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Flüchtlingsbastard


 
 
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Hallogallo
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 61
Beiträge: 644
Wohnort: Auenland


Beitrag20.02.2014 15:37
Flüchtlingsbastard
von Hallogallo
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Woher ich stamme
habe ich bis heute nicht kapiert

ein Flüchtlingsbastard bin ich
von Gestrandeten des Kriegs gezeugt

zur Welt gekommen irgendwo
und irgendwo auch aufgewachsen
zu einer Heimat hat es nicht gereicht

wo immer ich war
den falschen Dialekt gesprochen
die verkehrte Religion gehabt

meist auf der Ersatzbank gesessen
und dort versucht nicht aufzufallen

immer irgendwie anders als die Anderen
und irgendwie immer ein bisschen allein

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Perry
Geschlecht:männlichExposéadler
P

Alter: 71
Beiträge: 2509



P
Beitrag24.03.2014 12:58
Hallo Hallogallo,
von Perry
Antworten mit Zitat

ich denke, das ist ein Text, der nicht unbesprochen bleiben sollte. Wink
Der Grundton ist ein Bedauern über ein Flüchtlingsschicksal, wie es viele gab und leider immer noch gibt. Interessant finde ich den Aspekt

"zur Welt gekommen irgendwo
und irgendwo auch aufgewachsen",

denn hier kommt eine grundlegende Daseinsfrage zur Sprache.

Welchen Einfluss hat das "irgendwo" auf das, was aus uns wird.
Ist "Anderssein" eine Last oder eine Begründung?

LG
Perry
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Rosanna
Richter und Henker

Alter: 30
Beiträge: 1055

Pokapro V & Lezepo III Silberne Harfe


Beitrag25.03.2014 20:58

von Rosanna
Antworten mit Zitat

Moin,

Interessantes, aktuelles Thema. Der Titel gefällt mir klanglich sehr gut, auch wenn ich finde, dass du ihn im Gedicht selbst zu beiläufig aufgreifst.
Grundsätzlich stört mich die – meiner Meinung nach – mangelnde Verdichtung. Du hast eine Menge Redundanzen, vage Formulierungen und Ungenauigkeiten in deinem Gedicht. Hier mal ein paar Beispiele:

Zitat:
Woher ich stamme 
habe ich bis heute nicht kapiert 


An dieser Stelle willst du wohl deutlich machen, dass das Flüchtlingskind nicht nur in seiner  „Heimat“, dort, wo er aufgewachsen ist, nicht ankommen kann oder willkommen ist, sondern auch keinen Bezug zu dem Ort hat, den ihm seine Umgebung zuordnet – seine Eltern sind „Entwurzelte“, vor einem Krieg aus einem Land geflohen, dass dem LI völlig fremd ist.
Ich störe mich hier an dem „kapiert“ in Verbindung mit Abstammung – für mich lesen sich die Verse so, als ob das LI seine Eltern nicht kennt und deshalb seine Abstammung nicht klären kann? Ich glaube aber irgendwie nicht recht, dass du darauf hinauswillst. Für mich würde hier eher ein „Wohin ich gehöre“ passen, weil sich das sowohl auf seine Wurzeln, als auch die Schaffung einer Heimat beziehen kann (Zugehörigkeitsgefühl). Bezogen auf die Herkunft seiner Eltern, wenn dir das wichtig ist, passt für mich  „kapiert“ außerdem nicht, weil „kapieren“ für mich rationale, komplexe Verstehensprozessen beschreibt, während es sich bei dem Wissen um eine Abstammung eher um eine – ja, Wissens- oder eine emotional gefärbte Verstehensfrage handelt.


Zitat:
ein Flüchtlingsbastard bin ich 
von Gestrandeten des Kriegs gezeugt 



gefällt mir grundsätzlich gut, „Gestrandeten des Krieg(e)s“ finde ich allerdings wenig aussagekräftig, vielleicht könntest du stattdessen von Treibgut/-holz oder Sprock sprechen – das würde die Flucht über das Wasser ebenso thematisieren wie „Gestrandete[n]“, zusätzlich aber auch die Flüchtlinge selbst charakterisieren – aufgerieben, geschliffen, aufgezehrt (Sprockholz hat nur eine gering höhere Dichte als Salzwasser), mit salzverkrusteten Gesichtern... Abgesehen davon sind in vielen Mythologien, nicht nur westlichen, Menschen und Bäume metaphorisch eng verknüpft. Du könntest sogar die fehlenden Wurzeln des LI darauf beziehen.

Zitat:
zur Welt gekommen irgendwo 
und irgendwo auch aufgewachsen
 

(gefällt mir, schön bitter-lapidar)

Zitat:
zu einer Heimat hat es nicht gereicht
  (ist mir zu dick aufgetragen, erschließt sich eigentlich auch aus den vorherigen Versen)

Zitat:
wo immer ich war 
den falschen Dialekt gesprochen 
die verkehrte Religion gehabt
  (ist mir sprachlich und inhaltlich jetzt auch zu unausgereift. Ich gehe mal davon aus, dass du Akzent statt Dialekt meinst, Dialekt im weitesten Sinne eines bestimmten „Migrantenslangs“ würde nämlich die Zugehörigkeit zu einer Gruppe erzeugen, der sich das LI nicht zugehörig zu fühlen scheint. Religion ist mir in dem Zusammenhang auch zu institutionell, simpel „den falschen Gott“, auch wenn das theologisch nicht ganz haltbar ist, erscheint mir hier passender. Oder du wirst konkreter – gehst auf Essensregeln, Feiertage, Betregeln usw ein. )Unabhängig davon fehlt mir der Mehrwert der Strophe, die nicht wirklich über Phrasen hinausgeht.

Zitat:
[...]
immer irgendwie anders als die Anderen 
und irgendwie immer ein bisschen allein 

Insgesamt ist mir das Ganze irgendwie ein bisschen zu viel irgendwie, sowohl wörtlich als auch in der Wahl deiner Metaphern. Ich sehe keinen roten Faden (zB chronologisch die Lebensgeschichte eines Flüchtlingskind – über Asylantenheim und befristete Aufenthaltsgenehmigungen, Staatsbürgerschaft usw.),vage Einseitigkeiten und Allgemeinplätze. Am Interessantesten fände ich, warum dein LI ausgerechnet ein Flüchtlingsbastard ist – kann man das wörtlich nehmen oder metaphorisch ( ein nicht anerkanntes Kind der „neuen Heimat“?)? Leider gehst du darauf nicht ein.

Ich bin gespannt auf mögliche Überarbeitungen smile.

VG
Rose


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firstoffertio
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Beitrag25.03.2014 22:43

von firstoffertio
Antworten mit Zitat

Mir sagt das Gedicht viel. Allerdings denke ich nicht, so wie du, Rosanna, an die vielen gegenwärtigen Flüchtlinge, sondern bezog den Text mehr auf meine eigene Erfahrung, als ich das Wort 'Flüchtlinge', und dass ich ein Kind von solchen bin, mir noch gar nichts sagte, außer einem vagen Gefühl, dass ich irgendwie zu ihnen gehörte.
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Rosanna
Richter und Henker

Alter: 30
Beiträge: 1055

Pokapro V & Lezepo III Silberne Harfe


Beitrag25.03.2014 23:04

von Rosanna
Antworten mit Zitat

firstoffertio hat Folgendes geschrieben:
dass ich ein Kind von solchen bin, mir noch gar nichts sagte, außer einem vagen Gefühl, dass ich irgendwie zu ihnen gehörte.


Hey wink.
Dem stimme ich voll und ganz zu, nur kommt gerade das für mich im Gedicht nicht wirklich raus - keine Abgrenzung des Ichs - überhaupt keine Bildung eines Ichs oder eine Benennung der Anderen. Vielleicht ist das (meiner Meinung nach) das "Problem" des Gedichtes, dass man zu viel rein, aber wenig neues herauslesen kann.

Ich war mir auch erst unsicher, ob das Gedicht tatsächlich einen konkreten Bezug auf die Flüchtlingsproblematik hat, bin aber aufgrund dieser Verse

Zitat:
für eine Heimat hat es nie gereicht
[...]
wo immer ich war
den falschen Dialekt gesprochen
die verkehrte Religion gehabt


zu dem Schluss gekommen, dass es wohl doch so ist - interessanterweise sind das auch genau die Verse, die ich wegen ihrer Phrasenhaftigkeit mit am meisten kritisiert habe.
Naja, bin gespannt auf die "Auflösung" Wink


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