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Leseprobe zu "Das ehrenwerte Haus Phoenix"

 
 
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Benu ex Cinere
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Wohnort: Nüsttal-Gotthards


B
Beitrag09.10.2007 15:13
Leseprobe zu "Das ehrenwerte Haus Phoenix"
von Benu ex Cinere
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Das oberste Gesetz eines optimalen staatlichen Systems sollte die absolute Wandelbarkeit ebendessen sein. Nur durch eine Relativität in diesem staatlichen Gefüge, die auf äußere, wandelbare Umstände zu reagieren vermag, kann ein Staat dauerhaft bestehen und optimal genutzt werden. Zu solch einer obersten Maxime in Form einer relativistischen Staatsform muss der Regierende mündig sein. Eine vollkommen oder teilweise unmündige Regierung wäre fatal. Demokratie darf nur dann bestehen, wenn die Bürger des Staates mündig sind. Dies ist nicht der Fall, deshalb muss eine Oligarchie der kulturellen und akademischen Elite errichtet werden, deren Ziel die Mündigmachung der Menschheit und eine folgende direkte Demokratie sein muss.



I. Der Rat

„Tagt der Rat bereits?“, außer Atem und ziemlich schmutzig eilte der junge Mann auch schon am Pförtner vorüber. In solchen Zeiten tagte der Rat so gut wie immer.
       „Sie werden erwartet!“
       Ein gut gebauter, gepflegter Mann öffnete ihm eine große Tür. Er betrat einen großen, hellen Saal. Die Decke war mit dunklem Holz getäfelt und schwere Kronleuchter durchschnitten die süßlich riechende Luft. Rings an den Wänden erhoben sich gleichsam überdimensionalen Treppen Terrassen, wo die wuchtigen, mit rotem Samt bezogenen Hocker standen, auf denen die Ratsmitglieder saßen. Die Räte fixierten den jungen Mann mit ihren Blicken. Alle sahen sehr ernst aus. Einige starrten in sich versunken einen Fleck auf dem Rücken ihres Vordermannes an. Kein Laut durchbrach das erdrückende Schweigen. Am hinteren Ende der Halle befand sich gesondert von den übrigen Ratsmitgliedern ein hölzerner Schemel, auf dem ein Mann in einer prächtigen grünen und mit silbernem Faden bestickten Robe saß. Dieser alte, mürrisch dreinblickende Mann dort war der Großmeister des Rates. Er war ein unglaublich genialer Kopf, und weil er Großmeister des Hauses Phoenix war, war er auch das Oberhaupt des kleinen Ratsstaates, in dessen Mittelpunkt dieses Universal-Gebäude lag; es diente zugleich als Residenz, als Tagungsort für den Rat, als Regierungssitz und noch vieles mehr.
        „Wie ist unsere Situation?“, polterte der Großmeister.
        „Schlecht“, entgegnete der junge Mann ehrerbietig, „die Truchsessen und Abgesandten wurden getötet, alle, bis auf einige wenige, die glücklicherweise fliehen konnten. Wir müssen Krieg führen“, sprach er nun beschwörend, „da führt kein Weg dran vorbei!“
        „Aber mit welchen Mitteln denn?“, schrie eine entrüstete, ältere Dame in langen schwarzen Tüchern zur rechten Seite der Halle.
        „Wenn ich das nur wüsste, Angelique,... wenn ich das nur wüsste.“
       Nun klang die Stimme des Großmeisters sehr ruhig, mit einem deutlichen Beiklang von Verzweiflung.
        „Wie steht Konsul McMorrigan?“, wandte sich der Großmeister an den jungen Boten.
        „Konsul McMorrigan... wurde heute morgen... gefasst und...“
        „Und?“
        „Und hingerichtet.“
       Alle hier wussten, wie gut der Großmeister mit Ian McMorrigan befreundet gewesen war. Er hatte viele Hoffnungen auf ihn gesetzt und ihn daher zum Konsul der United States of America ernannt. Als die Antipathien gegen den Rat aufkamen, konnte er zwar nicht mehr regieren, aber doch noch mit einer Gruppe Getreuer einigen Einfluss ausüben.
       Anmutig und langsam erhob sich der Großmeister von seine Schemel aus Zedernholz.
        „Der Rat hat versagt, ich werde ihn auflösen müssen.“
       Sofort unterbrach lautes und wütendes Gemurmel die ehrwürdige Stille des Saals, wobei viele der Ratsmitglieder aufstanden und ihrer Entrüstung mit empörten Gesten Ausdruck verliehen.
        „Das können Sie nicht tun! Wir werden Sie absetzen. Wer stimmt dafür?...“
        „Nein doch, nein, ohne ihn hat der Rat überhaupt keine Chancen mehr, seine Ziele zu erreichen...“
        „Ich finde er hat Recht! Wir sollten versuchen, unsere Leben zu retten.“
        „Ich wäre ein genauso guter Großmeister...“
       Alle schrieen mittlerweile wild durcheinander. Jeweils zwischen kleinen Grüppchen von Ratsmitgliedern aus drei bis fünf Personen waren hitzige Diskussionen ausgebrochen.
        „Liebe Ratsmitglieder“, erhob sich die Stimme des Grosmeisters über die wütende Menge, „ich bitte Sie, kommen Sie zur Ruhe!“ Seine Stimme klang so streng und entschlossen, dass der übrige Rat abrupt zur Ruhe kam.
        „Zunächst einmal werden wir jetzt darüber abstimmen, ob der ehrenwerte Rat meine Person weiterhin als den Großmeister und damit beinahe absoluten Herrscher des Ratstaates, sowie als direkten und einzigen Vorgesetzten sämtlicher Konsuln, Botschafter, Delegierten, eingesetzten Monarchen, Kanzlern, Senatoren, Beobachtern und Richtern, weiterhin tragen möchte.“
       Ehrwürdig schweifte sein Blick durch den verstummten Rat.
        „Ich meine, wir können aufgrund der Dringlichkeit der Entscheidung auf das übliche Prozedere mit den Urnen verzichten, und werden nun offen per Handzeichen abstimmen. Nun gut... wer stimmt dafür?“
       Von den circa zweihundertundfünfzig Räten hoben alle bis auf sechs Personen ihre rechte Hand. Damit war es klar, der Großmeister blieb in seinem Amt


Ian McMorrigan, der Konsul der Vereinigten Staaten von Amerika kämpfte sich panisch durch das dichte Unterholz des Nadelwaldes. Seine Arme und Beine kratzten sich an den Dornen der Brombeer- und Hagebuttensträucher auf, und seine Kleidung zerriss daran. Außer Atem warf er sich hinter dichtem Gestrüpp auf den Boden. Hektisch kroch er unter das Gebüsch. Von fern hörte man Gewehre schießen und aufgeregt harsche Männerstimmen schreien. Was würde nur sein Freund denken, wenn man ihm berichtete, dass man ihn getötet habe. Würde er enttäuscht sein. Am Tag zuvor war McMorrigan in seinem Amtspalast von einer Truppe bewaffneter Militärs überrascht worden, einige der Ratstruppen waren ebenfalls darunter. Die ratseigenen Truppen sympathisierten mit den aufständigen Machthungrigen. Er war einer der höchsten Männer der Gesellschaft, und zudem noch einer der engsten Freunde von Luc De Gerion, des Großmeisters. Sein Wissen war von unschätzbarem Wert für die Feinde des Rates. Er hatte geschwiegen. Trotz der Folter. An seiner linken Hand fehlten die beiden kleinsten Finger. McMorrigan war von unglaublicher Willensstärke. Glücklicherweise befanden sich noch einige dem Rat und seinen Anhängern loyale Gardisten in der Wache. Sie täuschten klugerweise vor, die Ansichten des Rates nicht länger zu teilen. Mit ihrer Hilfe konnte er fliehen. Doch leider musste seine Flucht gewaltsam erzwungen werden und so blieb sie nicht unbemerkt. Diese tapferen Soldaten hatten ihr Leben für die Idee des Rates geopfert. Doch McMorrigan hatte noch eine andere schreckliche Nachricht für den Rat, außer der, das er noch am Leben war. Einer der Boten des Großmeisters, der junge Michael Johnson war korrupt, ein Doppelagent. Eigentlich, so dachte der Rat, war er als Spion in die Rebellen geschmuggelt worden, um diese zu infiltrieren, doch er selbst war Rebell. McMorrigan war sein wahres Gesicht enthüllt worden. Tatsächlich infiltrierte er den Rat. Er sollte dem Großmeister die falsche Nachricht seines Todes bringen. Dieser Bote war eine noch schlimmere Gefahr für den Großmeister und den Rat als alles andere außerhalb. Einer solchen zusätzlichen Bedrohung von Innen heraus würde der Rat nicht standhalten, daran würde er zerbrechen.
       „Dort entlang“, drei Soldaten waren bereits an ihm vorübergeeilt. Der eine schien ein Offizier zu sein und schickte die anderen voraus, während er eine Zeit lang vor dem Gebüsch verharrte. McMorrigan stockte der Atem – die kleinste Bewegung könnte nun seinen Tod bedeuten. In einem raschen, vielleicht unüberlegten Moment griff er eine knorriges Stück Holz, das neben ihm auf dem Boden lag, umrang mit dem anderen, verstümelten Arm die Beine des Offiziers, warf ihn so zu Boden und schlug ihn mit der Keule so kräftig, wie es ihm nur möglich war, auf den Hinterkopf. Ein erstickter Schrei war zu hören, nicht laut, denn er wurde von den Blättern und der Erde im Gesicht des Unglücklichen gedämpft. Rasch nahm McMorrigan den langen olivgrünen Militärmantel und warf ihn sich über die Schultern. Schon hörte man von fern Schreie und Schritte im Laub durch den stillen, mystisch anmutenden Wald gellen. Schnell zog McMorrigan dem Militär die Stiefel aus und warf die eigenen Schuhe aus schwarzem Leder in das Dornendickicht. Er nahm dem Erschlagenen die Mütze vom Kopf, setzte sie sich auf und zog sie tief ins Gesicht. Dann zog er den schweren Toten in das Gebüsch, wo er nur einen Moment zuvor gelegen hatte, regungslos gleichsam einem Toten. Das dichte Gebüsch und die hohen Kräuter verbargen ihn so gut, dass man genau neben der Leiche stehen konnte, und sie trotzdem nicht bemerkte. Schnell versteckte er seine verstümmelte Hand in den weiten Taschen des wollenen Mantels.
       „Alles in Ordnung, Sir?“, sagte in einem harschen militärischem Ton einer der vier rasch herbeigeeilten Soldaten.
       „Was steht ihr hier noch so dumm rum, hä?“, schrie McMorrigan überzeugend laut und proletarisch. „Da entlang, ihr Vollidioten!“, und er wies mit seinem Arm in die Richtung, aus der die verblüfften Soldaten gekommen waren. „Los!!!“
       McMorrigan war entsetzt von seiner Tat, was hatte er nur getan. Er hatte einen Menschen getötet. Damit würde er nicht Leben können. Ginge es nicht um solch eine bedeutende Sache, wie die Existenz des Rates, hätte er lieber den Freitod gewählt als zu morden. Doch er hatte noch eine Aufgabe zu erfüllen, er hatte richtig gehandelt...

(aus der Romanutopie "Das ehrenwerte Haus Phoenix")



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Dave
Gast






Beitrag09.10.2007 15:38

von Dave
Antworten mit Zitat

Hallo,

Zitat:
In solchen Zeiten tagte der Rat so gut wie immer

Schreibst du auktorial?  

Zitat:
„Sie werden erwartet!“
Ein gut gebauter, gepflegter Mann öffnete ihm eine große Tür

Die beiden Sätze würd ich genau anders herum anordnen.

 
Zitat:
Die Decke war mit dunklem Holz getäfelt und schwere Kronleuchter durchschnitten die süßlich riechende Luft.  

Glaub nicht, dass Kronleuchter Luft durchschneiden können Wink

Zitat:
Rings an den Wänden erhoben sich gleichsam überdimensionalen Treppen Terrassen

Meinst du treppenförmige Terassen? Oder terrassenförmige Treppen? Oder fehlt einfach nur ein Komma?

Zitat:
Er war ein unglaublich genialer Kopf

Warum ist er denn so unglaublich genial?

Zitat:
An seiner linken Hand fehlten die beiden kleinsten Finger

Du meinst den kleinen Finger und den Ringfinger.

Zitat:
Schnell zog McMorrigan dem Militär die Stiefel aus

Dem Militär? Wink

Zitat:
Was steht ihr hier noch so dumm rum, hä?“, schrie McMorrigan überzeugend laut und proletarisch.

Offiziere vermeiden es in der Regel, "proletarisch" zu klingen.

Ich hab mir hier nur ein paar Sätze rausgepickt, die mir förmich ins Auge sprangen.
Irgendwie kommt aber nicht so recht Spannung auf. Kann dir aber nicht genau sagen warum.
Trotzdem ist die Geschichte ausbaufähig.

Ach ja ... nenn "den jungen Mann" doch ruhig beim Namen.
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Benu ex Cinere
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B

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B
Beitrag10.10.2007 00:33

von Benu ex Cinere
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Dave.

Ich möchte mich etwas verteidigen, obwohl ich ja eigentlich gar keine schlimme Kritik von dir erfahren habe.

Zitat:
„Sie werden erwartet!“
Ein gut gebauter, gepflegter Mann öffnete ihm eine große Tür

Die beiden Sätze würd ich genau anders herum anordnen.

Denkst du nicht, dass durch das Vorgreifen des Gesprochenen eine gewisse Hektik und Eile suggeriert wird.

 
Zitat:
Die Decke war mit dunklem Holz getäfelt und schwere Kronleuchter durchschnitten die süßlich riechende Luft.  

Glaub nicht, dass Kronleuchter Luft durchschneiden können

Das ist doch nur ein schönes Stilmittel. Ich fand den Satz eigentlich recht gelungen.

Zitat:
Rings an den Wänden erhoben sich gleichsam überdimensionalen Treppen Terrassen

Meinst du treppenförmige Terassen? Oder terrassenförmige Treppen? Oder fehlt einfach nur ein Komma?

Ja, da fehlt einfach nur ein Komma. Ich meine Podeste und benutze überdimensionale Treppen als Vergleich.

Zitat:
Er war ein unglaublich genialer Kopf

Warum ist er denn so unglaublich genial?

Das wird im späteren Verlauf der Handlung geklärt...

Zitat:
Was steht ihr hier noch so dumm rum, hä?“, schrie McMorrigan überzeugend laut und proletarisch.

Offiziere vermeiden es in der Regel, "proletarisch" zu klingen.

Aber die Gegenseite wird hier, vielleicht etwas althergebracht, als das archetypisch Rohe und Schlechte, Barbarische dargestellt. Hier wird nur das rohe, brutale und grausame, eben proletarische Verhalten des Gegners imitiert.

Findest du es wirklich nicht spannend? Ich fand eigentlich schon, dass Spannung aufkommt.

Benu


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MosesBob
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Beitrag10.10.2007 07:53

von MosesBob
Antworten mit Zitat

Hallo Benu!

Ich habe deine Geschichte noch nicht gelesen, aber dieser Punkt hier stach mir eben ins Auge:

Benu ex Cinere hat Folgendes geschrieben:
Hallo Dave.

Ich möchte mich etwas verteidigen, obwohl ich ja eigentlich gar keine schlimme Kritik von dir erfahren habe.

Zitat:
„Sie werden erwartet!“
Ein gut gebauter, gepflegter Mann öffnete ihm eine große Tür

Dave hat Folgendes geschrieben:
Die beiden Sätze würd ich genau anders herum anordnen.

Denkst du nicht, dass durch das Vorgreifen des Gesprochenen eine gewisse Hektik und Eile suggeriert wird.

Stehen die Sätze in dieser Form da, schließe ich mich Daves Meinung an. Da stimmt einfach die Reihenfolge nicht. Momentan verhält es sich so, dass der gut gebaute und gepflegte Mann "Sie werden erwartet!" ruft, bevor er die Tür öffnet. Er spricht praktisch zur Tür ... oder redet gegen sie an oder durch sie hindurch oder über sie hinweg, etc. wink

Hektik und Eile suggeriert es nicht mehr oder weniger, als stünden die Sätze genau anders herum.

Du kannst dem ganzen aber ein Schnippchen schlagen: Wenn du auf die Reihenfolge der beiden Sätze bestehst, schreibst du den zweiten Satz einfach im Plusquamperfekt:

„Sie werden erwartet!“
Ein gut gebauter, gepflegter Mann hatte ihm die Tür geöffnet.


Dadurch wird klar, dass die wörtliche Rede und das Öffnen der Tür mindestens synchron erfolgten.

Ich muss jetzt arbeiten.

Grüße,

Martin


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MosesBob
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Beitrag11.10.2007 17:49
Re: Leseprobe zu "Das ehrenwerte Haus Phoenix"
von MosesBob
Antworten mit Zitat

Hallo Benu!

Benu ex Cinere hat Folgendes geschrieben:
„Tagt der Rat bereits?“, außer Atem und ziemlich schmutzig eilte der junge Mann auch schon am Pförtner vorüber.

Geht das eigentlich nur mir so, oder ist dieser erste Satz ein Zungenbrecher? Ich bezweifle, dass ein Mann, der außer Atem ist, das zweisilbige „bereits“ einem einsilbigen „schon“ vorzieht. Naja, du kennst deine Protagonisten besser als ich. Betrachte es als Anregung. smile

Benu ex Cinere hat Folgendes geschrieben:
„Sie werden erwartet!“
Ein gut gebauter, gepflegter Mann öffnete ihm eine große Tür.

Auf die Reihenfolge dieser beiden Sätze sind wir ja schon mal eingegangen.

Benu ex Cinere hat Folgendes geschrieben:
Die Decke war mit dunklem Holz getäfelt und schwere Kronleuchter durchschnitten die süßlich riechende Luft.

Ich schließe mich Dave hier an: Kronleuchter die Luft durchschneiden zu lassen, halte ich für ungünstig formuliert. Was die Luft durchschneidet, ist mit Sicherheit der Schein, der von ihnen ausgeht. Und auch hier muss man sich die Frage stellen, ob der Schein durch die Luft schneidet – oder ob er zum Beispiel die Dunkelheit in die Ecken drängt. Der Schein der Kronleuchter müsste über sehr viele und sehr große Schneiden verfügen, wenn er die Luft durchschnitt. Dem Lichtkegel einer Taschenlampe traue ich das zu, aber Kronleuchtern ... eher nicht.

Benu ex Cinere hat Folgendes geschrieben:
Rings an den Wänden erhoben sich gleichsam überdimensionalen Treppen Terrassen, wo die wuchtigen, mit rotem Samt bezogenen Hocker standen, auf denen die Ratsmitglieder saßen.

Komma hin, Komma her: Wenn du das Wort „Terrassen“ vor das Wort „gleichsam“ verpflanzt, klingt der Satz für mich viel ansprechender: Rings an den Wänden erhoben sich Terrassen, gleichsam überdimensionalen Treppen, wo die wuchtigen, mit rotem Samt bezogenen Hocker standen, auf denen die Ratsmitglieder saßen.

Benu ex Cinere hat Folgendes geschrieben:
Am hinteren Ende der Halle befand sich gesondert von den übrigen Ratsmitgliedern ein hölzerner Schemel, auf dem ein Mann in einer prächtigen grünen und mit silbernem Faden bestickten Robe saß. Dieser alte, mürrisch dreinblickende Mann dort war der Großmeister des Rates.

Vorschlag: Ich würde das Wörtchen „dort“ streichen. Man kann es gewiss so schreiben, aber du betonst bereits, dass es dieser Mann ist, und wo genau er sich befindet, hast du in dem Satz davor wunderbar erklärt. Meines Erachtens gibt es keinen Grund, seine Position noch einmal mit einem Adverb zu betonen. In einer wörtlichen Rede ja, aber so … nö.

Benu ex Cinere hat Folgendes geschrieben:
Er war ein unglaublich genialer Kopf, und weil er Großmeister des Hauses Phoenix war, war er auch das Oberhaupt des kleinen Ratsstaates, in dessen Mittelpunkt dieses Universal-Gebäude lag; es diente zugleich als Residenz, als Tagungsort für den Rat, als Regierungssitz und noch vieles mehr.
„Wie ist unsere Situation?“, polterte der Großmeister.
„Schlecht“, entgegnete der junge Mann ehrerbietig, „die Truchsessen und Abgesandten wurden getötet, alle, bis auf einige wenige, die glücklicherweise fliehen konnten. Wir müssen Krieg führen“, sprach er nun beschwörend, „da führt kein Weg dran vorbei!“
„Aber mit welchen Mitteln denn?“, schrie eine entrüstete, ältere Dame in langen schwarzen Tüchern zur rechten Seite der Halle.
„Wenn ich das nur wüsste, Angelique,... wenn ich das nur wüsste.“
Nun klang die Stimme des Großmeisters sehr ruhig, mit einem deutlichen Beiklang von Verzweiflung.
„Wie steht Konsul McMorrigan?“, wandte sich der Großmeister an den jungen Boten.
„Konsul McMorrigan... wurde heute morgen... gefasst und...“
„Und?“
„Und hingerichtet.“
Alle hier wussten, wie gut der Großmeister mit Ian McMorrigan befreundet gewesen war. Er hatte viele Hoffnungen auf ihn gesetzt und ihn daher zum Konsul der United States of America ernannt. Als die Antipathien gegen den Rat aufkamen, konnte er zwar nicht mehr regieren, aber doch noch mit einer Gruppe Getreuer einigen Einfluss ausüben.
Anmutig und langsam erhob sich der Großmeister von seine Schemel aus Zedernholz.
„Der Rat hat versagt, ich werde ihn auflösen müssen.“
Sofort unterbrach lautes und wütendes Gemurmel die ehrwürdige Stille des Saals, wobei viele der Ratsmitglieder aufstanden und ihrer Entrüstung mit empörten Gesten Ausdruck verliehen.
„Das können Sie nicht tun! Wir werden Sie absetzen. Wer stimmt dafür?...“
„Nein doch, nein, ohne ihn hat der Rat überhaupt keine Chancen mehr, seine Ziele zu erreichen...“
„Ich finde er hat Recht! Wir sollten versuchen, unsere Leben zu retten.“
„Ich wäre ein genauso guter Großmeister...“
Alle schrieen mittlerweile wild durcheinander. Jeweils zwischen kleinen Grüppchen von Ratsmitgliedern aus drei bis fünf Personen waren hitzige Diskussionen ausgebrochen.
„Liebe Ratsmitglieder“, erhob sich die Stimme des Grosmeisters über die wütende Menge, „ich bitte Sie, kommen Sie zur Ruhe!“ Seine Stimme klang so streng und entschlossen, dass der übrige Rat abrupt zur Ruhe kam.
„Zunächst einmal werden wir jetzt darüber abstimmen, ob der ehrenwerte Rat meine Person weiterhin als den Großmeister und damit beinahe absoluten Herrscher des Ratstaates, sowie als direkten und einzigen Vorgesetzten sämtlicher Konsuln, Botschafter, Delegierten, eingesetzten Monarchen, Kanzlern, Senatoren, Beobachtern und Richtern, weiterhin tragen möchte.“
Ehrwürdig schweifte sein Blick durch den verstummten Rat.
„Ich meine, wir können aufgrund der Dringlichkeit der Entscheidung auf das übliche Prozedere mit den Urnen verzichten, und werden nun offen per Handzeichen abstimmen. Nun gut... wer stimmt dafür?“
Von den circa zweihundertundfünfzig Räten hoben alle bis auf sechs Personen ihre rechte Hand. Damit war es klar, der Großmeister blieb in seinem Amt.

Diese Szene bereitet mir Kopfzerbrechen. Durch deine Schilderung des Großmeisters als unglaublich genialen Kopf und solcher Adjektive wie „ehrwürdig“ und „anmutig“ und der „ehrerbietigen“ Reaktion ihm gegenüber scheint sich der Mann eine Menge Respekt verschafft zu haben. Höchstwahrscheinlich sogar zurecht. Trotzdem ist die Reaktion auf seinen Vorschlag, den Rat aufzulösen, entrüstet und nicht, wie man eingedenk seines Rufes und seines Ansehens eher vermuten würde, schockiert und fassungslos.

Für einen so gescheiten Mann finde ich auch seine eigene Reaktion auf den Tod seines guten Freundes eher unreflektiert: „Der Rat hat versagt, ich werde ihn auflösen müssen.“ Gewiss, hier ist ein guter Freund gestorben, aber dieser Satz fällt fast zwischendurch, fast nebenher und klingt wie ein Schnellschuss, den sich ein Mann dieses Ranges nicht erlauben darf. Hat sich denn niemand – auch der Großmeister nicht – Gedanken darüber gemacht, was passiert, wenn der Konsul McMorrigan scheitert, respektive stirbt?

Und warum so viel Aufhebens? Der Großmeister bleibt mit überwältigender Mehrheit im Amt. Sein jäher Zweifel am Rat scheint keine Spuren hinterlassen zu haben.

Diese ganze Abstimmungsgeschichte würde ich weglassen. Für mich klingt sie nach einer künstlichen Dramaturgie, aber leider nach keiner besonders wirkungsvollen.

Benu ex Cinere hat Folgendes geschrieben:
Was würde nur sein Freund denken, wenn man ihm berichtete, dass man ihn getötet habe. Würde er enttäuscht sein.

Der zweite Satz muss mit einem Fragezeichen enden – ich würde ihn aber weglassen oder diese Passage komplett umschreiben. Natürlich würde sein Freund enttäuscht sein, wenn er von seinem Tod erführe. Und zwar mindestens enttäuscht!

An dieser Stelle würde ich eher in die Richtung zielen, zu welchen Konsequenzen und schwerwiegenden Entscheidungen sich der Großmeister gezwungen sehen könnte, wenn er von McMorrigans Tod erfährt und welche Folgen es für den Regierungsapparat und vielleicht sogar das Volk hätte. Das ist spannender, prickelnder. Lass McMorrigan sich ein düsteres Was-wäre-wenn-Szenario ausmalen!

Benu ex Cinere hat Folgendes geschrieben:
An seiner linken Hand fehlten die beiden kleinsten Finger.

Ich würde die Finger beim Namen nennen. Das hat Dave bereits in seiner Rezension erwähnt. Allerdings hat Dave vom kleinen Finger (*zustimm*) und vom Ringfinger gesprochen … wenn ich auf meine Hand schaue, ist der zweitkleinste Finger der Zeigefinger … bin ich ein Mutant, ein X-Man, eine Laune der Natur?!

Auch würde ich hier erwähnen, wie ihm die Finger abhanden gekommen sind. Mit welchem Gerät wurden sie bei der Folter amputiert? Hat der Knochen schnell nachgegeben? Hat es geknirscht? Ist ein dunkelroter Blutstrahl aus den Stümpfen geschossen? Wie hat sich der Schmerz angefühlt? Eitern die Wunden, oder sind sie infolge der Dornen und der Anstrengnungen der Flucht wieder aufgerissen (Handflächen schwitzen schnell)? Hat er die Wunden vielleicht behelfsmäßig verbunden?

Benu ex Cinere hat Folgendes geschrieben:
Diese tapferen Soldaten hatten ihr Leben für die Idee des Rates geopfert.

Igitt, amerikanischer Patriotismus … wink

Benu ex Cinere hat Folgendes geschrieben:
Doch McMorrigan hatte noch eine andere schreckliche Nachricht für den Rat, außer der, das er noch am Leben war.

Ist die Nachricht, dass er noch am Leben war, wirklich so schrecklich? wink Im Ernst: Das kann missverstanden werden und führt zu einer unbeabsichtigten Komik.

Benu ex Cinere hat Folgendes geschrieben:
McMorrigan war sein wahres Gesicht enthüllt worden.

Das kapiere ich nicht. Wessen wahres Gesicht ist enthüllt worden? McMorrigans? Dann muss der Satz so lauten: McMorrigans wahres Gesicht enthüllt worden. Oder hat McMorrigan das wahre Gesicht des Boten entgüllt? In dem Fall muss der Satz komplett umgeschrieben werden.

Benu ex Cinere hat Folgendes geschrieben:
In einem raschen, vielleicht unüberlegten Moment griff er eine knorriges Stück Holz, das neben ihm auf dem Boden lag, umrang mit dem anderen, verstümelten Arm die Beine des Offiziers, warf ihn so zu Boden und schlug ihn mit der Keule so kräftig, wie es ihm nur möglich war, auf den Hinterkopf.

Warum ist sein anderer Arm verstümmelt? Davon hast du noch nichts erwähnt.




Fazit: Stellenweise wirklich toll geschrieben, richtig klasse! Wirkliche Spannung kam bei mir aber irgendwie auch nicht auf. Weder als das Treiben des Rats geschildert, noch als die Flucht McMorrigans erzählt wurde. Da muss definitiv mehr Action, mehr Atemlosigkeit und mehr Schnelle in die Szene.

Ansonsten, wie gesagt, sehr gut und bildlich erzählt. Deine sprachlichen Fähigkeiten sind wahrlich keine schlechten. Daumen hoch

Beste Grüße,

Martin


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Dave
Gast






Beitrag11.10.2007 18:21

von Dave
Antworten mit Zitat

Zitat:
Ich würde die Finger beim Namen nennen. Das hat Dave bereits in seiner Rezension erwähnt. Allerdings hat Dave vom kleinen Finger (*zustimm*) und vom Ringfinger gesprochen … wenn ich auf meine Hand schaue, ist der zweitkleinste Finger der Zeigefinger … bin ich ein Mutant, ein X-Man, eine Laune der Natur?!
lol

Gut beobachtet! Wink
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MosesBob
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Beitrag11.10.2007 18:25

von MosesBob
Antworten mit Zitat

Dave hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Ich würde die Finger beim Namen nennen. Das hat Dave bereits in seiner Rezension erwähnt. Allerdings hat Dave vom kleinen Finger (*zustimm*) und vom Ringfinger gesprochen … wenn ich auf meine Hand schaue, ist der zweitkleinste Finger der Zeigefinger … bin ich ein Mutant, ein X-Man, eine Laune der Natur?!
lol

Gut beobachtet! Wink

Ist das bei dir also auch so? Dann bin ich erleichtert. Ich dachte schon, das kommt vom Rauchen. lol


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