Der Wunschbrunnen

[Guy Incognito]

Es sollte lange dauern, bis Desideria erkannte, dass Wasser nicht gleich Wasser ist.
Tag für Tag, die Sonne blinzelte noch hinter den dunkelen Wipfeln des Waldes, wartete schon der schwere Tonkrug voller Wasser in der Bauernküche auf die Durstigen.
Und Tag für Tag schöpfte ihre Mutter mit dem ersten Hahnenschrei von dem kühlen Wasser in ihren Becher. “Trink davon, damit du glücklich bleibst, mein Kind”, sagte sie jedes Mal und reichte es ihr lächelnd über den Tisch. Mit diesem Schluck Wasser, welches ein Hauch von Silber in seinem Spiegel hatte, begann für Desideria Sommer wie Winter jede Mahlzeit. Hatte sie den Becher geleert, dann spürte keine Müdigkeit mehr. So war es, seit sie denken konnte.

Heute wünschte sie, es wäre immer so geblieben.

Zuerst bemerkte Desideria die Veränderung nicht. Nur das Fell der Katze verlor unter ihren Händen seine wohltuende Weichheit. Später verblasste vor ihren Augen das leutende Purpur der Rosen zu stumpfem Rot. Schließlich hörten ihre Ohren die Gesänge der Vögel nur noch als freudloses Gezwitscher. Als dann auch das Lächeln ihrer Mutter müder wurde, konnte sie nicht mehr länger schweigen.

“Mutter, was ist mit mir? Warum kratzt das Fell der Katze mich? Warum haben die Rosen so ein mattes Rot? Warum will ich nicht mehr mit den Vögeln singen? Und warum bist du still geworden, als wärest du voller Kummer?”
“Mein Kind, großes Unglück ist über uns gekommen. Aber dafür muss ich dir von unserem Geheimnis erzählen.
Dort, hinter den Wipfeln des Waldes, dort liegt im Verborgenen der Wunschbrunnen. Du musst ihn aufsuchen, wenn alle Welt noch ruht, die Vögel schweigen und nur ein Hauch von Licht am Horizont erglimmt. Nur dann ist sein Wasser das Wasser, das unsere Lebendigkeit stärkt und eine glückliche Seele schenkt.”

Desideria schaute bewundernd zu ihrer Mutter auf und sprach: “Dann bist du es, die den schweren Krug in der Küche jeden Tag auf's Neue auffüllt?”
“Ja, so hat es meine Mutter gemacht, meine Großmutter, die es wiederum von meiner Urgroßmutter gelernt hat. Nun aber versiegt das Wasser. Ich habe immer weniger in meinem Eimer, wenn ich ihn hinaufziehe. Deshalb müssen wir jetzt auch das Wasser aus der Wasserleitung dazumischen.”
Desideria nickte verständig.

Und ihre Mutter fügte hinzu: “Und die Haut unserer Hände spürt weniger, unsere Augen sehen nicht jedes Wunder, unsere Ohren erreicht nicht jeder singende Ton und unsere Herzen müssen ihren Frohsinn suchen. Aber glaube mir, so geht es allen Menschen. Wichtig ist, dass wir die Erinnerung an dieses Wasser aus unserem Wunschbrunnen behalten.”

Und sie küsste ihr Kind.

[i-Punkt]

Schöner runder Text. Aber ich bin so traurig, dass sie vorbei ist - die Zeit, in der das Wünschen noch geholfen hat.

I.

[halcyonzocalo]

Dies ist eine objektive Nachricht, die die anderen User nicht bei der Bewertung beeinflussen soll. Sie dient lediglich dem Zweck, mich der Fähigkeit der Federvergabe zu ermächtigen.

[Fahrender Gaukler]

*Neutraler Kommentar*

[Nihil]

Das finde ich wieder etwas laff. Es ist zwar nett zu lesen, aber das ist wieder
ein typischer "Warum nicht?"-Text, der weder positiv noch negativ auffällt.
Und mir fehlt da einfach etwas, das über die Beschreibung eines Zustands
hinausgeht.

[Pütchen]

Ich halte mich mal neutral, um niemanden zu beeinflussen mit meiner Meinung
Die Begründung folgt

[Zitkalasa]

Flüssig zu lesen. Wasserleitung störte mich aber, weil die Ausdrucksweise der Figuren nicht vermuten lässt, dass es soetwas schon gibt.

[SylviaB]

Ich grüße alle die das lesen
Nach der Federvergabe mehr zu diesem Text.

[Falada]

Ganz nett

Gruß
Fala

[Lonely_Day]

Gute Idee!

[Valeska]

Lieben Gruß von Vale

[mondblume]

Gruss!

[Maria]

`;;´

[wallenstein]

Puh, das ist gruselig!

Du hast mich überrascht. Zuerst dachte ich, das ist aber langweilig! Es ist so banal, wie das Kind Wasser trinkt. Aber, mit der Pointe hast du alles rausgerissen, gut gemacht Sprachlich vllt. nicht so prickelnd, wie ich meine, ich dachte mitunter, hier sitzt eine Emigrantin und versucht sich in deutsch ... wobei ... wenn's so ist: Chapeau!

LG, wallenstein

[Jocelyn]

Hallo FFFler!

Nun scheinen sich ja einige zu outen, und ich brenne auch darauf!

Also, dieses Märchen da oben war von mir.

Ich bin mit dem Ergebnis total einverstanden, gerade auch, weil die Konkurrenz eindeutig stark war. Als ich die Texte las, die entstanden, war ich nur beeindruckt. Mich da im Mittelfeld behaupten zu können, ist für mich als Neuling der Branche wirklich zufriedenstellend.

Überraschend fand ich auch die Bewertungen, waren ja von 3 bis 9 vertreten, die 9 hatte ich im Traum nicht erwartet, nehme deshalb an, dass sie mehr strategisch begründet ist, um den Durchschnitt zu heben.

Meine Sprache scheint auch sehr unterschiedlich anzukommen. Da war von "flüssig zu lesen" und "schöner runder Text" bis "Deutsch einer Emigrantin"  alles dabei. (Übrigens: bin leider aus Berlin emigriert....)

Der Zeitdruck war für mich eine echte Hürde, weil das meinen Ideenfluss bremste.

Trotzdem finde ich meinen eigenen Ansatz nicht schlecht, könnte halt noch besser ausgeschmückt werden, das Ende erschien mir auch nicht in der Entstehungzeit geglückt.

Vor dem letzten Satz würde ich heute gerne einfügen:

[bloody_mary]

Hallo Cecilia,

ein schönes Märchen, wie ich finde. Zumindest, es klingt wie ein Märchen.

Die Wasserleitung fand ich auch ein wenig fehl am Platze, ansonsten ist die Sprache stimmig und schön zu lesen.  

Magst du das ganze ohne Zeitdruck noch ausbauen?

Liebe Grüße, Bloody Mary

[SylviaB]

Ein nettes Märchen. Von mir gabs hier nur 5 Federn.
Meine Begründung fällt etwas kurz aus, da ich echt ins Bettchen muss.

Es traf leider nicht meinen Nerv, obwohl ich Märchen sehr gern hab. Es war mir zu sehr zusammengestaucht. Irgendwas zwischen Kurzgeschichte und Minierzählung. Auch hätte ich mir eine genauere Beschreibung der Protagonisten gewünscht. Irgendwie fehlt mir halt überall etwas.
Und weil ich (wie ich schon unter andere Werke geschrieben habe) einen Mittelweg finden musste, gabs hier nur 5 Punktewertung, die wahrscheinlich im Öffi höher ausgefallen wäre.

Ganz lieben Gruß
Sylvia

[Mercedes de Bonaventura]

Bis zum „dazumischen“ war es gut zu lesen.
Wunderlich, dass so ein kleines Wort die ganze Stimmung zerstören kann.

Liebe Geschichte.
Hat was.
5 Federn

Mercedes

[Jocelyn]

[Pütchen]

Hallo Caecilia,

generell mag ich auch Märchen, aber irgendwie hat mir bei diesem etwas "die Moral von der Geschicht" gefehlt. Ich hätte es irgendwie schön gefunden, wenn es noch irgendeine Botschaft gegeben hätte, etwas zum darüber nachdenken.

Stilistisch war es aber okay, da habe ich nichts zu meckern (die Wasserleitung wurde ja schon angesprochen )

Anhand der Vielzahl der Texte hatte sich deiner bei mir im unteren Mittelfeld angesiedelt - die Entscheidung war einfach schwierig und andere haben mich inhaltlich mehr angesprochen


Viele Grüße, Pütchen