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Oliver Wortedrechsler
O Alter: 33 Beiträge: 70 Wohnort: BY
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O 04.01.2014 15:18 Gott ist groß von Oliver
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Gott ist groß
Unter Schmerzen ausgestoßen,
Schrei gen Himmel, Keuchen, Not,
blutig dumm, geneigt zum bloßen
Trieberhalt, die Wangen rot.
Getrimmt auf Nicken, eingehämmert,
leere Werte, hohles Wort,
eingeengt, beschränkt, es dämmert
kein Hoffnungsfunken, fremder Ort.
Lebensstrudel zieht dich runter
bis dich die Übelkeit erschlägt
bist du der Starke, tritt nie unter
die letzte Stufe, die dich prägt.
Sensenmann klaubt kalte Knochen,
schlingt sie krachend, Augen rot,
ganz egal was du verbrochen,
was du geleistet, du bist tot.
Weitere Werke von Oliver:
_________________ Gebrauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge (Arthur Schopenhauer) |
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FirePhönix Gänsefüßchen
Beiträge: 19
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05.01.2014 17:03
von FirePhönix
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Hallo Oliver
die Überschrift deines Gedichtes verwirrt mich etwas. Das Gedicht selber ist recht gut geschrieben und mit passenden Reimen ausgelegt, wie ich finde. Außerdem ist es ziemlich... stimmungsvoll. Es bringt deutliche Gefühle herüber – jedenfalls blinkt beim Lesen der letzten Strophe das Wort 'Frust' heller auf, als die Schrift auf einem McDonald-Schild.
Zitat: | ganz egal was du verbrochen,
was du geleistet, du bist tot |
Da werden Verbrecher mit 'guten' Menschen gleichgestellt. 'Egal was du getan hast, ob nun gutes oder schlechtes, jetzt bist du tot'. Und dieser Tod, oder besser das Sterben, wird in deinem Gedicht ziemlich düster und unheimlich dargestellt, also alles andere als positiv. Nix da Erlösung, eher Qual und Angst.
Deswegen kommen mir die letzten beiden Zeilen ziemlich frustriert und 'wütend' vor, wie eine Beschwerde an oder über Gott. Das Ende kommt plötzlich, hart und endgültig und nicht minder wütend als der Rest der Strophe. Als würde sich jemand darüber...nun, nicht grade beklagen, eher auslassen, dass einem Menschen, der nur Gutes in seinem Leben getan hat, das gleiche Schicksal -ein schmerzhafter Tod- ereilt, wie einem Schwerverbrecher. Ungerechtigkeit.
Aber wenn meine Interpretation stimmt, dann verstehe ich die Überschrift nicht. Wird Gott da als der Tod dargestellt? Als Schmerz? Sterben? Ungerechtigkeit?
Oder liege ich mit meiner ganzen Interpretation daneben?
Liebe Grüße,
Fire
_________________ went outside and saw the moon and it made me think of you |
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Oliver Wortedrechsler
O Alter: 33 Beiträge: 70 Wohnort: BY
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O 05.01.2014 20:48
von Oliver
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Hallo Fire!!
Anklage ist völlig korrekt. Es ist Wut, Anklage, Vorwurf. An Gott, weil er dich in diese Lage gebracht hat. ich denke dabei an das 10. Kind, dass in die Hunger geplagte region in Äthiopien hereingeboren wird, ohne Aussicht aufs Überleben. An das Kind in Syrien, hineingeboren in ein Land, ohne Aussicht auf eine Kindheit oder eine Zukunft. Das Kind, hineingeboren in eine Familie Drogenabhängiger usw. Es klagt an, wenn Gott doch so groß und so allmächtig ist, wieso lässt er dann so viele unschuldige Kinder in Umstände geraten, die sie letztlich töten, wenn nicht physisch, so doch zumindest psychisch?
_________________ Gebrauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge (Arthur Schopenhauer) |
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G.T. Klammeraffe
G Alter: 38 Beiträge: 674
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G 05.01.2014 21:04
von G.T.
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Hallo!
Zitat: | ganz egal was du verbrochen,
was du geleistet, du bist tot. |
Diese Zeilen knüpfen für mich an an die alte Vorstellung vom Tod als Gleichmacher. Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen.
Dagegen "stört" die klassische Verklärung die brutale Schilderung des Todes. Als Kontrast zum klassischen tröstlichen Gehalt der "Todesgleichmacherei" gefällt mir das ganz gut.
Ich möchte aber anmerken, dass für mich die letzten beiden Verse doch noch diesen tröstlichen Aspekt haben anklingen lassen und in meiner Lesart eher offen ließen, ob der Tod nun gut ist oder nicht. Insofern finde ich das Gedicht selber ehrlich gesagt vielschichtiger und interessanter, als die Erklärung dazu (Kinder in Syrien etc.).
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Oliver Wortedrechsler
O Alter: 33 Beiträge: 70 Wohnort: BY
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MichelleC Schneckenpost
M Alter: 35 Beiträge: 8 Wohnort: Berlin
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M 17.02.2014 00:49
von MichelleC
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Lieber Oliver,
ein sehr ansprechendes Gedicht! Ich bin aufmerksam geworden durch den Titel, hatte aber etwas völlig anderes erwartet. Nach dem Lesen des Gedichtes habe ich den Titel dann ironisch verstanden.
Inhaltlich finde ich das Gedicht sehr stark, für mich zeigt es die ganze Tragik unserer Existenz: das in die Welt geworfen werden, ohne zu wissen wo man ist und was man eigentlich hier soll und dann letztendlich zu sterben, egal wie man nun sein Leben verbracht hat. Ich habe gar nicht unbedingt an arme Kinder gedacht, sondern an die gesamte Menschheit. Denn eigentlich gilt es doch für uns alle, dass wir nicht wissen, was wir hier sollen und nur ahnen können und vielleicht kommen wir gerade dann erst auf den Sinn des Lebens, wenn wir schon wieder sterben müssen. Alles sehr deprimierend irgendwie, aber dafür irgendwie wahr.
Sprachlich finde ich es insgesamt gut, allerdings stören mich in S1-V2 das "gen" - ich finde das so altbacken und das beißt sich dann mit so Wörtern wie "Trieberhalt". Dasselbe Gefühl habe ich bei dem Wort "klaubt" in S4-V1, irgendwie passt es nicht.
Dann nur eine bzw. zwei Verständnisfragen: was soll in S1-V4 "die Wangen rot" und was in S4-V2 "Augen rot" bedeuten? Da steh' ich auf dem Schlauch..
Ansonsten finde ich es sehr schön das Gedicht. Es beschreibt ein Thema, das mich momentan auch beschäftigt.
LG, Michelle
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Jack Burns Reißwolf
Alter: 54 Beiträge: 1443
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17.02.2014 01:11
von Jack Burns
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Hallo Oliver,
Hatte es bis jetzt übersehen.
Wenn Gott so groß ist, warum tut er nichts gegen den Tod?
Also entweder ist er nicht sooo groß, oder es ist egal, weil er sowieso auf uns kackt.
Das Gedicht packt mich durch den hämmernden Rhythmus. Da sitzt jeder Schlag, herausgespuckte Bitterkeit. Anklage und Herausforderung zugleich.
Die Gleichförmigkeit, könnte man negativ empfinden, (wo bleibt die Antithese?) aber für mich passt es so. Konsequent nihilistisch.
An dieser Stelle werde ich herauskatapultiert:
Zitat: | kein Hoffnungsfunken, fremder Ort. |
sowohl die (jammernde) Aussage als auch der abweichende Rhythmus, trüben das Gesamtbild.
Ich könnte mir den Text, von Ice T. gesungen vorstellen. Falls den noch jemand kennt
gute Arbeit
Martin
+++ So verständlich die Wut auch ist, aber wenn man unsere Verantwortung auf ein imaginäres Wesen abwälzt, macht man es sich zu leicht. Nur so ein Gedanke.+++
_________________ Monster.
How should I feel?
Creatures lie here, looking through the windows. |
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lilli.vostry Wortschmiedin
Beiträge: 1219 Wohnort: Dresden
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17.02.2014 01:37 aw:Gottistgroß von lilli.vostry
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Hallo Oliver,
der Gedichttitel mag ironisch gemeint sein, er passt mir dennoch nicht recht zum Inhalt, darüberhinaus finde ich Titel wie Verse sehr plakativ, einseitig und lässt mir als Leser kaum Freiraum für eigene Gedanken.
Als wären wir Menschen alle nur willenlose Menschen, die nichts mit sich anzufangen wissn. Diese Pauschalisierung finde ich bedenklich.
Damit übst Du selbst aus, was Du in Vers 2 so als einengend mit Wortwiederholungen beschreibst.
Den Vers mit dem Tod finde ich auch als Bild recht überholt - abgegriffen und statt schlingt müsste es doch verschlingt heißen oder?
Die Schlusszeile tröstet in der Tat: dass jeder, egal was für ein Mensch er ist, eines Tages diese Welt wieder verlässt.
Solange ist Zeit, sich über den Sinn Gedanken zu machen.
(Für mich selbst heißt Leben, leben...)
Lebendige Grüße,
Lilli
_________________ Wer schreibt, bleibt und lebt intensiver |
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Aranka Bücherwurm
A
Beiträge: 3106 Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
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A 17.02.2014 19:51
von Aranka
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Hallo Oliver,
„Gott ist groß!“
Warum nicht! Ob nun als ironische Feststellung, oder als Fragezeichen über dem Text. Oder ob nur deshalb, damit da einer ist, an den ich die Anklage richten kann.
Wenn es ihn denn gibt, diesen Gott, so ist er immer genau so groß, wie er dem jeweiligen Menschen (der ihn für sich zulässt, den Gottesgedanken meine ich) groß wird. Dem Text, der hier eine Anlaufstelle für seine Anklage, seine Wut sucht, ist Gott vielleicht nur in der Absolutheit des Todes groß.
Das ist nicht meinBlick auf die Welt, aber ich kann durchaus einmal in er für mich stark beschnittenen Sicht des Textes hinschauen und mich nun fragen, wie hast du diese Textaussage umgesetzt, gestaltet. Hier zeigen sich einige Stilmittel, die du gezielt einsetzt.
Du benutzt eine plakative Sprache. Würde ja zur Sicht des Textes passen.
Du versuchst stark rhythmisch zu arbeiten, willst eindringlich hämmern, „damit der Gott es auch hört“. Passt auch zum Inhalt.
Du wählst den Kreuzreim mit wechselnden Kadenzen, was du auch konsequent umsetzt.
Es gibt ein paar metrische Unstimmigkeiten , die ich nicht unbedingt inhaltlich begründet sehe.
Aber was Reim und Metrik angeht, gibt es hier andere Experten und da wäre es sicherlich auch wichtig zu erfahren, in wieweit du hier bewusst die Metrik gesetzt hast und ob du das überhaupt willst.
Ich sehe durchaus eine bewusste Gestaltung des Textes und neben der Inhaltsebene auch eine Ebene auf der der Texte „wirkt“. Dennoch erreicht mich hier weder das Gefühl der Wut, noch der ernsten Anklage. S ist zwar heftig gewortet und auch rhythmisch gut eingearbeitet, aber ich kann diese Übelkeit nicht spüren, das Keuchen nicht hören. Das kann natürlich an mir liegen, weil ich mich auf der Inhaltsebene manchmal dem Text etwas verweigere.
Dennoch macht mich das, was ich hier an Fertigkeiten sehe neugierig auf weitere Texte.
Liebe Grüße Aranka
_________________ "Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)
„Erst als ihm die Welt geheimnisvoll wurde, öffnete sie sich und konnte zurückerobert werden.“ (Peter Handke) |
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Oliver Wortedrechsler
O Alter: 33 Beiträge: 70 Wohnort: BY
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O 19.02.2014 20:54
von Oliver
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Liebe Michelle,
ja, der Titel soll ein wenig in die Irre führen. Er ist angelehnt an das Allahàhkbar, gleichzeitig aber auch als eine Spitze auf die Überhöhung des Göttlichen. Ich kann deine Probleme mit dem gen und dem klaubt nachvollziehen. Es ist aber absichtlich gesetzt. Der Duktus soll alt sein, weil alter Wortschatz auch eine gewisse Schwere mit sich bringt.
Hallo Martin,
"herausgespuckte Bitterkeit"...das trifft es auf den Punkt. Genau das wollte ich ausdrücken. Die von dir angesprochene Stelle ist mir selbst auch noch zu wehleidig. Ich arbeite daran.
Hallo Lilly,
du magst meinen Nihilismus nicht Das ist auch gut so, es bin ja auch nciht ich, der aus dem Gedicht spricht. Es ist nur die Aussonderung eines bestimmten, negativen Gefühls auf die Spitze getrieben.
"Als wären wir Menschen alle nur willenlose Menschen, die nichts mit sich anzufangen wissn. Diese Pauschalisierung finde ich bedenklich." Nunja, ich hänge der kriminalistischen Schule an, die uns Menschen als determiniert ansieht. Wir sind nicht so frei, wie wir glauben. Das empfinde ich sogar als tröstlicher, als leere, fordernde Freiheit, die es zu füllen gilt.
Plakativ liegt meist im Auge des Betrachters. Der menschliche Erfindungsreichtum ist begrenzt, alles Neue ist nur Altes mit modifizierter Hülle.
Liebe Aranka,
ein Lob von dir geht runter wie Öl. Die Metrik ist bewusst unregelmäßig. Ich wollte, dass der Leser keine Ruhe hat. Es soll monoton sein, und doch auch aufreibend.
Deine inhaltliche Anmerkungen zur Erlebbarkeit lasse ich mir durch den Kopf gehen. Sotze bereits an einer Überarbeitung.
Lg an alle Leser
Oliver
_________________ Gebrauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge (Arthur Schopenhauer) |
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jim-knopf Dichter und Trinker
Alter: 35 Beiträge: 3974 Wohnort: München
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19.02.2014 20:56
von jim-knopf
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guten tag,
metrisch kann man vielleicht noch die sache mit den betonten und unbetonten versanfängen erwähnen.
ich finde es zum teil ein bisschen schwierig, mich beim ersten lesen hier zurecht zu finden.
da die versanfänge doch recht wahllos betont oder unbetont beginnen lässt sich der text schwierig am richtigen metrischen schema in einem runterlesen.
am versanfang lässt sich oft gar nicht erkennen, welche der ersten beiden silben betont ist und welche nicht.
und das halt ich für problematisch, weil ein einheitliches schema nicht erkennbar ist.
inhaltlich würde ich mich aranka und lilli.vostry anschließen.
gruß
roman
_________________ Ich habe heute leider keine Signatur für dich. |
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Oliver Wortedrechsler
O Alter: 33 Beiträge: 70 Wohnort: BY
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O 19.02.2014 21:06
von Oliver
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Ein paar Bilder geändert...
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Gott ist groß
Schmerzend, würgend, ausgestoßen,
Schrei zum Himmel, Röcheln, Not,
blutig dumm, geneigt zum bloßen
Trieberhalt, die Wangen rot.
Gebrannt auf Nicken, eingehämmert,
hohle Worte, leerer Wert,
eingeengt, beschränkt, es dämmert
Morgengrauen, zugeteert.
Lebensstrudel zieht dich runter
bis ihn die Übelkeit zerschlägt,
ist er der Starke, tritt nie unter
die letzte Stufe, die dich prägt.
Sensenmann klaubt kalte Knochen,
schlingt sie krachend, Augen rot,
ganz egal was du verbrochen,
was du geleistet, du bist tot.
_________________ Gebrauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge (Arthur Schopenhauer) |
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Tine87 Erklärbär
T Alter: 36 Beiträge: 3
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T 06.03.2014 15:08
von Tine87
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Mir gefällt deine überarbeitete Version deines Gedichtes, obwohl ich die erste auch gut fand.
Nur den Titel finde ich etwas unpassend.
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Oliver Wortedrechsler
O Alter: 33 Beiträge: 70 Wohnort: BY
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Tine87 Erklärbär
T Alter: 36 Beiträge: 3
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