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Teil 54


 
 
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Lyrika
Leseratte
L


Beiträge: 130
Wohnort: Berlin


Liebe einen Inder
L
Beitrag15.08.2010 01:10
Teil 54
von Lyrika
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Kim und ich saßen in der Eisdiele, in die uns Vivek einladen wollte. Die Stimmung zwischen uns war ausgelassen. Wir redeten, lachten, schmiedeten Pläne für die nächsten Tage und bestellten einen Eiscafe nach dem anderen. Das Wetter hatte sich an diesem Tag entschlossen schwül zu werden. Die Feuchtigkeit legte sich schwer auf die Haut und jeder Handgriff war einer zuviel. Über uns zogen ein paar Schwalben ihre Runden. Bei näherer Beobachtung fiel mir auf, daß sie immer tiefer flogen. Es würde wieder mit einem Gewitter zu rechnen sein.
Nachdem ich die Wohnung der Zwillinge verlassen hatte, versuchte ich nicht, den Kontakt mit Zayed zu suchen. Daß wir miteinander geschlafen hatten, war nicht geplant und ich bereute es auch nicht, aber für mich nicht erklärbar, wollte ich ihn nicht so schnell wiedersehen. Anscheinend dachte und empfand er dasselbe, da er auch nichts von sich hören ließ. Eines hatte ich mit meinem Gefühlschaos aber erreicht: Mein Männchen in meinem Kopf war endgültig in den Streik getreten. Ich bemerkte es daran, das sobald sich ein Gefühl oder Gedanke an meine jetzige Situation ihm nur nährte und nach Aufklärung jappste, es einfach dabei beließ, wie das Gefühl oder der Gedanke war. Von der Seite konnte ich also keine Unterstützung erwarten. Vielleicht war das der Anfang erwachsen zu werden, dachte ich und würde wohl alleine auf die Suche nach Antworten gehen müssen. Verstehen konnte ich mein Männchen auf alle Fälle. Vivek liebte ich, zu Zayed fühlte ich mich hingezogen und Matthias wollte ich nicht aufgeben. Ich wäre auch in den Streik getreten bei diesem Durcheinander. Wann würde endlich eine Lösung in Sicht sein?
„Bäh, ich muß heute noch arbeiten. Und das bei der Schwüle.“, sagte ich, rollte mit den Augen und nahm einen Schluck von meinem inzwischen dritten Eiscafe. Die Begegnung mit Zayed hatte ich Kim verschwiegen. Obwohl sie meine beste Freundin war, traute ich mich nicht, es ihr zu erzählen. Vielleicht aus Scham? Vielleicht um einer Diskussion aus dem Weg zu gehen? Ich war die letzten Tage so glücklich bei dem Gedanken an Zayed, daß ich mir das nicht verderben wollte. Dieser süße Nachgeschmack an diesen Tag mit ihm, der für uns beide unerwartet kam, prickelte wie Brause durch meine Adern. Es war einfach herrlich, wie ich ihn imaginär spürte. Seine Küsse, seine Berührungen, seinen Geruch. Unwillkürlich entlockte mir dies ein Lächeln.
„Sara, du kannst echt dusselig grinsen.“, höhnte Kim und spielte mit ihrer Sahne, die sich auf ihrem Eiscafe befand.
„Wie? Was?“ Irritiert stieß ich mich mit dem Rücken von der Stuhllehne ab, setzte mich aufrecht hin und griff nach dem Löffel. Ich verfehlte ihn um Haaresbreite und prallte mit meinen noch ausgestreckten Fingern gegen mein Glas mit dem Eiscafe. Erschrocken fuhren Kims und meine Hände gleichzeitig auf das schwankende Glas zu und gaben ihm durch unsere unkoordinierte Handlung noch mehr Schwung. Mit einem lauten Klirren knallte das Glas auf den Boden. Der Inhalt spritzte in alle Richtungen, klebte sich an unsere Beine, verschonte aber glücklicherweise die anderen Besucher, die um uns herumsaßen. Für einen kurzen Moment standen wir im Mittelpunkt, der mir die Röte ins Gesicht trieb.
Nachdem der Kellner leicht verärgert die Scherben beseitigt hatte, knüpfte Kim nahtlos an ihren letzten Kommentar an.
„Du hast vorhin so dusselig geschaut. Na, eher verträumt.“, korrigierte sie sich und sah mich dabei verschmitzt an. „Wer ist denn der Glückliche?“ Ich verschluckte mich fast an meinem neuen Eiscafe, konnte den Schluck in meinem Mund nicht mehr halten und schnaubte ihm zum Teil aus der Nase. Mit einer Serviette wischte ich mir einige Tropfen Eiscafe aus dem Gesicht.
„Niemand.“, antwortete ich hustend, da sich der andere Teil des Schlucks den Weg durch meinen Kehlkopf gequält hatte.
„Sara, wer so schaut, der ist verliebt.“
„Kann ja sein, aber was soll die Frage, wer der Glückliche ist?“
„Nun, du hast ja ´nen paar zur Auswahl. Matthias, Vivek…“
„Mit Matthias ist Schluß!“, fuhr ich ihr heftig ins Wort, bevor sie noch Zayed aufzählen konnte.
„Ja, weiß ich doch und Vivek ist jetzt in Indien. Da bleibt ja nur noch Zayed.“ Als sie seinen Namen aussprach, zuckte es so heftig in meiner Magengrube, daß mir abermals die Röte ins Gesicht stieg. Kims Stirn legte sich in Falten.
„Alles klar mit dir?“, fragte sie und rührte unbewußt ihre Sahne in den Eiscafe.
„Ja, bis auf das ich keine Lust zum arbeiten habe.“
„Kann ich verstehen. Weißt du was? Ich komme heute abend vorbei und wenn du Schluß hast, tanzen wir uns die Kalorien ab.“, sagte sie und zeigte auf ihren Eiscafe. Mein Einverständnis bestand aus einem Kopfnicken.

Es war an diesem Abend nicht viel los in der Disco. Die Musik dröhnte über die Boxen und heizte mit ihren Bässen die schon schwüle Luft zusätzlich an.
Marie und ich hatten einen riesigen Spaß und uns ging die Arbeit leicht von der Hand. Die Gäste steckten uns mit ihrer guten Laune noch zusätzlich an und aus dieser Laune heraus gönnten wir uns beide ein paar Cocktails. Diese Stimmung versetzte mich gepaart mit dem Gedanken an Zayed in eine von mir selten erlebte Euphorie.
Tanzend bewegten wir uns hinter dem Tresen. Koffein von den Eincafes und der zusätzliche Alkohol verfehlten ihre Wirkung nicht. Irgendwann erspähte ich Kim. Mit leichten Schritten schwang ich auf sie zu, bediente sie und kündigte meinen baldigen Feierabend an. Sie lachte und schrie mir entgegen, daß ich wohl einen kleinen Schwipps hätte. Ich lachte zurück, riß meine Arme in die Luft und tänzelte so auf den nächsten Gast zu, der ebenfalls lachend seine Bestellung aufgab. Marie wollte noch ein wenig weiterarbeiten und deutete mir an, daß ich jetzt verschwinden könnte. Ich drückte ihr zum Dank ein Küßchen auf die Wange, sah Kim an und nickte mit dem Kopf in Richtung Tanzfläche. Keine Minute später standen wir auf der Tanzfläche. Es hatten sich noch mehr Gäste in die Disco begeben und so war es auf der Tanzfläche voller geworden.
Die Bässe wummerten durch meinen Körper, der Alkohol steig mir in den Kopf und ich tanzte mir die Seele aus dem Leib. Dabei lachte und scherzte ich mit Kim, die nach einigen Liedern sagte, das sie sich wieder an die Theke setzten wollte. Ich winkte ab, ließ sie ziehen und tanze weiter. Ab und zu blieb mein Blick bei Kim hängen, die sich mit Marie in einem Gespräch befand. Unbeirrt tanze ich ausgelassen weiter und schaffte es, alle meine Gefühle so auszuschalten, daß ich mich ganz dem Rhythmus der Musik widmen konnte. Die anderen Tänzer verschwommen vor meinen Augen. In diesem Moment fühlte ich mich schwerelos und entspannt nach all den Geschehnissen der letzten Wochen. Nach einiger Zeit und einigen Liedern weiter, überkam mich dieses Gefühl, welches man spürt, als wenn man beobachtet werden würde. Langsam ließ ich den Trubel um mich herum wieder an mich heran und drehte mich beim Tanzen. Ich sah einige Gäste an, die keine Notiz von mir nahmen. Mit diesem unbestimmten Gefühl schaute ich mich weiter um. Die Bässe dröhnten, die Gäste tanzen und ich stoppte inmitten der ganzen Masse meinen Tanz. Ich stand ganz ruhig da und starrte in die Richtung, aus der die Blicke kamen. Mein Gefühl hatte mich nicht getäuscht. Sein Blick ruhte auf mir. Er lächelte nicht und zeigte auch sonst keine Regung in seinem Gesicht. Ich kniff meine Augen zusammen, öffnete sie wieder und sah ihn immer noch. Erst nahm ich an, der Alkohol spielt mir einen Streich, aber ich täuschte mich nicht. An einem der Bistrotische stand Zayed.
Ich kniff meine Augen ein zweites Mal zusammen, öffnete sie und mußte das glauben, was ich dann sah. An seiner Seite stand eine Frau, die ihm liebevoll durch die Haare strich. Der Raum um mich herum verdunkelte sich. Ich nahm die Musik und die anderen Gäste nicht mehr war. Und dann passierte das, was mir die Sicherung durchbrennen ließ. Die Frau stand mit dem Rücken zu mir. Er schaute mir tief in die Augen und hob langsam seine Hand, legte sie ihr auf die Wange und ging mit seinem Gesicht näher an ihres heran. Mein Herz stockte, es drehte sich alles, als er, mich immer noch anschauend, ihren Lippen suchte. Sie packte ihn im Nacken und zog ihn an sich heran. Und dann küßten sie sich. Mein Atem setzte aus und setzte um so heftiger wieder ein, der Raum drehte sich und ich lief mechanisch auf den Bistrotisch zu.
Ich hatte nicht vor stehen zu bleiben und ihm eine Szene zu machen. Statt dessen übernahm mein verletzter Stolz die Regie. Er hatte sich inzwischen von ihr gelöst, da er mich die ganze Zeit beobachtet hatte und wartete, was nun geschehen würde. Die Frau hatte sich etwas von ihm entfernt und so hatte ich Platz mich zwischen die beiden zu stellen. Dieses Angebot nahm ich aber nicht an. Je näher ich kam, desto mehr pulsierte mein Blut in den Adern. Ich war richtig wütend, was zur Folge hatte, das ich nicht vor dem Bistrotisch zum Stehen kam, sondern ihm ohne viel Umstände während meiner Biege an dem Tisch vorbei meine Faust auf sein Auge knallte und dann seelenruhig weiter in Richtung Toilette ging.

Auf der Toilette kühlte ich mir meine Hand, die nach meinem Geschmack doch zu doll zugeschlagen hatte. Als ich hochschaute, sah ich Kim mit verzogener Miene und verschränkten Armen hinter mir im Spiegel stehen.
„Quatsch mich jetzt bloß nicht voll!“, ermahnte ich sie scharf und drehte meine Hand unter dem kalten Wasserstrahl. Ich hörte nur ein verächtliches Aufstöhnen.
„Mann jaaaaa, ich weiß, ich bin den Job los! Na und?“
„Ich sag doch gar nichts.“, erwiderte Kim in einem ruhigen Ton, der in meinen Ohren aber ein wenig Überheblichkeit mitschwingen ließ.
„Wie du schon so guckst, brauchst du auch gar nichts sagen. Und später auch nicht. Hab keinen Bock auf deine Leiher.“, fauchte ich sie an und sah, wie sie sich beleidigt umdrehte, ihre Nase dabei in die Höhe streckte und die Toilette verließ.
Genervt schaute ich mich im Spiegel an.
„Was die immer alle von mir wollen. Sara tu dies, Sara tu das, Sara laß das lieber. Boah, was mich das ankotzt! Sollen die doch mal vor ihrer eigenen Türe kehren.“, murmelte ich vor mich hin und bemerkte zu spät, daß hinter mir eine Frau aufgetaucht war, die kopfschüttelnd wartete, daß ich den Wasserhahn freigeben würde. Ich verdrehte die Augen, stellte das Wasser ab und schob mich an ihr vorbei. Mit noch tropfender Hand lief ich zum Tresen zurück, um meine Tasche zu holen. Es entging mir nicht, daß einige Gäste sich tuschelnd nach mir umdrehten. Als ich hinter den Tresen trat, kam Marie auf mich zu.
„Sara, nur eine Frage: Welchen Virus hast du auf deiner Festplatte?“ Sie hielt mich am Arm fest.
„Sei mir nicht böse, aber geh mir nicht auf den Keks! Geht mir doch nicht alle auf die Nerven!“ Ich brüllte den letzten Satz so laut, daß sich die Gäste, die am Tresen saßen umdrehten und uns mit offenen Mündern anglotzten. Maries Augen funkelten mich böse an. Sie sagte kein Wort. Statt dessen stieß sie meinen Arm, den sie immer noch festhielt, kräftig nach hinten und drehte sich auf dem Absatz um. Als wenn nichts gewesen wäre, bediente sie die Gäste weiter. Ich griff unter den Tresen, schnappte mir meine Tasche und wollte nur noch nach draußen. Ohne auf die Blicke der anderen zu achten, bahnte ich mir den Weg durch die Menge. Es war mir egal, wo Kim war, was aus dem Zwilling wurde und was aus meinem Job werden würde; ich wollte nur noch nach Hause. Sollten sie mir doch alle mal den Buckel runterrutschen!

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