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Sonntag


 
 
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F.Ellringmann
Geschlecht:männlichSchneckenpost
F


Beiträge: 14



F
Beitrag12.03.2024 15:08
Sonntag
von F.Ellringmann
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Sonntag

Es ist Sonntag. Ich kann Sonntage nicht ausstehen, sie sind verschwendete Tage. Nicht in dem Sinne, dass man nichts tut, dass man sich ausruht, dass man Muße betreibt. Nein, selbst das gibt der Sonntag nicht her, er lässt mir keine Ruhe. Ich fühle mich als müsse ich produktiv sein, ich habe Dinge zu tun, die getan werden müssen und ich kann sie doch nicht tun. Wäre schönes Wetter, könnte man die Zeit im Freien verbringen, könnte man sich tatsächlich erholen. Aber das wird wohl nichts, Erholung scheint meinem Gemüt nicht in den Sinn zu kommen.
Der Bildschirm verbrennt mir die Augen und ich spüre, wie er mir jede Sekunde etwas mehr Energie aussaugt. Aber ich stehe nicht auf, ich sitze wie gebannt vor ihm, bewege mich nicht von ihm weg, als ob ich keine andere Wahl hätte. Ich bin eine Motte, die es zum Licht hinterm Fenster zieht, fliege immer neue Anläufe und pralle jedes Mal kläglich an der Scheibe zurück. Und doch bleibe ich hier, bis ich vor Erschöpfung zusammenbreche. Ich muss Masochist sein, genieße ich es doch auch ein wenig.
Ich stehe am Fenster. Draußen ziehen Wolken vorüber, alles ist eine undefinierbare graue Masse. Gestern schien die Sonne, ein leichter Wind ging durch die klare Morgenluft und ich hatte Hoffnung, dass der Frühling bald hier sein würde, dass das Leben wieder lebendig würde. Nun stehe ich hier, als ob das alles nur ein Traum gewesen wäre, keine Spur mehr vom gestrigen Tag. Vielleicht war es nur ein Traum.
Trotz dieses Wetters reiße ich mich unter Mühe von der Folter los, die mein Bildschirm ist. Ich weiß nicht, was ich anziehen soll. Entweder Schwitzen oder Frieren. Ich entscheide mich fürs Frieren, ich kann den schweren Wollmantel nicht mehr sehen. Im Endeffekt ist es egal, mich sieht eh niemand, es ist schließlich Sonntag. Wer sollte da schon draußen sein?
Im Vorbeigehen schaue ich mich ein bisschen um. Alles liegt dort vor mir in einem schlafendem grau, die Straßen, der Himmel, selbst Häuser und Bäume erscheinen grau. Fast wundert es mich, dass ich nicht auch grau bin, fühle ich mich doch genauso ausgewaschen wie die Welt um mich herum.
Ein paar Vögel zwitschern fröhlich in diesen grauen Bäumen, ein kleines bisschen Hoffnung verkünden sie, lassen den Frühling ankündigen. Sie sind bewundernswert. Ich schaffe es nicht mal ein Lächeln in dieser Sonntagseinöde auf meinen Lippen spielen zu lassen, geschweige denn ein lustiges Lied vor mich her zu trillern. Aber sie stört das nicht, sie sind verzückt, freuen sich über das Schwinden des Frosts und das Zurückkehren von Nahrung. Ich spüre das nicht, ich verbrachte den Winter in einen warmen Wollmantel gehüllt mit reichlich Essen. Da wär es mir fast lieber, es wäre richtig Winter.

So sinnlos scheint dieser Sonntag, so sinnlos wie jeder von ihnen. Ich sitze, ich warte auf etwas zu tun, warte, bis ich mich aufraffe, endlich etwas zu tun. Vielleicht sollte ich einfach schlafen gehen, sollte diesen Tag etwas früher beenden, aber selbst das ist mir zu anstrengend. Hier auf dem Sofa fühle ich mich gerade richtig ausbalanciert zwischen trägem Wohlbefinden und dem Drang etwas zu erledigen, dem Wissen, dass ich etwas erledigen müsste. Ich schalte den Fernseher ein, schalte durch die Sender, nur um zu dem Schluss zu kommen, dass ich ihn erst gar nicht hätte anmachen müssen. Das Buch neben mir schaut mich an. Ich spiele mit dem Gedanken es aufzuheben, ein wenig darin zu lesen. Man fühlt sich besser, wenn man gelesen hat. Aber ich bin zu müde, ich möchte konsumieren und mir die Unterhaltung nicht erst aus den Worten formen. So liege ich da, tue nichts, zu müde zum schlafen gehen.

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Arminius
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 65
Beiträge: 1243
Wohnort: An der Elbe


Beitrag12.03.2024 15:30

von Arminius
Antworten mit Zitat

Ja ja, diese Alltagsprobleme. Oder sind es eher die Freiheitsgrade, die dem Erzähler zu schaffen machen?

Der Unterschied zwischen erstem und letztem Abschnitt springt ins Auge: hier dominiert die entschlossene Ruhelosigkeit, der Drang nach Betätigung, dort die Trägheit und Unentschlossenheit. Wie kommt es zu diesem Stimmungswandel?

Zwischen dem Zusammenbruch und der Fensterszene hätte eine Leerzeile wie vor dem letzten Abschnitt gut gepasst. So ist es doch ein sehr harter Schnitt, den man gedanklich nicht ganz nachvollziehen kann.

Ich schalte den Fernseher ein, schalte durch die Sender, nur um zu dem Schluss zu kommen, dass ich ihn erst gar nicht hätte anmachen müssen. Statt müssen fände ich persönlich ein sollen besser; ist Geschmacksache.

Gruß
Arminius


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F.Ellringmann
Geschlecht:männlichSchneckenpost
F


Beiträge: 14



F
Beitrag12.03.2024 20:58

von F.Ellringmann
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Danke für die Rückmeldung!
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sluver
Wortedrechsler
S


Beiträge: 55



S
Beitrag26.03.2024 21:56

von sluver
Antworten mit Zitat

Ich musste beim Lesen die ganze Zeit an "Sonntag" von Fettes Brot denken. Hatte sofort die Melodie im Kopf.
Das komische Sonntags-Gefühl kennen wir wahrscheinlich alle.
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