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(Rom)Erfrorener Traum, 1.Kapitel

 
 
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LimeLuke
Gänsefüßchen
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Beiträge: 33
Wohnort: köln


L
Beitrag12.04.2006 18:33
(Rom)Erfrorener Traum, 1.Kapitel
von LimeLuke
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Hi,
ich hab eine Geschichte angefangen, die irgendwie immer länger und länger wird.
Es sollt eigendlich eine Kurzgeschichte werden, jetzt ist es aber schon ein kleiner Roman geworden.
Ich brauch mal eure Meinung. Liest es sich gut, oder schläft man fast ein dabei? Bzw. lohnt sich das weiterschreiben? Macht es neugierig, oder ist es nur Langweilig?
Hier kommt schon mal der Anfang.

Das Jahr 1845 hatte turbulent begonnen. Für mich jedenfalls.
Als mir Constance am Neujahrsmorgen den Brief mit dem vergoldeten Siegel der Royal Navy neben den Toast legte, blieb mir vor Erregung der Bissen im Halse stecken. Da bereits achtzehn Monate vergangen waren, seit ich den Mut gefunden hatte endlich meine Bitte um eine große Fahrt bei Sir Franklin vorzutragen, wäre ich nicht verwundert gewesen, hätte ich nie wieder etwas vom größten Navigator ihrer Majestät gehört. So nervös und unbeholfen wie ich mich vor ihn gestellt und ihm stammelnd meine Bewunderung entgegengebracht hatte, wäre ich auch nicht überrascht gewesen, hätte er mich schmunzelnd und einen Jungspunt nennend nach Hause geschickt.
Stattdessen erfuhr ich jetzt, da mir Constance inzwischen seinen Brief vorlas (ich selber konnte ihn kaum festhalten vor Anspannung), das ich ihn Sir John Franklin offenbar durchaus beeindruckt hatte.
So sehr, dass er mich hiermit herzlich einlud, ihm bei einer Eismeerexpedition im Namen der Krone als second Mate an Bord der HMS  Erebus zur Seite zu stehen, welche bereits am zwanzigsten Mai von Greenhithe in Kent aus in See zu stechen gedenke. Ich sollte für Lieutenant Robert O. Sergeant einspringen, der leider plötzlich erkrankt sei.
Man entschuldige sich für die Verspätung der Nachricht und hoffe auf eine pünktliche Ankunft meinerseits, da man bedaure, wegen der zu erwartenden Wetterlage nicht lange warten zu können.
Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen als ich dies hörte. Die große Nordlandfahrt. Es kam mir vor als sollte sich eben jetzt der Traum meines  Lebens erfüllen und allein diese Ahnung ließ mich taumeln vor Glück.
 Ich war noch ein Junge, als ich das erste Mal von Sir Franklin hörte.
Mein Vater legte als Vorsitzender des Justice Court von Edinburgh großen Wert auf die Bildung seiner Kinder und las daher mir und meinen Geschwistern regelmäßig aus den Veröffentlichungen der Royal Geographic Society vor, deren Mitglied er war.
So kam ich schon früh in den Genuss von Berichten über mutige Seefahrer und Entdecker, die immer zum Wohle des Empires mit ungeheurer Ausdauer den Naturgewalten trotzten. Franklins Reisen begeisterten mich dabei besonders.
Er war 1825, auf der Suche nach der geheimnisvollen Nordwestpassage, weiter in den Norden gereist als irgend ein Mensch vor ihm und die Zeitungen feierten ihn seitdem als den Mensch, der sollte es einen Seeweg von Europa nach Asien geben, diesen auch finden werde. Obwohl ich dies alles damals sicher nicht richtig verstand, war ich tief ergriffen von diesem Mann und seinem enormen Abenteuer. Für mich stand daher schon recht früh fest, dass ich zur See fahren musste, aber das mich eben dieser Held meiner Kindheit gut fünfzehn Jahre später einladen würde mit ihm zu kommen, hatte ich damals nicht zu träumen gewagt.
Constances Tonfall riss mich jäh aus meinen Gedanken. Sie hatte schon eine Weile mit dem Lesen aufgehört und mir anscheinend eine Frage gestellt. ââ?¬Å¾ Du solltest mit dem Packen anfangen . ââ?¬Å? Sagte sie steif und wandte sich zur Türe.
 Ã¢â?¬Å¾Du musst dich beeilen, sonst schaffst du es vieleicht gar nicht mehr. Von Edinburgh ausââ?¬Å? Als sie den Raum verließ, war mir als blitzten Tränen in ihren Augen.
Wir sahen uns erst am nächsten Morgen wieder.
Sie saß in der Küche am Fenster und winkte mir zu, wie ich in die Kutsche stieg. Sie lächelte .
In ihrem Blick lag etwas, was  für einen Moment den Wunsch in mir weckte ins Haus zurückzukehren um sie fest an mich zu drücken. Doch dann befiehl mich die  Angst, ich würde nicht wieder gehen wollen, sollte ich dies tun. Also winkte ich nur stumm zurück und hielt stand, bis die Kutsche auf die Straße rumpelte und sich die Bäume in unser Blickfeld schoben.
Mir wurde erst wieder  wirklich leichter zumute, als ich eineStunde später im Hafen ankam und schließlich das Deck der ââ?¬Å¾Delphinââ?¬Å? betrat, die mich nach Dover bringen sollte.
Ich hätte auch mit der Eisenbahn fahren können, die mittlerweile von Glasgow nach London nur eine Woche brauchte, wie die Leute erzählten. Ich war allerdings im letzten Jahr mit dem Zug nach York gereist und hatte feststellen müssen, daß mir die Reise in einem engen und stickigen Waggon alles andere als behagte.
Ich entschied mich daher für eine Seereise nach Kent. Bei gutem Wind sollte das mindestens genau so schnell funktionieren. So dachte ich jedenfalls.
Der Salzgeschmack auf den Lippen und das vertraute Schwanken unter den Füssen ließen mich tief durchatmen. So stand ich an der Rehling und beobachtete wie die Küste langsam zu einer schimmernden Linie auf den Wellen wurde. Ich war gebannt von dem Augenblick, an dem sich das Blau des Himmels mit dem der See trifft. Als ich schließlich den Blick abwandte, bemerkte ich  das sich ein Matrose zu mir gesellt hatte und mich schweigend betrachtete. Ich konnte nicht sagen wie lang er wohl schon da stand .
ââ?¬Å¾Sind sie Barnet ?ââ?¬Å? Fragte er und spuckte in die Nordsee. Ich nickte. ââ?¬Å¾Dann komm se mit, der Käpt´n möcht`se sehn.ââ?¬Å?
Er führte mich unter Deck, weit in den Bug des Schiffes hinein. Nach einer Weile kamen wir in den Lagerraum, in dem gerade ein kleiner Trupp  die Ladung festzurrte. Ein großer Mann mit Schlohweißen Haaren , auf der die Schirmmütze schwamm wie ein Schiff auf einem weißen Meer, legte den Riemen nieder, als er uns kommen sah und schritt grinsend und mit ausgestreckter Hand auf mich zu. ââ?¬Å¾Na, wenn das nicht ein Zufall ist. Kremser mein Name. Käpt´n  Kremser . Ich kannte ihren Vater. Richter Oliver Barnet. Richtig?ââ?¬Å? Ich nickte erstaunt.
 Ã¢â?¬Å¾ Ha. Ich sag`s ja immer die Welt ist klein. Ich hab dem Mann eine Menge zu verdanken. Ich wollt sie nur an Bord begrüßen. Mr. Barnet junior.ââ?¬Å? Ich schüttelte seine Hand. ââ?¬Å¾Danke Captainââ?¬Å? sagte ich freundlich. ââ?¬Å¾Das ist in der Tat ein Zufall. Ich war dermaßen in Eile als ich die Passage buchte, das mir ihr Name gar nicht weiter aufgefallen ist. Aber ich erinnere mich. Mein Vater hatt immer viel von ihnen gehalten.ââ?¬Å? Ich zeigte auf die restliche Ladung. ââ?¬Å¾Brauchen sie noch Hilfe beim festmachen Sir?.ââ?¬Å?
Der Bärtige brach in schallendes Gelächter aus. ââ?¬Å¾ Na, das hört man doch gerne.ââ?¬Å? Zu dem Matrosen der mich hergebracht hatte, fügte er zwinkernd hinzu. ââ?¬Å¾Auch wenn ichââ?¬â?¢s nicht ganz glauben kann.ââ?¬Å? Kremser bückte sich und reichte mir seinen Riemen. ââ?¬Å¾Ich sag selten nein, wenn mir einer ankommt und  Arbeit willââ?¬Å?.

Die Reise an Bord an Bord der ââ?¬Å¾Delphinââ?¬Å? verlief sehr angenehm und äußerst ruhig. Kremser erwies sich als ein erfahrener Captain mit einer humorvollen, offenen Art. Vor zwanzig Jahren war er, nach eigener Aussage einer der erfolgreichsten Schmuggler des Empires und es war wohl tatsächlich mein Vater gewesen, der ihm schließlich den Prozess gemacht hatte. Seit dem war er ehrlich geblieben. So behauptete er zumindest.
Während der vier Monate  und anderthalb Wochen, die wir nach Dover brauchten lud er mich Abends oft zu einem Whiskey in seine Kajüte ein und dort, nach dem zweiten oder dritten Glas sprudelten die Geschichten nur so aus ihm heraus. Er hatte sein Leben auf See verbracht und war unter vielen Kommandos gesegelt. Als er mir am Vorabend unserer Ankunft von seiner ersten Fahrt erzählte, wurde ich wieder von dem Taumel erfasst, den ich auch am Neujahrmorgen verspürt hatte.
Kremser trank in kleinen, gierigen Schlucken und berichtete wie er im Alter von elf Jahren als Schiffsjunge zu Captain George Vancouver auf die Discovery kam und mit ihm im Jahre 1792 nach der Nordwestpassage suchte. Ich lauschte gebannt und als der Captain verstummte um sich nachzuschenken, hob ich mein Glas und sagte feierlich: ââ?¬Å¾George Vancouver war ein großer Mann. Fürwahr, keiner war näher an der Passage dran als er. Außer Käpt´n Franklin vielleicht. Er hatt es noch gut fünfhundert Meilen weiter gebracht, 1825.ââ?¬Å?
Kremser fuhr zusammen und sein Blick wurde eisig . Dann kippte er seinen Drink ohne mit mir anzustoßen und meinte geringschätzig. ââ?¬Å¾Darauf trink ich nicht Bursche. Und ich sag dir auch warum. Du kannst es nämlich nicht wissen. Ich halte nicht viel von diesem Sir John Franklin. Den Mann der seine Schuhe as, nennt man den seit der Sache in Kanada Ist ein übler Bursche wenn du mich fragst. Den treibt der Ergeiz. ß?ble Sache. Dreimal hatt erââ?¬â?¢s probiert und dreimal hatt er ein Heidenglück gehabt. Käpt´n Vancouver hatt es letztlich drangegeben die Passage zu suchen und das war auch gut so. Die hatt schon manschen guten Mann gekostet das blöde Ding. Dämliches Hirngespinst wenn du mich fragst. Aber das mit dem großen Mann und so lass ich gern stehen.ââ?¬Å? Fügte er zwinkernd hinzu.
Ich verkniff mir mit einiger Mühe einen wütenden Kommentar und empfahl mich bald darauf.
Ich hatte keine Lust mich mit einem betrunkenen, alten Mann über Grundsätze zu streiten, denn auch Vancouver war nicht zuletzt durch Wagemut und Risikobereitschaft ans Ziel gelangt. Oder besser gesagt, er war nicht ans Ziel gelangt!
Er hatte aufgegeben die Passage zu suchen um statt dessen eine Karte zu zeichnen. In meinen Augen war das damals keine Größe mehr. Es war Resignation für mich und das wollte ich nicht verstehen.
Am nächsten Morgen kam Dover Castle in Sicht und bald darauf legten wir im Hafen an.
Obwohl ich die Fahrt im Großen und ganzen genossen hatte, war ich doch froh wieder festen Boden zu spüren. Es war die Erkenntnis, ich würde eine Weile darauf verzichten müssen die mich dies denken ließ.
Die Stadt hatte sich verändert seit meiner Zeit an der Akademie und letztlich musste ich mir eingestehen, das ich mich verlaufen hatte.



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Kleine Christel
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Beitrag16.04.2006 18:30

von Kleine Christel
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Leider interiesiere ich mich nicht besonders für Schiffe und so und deswegen hat mich die Geschichte nicht vom Hocker gehauen, was aber nicht an deiner Geschichte lag.
Ich finde du hast eine wirklich gute Wortwahl benutzt. Nicht so alltägliche Wörter sondern welche die eher weniger vorkommen.
Bis auf zwei drei Bandwurmsätze war die Geschichte wirklich super.
Sie weiter zu schreiben würde sich auf jedenfall lohnen.

Kleine Christel
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LimeLuke
Gänsefüßchen
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L
Beitrag16.04.2006 23:13

von LimeLuke
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Danke für deine Kritik Christel.
wie es aussieht wird es eine klassiche Abenteuergeschichte um Capt. Franklins letzte Arktisexpedition. Freut mich das es dir von der Sprache her gefällt, obwohl es nicht dein Ding ist.
Das mit der nicht alltäglichen sprache ist gewollt. Schön das es aufgefallen ist. Es wirkt hoffentlich nicht gekünzelt oder so.
Du meintest dir wären zwei Bandwurmsätze aufgefallen. Zu denen neige ich leider ein bisschen. Ich dachte die hätt ich alle getilgt. Hm. Weist du noch wo die waren?

bis dann.
LL
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Kleine Christel
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Beitrag17.04.2006 12:40

von Kleine Christel
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Hab sie noch gefunden

Zitat:
So sehr, dass er mich hiermit herzlich einlud, ihm bei einer Eismeerexpedition im Namen der Krone als second Mate an Bord der HMS Erebus zur Seite zu stehen, welche bereits am zwanzigsten Mai von Greenhithe in Kent aus in See zu stechen gedenke


Zitat:
Er war 1825, auf der Suche nach der geheimnisvollen Nordwestpassage, weiter in den Norden gereist als irgend ein Mensch vor ihm und die Zeitungen feierten ihn seitdem als den Mensch, der sollte es einen Seeweg von Europa nach Asien geben, diesen auch finden werde.


Ich glaube das waren sie.

Kleine Christel
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LimeLuke
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L
Beitrag18.04.2006 02:08

von LimeLuke
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Dankeschön.
hm mal kucken. Kann man vieleicht zwei draus machen.
Soll ich denn noch ein kapitel dranhängen ? Da kommen auch erst mal nicht so viele Schiffe vor. Very Happy

ll


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Kleine Christel
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Beitrag18.04.2006 14:52

von Kleine Christel
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Das wäre wirklich super zu wissen wie deine Geschichte endet.
Sehr gerne^^

Kleine Christel
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LimeLuke
Gänsefüßchen
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L
Beitrag19.04.2006 17:48

von LimeLuke
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Very Happy
Dann kommt jetzt noch ein kapitel.
Bis sie endet, wird es wohl leider noch etwas dauern Embarassed
 Es passiert noch eine ganze menge

Vieleicht schon mal soviel vorne weg:
Es geht wie gesagt um Capitain Sir John Franklins letzte  Arktisexpedition.(1845-1847) Es  ging dabei um die Entdeckung der Nordwestpassage. Der Seeweg von Europa nach Asien, durch das nördliche Polarmeer. Captain Franklin ist noch heute vor allem deshalb ein begriff, weil auf dieser letzten Fahrt, so ziehmlich alles schiefging, was schiefgehen konnte, inclusive Kanibalismus.
Man ist sich bis heute nicht wirklich sicher ist, wer sie denn jetzt letztendes gefunden hatt die Nordwestpassage. Franklin, oder der Suchtrupp der 1850 sein Grab fand. Das erste mal befahren wurde sie von Roald Amundsen, 1903-1906 und der bewies dann, daß sie für die Linienschiffahrt völlig unbrauchbar war.*g*
 
( Wenn es interessiert, hier stehts genauer: www. home.versanet.de/~m2bn0/Forscher/Franklin.)

bis dann Ll
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LimeLuke
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L
Beitrag19.04.2006 18:09
Kap 2
von LimeLuke
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Es dauerte fast den gesamten Tag, herauszufinden wie ich am Besten nach Greenhithe käme und die Dämmerung brach ein, als ich endlich in der Kutsche saß. Es war der Abend des zwölften Mai. Am zwanzigsten sollte es losgehen.
Mehr als genug Zeit eigentlich, um das kleine Fischerdörfchen am äußersten Zipfel Kents zu erreichen.
Trotzdem spornte ich zur Eile an und es sollte sich zeigen, das ich recht tat damit.
Als wir am neunzehnten in Greenhithe ankamen und die ungepflasterte Hauptstraße in Richtung Hafen entlangrumpelten, sah ich schon von weiten vier große Masten, welche die kleinen Hütten des Dorfes weit überragten und an denen schon vereinzelt Segel gesetzt wurden. Ich war ein wenig verwirrt, hatte ich doch noch einen ganzen Tag Zeit bis zur Abfahrt. Ganz zu schweigen davon, daß ich natürlich noch meine, wohl mittlerweile ein wenig mitgenommen wirkende, Reisekleidung trug und nicht wie für einen solchen Anlass angemessen, eine saubere Uniform. Ich befahl daher dem Kutscher die Peitsche zu schwingen.
Wir kamen schnell näher und schließlich war der Blick auf zwei mächtige Fregatten frei, die das winzig erscheinende Hafenbecken beinahe ausfüllten. Es hatte den Anschein, als hätte sich auf dem Kay das ganze Dorf versammelt, denn plötzlich war auch bereits kein Durchkommen mehr und wir mussten scharf bremsen. Also ließ ich mir meinen Seesack auf den Rücken laden und kämpfte mich energisch durch die Menge, bis ich schließlich vor dem Rumpf der Erebus stand und feststellen musste,  wie bereits die Taue gelöst wurden, die Ankerkette knirschte und zu allem ß?berfluss, gerade die Gangway eingezogen wurde.
Die Panik stieg in mir hoch und in einem Anfall blinder Verzweiflung schleuderte ich fluchend meinen Seesack die halbsenkrechtstehende Planke hinauf und rief man hätte jemand vergessen und solle um Gottes Namen warten.
Von Deck erklang ein Schmerzensschrei und die Gangway polterte krachend zurück auf den Pier. Nach einer kurzen Weile lag sie wieder sicher auf und ich beeilte mich an Bord zu kommen. Der Seesack hatte einen der Matrosen voll erwischt und von den Beinen geholt, was erklärte weshalb das Treiben an Deck erstarrt zu sein schien. Man hielt den Atem an, als ich mein Gepäck auffischte, dem armen Kerl auf die Beine half und eine Entschuldigung stammelte.
Von der Brücke näherte sich jetzt ein bärtiger Offizier und es kam wieder Leben in die Männer. Er forderte mit strengem Ton eine Erklärung welche ich ihm, ein wenig außer Atem, in Form von Franklins Brief überreichte. Er stellte sich mir als Lieutenant Fairholm vor, begrüßte mich schließlich an Bord und führte mich zu meinem Quartier.
Vierzig Minuten später, als das Dorf schon fast außer Sicht war,  stand ich endlich umgezogen und vom Staub der Straße befreit vor Captain John Franklin und erfuhr wie froh man sei das ich es doch noch geschafft hatte.
Er hatte durch sein Fernrohr den Horizont beobachtet und offenbar sich selbst und seine Umwelt vergessen , als ich die Brücke betrat und ihn schließlich ansprach denn er zuckte zusammen und sah mich aus wässrigen Augen einen Moment recht unwirsch an.
Dann erhellte vage Erkenntnis seinen Blick und er lächelte.
ââ?¬Å¾Lieutenant Perceval Barnet meldet sich zum Dienst Sir.ââ?¬Å? Sagte ich zackig und erwiderte das Lächeln. ââ?¬Å¾Ich bitte meine Verspätung zu entschuldigen, Sir, aber ich dachte heute sei erst der neunzehnte.ââ?¬Å?
Franklin schob das Fernrohr zusammen und lachte trocken auf. ââ?¬Å¾Erst ein mal, bin ich froh sie sehen Mr. Barnet. Sie haben ganz recht, heute ist der neunzehnte. Es wäre eine Schande gewesen ohne einen ersten Maat in See stechen zu müssen. Aber manchmal hatt man leider keine Wahl.ââ?¬Å? Ich muss wohl etwas verwirrt dreingeschaut haben, denn er fügte schnell hinzu: ââ?¬Å¾Wir sind einen Tag zu früh, aber darauf möchte ich gerne später genauer eingehen. Jetzt will ich sie erst mal den Offizieren vorstellen. Willkommen an Bord. ââ?¬Å?
Er reichte mir seine Hand und ich griff zu. Sein Händedruck war fest und sicher, dennoch meinte ich mir einzubilden ein leichtes Zögern zu spüren. Aber die hellen Augen sahen mich interessiert und herzlich an und so wischte ich meine Unsicherheit beiseite.
Der Captain löste sich schließlich und zeigte auf einen Offizier der gerade die Brücke betrat und den Mann am Steuerrad ablöste. ââ?¬Å¾James Fairholm kennen sie ja bereits. Das ist gut. Er ist mein persönlicher Ruderoffizier und ich habe sie ihm als zweiten Steuermann zugeteilt. Ich würde sie bitten sich mit ihm wegen der Einzelheiten abzusprechen. Kurs beihalten Mr. Fairholm. ââ?¬Å?
Der Bärtige nickte und warf mir einen schnellen blick zu. Es lag etwas Abwartendes darin, wollte mir scheinen.
Franklin war inzwischen weitergegangen. ââ?¬Å¾Hier haben wir meinen ersten Offizier Mr. Gore .ââ?¬Å? Wieder bekam ich einen  Blick zugeworfen. ââ?¬Å?Das ist Mr. LeVesconte der zweite Offizier und hier haben wir Last but not least, zwar keinen Offizier mehr, aber dafür aber den Leiter der Expedition, Mr. Fitzjames von der Society.ââ?¬Å?
Fitzjames lächelte kühl. ââ?¬Å¾Danke Captain.ââ?¬Å? Dann sah er zu mir und die Kälte wich einem breiten Grinsen. ââ?¬Å?Na, Sie können auch nicht leugnen wessen Sohn sie sind Barnet.ââ?¬Å? Seine Hand schoss vor wie der Hals eines wütenden Schwanes. ââ?¬Å?Ihr Vater und ich sind im gleichen Club, aber wir hatten bisher nicht das Vergnügen. Willkommen an Bord.ââ?¬Å?
Ich nickte und da mir nichts Gescheites einviel, lächelte ich nur etwas dümmlich und war dankbar als Franklin wieder das Wort ergriff. ââ?¬Å¾So So.ââ?¬Å? Sagte der Captain. ââ?¬Å?Ein Club also. Na wenn sie meinen James. Aber ich glaube nicht das Mr Barnett hier ist um über seinen Vater zu reden. Vielmehr, weil er großes leisten möchte, wenn ich recht verstanden habe das letzte mal. Nicht war Lieutenant ?ââ?¬Å?Ich nickte erfreut und wollte zu einer Antwort ansetzen, aber ich kam nicht dazu.
ââ?¬Å¾Na dann würde ich vorschlagen sie gehen ans Ruder und zeigen uns mal was sie so alles gelernt haben. Die Theorie kennen sie meinetwegen, aber bald müssten wir in den Kanal kommen und da möchte ich volle Fahrt machen. Das ist etwas anderes als gemütlich die Küste entlang zu kreuzen. Das werden sie zugegeben. Wir sind alle ziemlich gespannt wie sie so auf offener See zurechtkommen.ââ?¬Å? Er klopfte mir noch einmal beiläufig auf die Schulter dann wandte er sich ab und beachtete mich nicht weiter. So hielt ich also kurz darauf das Steuer in den Händen und bemühte mich umgehend auf die schnellen Befehle  zu reagieren, als die Errebus dichtgefolgt vom zweiten Schiff der HMS Terror die Straße von Dover verließ und mit vollen Segeln in den Ärmelkanal einfuhr. Ich konnte spüren wie sich die Strömung änderte und gegen das Ruder drückte, so daß ich Kraft aufwenden musste um den Kurs beizubehalten, den mir Gores raue Stimme mitteilte.
Franklin stand wieder an der Rehling und starrte durch sein Fernrohr. Von Zeit zu Zeit beugte er sich vor und gab dem ersten Offizier kurze Anweisungen , die wegen des Peitschenden Windes und der fliegenden Gischt kaum verständlich gewesen wären, hätte der Lieutenant sie nicht aus vollem Halse schreiend wiederholt.
Das war in der Tat etwas anderes als alle meine wenigen Seereisen zuvor, aber ich hielt mich tapfer und stemmte mich mit allem was ich hatte ins Ruder.
Ich weiß nicht mehr genau wie lange ich wohl da stand  in meiner Uniform, denn schon bald schien mir die Welt um mich herum mit ihrem Tosen und Brausen gedämpft und unwirklich. Mich überkam eine vertraute Ruhe, eine Art Entrücktheit.
Wenn man spürt, wie die eigenen Muskeln ausreichen um das Schiff zu beherrschen , dann ist es plötzlich fast leicht.
Auf meiner ersten Reise als Steuerman von den Shettlandinseln zurück nach Edingurgh, war unser Schiff in einen schweren Sturm geraten und dort hatte ich das erste Mal erleben können, was es bedeutet dem eigenen Geist und Körper vertrauen zu müssen. Nur mit Not hatten wir damals einen Hafen erreichen können, aber noch nie  hatte ich mich so lebendig gefühlt wie in diesen zwei Tagen des Sturms. Seit diesem Erlebnis ist es mir als geböte ich über die ganze Welt, wenn ich am Ruder stehe. Hier im Kanal zwischen England und Frankreich,  schlug mir der Wind die Gischt ins Gesicht und durchnässte mich bis auf die Knochen doch ich fand es wunderbar und so stand ich mit seligem Lächeln am Ruder und vergaß die Zeit. Als der Horizont sich bereits verdunkelte, bemerkte ich, daß ich mit Gore alleine auf der Brücke stand und mir wurde bewusst gute acht Sunden gestanden zu haben. Ich fühlte mich jedenfalls so.Mit dieser Erkenntnis meldete sich mein  prompt mein Magen und teilte mir durch ein schmerzhaftes Knurren mit, das eine baldige Pause und eine warme Mahlzeit eine sehr gute Idee seien. Der Zauber war vorüber; es viel mir immer schwerer mich zu konzentrieren und die Freude darüber das Schiff zu steuern wurde zur quälenden Pflicht. Als LeVesconte und ein Maat mit feuerroten Haaren, der sich mir als Sergeant Collins vorstellte die Brücke betraten um uns abzulösen, brannte mir jeder einzelne Muskel wie glühendes Eisen im Körper.
Collins reichte mir einen dampfenden Becher und übernahm das Ruder, während Gore, LeVesconte zur Seite nahm und mit ihm anfing zu tuscheln . Ich meinte das ein oder andere Mal meinen Namen zu hören.
ââ?¬Å¾Na, da haben `se ja die Feuertaufe überstanden. Fünfeinhalb Stunden am Ruder. Das ist gar nicht so übelââ?¬Å? Collins lächelte mich an und lenkte meine Aufmerksamkeit von den beiden flüsternden Offizieren auf sich. Er musterte spöttich meine triefende Kleidung. ââ?¬Å¾ Jetzt schaun`se aber mal schleunigst, das `se unter Deck und in `ne trockene Uniform kommen. Jungchen, der Captain läd  nämlich alle Offiziere zum Diner ein. In seiner Kajüte.ââ?¬Å? Er blickte mürrich zum Mimmel auf.ââ?¬Å?Alle bis auf uns armen Schweine und wie ich das sehe wird das sehr bald auch noch zu regnen anfangen.ââ?¬Å?Ich wollte gerade zu einem Sherz über das Wetter ansetzen, als mich LeVescontes scharfe Stimme  innehalten ließ. ââ?¬Å?Was stehen sie hier noch herrum Lieutenant? Ihre Wache ist beendet. Sie werden vom Captain erwartet und sie sollten ihn nicht warten lassen, da er ja so große Stücke auf sie hält.ââ?¬Å?
Er schaute mir nach als ich die Brücke verließ, das konnte ich spüren.


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