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Autor |
Nachricht |
femme-fatale233 Füßchen
Alter: 31 Beiträge: 1913 Wohnort: München
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27.08.2010 08:58 Unzustellbar von femme-fatale233
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Unzustellbar
Schick mir keine
Briefe,
denn sie enthielten
ja doch nur die
Enttäuschung
über eine Vergangenheit,
die wir nicht
miteinander teilen konnten.
Mein Geruch an deinen
Fingerspitzen
hat dich in eine Möglichkeit
stürzen lassen
und doch taugt er nicht
zur Tinte
jener Zeilen
eines Lügenlebens.
Bleib einfach nur
allein und setz die
Füße langsam auf den
pelzigen Boden –
ich bin nicht gemacht für das
Glück.
Schick mir bitte keine
Briefe.
So, ihr habt nun sieben Tage Zeit es zu zerreißen, bevor ich aus Südtirol zurückkehre.
Weitere Werke von femme-fatale233:
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Angst Scheinheiliger
A Alter: 33 Beiträge: 1571
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A 29.08.2010 22:39
von Angst
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Hallo femme,
femme-fatale233 hat Folgendes geschrieben: | Mein Geruch an deinen
Fingerspitzen
hat dich in eine Möglichkeit
stürzen lassen
und doch taugt er (was?) nicht
zur Tinte
jener Zeilen
eines Lügenlebens. |
Diese Strophe verwirrt mich. Zunächst finde ich "Möglichkeit" ein seltsam gewähltes Wort. Mir schiene zum Beispiel "Hoffnung" passender, wenn auch nicht perfekt, da es natürlich ein vorbelastetes Wort ist. Aber "Möglichkeit" hört sich zu technisch an, finde ich. Und was meinst du mit "er"? Worauf bezieht sich das? Stehe da wohl auf dem Schlauch. Gefühlsmässig würde ich das ganze Gedicht ein klein wenig kürzen und die Zeilenumbrüche anders gestalten. Ich weiss nicht genau, warum du vor so vielen Nomen einen Zeilenumbruch machst. Auf mich wirkt das wie ein Gimmick, das keinen inhaltlichen Zweck erfüllt. Ich glaube es ist souveräner, Sinneinheiten nicht zu trennen, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Andererseits bin ich selbstredend nicht im Gedicht drin, wie du es bist. Kann also sein, dass ich die Notwendigkeit dieser Sprünge übersehe. Trotzdem: So sähe meine Verbesserung aus, ganz unverbindlich.
Schick mir keine Briefe.
Sie enthielten ja doch nur
Enttäuschung über eine
Vergangenheit
die wir nicht teilten.
Mein Geruch
an deinen Fingerspitzen
liess dich hoffen
doch nichts taugt als Tinte
für dieses Lügenleben.
Bleib ruhig allein
und setz die Füße auf
den pelzigen Boden –
ich bin nicht gemacht
für das Glück.
Bitte
schick mir keine Briefe.
EDIT: Ach, natürlich bezieht sich das "er" auf den Geruch. Sollte meine Brille putzen, bevor ich Gedichte lese.
_________________ »Das Paradox ist die Leidenschaft des Gedankens.«
— Søren Kierkegaard, Philosophische Brosamen,
München: Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 48. |
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jim-knopf Dichter und Trinker
Alter: 35 Beiträge: 3974 Wohnort: München
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30.08.2010 18:58
von jim-knopf
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finde ich gelungen ja
ich würde hier...
Zitat: | denn sie enthielten
ja doch nur die
Enttäuschung |
...eventuell dieses "ja doch" rauslassen.
Das zieht die Zeile nur unnötig in die Länge, finde ich.
denn sie enthielten
nur die Enttäuschung
würd ich persönlich so machen.
aber is nur geschmackssache
hör nich auf mich
Gruß
Roman
_________________ Ich habe heute leider keine Signatur für dich. |
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Eintagsmensch Erklärbär
E
Beiträge: 2
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E 30.08.2010 22:43 Re: Unzustellbar von Eintagsmensch
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Hoppla, femme fatale,
damit hast du mich erwischt. Dieses Gedicht konnte ich nicht unerwidert stehen lassen. Weshalb ich jetzt hier gelandet bin.
femme-fatale233 hat Folgendes geschrieben: | Unzustellbar |
Dieses Gedicht ist gerade so ganz und gar nicht unzustellbar, sondern findet vielmehr sehr klar und direkt seinen Adressaten, ungeschönt und ungeschont direkt in seiner Aufforderung:
Zitat: | Schick mir keine
Briefe, |
Briefe schicken als Prozess des Festhaltens von Vergangenheit schlechthin - wie papiernes Echo, das dem Ich folgt. "Schick mir keine Briefe", denn die Bilanz ist gezogen.
Zitat: | denn sie enthielten
ja doch nur die
Enttäuschung
über eine Vergangenheit,
die wir nicht
miteinander teilen konnten. |
Wunderbar eingefangen: Nicht einmal die Enttäuschung bezieht sich auf eine verweigerte Zukunft, sondern auf eine verweigerte Vergangenheit; der Blick des Du scheint ganz im Gestern hängengeblieben zu sein. Nicht: "warum können wir nicht?", sondern: "warum konnten wir nicht?" - wiederkehrende Reflektion von Geschehenem, das sich doch nicht mehr ändern lässt. Oder vielleicht eher noch das Kreisen um Ungeschehenes. Rückblicksverzerrte Bilder. Umso mehr muten die unerwünschten Briefe "echotisch" an.
Zitat: | Mein Geruch an deinen
Fingerspitzen
hat dich in eine Möglichkeit
stürzen lassen
und doch taugt er nicht
zur Tinte
jener Zeilen
eines Lügenlebens. |
Fehlgeglaubt und fehlgehofft, ein Sturz, schreibst du - wohl mit hartem Aufprall. Denn die Wünsche des Du taugen nicht zum "Bindemittel". Zu sehr wäre es eine Lüge in den Augen des Ich.
Diese Ehrlichkeit ist so unverschnörkelt gefasst -
Zitat: | Bleib einfach nur
allein und setz die
Füße langsam auf den
pelzigen Boden –
ich bin nicht gemacht für das
Glück. |
Geradezu krass, dieses: "Bleib einfach nur / allein" und der pelzige Boden der Ausnüchterung - beinahe gnadenlos. Kein abgedroschenes "Du findest schon jemanden, der besser zu dir passt" und was man sich so üblicherweise vortäuscht, und gerade darin auch sehr wertvoll. Akzeptanz, dass das Du erst einmal einen Kater haben wird von diesem Rausch (mit dem pelzigen Boden weckst du sehr einschlägige Assoziationen bei mir), keine Negierung. Nur die Aufforderung: Komm wieder zurück auf den Boden. Und
Zitat: | Schick mir bitte keine
Briefe. |
--------------------
Ja, wie gesagt, damit hast du mich erwischt. Großartig. Da finde ich nichts zu kritteln und zu feilen, diese Worte müssen so dastehen, dürfen sich nicht zu flüssig lesen (stocken aber auch nicht, du hast da einen ganz eigenen Tonfall, Leseklang gefunden). Immerhin ist es ja auch keine Aussage, die leicht verdaulich ist, zumindest für dieses Du.
Zitat: | So, ihr habt nun sieben Tage Zeit es zu zerreißen, bevor ich aus Südtirol zurückkehre. |
Nix wird zerrissen. Durch und durch überzeugend, was du da vorgesetzt hast. Wobei "überzeugend" wirklich zu kurz greift.
Danke, sag ich da, fürs Lesenlassen.
Es grüßt ein Eintagsmensch
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femme-fatale233 Füßchen
Alter: 31 Beiträge: 1913 Wohnort: München
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04.09.2010 10:46
von femme-fatale233
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Meine Lieben!
Ich bin aus Südtirol wieder da und grüble seit gestern Abend über eure Kommentare. Drei Leute, drei Meinungen - und in meiner Verwirrung bekomme ich noch eine weitere verwirrende Rezension vom Schmierfink.
Na ja, wo fang ich an? Danke erst mal, dass ihr den Text gelesen habt.
Scheinheilige, mit er ist, wie du richtig erkannt hast der Geruch gemeint. Ich kann deine Einwände an einigen Stellen verstehen, ich neige dazu Sinneinheiten zu trennen - so als würde man bevor man in die nächste Zeile springt kurz stocken und dadurch das erste Wort des neuen Verses deutlicher hervortreten lassen. Es gibt einige Leute, die mögen das, aber mindestens ebenso viele (wenn nicht mehr), deren Ding das nicht ist. Bei mir schwankt das so von Gedicht zu Gedicht, weswegen ich noch überlegen muss, ob es mir hier als endgültige Lösung gefällt, oder ich es doch noch umstelle. Da bin ich bis jetzt noch unschlüssig.
Das Wort "Hoffnung" statt Möglichkeit ist mir persönlich zu positiv.
Roman, freut mich, dass Du es für gelungen hältst, "ja doch" werde ich wahrscheinlich streichen, weil ich mit den beiden Wörtern von Anfang an gehadert habe. (Du legst also mal wieder den Finger genau in die Wunde.)
Eintagsmensch, ich habe mich sehr gefreut, dass der allererste Kommentar, den Du hier hinterlassen hast, sich auf mein Gedicht beziehst und Du dir die Mühe machst, es so genau zu zerfieseln.
Deine Ideen, die Du zu dem Text "entwickelt" hast, gehen schon sehr in die Richtung, in die das Gedicht führen sollte - besonders schön, dass deine Assoziation an der Stelle mit dem "pelzigen Boden" gedanklich ein bisschen an das anknüpft, was mir beim Schreiben so durch den Kopf ging.
Ähnlich verhält es sich bei den Versen "hat dich in eine Möglichkeit stürzen lassen" und "Schick mir bitte keine Briefe".
Also: vielen Dank für den netten Kommentar.
Schmierfink, deinen Vorschlag so umzustellen:
hat dich stürzen lassen
in eine Möglichkeit
finde ich sehr interessant, das gibt dem Gedicht noch mal eine neue Tonart.
Den "pelzigen Boden" hingegen durch den "Boden der Tatsachen" zu ersetzen, gefällt mir nicht wirklich. Das klingt so abgenutzt.
So, das war es so weit von mir,
interessant finde ich, dass bis jetzt noch niemand auf die Stelle "mein Geruch an deinen Fingerspitzen" näher eingegangen ist, aber vielleicht kommt das ja noch.
Liebe Grüße,
Caro
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Schmierfink Lyroholiker
Alter: 34 Beiträge: 1172
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04.09.2010 13:25
von Schmierfink
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Nanana.
Zitat: |
Den "pelzigen Boden" hingegen durch den "Boden der Tatsachen" zu ersetzen, gefällt mir nicht wirklich. Das klingt so abgenutzt.
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So hatte ich das aber nicht direkt vorgeschlagen. ^^ Wollte nur die Möglichkeit eröffnen, vielleicht die Tatsachen an den Boden anzunähern.
Meinte aber eher in etwa so:
Zitat: |
Füße langsam
auf den pelzigen Boden –
stoße
auf Tatsachen,
die alles ändern.
ich
bin nicht gemacht für das
Glück.
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Glück würde ich im Übrigen auch so wie du setzen, warum? Klar eigentlich liest sich Sh. Vorschlag angenehmer, tendierte normal auch dazu, finde das dieses, nicht für das gemacht, einen Reiz hat, da es erstmal abgeschlossen wirkt.
lg
Schmierfink
_________________ "Ein Kluger bemerkt alles, ein Dummer macht über alles seine Bemerkungen."
Heinrich Heine
"Ich gebe Zeichen von mir, Signale . . . Ich schreie aus Angst, ich singe im Dschungel der Unsagbarkeiten"
Max Frisch
"Die Leute gehen ins Feuer, wenn's von einer brennenden Punschbowle kommt!"
Georg Büchner |
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Eintagsmensch Erklärbär
E
Beiträge: 2
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E 04.09.2010 13:58
von Eintagsmensch
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Zitat: | interessant finde ich, dass bis jetzt noch niemand auf die Stelle "mein Geruch an deinen Fingerspitzen" näher eingegangen ist, aber vielleicht kommt das ja noch. |
*schmunzel* Ich gestehe, dass ich das unerwähnt gelassen habe, weil es für mich keiner Interpretation bedurfte - so klar schien mir das Bild. Das Ich hatte wohl mindestens eine sexuelle Begegnung mit dem Du. Und es wundert mich nicht, dass dieser zurückbleibende Duft an den Fingern, der Geruch intimer Vereinigung, jemandem die Sinne vernebeln kann und dazu führt, mehr in das Damals hineinzulesen als tatsächlich war.
Willkommen zurück aus Südtirol,
Eintagsmensch
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