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Marc und Leandro (Teil 1)


 
 
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AlexisC
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 17



Beitrag03.05.2009 16:08
Marc und Leandro (Teil 1)
von AlexisC
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Die Sonne scheint hell und warm durch die Fenster und kitzelt meine Augenlider. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich, ich hätte verschlafen, doch als ich ihn ruhig neben mir atmen höre, räkele ich mich genüsslich und rolle mich an seine Seite.

Es ist Sonntag morgen.
Keine Eile, aufzustehen.

Ich schmiege meine Nase an seinen nackten, warmen Oberkörper. Er riecht nach Schlaf, Sex und Pacco Rabanne. Ich hatte ihm den Duft von meiner letzten Geschäftsreise mitgebracht. Der letzten, bevor Kay unser Leben auf den Kopf stellte.

Meine Hände wühlen sich durch die Bettdecke, hin zu seinem Bauch. Warm, weich und hart fühlt er sich unter meinen Händen an. Es sind diese Sekunden der Nähe, in denen ich mich zu Hause fühle. In denen die ständige Unruhe in mir verstummt und das Gefühl, mich im Leben immer wider beweisen zu müssen, zu einer Nebensächlichkeit verpufft.

Ich blinzele gegen das Sonnenlicht an und mustere ihn. Er ist wunderschön. Selbst nach zehn Jahren noch, kann ich meinen Blick nicht von ihm lassen. Meine Augen folgen ihm, wenn er durch den Raum geht. Sie bleiben stehen, wenn er stehen bleibt und sie kommen zu Ruhe, wenn er neben mir steht, sitzt oder liegt.

Dann und nur dann habe ich dieses Gefühl der Vollkommenheit. Dieses satte Gefühl der Zufriedenheit. Und wenn er mich ansieht weiß ich, dass dieses ziehende, manchmal stechende Gefühl im Herzen erwidert wird und so pathetisch es klingt, das ist es, was mich erfüllt und was meinem Leben einen Sinn gibt.

Wir trafen uns vor zehn Jahren unter weniger glücklichen Umständen. Ich war Aktienhändler – bin es immer noch. Damals allerdings war ich Broker an der Börse und es war der Schwarze Freitag, an dem wirklich alles in die Binsen ging.

Es fing in New York an, zog sich über Europa bis hin nach Asien und innerhalb weniger Tage jagte eine Schreckensmeldung die andere. Ganze Firmenimperien stürzten. Alteingesessene Unternehmen gingen Bankrott und innerhalb weniger Monate verloren Hunderttausende ihren Job.

Ich auch.
Die Bank, in der ich arbeitete, war einer der ersten, die diesem ganzen Wahnsinn zum Opfer fiel. Ich vermute, meine Kollegen und ich waren nicht ganz unbeteiligt – aber wir haben schließlich nur unseren Job getan. Wir haben Gelder gehortet, vermehrt – und verspekuliert.

Zwei Tage, nachdem ich meine persönlichen Habseligkeiten aus dem Firmengebäude nach Hause getragen hatte, wachte ich Nachts mit stechenden Schmerzen in der Brust auf.
Ich nahm eine Aspirin, legte mich wieder hin, doch als ich zwei Stunden später kaum noch atmen konnte, rief ich einen Krankenwagen.

Als der Notarzt eintraf, war ich schweißgebadet und hyperventilierte. Das einzige, was ich wahrnahm, war ein Paar brauner Augen, die mich besorgt musterten und eine weiche, warme Stimme, die in ein Funkgerät sprach und die Trage anforderte.

Dann wurde alles schwarz.

Ich wachte Stunden später im Krankenhaus auf. Mein ganzer Körper fühlte sich wattig an. Meine Zunge war auf die doppelte Dicke angeschwollen und mein eigener Mundegeruch widerte mich an.
Aber ich war zu erschöpft, um mich auch nur einen Millimeter zu bewegen – und selbst wenn ich gewollt hätte – ich hätte es nicht gekonnt. In meiner rechten Vene steckte eine Infusion, und die Finger meiner linken Hand waren an Überwachungsgeräte angeschlossen.

Ich hatte keine Ahnung, was mit mir los war – und die Angst kroch zurück und mit ihr fingen die Monitore an zu piepsen.

Ich schloss die Augen und atmete flach durch den Mund, bis ich hastige Schritte auf dem Linoleumboden hörte. Eine freundliche Stimme sprach beruhigend auf mich ein. Ich erinnerte mich an den Laut.

Warm, weich, ein wenig rau – und ich öffnete die Augen.

Marc stand über mir.
Ich wusste damals nicht, dass er so heißt. Ich war viel zu verängstigt und viel zu gestresst, um das Namensschild an seinem weißen Kittel überhaupt zu bemerken.

Aber seine braunen Augen – sie beruhigten mich. Und ich hörte ihm zu.
Sanft erklärte er mir, dass er mir jetzt noch mal ein Sedativum spritzen würde, um mich zu beruhigen und morgen... morgen würde er mit mir alles weitere besprechen, was zu meiner Genesung notwendig wäre.

Ich erfuhr in den kommenden Tagen, dass mein Körper dem Stress der letzten Wochen und Monate kapitulierend nachgegeben hatte.
Ich hatte Raubbau betrieben mit meinem Körper. Zu wenig Schlaf, zu wenig Essen – ich war nur knapp einem Herzinfarkt entkommen.

Ich war damals verdammte fünfundzwanzig Jahre alt, arbeitslos und körperlich am Ende !

Marc kam in der ersten Woche jeden Tag zur Visite, redete mit mir, fragte mich vorsichtig aus und  es dauerte nicht lange und die wenigen Minuten seiner Zeit wurden zu den wichtigsten meines ganzen Tages.

In der zweite Woche hatte er frei und am Montag der dritten Woche wurde ich entlassen, ohne ihn noch einmal gesehen zu haben.

Vergessen konnte ich ihn nicht. Seine braunen Augen und seine Stimme verfolgten mich bis in den Schlaf, doch ich machte mir keine Illusionen, ihn noch einmal wider zu sehen.

Und tatsächlich sollten sechs Monate vergehen, bis wir uns wieder gegenüber standen.

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andrea jutta
Geschlecht:weiblichWortedrechsler
A


Beiträge: 68
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A
Beitrag03.05.2009 17:45
Re: Leonardo und Marc
von andrea jutta
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Hallo AlexisC,

schön geschrieben. Du hast den Protagonisten charakterlich ganz gut dargestellt. Auch ein Mensch, der so einen knallharten Jobs hat wie der "Broker" in deiner Geschichte sucht die Nähe zu einem anderen Menschen, um einen wirklichen Sinn in seinem Leben zu sehen.

Mal sehen wie´s weitergeht.

Viele Grüße

Andrea
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Hoody
Geschlecht:männlichExposéadler


Beiträge: 2273
Wohnort: Alpen


Beitrag03.05.2009 18:00

von Hoody
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Hallo AlexisC.
Man merkt das du schon Erfahrung hast, also sehe ich so zumindest.
Ist zwar nicht ganz mein Genre, jedoch konnte ich alles flüssig lesen. Die Figur war mir sympathisch.
Gerne mehr =)


lg Hubi


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Nennt mich einfach Hubi oder J-da oder Huvi : D

Ich bin wie eine Runde Tetris. Nichts will passen.

"Ein schlechter Schriftsteller wird manchmal ein guter Kritiker, genauso wie man aus einem schlechten Wein einen guten Essig machen kann."
Henry de Montherlant

"Wenn die anderen glauben, man ist am Ende, so muss man erst richtig anfangen."
Konrad Adenauer
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Telani
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 37
Beiträge: 174



Beitrag03.05.2009 18:44

von Telani
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Hey Alexis!

Wirklich schön zu lesen, sehr flüssig und bildlich. Vorallem finde ich es vielversprechend, dass du eine Geschichte über ein Homosexuelles Pärchen schreibst, das trauen sich nicht viele. Aber ich finde dein Mut sollte belohnt werden, also auch von mir ein Lob für die schöne Einleitung.

Kannst du mir auch verraten wie lange du an diesem Text/ an dieser Geschichte schon arbeitest?

LG Telani!


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AlexisC
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 17



Beitrag03.05.2009 18:54

von AlexisC
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Vielen Dank Telani - und allen anderen. Ich freue mich, dass Euch der Einstieg gefällt.

Das ganze ist eine Kurzgeschichte von insgesamt 10 Seiten und ich wollte erst alles auf einmal posten, las dann aber den Hinweis von maximal 500 Wörtern pro Post und hab's mir dann anders überlegt Wink.

Telani, die Geschichte ist fertig geschrieben und ich habe an der ganzen Geschichte ca. vier Stunden geschrieben - es war ein Sonntagswerk, sozusagen Wink.

Ich schreibe - im Augenblick - nur Geschichten mit m/m-Protagonisten. Wie ich in meiner Vorstellung schon geschrieben habe, die Mann-Frau-Konstellation hab ich jeden Tag zu Hause und sie reizt mich literarisch gesehen nicht... Smile.
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AlexisC
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 17



Beitrag09.05.2009 08:41
Marc und Leandro (Teil 2)
von AlexisC
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Ich hatte gesundheitlich gute Fortschritte gemacht, fühlte mich so gut wie schon lange nicht mehr. Ich ging jeden Tag ins Fitness-Studio, machte lange Spaziergänge und mein Hausarzt zeigt sich bei meinen wöchentlichen Kontroll-Besuchen zufrieden. Ich war auf dem Weg zur Normalität.

Äußerlich.

Innerlich war ich zerrissener und unzufriedener denn je.
Meine Arbeitslosigkeit machte mir mehr zu schaffen, als ich mir eingestehen wollte. Ich war nicht zur Untätigkeit geboren. Mein ganzes Leben lang war ich aktiv gewesen, hatte meinen Tagesablauf fest im Griff – und auf einmal war ich mehr oder weniger zum Nichtstun gezwungen und hatte nur mich selbst, um mich zu beschäftigen.

Ich konnte damit nicht umgehen.
Und ich hatte niemanden, der mich hätte auffangen konnte.

Zu meiner Familie hatte ich kaum Kontakt.
Ich war der einzige, der es bis zur Universität geschafft hatte. Ein Stipendium ermöglichte mir ein Auslandsjahr in New York – und als ich zurück kam und von der Welt der Banker und Börsianer träumte, hatte ich den Faden zu meiner Familie verloren.

Oder sie zu mir – ich weiß es nicht.
Vermutlich ist es auch egal.

Meine beruflichen Erfolge wurden mit einem Kopfnicken zur Kenntnis genommen, mein Schwulsein mit einem Stirnrunzeln und dem subtil vermittelten Gefühl persönlicher Enttäuschung. Ich passte nicht mehr in das Weltbild meiner Eltern, die es auch in der zweiten Generation italienischer Einwanderer nicht geschafft hatten, sich eigene Träume aufzubauen. Sie fühlten sich ähnlich entwurzelt wie ihre Eltern, mit dem Unterschied, dass meine Großeltern wussten, wo ihre Heimat war. Meine Eltern lebten in einem Grenzland, einem Stück Niemansland und ich glaube, sie haben immer gehofft, dass ihre Kinder ihnen irgendwann das Gefühl der Heimat und Zugehörigkeit vermitteln, wenn sie selbst eine Familie gründen.

Einen homosexuellen Sohnes zu haben, sprengte die Vorstellungskraft meiner Eltern – und meine Schwester hat, soweit ich weiß, einen Sizilianer geheiratet und ist nach Italien zurück gegangen.

Meine Eltern sind zerrissen und heimatlos geblieben.

Und ich konnte den Verdacht nie ganz abschütteln, dass sie insgeheim darauf warteten, dass ich strauchelte. Vielleicht glaubten sie, dass mein berufliches Versagen uns wieder näher bringen würde, dass es uns vereinen könnte in dem Gefühl der Bodenlosigkeit, den ein persönlicher Schicksalsschlag mit sich bringt.

Aber vielleicht ist das auch nur Wunschdenken von mir.

Als sie in den Nachrichten hörten, dass mein Arbeitgeber als erstes Unternehmen Bankrott angemeldet und alle Angestellten von eben auf jetzt ohne monatliche Lohntüte ins Leben entlassen hatte, riefen sie mich an.

Das erste Mal seit vielen, vielen Monaten.
Der nur halbherzig verhüllte Triumph in der Stimme meines Vaters schmerzt mich noch heute, doch es war die Warnung meiner Mutter, jetzt ja nicht nach Hause zu kommen, und um finanzielle Unterstützung zu betteln, die mich bis ins Mark erschütterte.

Finanzielle Unterstützung hatte ich nicht nötig. Geld war das einzige, was ich im Überfluss hatte – nur, ich wusste nichts damit anzufangen.

Ich war alleine und nach sechs Monaten Perspektivlosigkeit hatte sich eine Einsamkeit in meiner Brust festgefressen, die es mir schwerer und schwerer machte, morgens aufzustehen und mein tägliches Fitness-Programm abzurufen.

Ich wusste nicht mehr wofür und warum ich für mich sorgen sollte, wenn niemand da war, den es interessierte.

Mit anderen Worten, ich schlitterte in eine handfeste Depression, als ich am morgen meines sechsundzwanzigsten Geburtstages aufwachte.

Ich hatte mir zu meinem Ehrentag einen Einkaufsbummel geschenkt und trottete halbherzig durch die österlich geschmückten Läden, als mir in der Einkaufsstraße ein Flyer in die Hand gedrückt wurde. Ich reagierte mechanisch, nahm ihn mit und versenkte ihn in einer der Einkaufstüten – nur um dann zu Hause mit Verwunderung drauf zu schauen.

Ich konnte mich nicht mehr erinnern, ihn überhaupt eingesteckt zu haben.

Ich weiß noch genau, dass ich gedankenverloren auf den Zettel starrte und in meinem Glas Wasser rührte, in dem ich Vitaminpulver auflöste. Ich konnte mich immer noch nicht dazu überwinden, täglich Obst und Gemüse zu essen... Die nötige Energie für den Körper zu trinken schien mir angenehmer - und ökonomischer.

Der Flyer bewarb die „Happy Hour“ in einer neu eröffneten Schwulenbar an diesem Abend. Warum der Typ in der Stadt ausgerechnet mir den Flyer in die Hand gedrückt hatte, weiß ich bis heute nicht und es wird für immer eines jeder schicksalhaften Zufälle sein, die das Leben manchmal bestimmen und in eine völlig andere Richtung lenken.

Ich hatte im Prinzip überhaupt keine Lust, unter Leute zu gehen. Ich fühlte mich in den letzten Tagen und Wochen zunehmend wertlos und unnütz und hatte einen Punkt im Leben erreicht, wo ich mich selbst als ein faulendes Glied in einer Kette betriebsamer Mitmenschen ansah, deren Arbeitskraft das soziale Gefüge am Leben hielten und deren Einkommen das Bruttoinlandsprodukt stärkten.

Ich hortete nur, was ich noch hatte, war gesund und willens zu arbeiten – aber ohne Ideen und Perspektiven. Es schien mir so, als sei sämtliche Luft aus mir gewichen mit dem Tag meiner Einlieferung ins Krankenhaus.
Und ich hatte keine Ahnung, wie ich aus diesem Teufelskreis wieder heraus kommen sollte.

Doch an diesem Tag hielt mich das Wort „Happy“ auf dem Flyer in seinem Bann.

Es war schließlich mein Geburtstag – und selbst ich hatte mir wenigstens eine glückliche Stunde im Jahr verdient...

Ich bestätigte mir selbst, dass ich mit niemandem würde reden müssen, wenn ich nicht wollte und gestand mir zu, nach einer Stunde wieder zu gehen – und ehe ich mir selbst eine Ausgangssperre verhängen konnte, fand ich mich vor dem mannshohen Spiegel in meinem Schlafzimmer wieder und musterte kritisch mein Erscheinungsbild.

Ich bin schlank und hochgewachsen. Nicht wirklich hübsch oder schön im eigentlichen Sinne. Interessant, vielleicht. Eher durchschnittlich, würde ich sagen. Ich habe eine tiefe, dunkle Stimme, schwarze Haare und helle Haut. Mein Gesicht ist kantig und wirkt hart und unnahbar, wenn man mich nicht kennt.

Vermutlich ist es der Schatten meiner schwarzen Bartstoppel, der immer durchschimmert – egal, wie gründlich ich mich rasiere. Oder es sind die stahlblauen Augen, von denen niemand aus der Familie sich deren genetischen Ursprung erklären kann.

Ich halte mich nicht für jemanden, der Blicke auf sich zieht und ich entspreche in keiner Weise dem Bild des typischen Italo-Mannes.
Außerhalb meiner Komfort-Zone bin ich eher unsicher und ruhig. Ich sage nicht viel und das, was ich von mir gebe ist wohl überlegt und selten Small-Talk tauglich. Ich bin vorsichtig, vertraue nur selten jemandem.

Ich hatte damals wenige Freunde und noch weniger Bekannte – und das war der Grund, weswegen ich am Abend meines Geburtstages meine Penthouse-Wohnung alleine verließ und genauso alleine die Bar betrat, in der die „Happy Hour“ auf mich wartete, die mir im Flyer so werbewirksam schmackhaft gemacht worden war.
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Jocelyn
Bernsteinzimmer

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Das Silberne Fahrrad Ei 1



Beitrag09.05.2009 13:36

von Jocelyn
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Hallo Alexis,

ich lese deine Sprache sehr gerne, du hast einen klaren, ehrlichen Stil und bist dabei feinsinnig, psychologisch und kommst "intelligent" (ich mag dieses Wort eingentlich als beschreibendes Attribut nicht so dolle...) rüber, ich werde die Geschichte gerne weiterlesen.

Caecilia


_________________
If you dig it, do it. If you really dig it, do it twice.
(Jim Croce)

Die beständigen Dinge vergeuden sich nicht, sie brauchen nichts als eine einzige, ewig gleiche Beziehung zur Welt.
(Aus: Atemschaukel von Herta Müller, Carl Hanser Verlag, München 2009, Seite 198)

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Hoody
Geschlecht:männlichExposéadler


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Wohnort: Alpen


Beitrag09.05.2009 13:56

von Hoody
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Kann mich Ceacilia nur anschließen.
Mir gefiel ja schon der erste Text gut der zweite ist auch richtig gut.
Freue mich auf mehr.

lg Hubi


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pripri
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Beitrag09.05.2009 15:19

von pripri
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Hallo Alexis

Ich kann mich meinen Vorschreibern nur anschliessen. Der Text gefällt mir wirkich gut, und das, obwohl ich mich sonst eher kaum für zeitgenössische Themen begeistern kann.
Aber vielleicht, weil ich ähnliche Begebenheiten aus meinem privaten Umfeld her kenne, spricht er mich besonders an und ich bin gespannt darauf, wie's weiter geht.  Daumen hoch

lg pripri
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AlexisC
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 17



Beitrag11.05.2009 11:59

von AlexisC
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Vielen Dank Euch alles !
Freut mich, dass Ihr Spaß an der geschichte habt.
Den nächsten teil gibts dann am Wochenende Wink.

Euch eine schöne Woche - meine hat extrem stressig angefangen...  Sad
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AlexisC
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 17



Beitrag15.05.2009 11:21

von AlexisC
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Der Lärm, der mir entgegen schallte, ließ mich sekundenlang taumeln. Karibische Rhythmen, die sich mit dem Wummern von Techno-Klängen ablösten.
Stimmengewirr, Lachen, schrille Farben... Männer, soweit das Auge reichte.

Ich schluckte.
Was für ein Kontrast zu der Stille der letzten sechs Monate !

Ich tastete mich zur Bar vor. Und mit jedem Schritt, den ich tiefer in diese Party eintauchte, schien es mir, als würde dieser wertlose, trockene, tönerne Kokon, in dem ich fühlte zu ersticken, von mir abplatzen.

Es war ein befreiendes Gefühl – aber eines, das mir Angst machte, weil ich nicht wusste, was ich damit anfangen sollte.

Mit zitternden Beinen setzte ich mich auf einen der Barhocker, bestellte mir einen Whisky, exte ihn und ließ ihn sofort durch einen Doppelten ersetzen.

Das warme, schwummrige Gefühl im Magen beruhigte mich ein wenig, als ich in die bernsteinfarbene Flüssigkeit vor mir starrte und überlegte, was ich als nächstes tun sollte.

Ein freundschaftlicher Knuff in die Seite und ein „Hey Leandro! Wie geht es dir?“ katapultierte mich aus meinen ergebnislos kreisenden Gedanken und überrascht sah ich auf.

Marc stand neben mir und grinste mich an.
Marc...!

Ich öffnete den Mund – und brachte keinen Ton heraus.

„Marc“, stellte er sich vor und hielt mir die Hand hin. „Wir kennen uns...“

„...aus dem Krankenhaus“, beendete ich murmelnd seinen Satz und ergriff seine Hand.

Seine Haut kribbelte auf meiner und die Wärme seiner Hand schien sich durch meine Handfläche zu bohren, als wir uns in die Augen sahen.

Ich hatte nicht gedacht, ihn je wieder zu sehen – und ihn in einer Schwulenbar zur Happy Hour zu treffen, erscheint mir selbst im Nachhinein noch wie der buchstäbliche Sechser im Lotto.

Ich meine, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, in einer Millionenstadt wieder aufeinander zu treffen – am gleichen Tag, zur gleichen Zeit, am gleichen Ort?

Und noch heute wird mir schlecht, wenn ich daran denke, wie kurz ich davor war, an diesem Abend meine Wohnung nicht zu verlassen.

Irgendwann ließen wir uns los, räusperten uns verlegen, bestellten noch zwei weitere Drinks – und ehe ich mich versah, unterhielten wir uns über Gott und die Welt.

Wir lachten, tranken – und später am Abend forderte er mich zum Tanzen auf. Ich werde noch heute rot, wenn ich daran denke...

Ich kann nicht tanzen.
Rhythmus liegt mir nicht im Blut – sehr zur nie enden wollenden Erheiterung von Marc, der der festen Überzeugung ist, das feurige Blut der Italiener müsse irgendwo auch in mir schlummern.

Ich glaube, nach zehn Jahren und einigen blauen Zehen hat er die Suche danach aufgegeben – dennoch... an manchen Abenden, wenn wir in der richtigen Stimmung sind, tanzen wir.

Es ist dann mehr ein engumschlungendes Stehen auf einem Fleck und es ist Marcs Hüfte, die sich dem Rhythmus der Musik beugt und sanft im Takt schwingt – aber es sind unsere Hände, die über den Rücken des anderen gleiten, unsere Gesichter, die sich aneinander schmiegen und die Hitze unserer Körper, die sich nahe sind und diese Minuten unvergesslich werden lassen.

An diesem Abend jedoch, ähnelte es mehr einem plumpen Zueinander finden und nach einigen Liedern, Lachen auf Marcs Seite und hochrot gestammelten Entschuldigungen meinerseits hatte er ein Einsehen und erlöste mich von meiner Schmach.

Als er mich von der Tanzfläche führte, hielt er meine Hand und als wir später gemeinsam die Bar verließen, brachte er mich zu meinem Auto, küsste mich auf die Wange und steckte seine Visitenkarte in meine Gesäßtasche.

„Ruf mich an“, wisperte er mir ins Ohr – und weg war er.

Ich brauchte weitere fünf Tage und die Aussicht auf ein einsames Wochenende, bis ich den Mut hatte, seine Nummer zu wählen – und dann ging auf einmal alles wie von selbst.

Wir gingen am Freitag Abend gemeinsam essen, am Samstag Abend ins Kino und am Sonntag kam er zum Frühstück zu mir. Er blieb bis Montag morgen, drückte mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn als er mein Bett verließ, um ins Krankenhaus zu fahren - sein Sperma als krustige Überreste und Erinnerung an eine stürmische Nacht auf meinem Bauch.

Montag Abend rief er mich an.

Am Dienstag besuchte ich ihn in seiner Mittagspause, am Donnerstag kam er zum Frühstück – und sechs Monate später zog er bei mir ein.

Seit dem ist er der Mann an meiner Seite.

Vor zwei Jahren haben wir unsere Partnerschaft als offizielle Partnerschaft eintragen lassen.

Marc hat mittlerweile seinen Facharzt gemacht und seine eigene Praxis eröffnet. Er ist Kinderarzt – einer der besten. Spezialisiert auf die Nachbehandlung von Frühchen. Besorgte Eltern kommen von überall, um ihre Kinder von ihm untersuchen zu lassen und die Liste dankbarer Familien wird täglich länger.

Ich selbst bin Aktienhändler geblieben – aber ich arbeite seit Jahren von zu Hause. Ich habe es nie mehr zurück in die Welt der Banken geschafft – und nachdem ich Marc kennen gelernt hatte, hat diese Welt für mich auch vollends den Reiz verloren.

Ich sehe jeden Tag, wie viel Gutes er tut und wie sehr seine Arbeit Menschen hilft – manchmal erscheint mir mein Job dagegen so... bedeutungslos.

Doch es ist das, was ich gelernt habe, worin ich gut bin – und ich habe nicht mehr den Ehrgeiz, etwas anderes zu tun. Ich verdiene gut, habe meine Beschäftigung – aber mein Job ist schon lange nicht mehr mein Leben.
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Jocelyn
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Beitrag15.05.2009 11:45

von Jocelyn
Antworten mit Zitat

AlexisC hat Folgendes geschrieben:

Marc hat mittlerweile seinen Facharzt gemacht und seine eigene Praxis eröffnet. Er ist Kinderarzt – einer der besten. Spezialisiert auf die Nachbehandlung von Frühchen. Besorgte Eltern kommen von überall, um ihre Kinder von ihm untersuchen zu lassen und die Liste dankbarer Familien wird täglich länger.

Ich selbst bin Aktienhändler geblieben – aber ich arbeite seit Jahren von zu Hause. Ich habe es nie mehr zurück in die Welt der Banken geschafft – und nachdem ich Marc kennen gelernt hatte, hat diese Welt für mich auch vollends den Reiz verloren.

Ich sehe jeden Tag, wie viel Gutes er tut und wie sehr seine Arbeit Menschen hilft – manchmal erscheint mir mein Job dagegen so... bedeutungslos.

Doch es ist das, was ich gelernt habe, worin ich gut bin – und ich habe nicht mehr den Ehrgeiz, etwas anderes zu tun. Ich verdiene gut, habe meine Beschäftigung – aber mein Job ist schon lange nicht mehr mein Leben.


Also: Ende gut, alles gut.


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(Aus: Atemschaukel von Herta Müller, Carl Hanser Verlag, München 2009, Seite 198)

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AlexisC
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Beitrag15.05.2009 11:51

von AlexisC
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ja - aber es kommt noch ein bisschen mehr von der Geschichte... Wink
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Jocelyn
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Beitrag15.05.2009 11:57

von Jocelyn
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Das ist super, Caecilia

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Matt Gambler
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Beitrag15.05.2009 16:01

von Matt Gambler
Antworten mit Zitat

Bevor ich anfange sei dir gesagt, dass ich nur Texte auf diese Art und Weise kritisiere, die mir wirklich gut gefallen. Und damit meine ich nicht "wirklich gut" sondern viel mehr "aus der Menge herausragend". In meinen Augen trifft das auf diesen hier zu, sogar in einer so erlesenen Menge wie hier im Forum.
Die Dinge die ich kritisiere sind alles was ich finden konnte. Und ich hab mir echt Mühe gegeben Sachen zu finden. wink Also wenn ich dieses oder jenes bekrittele sieh es nicht wirklich als Kritik als eher einen Versuch ein ohnehin ausgezeichnetes Werk noch ein Fizzelchen besser zu machen. Schreib ein Buch und ich kauf es.


Zitat:
Ich hatte ihm den Duft von meiner letzten Geschäftsreise mitgebracht. Der letzten, bevor Kay unser Leben auf den Kopf stellte.


Einzig wirklich störendes Element (falls das nicht im weiteren Verlauf noch ausgeglichen wird): Kay wird einmal erwähnt und dann (bis jetzt) nie wieder. Hoffe das ändert sich noch.

Zitat:
Ich war damals verdammte fünfundzwanzig Jahre alt, arbeitslos und körperlich am Ende !


Im Zusammenhang mit deiner sonstigen Erzählstruktur, die ich sehr schön, fließend und - wie schon früher genannt wurde - intelligent beschreiben würde, mag ich dieses Rufzeichen nicht. Ist vielleicht Geschmackssache, ich mag Ausrufezeichen wirklich nur dann, wenn was gerufen wird. Egal.

Zitat:
Meine beruflichen Erfolge wurden mit einem Kopfnicken zur Kenntnis genommen, mein Schwulsein mit einem Stirnrunzeln und dem subtil vermittelten Gefühl persönlicher Enttäuschung.


Ich hab ein bisschen die Stirn gerunzelt, dachte mir "Der Autor ist wohl wirklich hetero".  Zumindest in meinen Augen ist der Begriff "schwul" sehr negativ behaftet, ich hätte es vielleicht eher als Zuneigung oder Liebe zu Männern bezeichnet, vielleicht auch als "meine Andersartigkeit", etc. Ist aber wie so vieles in diesem Text vermutlich nur Geschmackssache.

Zitat:
Vermutlich ist es der Schatten meiner schwarzen Bartstoppel, der immer durchschimmert – egal, wie gründlich ich mich rasiere. Oder es sind die stahlblauen Augen, von denen niemand aus der Familie sich deren genetischen Ursprung erklären kann.


Vermutlich ist es? Vermutlich ist es was?

Zitat:
als er mein Bett verließ, um ins Krankenhaus zu fahren - sein Sperma als krustige Überreste und Erinnerung an eine stürmische Nacht auf meinem Bauch.


Keine Kritik, find ich schön. Auch wenns mir zuerst ein wenig (schwer zu bekämpfendes) Widerstreben eingeflößt hat, man spürt auch, wie der Protagonist zu dieser Impression steht. Du spielst damit und bringst gleichzeitig mich dazu, drüber nachzudenken. Nochmal, gefällt mir sehr sehr gut.

Zitat:
Spezialisiert auf die Nachbehandlung von Frühchen


Frühchen? Noch nie gehört... Mein guter Freund Wiki hat mir gleich erklärt, dass damit Frühgeburten gemeint sind aber da frag ich mich doch: Ist das ein typisch deutscher Begriff? Kennt den in Deutschland (bin aus Österreich) jeder, oder...?


So, mehr war da nicht was man in meinen Augen besser machen könnte. Bin schon sehr auf Kai gespannt! wink

greez

Matt


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Ich will der Wind sein. Irgendwann.
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AlexisC
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Beiträge: 17



Beitrag17.05.2009 12:57

von AlexisC
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Matt, vielen Dank für Deine Anmerkungen. Ich habe bisher in zwei anderen Foren gespostet, in denen fast nur Frauen lesen (und kommentieren), deswegen freut es mich wirklich immer ganz besonders, die Meinung eines Mannes zu hören.

Meine Haupt-Protagonisten sind immer Männer und ich finde es nicht immer leicht, mir vorzustellen, was sie denken und fühlen könnten. Ich nehme meinen eigenen zwar immer ein bisschen als Vorbild Wink - aber das klappt auch nur bis zu einem gewissen Grad.

Kay wird noch erwähnt.
Ich hab die Kurzgeschichte von insgesamt 10 Seiten in mehrere Teile aufgeteilt, damit sie online besser zu lesen ist.
Kay wird im nächsten und letzten Teil erwähnt und es klärt sich dann auch auf, wer sie ist und woher sie kommt Wink.

Vielen Dank noch einmal, dass du Dir die Zeit genommen hast zu kommentieren. Ich schätze das wirklich sehr.
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Matt Gambler
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Beiträge: 174



Beitrag17.05.2009 13:12

von Matt Gambler
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Bitte bitte.
Etwas noch, falls es dich interessiert:

Zitat:
Kay wird im nächsten und letzten Teil erwähnt und es klärt sich dann auch auf, wer sie ist und woher sie kommt Wink.


Ich hab Kay von Anfang an für einen Mann gehalten. Wenn dich das stört wär es vielleicht besser einen eindeutigeren Namen zu wählen.

lg Matt


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AlexisC
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Beitrag21.05.2009 09:15

von AlexisC
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Passend zum Vatertag hier der letzte Teil dieser Kurzgeschichte.

Viel Spaß dabei und Euch einen schönen Vatertag... Wink

----------------


Ich lächele und sehe Marc an, dessen Gesicht im Schlaf so entspannt ist, wie ich es sonst selten sehe. Meistens ist er vor mir wach und verlässt unsere Wohnung, wenn ich noch im Bademantel herum laufe, um ein Stockwerk tiefer in seine Praxis zu gehen.

Doch heute ist Karfreitag und wir haben die ganzen Ostertage für uns.

Genussvoll gleitet meine Hand über seinen Körper, an seinem Hals entlang über die starken Kieferknochen in seinem Gesicht – hin zu seinen blonden Haaren, die sich weich und samtig zwischen meinen Fingern anfühlen.

Immer, wenn ich uns beide im Spiegel sehe, bin ich fasziniert, von der Gegensätzlichkeit, die mir entgegen blickt.

Marc ist ein wenig kleiner als ich, breiter in den Schultern, lebhaft und sprudelnd in seiner Gestik und Mimik. In seinem Gesicht und seinen Augen lese ich, wie in einem offenen Buch. Neben ihm wirke ich noch unnahbarer und geheimnisvoller und manchmal irritiert es mich.

In manchen Sekunden frage ich mich, was er in mir sieht, warum er bei mir bleibt. Zum Glück dauern diese Zweifel nie lange und im Grunde meines Herzens weiß ich, dass Marc meine Sachlichkeit und Distanziertheit genauso braucht, wie ich seine Hinwendung zum Leben und seine emotionale Wärme.

Wir ergänzen uns perfekt.

Das heißt nicht, dass wir uns nie streiten. Manchmal denke ich, wir streiten uns mehr als andere, eben weil wir so unterschiedlich sind.

Dass, was wir an dem anderen an guten Tagen schätzen und brauchen, irritiert und ärgert uns an den schlechteren.

Aber wir haben gelernt, damit umzugehen und heute gibt es mehr Situationen, in denen wir darüber lachen, als dass wir uns ärgern.

Ich blicke in sein Gesicht.
Auf seine blonden Wimpern, die einen zarten Schatten auf seine sommersprossigen Wangenknochen werfen. Seine rosigen Lippen sind im Schlaf leicht geöffnet und ich kann der Versuchung nicht widerstehen, sie zu küssen.

Weich und warm schmelzen sie an meinem Mund. Ich höre Marc wohlig seufzen und eine schlaftrunkene Hand greift an meine Hüfte und zieht mich näher zu ihm.

Unsere Körper gleiten aneinander, schwingen im Gleichklang und die Energie zwischen uns baut sich langsam auf. Sie eruptiert nicht mehr wie früher, in denen wir manchmal nächtelang nicht die Hände voneinander lassen konnten.

Heute...
Heute ist es mehr ein stetiges Glühen, das uns wärmt und an Tagen wie heute ohne viel Zutun ein leidenschaftliches Feuer entfacht.
Weil wir uns kennen.
Weil wir wissen, was dem anderen gefällt und wie wir ihn erregen können.

Und so dauert es nicht lange, dass wir uns – immer noch schläfrig -  aneinander reiben, die Hitze spüren, die von unseren Gliedern auf den anderen strömt; und zeitgleich umfassen wir mit unseren Händen unsere harten Penisse, pressen sie aneinander, fügen zusammen, was zusammen gehört.

Marc und seine Erregung und Leidenschaft für mich zu spüren, ist Vollendung in höchster Perfektion. Ich liebe die Macht, die ich fühle, wenn meine Berührungen ihn erbeben lassen.

Ich liebe es, dass meine streichelnden Hände einen Ausdruck purer Entzückung in sein Gesicht zaubern und ich kann mich verlieren in dem Gedanken, dass ich es bin, der ihn zu einem Höhepunkt treibt, der ihn stöhnend und keuchend, manchmal ekstatisch aufschreiend, unter mir oder auf mir zusammen brechen lässt.

Und heute ist es nicht anders.

Sein Körper aalt sich unter meinen Berührungen. Er hat die Augen geschlossen und seine Hände beten mich an. Ich weiß nicht mehr, wo mein Körper aufhört und seiner anfängt und ich spüre an seinem Atem, dass er kurz davor ist, zu kommen.

„Lass es raus...“, wispere ich ihm rau zu. „Lass es raus. Für mich... Komm für mich...“

Er stöhnt laut auf, öffnet die Augen und greift nach meinem Gesicht.

„Leandro...“ - und ich versinke in seinem Kuss, während wir beide einem Höhepunkt entgegen taumeln, der mich Sterne sehen lässt.

Schwer atmend falle ich auf ihn und sein Keuchen ist Musik in meinen Ohren.

Ich weiß nicht, wie lange wir im morgendlichen Sonnenlicht baden, bis ein fordernder Schrei die wohlige Stille durchbricht.

Ich lache leise auf, Marc stöhnt.

„Sie hat ein wunderbares Timing, Babe... Keine Minute zu früh...“ Grinsend hebe ich meinen Kopf und schaue auf den Mann unter mir, der nur die Augen verdreht.

„Du oder ich?“

Ich schnaube auf und piekse ihn in die Seite. „Ich hole sie. Dafür bist du heute mit Windel wechseln dran.“

Seine Antwort überlache ich, stehe auf, angle nach meinen Boxershorts und streife sie mir im Hinausgehen über.

Im Flur höre ich ihr Schreien lauter und beschleunige meinen Schritt. Als ich ihr Zimmer betrete ist ihr kleines Gesicht rot angelaufen und ihre winzigen Fäuste zucken ärgerlich in der Luft.

„Shhh.... Nur die Ruhe... Ich bin ja da... Ich bin ja da...“ - und ihr Schreien wird ruhiger.

Und wie immer, wenn ich mich über ihr Bett beuge und sie hoch nehme, durchströmt mich ein Gefühl tiefer Ehrfurcht und eine fast schon schmerzhafte Liebe, die ich diesem kleinen Mädchen entgegen bringe, die auf so schicksalhafte Weise in unser Leben getreten ist.

Es passierte von ziemlich genau acht Monaten, als Marc spät abends nach Hause kam. Ein Mal im Monat leistete er damals Notdienst in der Kinderklinik und an diesem Abend war eine Frau eingeliefert worden, deren Wehen zu früh eingesetzt hatten.

Passanten hatten den Notarzt gerufen, als sie auf der Straße zusammenbrach. Sie war in einer sehr schlechten Verfassung und obwohl Marc alles tat, was in seiner Macht stand, konnte er sie nicht retten.

Sie starb bei der Geburt und das kleine Mädchen war als Frühchen in einem kritischen Zustand.

An diesem Abend habe ich Marc das erste Mal weinen sehen. Fassungslos blickte er stundenlang auf seine Hände und konnte es nicht glauben, dass die Mutter eines Neugeborenen unter seinen Händen gestorben war.

Am nächsten Tag habe ich seine Patienten angerufen und alle Termine abgesagt. Am übernächsten Tag gingen wir gemeinsam ins Krankenhaus, um uns nach dem Zustand des kleinen Mädchens zu erkundigen.

Es ging ihr viel besser, doch niemand hatte nahe Verwandte ausfindig machen können. Auch weitere achtundvierzig Stunden später blieb das Mädchen eine Vollwaise ohne weitere Familienangehörige.

Sie wurde zur Adoption frei gegeben.

Marc besuchte sie jeden Tag – und nach einer weiteren Woche teilte er mir mit, er wolle, dass wir sie adoptieren.

Wir hatten nie vorher über Kinder gesprochen und ich hatte nie, niemals überhaupt in Erwägung gezogen, Vater sein zu können oder zu wollen.

Aber ich sah Marcs Kummer – und ich sah diese winzige, hilflose Bündel Mensch und stimmte zu.

Es hat einige Wochen gedauert, bis unser Adoptionsantrag angenommen wurde und es bedurfte der Unterstützung eines wirklich guten Anwalts für Familienrecht, doch dann konnten wir Kay mit nach Hause nehmen.

In der ersten Nacht habe ich nicht eine Sekunde geschlafen. Wir haben sie zwischen uns gelegt und ich habe Stunden zugebracht, abwechselnd Marc und Kay anzuschauen und mich zu fragen, wie um alles in der Welt, ich mit der Verantwortung umgehen soll, die mich in dieser Nacht schier zu erdrücken schien.

Ich hatte eine Scheiß-Angst...

Einige Tage später war ich ein Profi im Windel wechseln und Fläschchen geben – und seit sie mich das erste Mal zahnlos angelächelt hat, bete ich sie an.

Sie ist ein Wunder, das absolut Entzückendste, was ich je gesehen habe. Meine Liebe für sie ist grenzenlos – und so ganz anders als alles, was ich für Marc empfinde.

Als ich sie hoch hebe und sie ihren kleinen Kopf zufrieden an meine Schulter kuschelt, kann ich mein Grinsen nicht verbergen.

Leise auf sie einmurmelnd, gehe ich in die Küche, wärme ihr Fläschchen, das ich am Abend vorher schon vorbereitet hatte, und gehe zurück ins Schlafzimmer, wo uns Marc mit einem warmen Lächeln erwartet.

Ich lege Kay in seine geöffnete Arme, kuschel mich an ihn und gebe ihr die Flasche.

Wir sind ein wunderbares Team, wir drei.

Kay in unserem Leben zu haben, hat vieles geändert, vieles schwieriger gemacht aber auch vieles so viel lebenswerter.

Sie vollendet uns beide.

„Ich liebe Euch...“, flüstere ich an Marcs nackten Oberkörper und lege meine Hand auf Kays warmen Bauch.

Sie strampelt vor Vergnügen mit den Beinen.

Meine Leben könnte nicht besser sein.


ENDE
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Matt Gambler
Geschlecht:männlichLeseratte

Alter: 35
Beiträge: 174



Beitrag21.05.2009 19:44

von Matt Gambler
Antworten mit Zitat

Endlich!
Gefällt mir natürlich sehr gut.

Hier was ich gefunden habe.

Zitat:
und ihr Schreien wird ruhiger.

Ich weiß wie dus meinst, ich würde es nur als unglücklich formuliert betrachten. Mag Geschmackssache sein.

Zitat:
Leise auf sie einmurmelnd, gehe ich in die Küche, wärme ihr Fläschchen, das ich am Abend vorher schon vorbereitet hatte

Falsche Zeit oder?

Deine Absatzordnung war ein wenig irritierend, oft schreibst du mehrere Sätze nacheinander, jeden für sich alleine stehend.
Machst du das nach Gefühlssache? Bin was diese Sache angeht selbst nicht sattelfest, daher frage ich.

Außerdem würde mich interessieren ob Marc und Leandro sich beide als Vater sehen. Hab gehört, dass in homosexuellen beziehungen einer unbewusst eher die typische Frauenrolle einnimmt, der andere eben die Männerrolle. Bei dir sind aber nach wie vor beide berufstätig oder?

Und etwas noch, weil es mich interessiert - dürfen Homosexuelle in Deutschland Kinder adoptieren? Bin ja Österreicher.

In jedem Fall gern gelesen, lg

Matt


_________________
Ich will der Wind sein. Irgendwann.
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AlexisC
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 17



Beitrag23.05.2009 08:28

von AlexisC
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hi Matt,

die Absätze setze ich ehrlich gesagt nach Gefühl... Ich denke (meistens) nicht darüber nach Wink.

Marc und Leandro sehen sich beide als Vater, aber mein Gefühl ist, dass Leandro der aktivere von beiden ist. Er arbeitet zu Hause und hat daher die Zeit, sich um das kleine Mädchen zu kümmern. Dass er dabei eine "Mutterrolle" einnimmt, würde ich nicht sagen. Er ist einfach derjenige, der zu Hause ist und dementsprechend eine andere Art der Verantwortung übernimmt.

Homosexuelle Männder dürfen in Deutschland Kinder adoptieren. Ich habe gestern noch mal meine Freundin gefragt, die Familienrichterin ist und sie sagte mir, dass Männer mit dem Eintragen ihrer Partnerschaft im Prinzip die gleichen Rechte (und Pflichten) haben wie verheiratete Paare. Dazu gehört auch die Adoption von Kindern.

Wie viele Männer das dann tatsächlich auch machen, konnte sie mir nicht sagen. Aber laut ihrer Erfahrung und einigen Statistiken wird wohl auch das Eintragen von Partnerschaften nicht so häufig gemacht. Die Gründe dafür kenne ich nicht - aber ich wollte in meiner Geschichte gern ein Paar beschreiben, dass diesen Weg gegangen ist Wink.
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