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Soeben in der S-Bahn


 
 
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Tiefgang
Geschlecht:männlichReißwolf

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Beiträge: 1139
Wohnort: Hamburg
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Und ständig fließt Musik aus meiner Stromgitarre
Beitrag11.09.2008 00:24
Soeben in der S-Bahn
von Tiefgang
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Soeben in der S-Bahn


Ich steige ein.
Links neben mir an der Mittelstange sitz ein Rollstuhlfahrer. Er sieht mitgenommen aus und fast so, als wären nicht nur seine Beine, sondern auch der verbliebene Rest seines Körpers bewegungsunfähig. Sein Kopf baumelt am Nacken schief, die Hände wirbeln ziellos durch die Gegend, während sein Rumpf führungslos von vorne nach hinten zu wippen scheint.

Ich setze mich.

Mir gegenüber nimmt ein dunkelhäutiger, stark behaarter, bierbauchgeprägter Mann Platz ein, während ein aufdringlicher Geruch meine Nase penetriert. Ich rieche Paco Rabanne aus der rechten Seite duften und ein undefinierbares Etwas, fahl, verfault und irgendwie süßlich, herbeiströmen. Ohne die Herkunft des nach einer mit Fruchtfliegen besetzten, braun angefaulten Papaya anmutenden Geruchs ausmachen zu können, bleibt mein Blick auf dem Rollstuhlfahrer haften. Fast so, als wäre er der Duftspender und seine Ausdünstungen der klebrige Sud, der sich in der Luft festmacht und den Blick darin zum Verkleben bringt, fast so, als würden meine Blicke die Duftwolke schneiden und diese im Eiklar des Brennherds eindicken und zum Stocken bringen, fast so, als würden meine Blicke mit Geruchssensoren den Urquell suchen und fündig werden.

Ich mustere den Rollstuhlfahrer.

Sein aschblondes Haar hängt müde von seiner ausgetrockneten, unreinen Kopfhaut ab. Er trägt eine mit Fetträndern und Dreckspritzern verzierte Hornbrille, hinter welcher ein vergilbter Ausdruck den Schein eines früher vorhandenen, jetzt zersetzten Lebens verschleiert. Auf seinem von der Sonne gebleichten, beige-braunen Shirt befinden sich rückseitig kleine Blutspritzer, eine vergammelte schwarze Streetcap hängt am Rollstuhlradgriff, seine Füße zittern ungleich zu den verbliebenen Artikulationsversuchen des Restes.

Er tut mir leid.
Er fährt auf uns - den schwarzen, behaarten, bierbäuchigen Mann und mich - zu. Die erste Reaktion des Mannes wirkt wie ein defensiver Schachzug zur Verteidigung seines Bierranzens, indem er ein Stück gen Fenster rückt und hofft, bei seiner Tat der Abscheu unentdeckt zu bleiben. Ich beobachte dieses Vor-, Weg- und weiter Nachrücken. Ich habe Mitleid mit beiden, dennoch ekle ich mich, vor beiden fast gleichermaßen. Dann wird mir bewusst, dass sich auch mein Empfinden aus einem Gemisch aus Ekel, Mitleid und ekelhafter Eitelkeit zusammenmengt.

Ich stehe auf.

Während ich mich am Haltegriff festklammere, sehe ich noch, dass sich der Rollstuhlfahrer gedreht hat und jetzt eine bieder anmutende Frau fixiert. Sie wirkt paralysiert, mit einem festgezurrtem Lächeln im Gesicht, so gefühlsecht und anteilhabend wie die fratzenhafte Mimik einer abgebrochenen Harlekinmaske.

Haltestelle Barmbek. Endlich kann ich aussteigen. Ich schäme mich.
Ich steige aus.

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MosesBob
Geschlecht:männlichGehirn²

Administrator
Alter: 44
Beiträge: 18339

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Beitrag16.09.2008 22:00
Re: Soeben in der S-Bahn
von MosesBob
Antworten mit Zitat

Hallo Tiefgang!

An sich eine schöne Beschreibung der Szenerie – behaftet allerdings mit einigen Unstimmigkeiten und Schönheitsfehlern und einer gehörigen Portion Verbal-Ejakulat.

Tiefgang hat Folgendes geschrieben:
Ich steige ein.
Links neben mir an der Mittelstange sitz ein Rollstuhlfahrer. Er sieht mitgenommen aus und fast so, als wären nicht nur seine Beine, sondern auch der verbliebene Rest seines Körpers bewegungsunfähig. Sein Kopf baumelt am Nacken schief, die Hände wirbeln ziellos durch die Gegend, während sein Rumpf führungslos von vorne nach hinten zu wippen scheint.

Ich kann mir beim besten Willen keinen Reim auf diesen Rollstuhlfahrer machen. So, wie du ihn beschreibst, kann ich ihn mir bildlich kaum vorstellen. Zunächst einmal stört mich die Formulierung „der verbliebene Rest seines Körpers“. Verbliebene Rest? Fehlt dem Mann etwas? Ist ihm etwas abhanden gekommen? Offensichtlich nicht, denn seine Arme und Beine sind ja noch dran. Was also ist hier eigentlich „verblieben“? Nichts! Weiter im Programm: Mitgenommen sieht der Mann aus, als wären nicht nur seine Beine sondern auch der Rest seines Körpers bewegungsunfähig. Trotzdem wirbeln seine Hände ziellos durch die Gegend. Diese wuselnde Aktivität beißt sich nicht nur mit seiner zuvor angemerkten augenscheinlichen Bewegungsunfähigkeit, nein, das Bild macht mir auch gedanklich zu schaffen: Hände, die ziellos durch die Gegend wirbeln – ich muss dabei an einen epileptischen Anfall denken, so wuchtig sind die Worte, die du gewählt hast, um das Treiben seiner Hände zu schildern. Und warum scheint der Rumpf führungslos nach vorn und hinten zu wippen? Wippt er oder nicht? Du als Beobachter und Erzähler in Personalunion musst es wissen!

Tiefgang hat Folgendes geschrieben:
Ich setze mich.
Mir gegenüber nimmt ein dunkelhäutiger, stark behaarter, bierbauchgeprägter Mann Platz ein, während ein aufdringlicher Geruch meine Nase penetriert. Ich rieche Paco Rabanne aus der rechten Seite duften und ein undefinierbares Etwas, fahl, verfault und irgendwie süßlich, herbeiströmen. Ohne die Herkunft des nach einer mit Fruchtfliegen besetzten, braun angefaulten Papaya anmutenden Geruchs ausmachen zu können, bleibt mein Blick auf dem Rollstuhlfahrer haften. Fast so, als wäre er der Duftspender und seine Ausdünstungen der klebrige Sud, der sich in der Luft festmacht und den Blick darin zum Verkleben bringt, fast so, als würden meine Blicke die Duftwolke schneiden und diese im Eiklar des Brennherds eindicken und zum Stocken bringen, fast so, als würden meine Blicke mit Geruchssensoren den Urquell suchen und fündig werden.

Hier trägst du zu dick auf. Besonders die rot markierte Passage kommt völlig überfettet daher, geradezu unleserlich. Wirr: Du riechst Paco Rabanne aus der rechten Seite duften? Was für eine rechte Seite? Und wie kann man etwas duften riechen? Das ist doppelt gemoppelt! Ich kann mir ja auch keinen ausgequetschten Pickel ausdrücken.



Der Rest ist nicht ganz so übel. Aber ich komme von dem Eindruck nicht los, dass du hier eine eloquent-blumige Erzählweise zelebrieren wolltest, die dir völlig aus dem Ruder gelaufen ist, weil sie sich verselbstständigt hat. Sowas gehört ins Taschentuch, Freundchen, aber nicht aufs Papier.  Laughing Weniger ist mehr!

Beste Grüße,

Martin


_________________
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(James Herbert)

Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
(Sir Peter Ustinov)

Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse)
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Tiefgang
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 43
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Wohnort: Hamburg
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Und ständig fließt Musik aus meiner Stromgitarre
Beitrag16.09.2008 22:12

von Tiefgang
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hey Martin,

das ist eine wirklich ausführliche Kritik. Danke dafür!

Deine Anmerkungen, ja, die stimmen einfach. Werde den Text überarbeiten, da ich die Geschichte mag und wirklich so erlebt habe, nur bei der Erzählweise wohl wirklich etwas übers Ziel hinausgeschossen habe.

Schönen Abend noch,

Gerold
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MosesBob
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Beitrag16.09.2008 22:25

von MosesBob
Antworten mit Zitat

Stets zu Diensten, Monsieur.  Very Happy

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