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bookwriter Wortedrechsler
Alter: 88 Beiträge: 84 Wohnort: Berlin
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20.11.2010 12:58 Modische Formspiele? von bookwriter
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Auf dieser Seite scheint schon seit längerer Zeit nichts mehr passiert zu sein; hoffentlich findet sie dennoch jemand wieder. Seit einiger Zeit treibt mich nämlich eine Frage um, die vermutlich einen Haufen unterschiedlicher Antworten auslösen könnte. Und ich fände es hilfreich, wenn es so käme.
Neuere Gedichtausgaben - gleich, welcher Verlage - zeigen übereinstimmend nachfolgendes Erscheinungsbild:
- Kleinschreibung
- Verwendung von &-Zeichen statt "und"
- zeilenweise Kursivschreibung
- Verwendung von runden oder eckigen Klammern
- willkürliche Satzbrechungen am Zeilenende
- totaler Verzicht auf Satzzeichen.
All diese modernen (oder modischen?) Formen haben aus meiner Sicht zunächst einmal die unmittelbare Folge einer erschwerten Lesbarkeit. Möglicherweise hängt es damit zusammen, dass ich auch Prosa schreibe und das mit dem Wunsch verbinde, mich einem Leser verständlich mitzuteilen. Beim Gedicht kommt für mich hinzu, dass ich eine Entsprechung von Lesen und Hören anstrebe und der Rhythmus des gesprochenen Wortes auch in der Form zum Ausdruck kommen sollte. In diesem Sinne sind logisch gegliederte Zeilen und die Verwendung von Satzzeichen für mich eine unverzichtbare Lesehilfe.
Es gibt sogar Wettbewerbe, die für Einsendungen den Schrifttyp "Courier new" vorschreiben; eine Schrift, die mit ihren breiten Serifen an die Typen der alten mechanischen Schreibmaschinen erinnert. Ich habe den Versuch unternommen, gegen meine Überzeugung mit diesen Mitteln zu arbeiten. Ich kann es nicht. Und ich will es auch nicht.
Was ist Eure Meinung?
_________________ Das Gedicht ist wahrscheinlich das einzige kulturelle Produkt, das zur Profitmaximierung völlig ungeeignet ist. Das ist Freiheit. Wunderbar.
Hans Magnus Enzensberger "Zu große Fragen" 1978 |
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MrPink Lyromane
Alter: 53 Beiträge: 2431 Wohnort: Oberbayern
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20.11.2010 23:44
von MrPink
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Du willst nicht? Dann musst du auch nicht. Meine Meinung.
Für mich hat das was von experimentieren. Klammern können z.B. Mehrdeutigkeiten hervorheben. Alles klein schreiben sieht manchmal schick aus, Zeilenumbrüche sind bei mir oft Gefühlssache. Das Weglassen von Satzzeichen finde ich manchmal spannend, da man mit dem Rhythmus spielen kann. Alles kann, nix muss.
schönen Abend
andi
_________________ „Das Schreiben wird nicht von Schmerzen besorgt, sondern von einem Autor.“
(Buk) |
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Angst Scheinheiliger
A Alter: 33 Beiträge: 1571
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A 21.11.2010 02:51
von Angst
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Ich schreibe klein, um das Wort an sich ins Rampenlicht zu rücken. Kleinschreibung löst Hierarchien auf und ist dem Denken näher als Grossschreibung. Das Denken macht nämlich keinen Unterschied zwischen Substantiven und anderen Wortarten. (Ehm, glaube ich.) Auf Satzzeichen verzichte ich, um den Rhythmus auf die Worte zu konzentrieren. Denn: Satzzeichen geben manchmal zu viel Inhalt und zu viel Klang vor. Wo Atempausen, Ausrufe- und Fragezeichen zu setzen sind, soll sich wenn möglich nur aus den Worten ergeben. Sie brauchen keine Hilfe, sie müssen stark genug sein.
Das alles hat nichts mit Mode zu tun, das ist inneres Empfinden. Mag schon sein, dass ich mich da in einer ganz bestimmten Tradition befinde. Stört mich nicht.
_________________ »Das Paradox ist die Leidenschaft des Gedankens.«
— Søren Kierkegaard, Philosophische Brosamen,
München: Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 48. |
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Ralphie Forenonkel
Alter: 71 Beiträge: 6413 Wohnort: 50189 Elsdorf
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21.11.2010 07:33
von Ralphie
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Vor allem schreibst du klein und verzichtest auf Satzzeichen, weil es anders nicht geht.
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bookwriter Wortedrechsler
Alter: 88 Beiträge: 84 Wohnort: Berlin
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22.11.2010 13:15 Übungstext: schiller-remake von bookwriter
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Hi, Ralphie, sehe ich da etwa ein leises Zwinkern in deinem rechten Lidwinkel? Du meinst doch nicht etwa...nein, unmöglich; interpretieren wir es schlicht als eine wünschenswerte Vereinfachung der Sprache.
Meine eigenen Versuche, mich dieser Form anzunähern, scheiterten schon an dem Mangel, dass ich kaum das bindewort "und" brauche. Damit muss ich auf das schöne &-Zeichen verzichten. Abhilfe schafft da als Übungstext die klassische Ballade; mir gefiel besonders "Der Handschuh" von Schiller. Hier nun als Beweis die modernisierte Fassung: (Ausschnitt)
...& der koenig winkt wieder da
speit das doppelt geoeffnete
haus 2 leoparden auf 1x aus die
stuerzen
( mit mutiger kampfbegier) auf
das tigertier das packt
sie mit seinen grimmigen tatzen
& der leu (mit gebruell) richtet
sich auf da wirds still
& herum im kreis
(von mordlust heiß) lagern
sich die greulichen katzen
_________________ Das Gedicht ist wahrscheinlich das einzige kulturelle Produkt, das zur Profitmaximierung völlig ungeeignet ist. Das ist Freiheit. Wunderbar.
Hans Magnus Enzensberger "Zu große Fragen" 1978 |
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Ralphie Forenonkel
Alter: 71 Beiträge: 6413 Wohnort: 50189 Elsdorf
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22.11.2010 15:00
von Ralphie
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bookwriter, mit welchem Programm hast du dein Avatar gemacht? Sieht echt gut aus.
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bookwriter Wortedrechsler
Alter: 88 Beiträge: 84 Wohnort: Berlin
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22.11.2010 16:23
von bookwriter
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Ist das die Antwort auf mein leidenschaftliches Bemühen, den richtigen Ton eines modernen Dichters zu üben? Also gut, ich hab´s mit Picasa3 gemacht, von einem Farbfoto. War ein Kinderspiel.
Was ich noch sagen wollte: über Heinrich Böll hat Hans Magnus Enzensberger (na, wer sonst wohl) schon 1985 geschrieben:
..."Denen, die es mit dem ewig Neuen halten, waren seine Geschichten allzu einleuchtend. Jeder konnte sie verstehen.Es fehlte ihnen das Schrille und Marode, das Übertriebene und Abwegige der Moden."
Aber wer liest heute schon noch Böll. Enzensberger nannte übrigens den Artikel "Der arme Heinrich".
_________________ Das Gedicht ist wahrscheinlich das einzige kulturelle Produkt, das zur Profitmaximierung völlig ungeeignet ist. Das ist Freiheit. Wunderbar.
Hans Magnus Enzensberger "Zu große Fragen" 1978 |
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Nina Dichterin
Beiträge: 5012 Wohnort: Berlin
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22.11.2010 16:25
von Nina
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ich liebe böll! was ist ein moderner dichter? einer, der nur klein schreibt?
_________________ Liebe tut der Seele gut. |
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bookwriter Wortedrechsler
Alter: 88 Beiträge: 84 Wohnort: Berlin
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22.11.2010 16:42
von bookwriter
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@ Nina: das ist eben die Frage, die mich umtreibt. Glaubst Du, dass Böll heute noch einen Verleger gefunden hätte ? Zweifel sind angebracht. Wenn auch nicht wegen der Kleinschreibung.
_________________ Das Gedicht ist wahrscheinlich das einzige kulturelle Produkt, das zur Profitmaximierung völlig ungeeignet ist. Das ist Freiheit. Wunderbar.
Hans Magnus Enzensberger "Zu große Fragen" 1978 |
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Nina Dichterin
Beiträge: 5012 Wohnort: Berlin
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22.11.2010 16:46
von Nina
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bookwriter hat Folgendes geschrieben: | @ Nina: das ist eben die Frage, die mich umtreibt. Glaubst Du, dass Böll heute noch einen Verleger gefunden hätte ? Zweifel sind angebracht. Wenn auch nicht wegen der Kleinschreibung. |
ja, das denke ich. er ist meister der leisen töne und versteht es dinge und themen auf eine ganz eigene art zu transportieren. das ist prosa, die sich nicht abnutzt, auch nicht zeitabhängig ist. empfinde ich jedenfalls so.
verallgemeinerungen und pauschalbezeichnungen machen es schwierig, finde ich. würdest du durs grünbein als modernen dichter bezeichnen? es gibt so viele lyriker. mir stellt sich die frage, was ein moderner dichter sein soll. jemand, der jung ist? jemand, der neues kreiert? jemand, der klein schreibt? der "aktuelle themen" behandelt? die differenzierung würde eine antwort leichter machen. aber so allgemein, finde ich das schwerlich möglich, eine antwort darauf zu finden, weil man sich quasi im luftleeren raum befindet.
_________________ Liebe tut der Seele gut. |
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Angst Scheinheiliger
A Alter: 33 Beiträge: 1571
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bookwriter Wortedrechsler
Alter: 88 Beiträge: 84 Wohnort: Berlin
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22.11.2010 17:47
von bookwriter
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Setze "leidenschaftliches Bemühen" in die dazugehörigen Anführungsstriche, lies die Schiller-Parodie als das, was sie ist und überfliege noch einmal den Eingangstext von mir, dann hast Du meine Antwort. Ohne Smiley.
_________________ Das Gedicht ist wahrscheinlich das einzige kulturelle Produkt, das zur Profitmaximierung völlig ungeeignet ist. Das ist Freiheit. Wunderbar.
Hans Magnus Enzensberger "Zu große Fragen" 1978 |
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Freier Baubiologe Gänsefüßchen
Beiträge: 23 Wohnort: An der Heide bei Celle
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25.11.2010 00:42 Modische Formspiele? Bookwriter von Freier Baubiologe
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Hallo Bookwriter, leider ich habe es auch nicht so mit den Formen.
Begründet durch nicht wissen, welches meist der Grund der Meisten modernen oder modischen Gedichte, wer weiß es schon, sein zu scheint.
Mein erstes Gedicht, vor kurzer Zeit geschrieben, hat nicht lange gebraucht, doch das Setzen der Zeichen mit all seiner Bedeutung, der Umbruch der Zeilen mit soviel Macht in der Betonung brauchte seine Zeit, denn es ist eine eigene Sprache, die zu erlernen nicht leicht ist.
Es wird einen weiteren Weg geben Gedichte zu verfassen, doch wir sollten erst mal den Vorhanden richtig erlernen. Für mich ist es wohl zu spät, doch vielleicht die jungen Hüpfer wenn sie denn wollen.
_________________ Der Welt wenig zu schaden ist mein Weg. |
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bookwriter Wortedrechsler
Alter: 88 Beiträge: 84 Wohnort: Berlin
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25.11.2010 09:49
von bookwriter
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Hallo, Freelancer, ich sehe das inzwischen so: wir eher unjungen Schreiber unterscheiden möglicherweise zwischen gutem , richtigem, korrektem und modernem Schreiben, wobei aber tatsächlich die modernen Dichter einem sehr einheitlichen Stil anhängen. An einen endgültigen Wegfall der Großschreibung könnte ich mich vielleicht noch gewöhnen - die deutschsprachigen Länder halten so ziemlich als letzte daran fest. Die anderen Spielchen mache ich nicht mit, auch wenn sie zur Regel geworden zu sein scheinen. Schade ist nur, dass man wohl bei lyrischen Wettbewerben automatisch rausfliegt, wenn man seine Beiträge in Garamond und korrekter Rechtschreibung einreicht. is nu ma so.
_________________ Das Gedicht ist wahrscheinlich das einzige kulturelle Produkt, das zur Profitmaximierung völlig ungeeignet ist. Das ist Freiheit. Wunderbar.
Hans Magnus Enzensberger "Zu große Fragen" 1978 |
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