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versbrecher
Eselsohr

Alter: 58
Beiträge: 350
Wohnort: Düsseldorf


Beitrag09.03.2012 13:58
Gottlos
von versbrecher
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

es sind in der Regel die hoffnungslosen
Fälle die in erstarrten Formen
durchaus geeignete Fußstapfen sehen

um nicht an Widerständen wachsen zu müssen
dabei ist jedes Mißverständnis
..................ein kreativer Akt so lange es
der Poesie der Dinge nicht ins Wort fällt

: ob aus dem Bauch ob aus vergeistigtem Kalkül
ob aus der Spitze eines Bleistifts neue Welten
schaffen die auf Eroberung warten

ganz ohne Götter von Menschenhand (ein
blasphemischer Gedanke) wenn schon Respekt nicht
mehr ist als ein Symptom von Bequemlichkeit

keinem Ältestenrat Rechenschaft schuldig
und nur gelegentlich von Leidenschaft getragen
auf der Suche so weit der Atem reicht


© 2011 versbrecher



_________________
lg

der versbrecher
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Gast







Beitrag10.03.2012 15:44

von Gast
Antworten mit Zitat

Lb. Versbrecher,

Gedichte, die eine persönliche Poetologie transportieren, sind immer starker Tobak und inhaltlich umstritten. Verdichtung hilft dazu auf, Statements noch apodiktischer ausfallen zu lassen, als sie das ohnehin wären. Deshalb stellt sich die berechtigte Frage, ob poetologische Abhandlungen als Lyrik überhaupt "richtig" sind, da sie in ihrer Pointiertheit übers Ziel hinausschießen müssen.

Als Wanderer zwischen den Welten, als der ich mich bezeichne, habe ich die Freiheit, mit den Beinen auf beiden Seiten zu stehen. Ich lebe sozusagen den dokumentierten Versuch, formal zu sein, wo Formales angezeigt ist, und frei von Formen zu sein, wo Vers libre angezeigt ist. Es gibt durchaus Themen, die der Formstrenge nicht unterworfen werden dürfen, die sozusagen ihren eigene Form brauchen, um adäquat abgehandelt werden zu können.

Bevor ich zu meinen Überlegungen zum Text selbst zu kommen, gestattest Du mir noch drei Vorbemerkungen, die für das Verständnis meiner Position wichtig sind:

Erstens: Die freie Form ist viel schwerer zu beherrschen als die feste.
Zweitens: Ein guter Lyriker sollte sich in der festen Form auskennen und sich in sie einüben, bevor er sich in der freien Form auslebt und für sie entscheidet.
Drittens: Die Form kann über ihre Disziplinierungswirkung zu einer Zuspitzung und Verdichtung der lyrischen Nachricht führen.

Aus diesen drei Statements wird klar, wo meine Bedenken sind, was diesen Text angeht. Es ist m.E. falsch, grundsätzlich die Formlyrik als Stilmittel für die Präsentation verdichteter Information zu verdammen und das Anrennen und Sprengen der Form als künstlerisch zu bezeichnen. Überwinden und verändern kann man nur das, was man souverän beherrscht.

Es ist ebenso falsch, das Zerbrechen von Strukturen als Kunst zu bezeichnen, geradezu als konstituierend. Richtig ist, daß immer das Ziel wichtiger ist und der Weg nur Mittel sein darf. Zerstörung ist nötig, um Neues zu schaffen. Sie darf aber nicht um ihrer selbst willen als etwas Erstrebenswertes erachtet und als künstlerischer Akt reinsten Wassers stilisiert werden. Zerstörung kann auch Selbstzweck sein und dadurch allein schon delektierend.

Dein Text ist sprachlich wie immer niveauvoll und treffend gesetzt. Da gibt es wenig bis nichts zu deuteln. Aber der Inhalt war es wert, hier zu verweilen.

LG W.
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seppman
Weltfriedenstreiber
S

Alter: 42
Beiträge: 923
Wohnort: Yaren


S
Beitrag10.03.2012 16:22

von seppman
Antworten mit Zitat

Moin

versbrecher
dein Poem schafft mir ein nachdenkliche Stimmung .. danke sehr
mir fiel nach dem ersten Lesen spontan ein Zitat eines Freundes ein:
Das Urheberrecht liegt allein bei Gott..

Grüße und weiter so
seppman


_________________
Ich bin Flexitarier, ich esse dann, wenn ich Hunger, das worauf ich Hunger habe und verlass mich da völlig auf mein Bauchgefühl. Nebenbei bin ich Anhänger der Multitoleranzbewegung.
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Perry
Geschlecht:männlichExposéadler
P

Alter: 71
Beiträge: 2509



P
Beitrag10.03.2012 20:46
Hallo versbrecher,
von Perry
Antworten mit Zitat

ich sehe deinen Text nicht unbedingt als "Aufruf zur Zerstörung" fester Formen wie Walther ihn interpretiert hat, sondern als Aufruf sich "geistig" zu bewegen und nicht alles gottgegeben hinzunehmen, was ja nicht nur für das Schreiben von Lyrik gilt.

Für sehr gut gelungen halte ich die Passage

"um nicht an Widerständen wachsen zu müssen
dabei ist jedes Mißverständnis
..................ein kreativer Akt so lange es
der Poesie der Dinge nicht ins Wort fällt"

die ich für mich zu dem Aphorismus

"Mißverständnis ist ein kreativer Akt,
so lange es der Poesie der Dinge nicht ins Wort fällt"

verkürzen möchte.

LG
Perry
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firstoffertio
Geschlecht:weiblichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5854
Wohnort: Irland
Das bronzene Stundenglas Der goldene Spiegel - Lyrik (1)
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Beitrag11.03.2012 00:20

von firstoffertio
Antworten mit Zitat

Das ist ein Text, der zum Nachdenken anregt.

In der ersten Zeile gefällt mir das "in der Regel" nicht. Das widerspricht eigentlich der Textaussage? Klingt so autoritär/allwissend.

Die letzte Zeile gefällt mir am besten.
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versbrecher
Eselsohr

Alter: 58
Beiträge: 350
Wohnort: Düsseldorf


Beitrag12.03.2012 10:33

von versbrecher
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo allerseits,

ich freue mich, daß euch dieser Text zu euren interessanten, anregenden Kommentar ermuntern konnte.

@ Walther,

der nihilistische Grundton ist sehr bewußt gewählt, nicht alleine um Widerspruch oder eine kritische Auseinandersetzung zu provozieren, in ihm klingt außerdem die Stimmung des Autors mit, weil es dem bis heute nicht gelingen will, einen Text, in dem er sich selbst wiederfindet, in einer  klassischen Form zu verfassen.

Ich stimme allerdings mit dir überein, daß es Grundlagen gibt, die beherrscht werden sollten.

Wenn auch der Text anderes vermuten läßt, lehne ich klassische Formen keineswegs ab - nur sollten diese Formen dann in einer zeitgenössischen Sprache mit zeitgenössischem Inhalt gefüllt werden (mE), so wie es dir auf bisweilen bewundernswerte Art gelingt. Dann nämlich ist es ein authentischer Text - für mich eine der wichtigsten Aspekte. Versuche, eine klassische Form mit einer als klassisch empfundenen Sprache zu füllen, empfinde ich als nicht authentisch. Möchte ich Klassik lesen, nehme ich einen Klassiker zur Hand, denn dann empfinde ich es wiederum als authentisch.
 
In "Gottlos" klingt darüber hinaus die Erinnerung an die in einem anderen Forum gemachte Erfahrung an: dort galt es als hohe Dichtkunst, möglichst klassisch zu klingen - die Kommentare zu den wenigen von mir eingestellten Texten kannst du dir leicht vorstellen Smile

Dein Beitrag hat mir einige bedenkenswerte Einsichten geliefert, wofür ich dir herzlich danken möchte.

@ seppmann,

eine interessante, durchaus treffende  Zusammenfassung Smile

@ Perry,

nein, zur Zerstörung ruft dieser Text keineswegs auf; er äußert allerdings Zweifel (was du sehr richtig herausgelesen hast) an der Gottgegebenheit von Althergebrachtem, nicht alleine auf das Schreiben (lyrischer Texte) bezogen.

@ firstoffertio,

es freut mich zu lesen, daß dir die letzte Zeile besonders gefällt, ist sie mir doch auch sehr lieb & trägt sehr viel Persönliches in sich, das, im Gegensatz zum übrigen Text, der eine Momentaufnahme darstellt, tatsächlich von Dauer ist.

Euch allen nochmals meinen herzlichen Dank für die Zeit, die ihr diesem Text geopfert habt,


_________________
lg

der versbrecher
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