nicht so, dass ich nicht selbst auch an Sätzen wie dem „mit dem rechten Winkel“ zweifeln würde!

Dass die Tür noch auf ist, ist wohl jedem bewusst, der den Text gelesen hat. Trotzdem kann man eben nicht durch eine Tür hindurchsehen. Ich muss also etwas anderes zum Hindurchsehen finden, wenn ich mir den Hinweis darauf, dass sie offen ist, verkneifen will.
In diesem Sinne ist dein Hinweis darauf, dass dir die Tür als „offen“ bewusst ist, wertvoll, denn er sagt mir: Das könnte man anders besser machen.

Ja. Das Rote Meer ist ein Riss in der Fassade der heilen Fantasy-Welt. Ich bin mir dessen bewusst. Und es ist nicht der einzige Stilbruch im Hinblick auf „Weltenkontinuität“. Fantasy, die geschlossene Welten erschafft, in denen man sich gemütlich einlullen lassen kann, gibt es in meinen Augen genug. Und es ist weder „mein Stil“ noch etwas, was ich besonders gerne lese. Ich bin nicht wirklich eine „Genre-Schreiberin“.
Wenn mir ein besserer Ausdruck einfallen würde, statt die Geschichte als „Fantasy“ zu bezeichnen, würde ich einen anderen wählen. Aber bisher wurde ich bei meiner Suche noch nicht fündig.

Lg, Saga


_________________
Jede Geschichte kann erzählt werden - wenn man es richtig macht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Cephalopode
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 30
Beiträge: 15
Wohnort: Wien


Beitrag14.10.2014 13:32

von Cephalopode
Antworten mit Zitat

Hallo nochmal

Also wenn du dem Barett an der besagten Stelle wirklich diese Bedeutung beimisst, dann ist dein Einwand völlig berechtigt, und ich muss meine Aussage zurückziehen.

Allerdings habe ich leider nicht gemerkt, dass es für die Charakterisierung des Boten so wichtig ist, was möglicherweise daran liegen könnte, dass es sich kaum vom Hintergrund deiner ansonsten so detaillierten Beschreibungen abhebt.

Lg
Cephalopode
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Saga
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 60
Beiträge: 44
Wohnort: Tønsberg


Beitrag14.10.2014 13:59

von Saga
pdf-Datei Antworten mit Zitat

@seitenlinie

Hei Carsten,

Ich kann deinen Einwand nachvollziehen. Aber es scheint mir im konkreten Fall eine reine Stilfrage zu sein.
Dass Tempo und Inhalt einander ausschließen müssen, kann ich dagegen nicht nachvollziehen. Auch nicht, dass man den ersten Abschnitt – denn der ist es wohl, über den wir gerade sprechen – mehrmals lesen muss, um nach Bildern zu suchen. Wieso muss man das? Er ist - soll so sein - wie der Anfang eines Märchens:
„Ein Mann hatte sieben Söhne und immer noch kein Töchterchen, so sehr er sich´s auch wünschte; endlich gab ihm seine Frau wieder gute Hoffnung zu einem Kinde, und wies zur Welt kam, war es auch ein Mädchen. Die Freude war groß, aber das Kind war schmächtig und klein und sollte wegen seiner Schwachheit die Nottaufe haben. (… und so weiter)“
Nur dass da eben ein besoffener Kerl zur Tür herein und ins Bett fällt.
In diesem Sinne ist es durchaus korrekt, von „Streiflichtern“ zu sprechen. Mehr oder Anderes soll es gar nicht sein.

Zitat:
Erst im Nachhinein sehe ich, dass eine Holzsäule im Zimmer steht.
Dass die Säule das Dach stützt, ist technisch nicht falsch und als Information völlig o.k. Aber als Leser brauche ich ein Bild und sehe hier tatsächlich eine Säule, die ein Dach stützt.

Dem kann ich nicht ganz folgen.
Aus dem heraus, was ich zu verstehen glaube, kann ich dazu nur sagen, dass der Blick (oder vielleicht besser: Der Gedankenblitz) dem Messer durchs Zimmer folgt, wo es in den Balken (nicht Säule) einschlägt.
Du meinst, ich sollte erst den Balken aufstellen, und den Helden anschließend das Messer werfen lassen?

Die Idee, dass es sich um einen „Film“ handelt, stammt so nicht von mir – auch wenn ich nicht leugnen will, dass mir ab und an „Kameraschwenks“ beim Schreiben durch den Kopf gehen. Wenn man es denn mit einem Film vergleichen will, dann ist es einer, der mit Fragmenten beginnt, während gleichzeitig eine Stimme aus dem Off in die Geschichte einführt.
In diesem Sinne ist es unerlässlich, dass man die Stimme des Erzählers hört.

Danke für die „bemerkenswerten, sprachlichen Bilder“ und für deine Anmerkungen. Ganz sicher muss der eine oder andere „Darling“ noch in die Wüste geschickt werden. Aber was du im großen Bogen andeutest, wäre nach meinem Verständnis eine völlig andere Art des Erzählens: Mittendrin, nämlich. Aber so weit sind wir an diesem Punkt der Erzählung noch nicht, ich und mein Held.

Lg, Saga


_________________
Jede Geschichte kann erzählt werden - wenn man es richtig macht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
seitenlinie
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1829

Pokapro 2015


Beitrag14.10.2014 14:51

von seitenlinie
Antworten mit Zitat

Saga hat Folgendes geschrieben:

Aus dem heraus, was ich zu verstehen glaube, kann ich dazu nur sagen, dass der Blick (oder vielleicht besser: Der Gedankenblitz)
dem Messer durchs Zimmer folgt, wo es in den Balken (nicht Säule) einschlägt.
Du meinst, ich sollte erst den Balken aufstellen, und den Helden anschließend das Messer werfen lassen?

Die Idee, dass es sich um einen „Film“ handelt, stammt so nicht von mir – auch wenn ich nicht leugnen will, dass mir ab und
an „Kameraschwenks“ beim Schreiben durch den Kopf gehen.


Film heißt in dem Fall Kopfkino. Wenn die Sprachbilder tatsächlich einen Film erzeugen.

Schau mal. Ein Balken kann ein waagerechtes oder senkrechtes Bauteil sein.
Waagerecht heißt er Deckenbalken oder Unterzug, senkrecht Pfosten oder Säule.
Normalerweise reicht "Balken" aus, wenn alles weitere aus dem Zusammenhang erkennbar ist.
Du schreibst "mitten im Zimmer". Und mitten im Zimmer kann nur ein senkrechter Pfosten stehen, der das Dach stützt.

Als Leser sehe ich ein falsches Bild vor mir und damit passen alle anderen Bilder, die darauf aufbauen auch nicht mehr.
Der Film reißt ab.

Oder die Lattentür.
Da denke ich an eine Einfriedung, einen Unterstand oder einen Stall.
Wozu gehört die Wand?
Dann lese ich "Schwelle". Ich stutze, Lattentüren haben keine Schwelle.
Vielleicht ist es eine Brettertür oder die Schwelle gehört gar nicht zur Tür.
Später lese ich Zimmer und vermute keinen Stall mehr, sondern einen Dachraum.

Du hast die Reihenfolge angedeutet.
Wenn es funktioniert, kannst du das Messer in den Balken sausen lassen. Dazu muss ich aber wissen, dass das Messer fliegt
und nicht nur "herumgewirbelt" wird. Und bei dem Balken muss ich gleich das korrekte Bild bekommen.



Mir fehlt leider die Zeit, sonst wäre ich intensiver ins Detail gegangen.

Gruß,
Carsten
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Saga
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 60
Beiträge: 44
Wohnort: Tønsberg


Beitrag14.10.2014 15:23

von Saga
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Zitat:
Film heißt in dem Fall Kopfkino. Wenn die Sprachbilder tatsächlich einen Film erzeugen.

Danke Carsten, dass du dir von deiner wenigen Zeit noch einmal eine kleine Scheibe für mich abgeschnitten hast.
Jetzt habe ich etwas im Kopf, worüber ich nachdenken kann, und nicht nur Fragezeichen Buch

Lg. Saga


_________________
Jede Geschichte kann erzählt werden - wenn man es richtig macht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
seitenlinie
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1829

Pokapro 2015


Beitrag14.10.2014 22:27

von seitenlinie
Antworten mit Zitat

Schneiden wir noch ein Scheibchen und vergessen für einen Augenblick den Roman.


Magst du Terry Pratchett?

Egal. Jedenfalls könntest du ähnlich faszinierend schreiben. Falls es dir gelingt, den ruckelfreien Gedankenfilm beim
Leser zu erzeugen.

Das ist ein wesentliches Kriterium für unsere Sprache - selbst wenn eine Wendung noch so wunderbar knackig und
anhänglich ist. Wir müssen versuchen, uns in den Empfänger zu versetzen. Das ist schwer, denn wir sehen die Szene
bereits vor Augen und als Anstoß reichen wenige Worte.           
 

Ich zitiere mal eine meiner Lieblingsstellen aus dem „Winterschmied“

Romananfang im Original:

When the storm came, it hit the hills like a hammer. No sky should hold so much snow as this, and because no sky
could, the snow fell, fell in a wall of white.


Die deutsche Übersetzung ist m.E. noch besser:

Als das Unwetter kam, traf es die Hügel wie ein Hammer. Kein Himmel konnte so viel Schnee halten, und deshalb fiel
er wie eine weiße Wand.


Die Übersetzung ist nicht 1:1 und sprachlich nicht exakt. Fiel der Himmel, fiel der Schnee, oder beides wie eine
Wand? Genau das spielt hier keine Rolle. Das Bild wirkt stimmig und stark.
 
Und das meine ich. Das exakte Wort kann es sein, vielleicht die Reihenfolge, das Timing oder der Zusammenhang.
Es gibt kein Rezept.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Saga
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 60
Beiträge: 44
Wohnort: Tønsberg


Beitrag15.10.2014 16:07

von Saga
pdf-Datei Antworten mit Zitat

@seitenlinie

Ähem, vielen Dank für den Hinweis auf Terry Pratchett. rotwerd

Schon länger her, dass ich etwas von ihm gelesen habe. Ich werde mal wieder einen Blick hineinwerfen.

Ein paar schmerzliche Opfer habe ich schon gebracht und die Bestandteile des ersten Satzes einmal durchgeschüttelt.

 love Für den wunderbaren Beispielsatz. Inspierierend.

Nein. Es gibt kein Rezept. Leider - und gottseidank. Deswegen kaufe ich mir auch keine Schreibratgeber mehr ... (habe sowieso nur zwei, die mich wirklich bereichert haben).

Lg, Saga

P.S. Danke für die "Brettertür", übrigens. Es gibt Lattentüren mit Schwellen - aber sie führen tatsächlich in Ställe Embarassed Ich hatte auch mal "Brettertür" im ersten Satz stehen, aber das gefiel mir vom Klang her nicht so gut ... Ich befürchte, 16 Jahre in Norwegen führen langsam dazu, dass mir manche Ausdrücke und ihre Bedeutung im Deutschen nicht mehr so 100% gegenwärtig sind.


_________________
Jede Geschichte kann erzählt werden - wenn man es richtig macht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 2 Gehe zu Seite 1, 2  Weiter

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Einstand
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Agenten, Verlage und Verleger
Begründete Absage, hat jemand Rat?
von Line Kölsch
Line Kölsch Agenten, Verlage und Verleger 16 26.04.2024 10:13 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Werkstatt
Der Glücksritter
von Peter Hort
Peter Hort Werkstatt 0 22.04.2024 20:39 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Einstand
Der Bandit
von dirkheg
dirkheg Einstand 5 22.04.2024 12:43 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Rechtliches / Urheberrecht / Copyright
Nach Vertragsabschluss wird der Verla...
von Mion
Mion Rechtliches / Urheberrecht / Copyright 34 22.04.2024 12:05 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Roter Teppich & Check-In
Der rote Teppich hat Flecken - oder t...
von schreiby
schreiby Roter Teppich & Check-In 5 22.04.2024 10:09 Letzten Beitrag anzeigen

EmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlung

von Carizard

von Jarda

von Tiefgang

von BerndHH

von Rosanna

von Nora_Sa

von MosesBob

von EdgarAllanPoe

von Jocelyn

von Micki

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!