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pripri
Eselsohr
 Alter: 50 Beiträge: 281 Wohnort: Schweiz (Zürich)
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 03.05.2010 19:28 Wie der Flaum weisser Tauben von pripri
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"Glaubst du an Wunder, Papa?" In Shmuels Augen leuchtete die unschuldige Freude eines Sechsjährigen über die Kaulquappen, die sich zwischen den Halmen von Ufergras tummelten und sich vor dem Schatten des Jungen zu verstecken versuchten.
Ein Schmunzeln brach sich beim Anblick seines Sohnes durch Ariels Züge, doch die Antwort lastete schwerer als ein Felsbrocken auf ihm. Er schwieg.
Der Winterregen hatte den Staub von Beer Sheva in eine leuchtend grüne Oase verwandelt. Für eine zu kurze Zeit. Noch liess die Sonne die Tümpel wie von Zauber erglitzern, der Wind das Gras geschmeidig wiegen. Aber für Ariel gab es schon längst keine Wunder mehr.
Die löcherigen Hosen bis über die Knie gekrempelt, die Augen gegen das Sonnenlicht zusammengekniffen, watete Shmuel durch das seichte Wasser und jauchzte, als seine Berührung eine Wolke von Grassporen in die Luft schwärmen liess.
"Schau nur, Papa, wie sie fliegen. Wie der Flaum weisser Tauben." Er rannte ihnen nach, hüpfte, hob die vernarbten Stümpfe seiner Unterarme hoch, um ein paar der flauschigen Bällchen zu fangen.
Ariels Herz gefror. Die Bombe. Die Bombe hatte das getan. Er schloss die Augen, wollte nicht hinsehen. Doch Shmuels aufgeregtes Keuchen erlöste ihn von seiner Erinnerung an jenen Morgen vor dem Shabbat. An den weissen Lieferwagen, an die Explosion und an die Schreie.
Eine kleine Spore hing trotzig am Hemdärmel des Jungen.
"Ich will sie Hussein schenken. Morgen, wenn wir ins Krankenhaus fahren," verkündete der Kleine stolz. "Wenn er ans Fliegen denkt, fällt es ihm vielleicht leichter, wieder laufen zu lernen. Die Prothesen tun ihm weh, aber Wunder gibt es doch, nicht wahr, Papa?"
Ariel nahm die Spore vorsichtig in die Hand und sah die Augen seines Sohnes strahlen.
"Wenn man nur fest daran glaubt," nickte er, und es gelang ihm ein Lächeln. "Auch ich muss es wieder lernen."
Weitere Werke von pripri:
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anuphti
Trostkeks
 Alter: 58 Beiträge: 4300 Wohnort: Isarstrand
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 03.05.2010 20:08
von anuphti
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Berührend und erschütternd.
Wunderschöne Bilder und die Hoffnung am Schluss.
Sehr gerne gelesen.
LG
Nuphti
_________________ Pronomen: sie/ihr
Learn from the mistakes of others. You don´t live long enough to make all of them yourself. (Eleanor Roosevelt)
You don´t have to fight to live as you wish; live as you wish and pay whatever price is required. (Richard Bach) |
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*Gast* Klammeraffe
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Beiträge: 504 Wohnort: Rheinland-Pfalz
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* 03.05.2010 20:12
von *Gast*
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Mit wenig Worten, die Namen allein erzählen die Geschichte. Feine Arbeit.
Kleiner Hinweis: ließ
LG
Sabine
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halcyonzocalo
Einsamer Trancer
 Alter: 33 Beiträge: 1202 Wohnort: Irgendwo im Nirgendwo
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 03.05.2010 20:19
von halcyonzocalo
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Du Schande.. wenn ich ehrlich bin, musste ich erstmal nachschauen, was es mit den ganzen Namen auf sich hat.
Und ehrlich gesagt verstehe ich den wahren Sinn mit den ganzen histroischen und politischen Hintergründen, die wahrscheinlich dahinterstecken,bestimmt nicht.
Ganz nüchtern betrachtet fand ich die Geschichte aber ungemein berührend, wunderbar geschrieben und extrem einfühlsam. Diese Zeilen haben mich wirklich mitgenommen.
Starke 8 Federn (am Ende vllt sogar doch noch die9 ?)
Ich tippe, dass dies Alogius' Beitrag ist.
_________________ Die minimaldeterministische Metaphernstruktur mit ihrer mytophoben Phrasierung spiegelt den ideeimmanent abwesenden Bedeutungsraum. |
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Alogius
Kinnbeber
 Alter: 46 Beiträge: 3207

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 03.05.2010 20:27
von Alogius
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Hallo,
eine Kriegssituation, Naher Osten, Afghanistan? Bei "Ariel" dachte ich zuerst in mythische Richtungen. Vielleicht ein Einfluss, ein Hinweis.
Auf alle Fälle eine sehr interessante Umsetzung der Bildaufgabe, das muss ich schon sagen. Der Text passt und steht für sich; sprachlich gut umgesetzt. Gefällt mir.
Lg
Tom
(Ich werte, weil Wettbewerb, etwas strenger als sonst. Der Kommentar ist relativ kurz gehalten, und meine Federung setzt sich zusammen aus: Sprache und Stil, Inhalt, Umsetzung der Aufgabe, eventuelle Fehler. Falls später Fragen sind, kommentiere ich gern ausführlicher.)
_________________ Aus einem Traum:
Entsetzter Gartenzwerg: Es gibt immer noch ein nullteres Fußballfeld. Wir werden viele Evolutionen verpassen.
Busfahrer: Tröste dich. Mit etwas Glück sehen wir den Tentakel des Yankeespielers, wie er den Ereignishorizont des Schwarzen Loches verlässt. |
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Schmierfink Lyroholiker
 Alter: 33 Beiträge: 1172
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 03.05.2010 23:16
von Schmierfink
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Hm, was mir negativ auffällt ist gerade zu Anfang der offensive Gebrauch von bemühten Bildern, unschuldige Freude, die Antwort lastete schwerer als ein Felsbrocken, wie von Zauber glitzern, wirklich zu viel sind mir aber die vor dem Schatten des Jungen fliehenden Kaulquappen, bin kein Biologe, aber...? Genauso wie das sich brechende Schmunzeln...
Würde sagen zu viel in zu wenig Text gepackt und das passt dann leider auch nicht so ganz.
Jedenfalls der Plot ist recht gut finde ich, recht geschickt bemühst du die Tränendrüse, indem du erst recht dramatisch den verlorenen Glauben das Vaters anführst, dass erst später das Leid der Kinder schilderst, dann am Ende die Thematik wieder positiver aufgreifst.
Sicher nicht schlecht, aber auch nicht direkt begeisternd in allem,
verzeih den eher kurzen, vielleicht etwas harschen Kommentar, bin etwas im Stress...
lg
Schmierfink
_________________ "Ein Kluger bemerkt alles, ein Dummer macht über alles seine Bemerkungen."
Heinrich Heine
"Ich gebe Zeichen von mir, Signale . . . Ich schreie aus Angst, ich singe im Dschungel der Unsagbarkeiten"
Max Frisch
"Die Leute gehen ins Feuer, wenn's von einer brennenden Punschbowle kommt!"
Georg Büchner |
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Gast
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03.05.2010 23:23
von Gast
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Hallo lieber Wettbewerbsteilnehmer,
aus Gründen der Übersichtlichkeit gibt's von mir dieses Mal auch ein Bewertungsschema, allerdings ohne Angabe der Federnanzahl - die ändere ich erfahrungsgemäß garantiert noch ein paarmal...
Stil und Sprache: Schön und zum Inhalt passend. Nix zu meckern.
Idee: Tragisch und berührend. Und trotzdem hoffnungsvoll. Auch die Idee gefällt mir also sehr gut!
Bonus: Schwieriges Thema, sensibel beschrieben.
Fazit: Einfühlsamer Text, der mich wirklich berührt. Sehr gut.
LG,
Soraya
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Dienstwerk
Reißwolf
 Alter: 54 Beiträge: 1256 Wohnort: Gera/Markkleeberg
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 04.05.2010 01:10
von Dienstwerk
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Zitat: | Ein Schmunzeln brach sich beim Anblick seines Sohnes durch Ariels Züge |
Boah, noch komplizierter ging's wohl nicht.
Ansonsten ein sehr stimmiger Text, der nachdenklich macht und zugleich traurig. Krieg ist sowas von überflüssig!!!
Sehr gut geschrieben.
LG, Ana
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Alogius
Kinnbeber
 Alter: 46 Beiträge: 3207

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 04.05.2010 11:45
von Alogius
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Ganz kurz: nicht Afghanistan, aber wohl eher Richtung Gaza?
_________________ Aus einem Traum:
Entsetzter Gartenzwerg: Es gibt immer noch ein nullteres Fußballfeld. Wir werden viele Evolutionen verpassen.
Busfahrer: Tröste dich. Mit etwas Glück sehen wir den Tentakel des Yankeespielers, wie er den Ereignishorizont des Schwarzen Loches verlässt. |
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Sir Charles Blackwood Gast
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04.05.2010 12:31
von Sir Charles Blackwood
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Ein berührender Beitrag, der in seiner Gänze und Abgeschlossenheit nachdenklich macht, die Ohnmacht des Einzelnen gegen die Systeme und den Fanatismus aufzeigen.
Selten habe ich eine sehr gute Umsetzung eines Themas in so knappen Worten gesehen.
Liebe Grüße
Sir Charles Blackwood
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BlueNote
Stimme der Vernunft
 Alter: 60 Beiträge: 7253 Wohnort: NBY

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 04.05.2010 20:26
von BlueNote
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Sehr gut! Tolles Thema.
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Gabi
Reißwolf
 Alter: 53 Beiträge: 1216 Wohnort: Köln
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 04.05.2010 20:32
von Gabi
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*soifz*
Das ist einer der besten Texte, die ich bisher in diesem Wettbewerb gelesen habe.
Tolle Bilder, die du aus der Sicht des Jungens zauberst.
L.G.
Gabi
_________________ "Das hier ist mein Dach und mein Tag!" (Oma Thea macht die Fliege) |
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Dienstwerk
Reißwolf
 Alter: 54 Beiträge: 1256 Wohnort: Gera/Markkleeberg
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 05.05.2010 01:48
von Dienstwerk
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Ich nochmal!
Auch wenn mich ein furchtbar verkrampfter Satz stört (siehe oben) und ich das Bild mit der "Spore" nicht wirklich zuordnen kann, hat sich dieser Text, nach mehrmaligem Lesen, mit seiner Intensität zielstrebig einen Favoritenplatz erkämpft und landet somit unter meinen persönlichen "Best Five" punktegleich mit der "kleinen Flucht".
Ein äußerst ernstes Thema mit wenigen Worten sensibel auf den Punkt zu bringen, ohne kitschig zu wirken - das ist schon echte Kunst.
Bravo!
LG, Ana
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Michael
Anti-Lyriker

Beiträge: 734
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 05.05.2010 02:28
von Michael
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Gefällt mir. Schöner, trauriger Text zum Nachdenken.
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lupus
Bücherwurm
 Alter: 55 Beiträge: 3915 Wohnort: wien

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 05.05.2010 11:03
von lupus
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perfekter Einstieg!
wunderschön ruhig erzählt.
wunderschöne Message
ein paar Gustostückerln
nix zu maulen
löcherig
_________________ lg Wolfgang
gott ist nicht tot noch nicht aber auf seinem rückzug vom schlachtfeld des krieges den er begonnen hat spielt er verbrannte erde mit meinem leben
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"Ich bin leicht zu verführen. Da muss nur ein fremder Mann herkommen, mir eine Eiskugel kaufen und schon liebe ich ihn, da bin ich recht naiv. " (c) by Hubi |
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Bananenfischin
Show-don't-Tellefant
 Moderatorin
Beiträge: 5197 Wohnort: NRW

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 05.05.2010 13:08
von Bananenfischin
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Ein bitterer Text und ein guter.
Etwas unglücklich formuliert empfinde ich nur das Lächeln, das sich "brach", und die Beschreibung der Erinnerung an das Attentat "too much", da wäre für mich weniger mehr gewesen. Den letzten Satz hätte ich den Vater lieber nur denken lassen.
_________________ Schriftstellerin, Lektorin, Hundebespaßerin – gern auch in umgekehrter Reihenfolge
I assure you, all my novels were first rate before they were written. (Virginia Woolf)
Ein Schriftsteller ist ein Mensch, dem das Schreiben schwerer fällt als allen anderen Leuten. (Thomas Mann) |
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derSibirier Reißwolf
D
Beiträge: 1250
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D 05.05.2010 17:33
von derSibirier
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Toll geschrieben, ein wirklich schöner Text.
derSibirier grüßt
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Ilona Klammeraffe
I
Beiträge: 558 Wohnort: irgendwo in Hessen
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I 06.05.2010 10:15
von Ilona
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Gefällt mir nicht so. Der Text leidet unter der Botschaft und wird zu vorhersehbar. Die Adjektive habe ich als etwas abgegriffen empfunden, allerdings habe ich schon sehr viel gelesen.
Grüße
Ilona
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Michael Lüttke Cholyriker
M Alter: 60 Beiträge: 621 Wohnort: Duisburg
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Noelia
Pippi
 Alter: 38 Beiträge: 1298 Wohnort: Villa Kunterbunt
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 06.05.2010 21:41
von Noelia
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Hallöle hier spricht Nöle
Jetzt kommt aber erst der eigentliche Witz:
Ich habe eine ACHTUNG!!!! Länge empfunden.
Ich kann es selbst kaum fassen.
Aber: Mein Favorit! (zumindestens bis jetzt)
Wegen der vermeintlichen "Länge" reden wir später.
Lovely Greetings an wen auch immer.
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Tamar
Leseratte

Beiträge: 123
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 06.05.2010 21:45
von Tamar
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Wunderschöne Geschichte. Du schaffst es, Vater und Sohn in den paar Worten lebendig werden zu lassen.
Nur der Schluss hat mir nicht so gut gefallen.
Zitat: | "Wenn man nur fest daran glaubt," nickte er, und es gelang ihm ein Lächeln. "Auch ich muss es wieder lernen." | das wirkt so steif. Aber ansonsten richtig schön!
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Andrea F. Leseratte
A
Beiträge: 154 Wohnort: München
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A 07.05.2010 14:47
von Andrea F.
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Ein sehr schöner Titel, sehr schön geschrieben, traurig, berührend, aber nicht kitschig.
Gefällt mir sehr gut.
Liebe Grüße
Andrea
_________________ Lesen ist in einer immer schneller lebenden Welt die einzige Methode der Verlangsamung. |
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