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arle Wortedrechsler
A Alter: 69 Beiträge: 61 Wohnort: im Südwesten
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A 28.09.2008 07:45 Kochwäsche von arle
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Ich habe nichts gegen Bauarbeiter. Ehrlich. Bauarbeiter sind rechtschaffene Leute, die täglich dafür sorgen, dass wir ein Dach überm Kopf und eine Straße unter den Füßen haben. Bauarbeiter sehen auch meistens sehr lecker aus; besonders im Sommer, wenn ihre braunen, gestählten Muskeln in der Sonne spielen, und ihre schweißnassen Körper.... Aber lassen wir das. Ich habe wirklich nichts gegen Bauarbeiter. Einige meiner besten Freunde sind Bauarbeiter. Ich habe nur etwas gegen das, was ich bei mir „Bauarbeiterhemd“ nenne. Bauarbeiterhemden sehen an Bauarbeitern gut aus. An sonst niemandem.
Wenn ein Bauarbeiterhemd weiß ist und aus Feinripp, dann ist das nicht besonders schön. Wenn es zudem etwas zu groß geworden ist, weil der Träger des Hemdes eben nicht 10 Stunden am Tag einen Presslufthammer bedient, sondern 8 Stunden am Schreibtisch sitzt, ist es schon eine Beleidigung fürs Auge. Quillt aus den labberigen Armausschnitten – besonders im Schulter- und Rückenbereich – ein Wald von schwarzen Haaren, kann man dies getrost als seelische Grausamkeit bezeichnen. Betritt man nach wenigen Stunden unruhigen Schlafs morgens um sieben Uhr die Küche, und am Frühstückstisch sitzt ein Mensch, der kein Bauarbeiter ist, trotzdem ein solches Hemd trägt und dieses zudem nur mit einer Unterhose und Tennissocken kombiniert hat, ist das eindeutig Körperverletzung. In seltenen Fällen kommt es vor, dass das Hemd mit überhaupt keiner Hose kombiniert ist. Dann sollte man sofort die Polizei rufen.
Als ich heute morgen, im Zuge des allgemeinen Großreinemachens, meinen Oberkörper bis zur Taille in die Schmutzwäsche versenkte, sprang mir doch tatsächlich so ein vergessenes Bauarbeiterhemd an die Kehle. Entsetzt starrten wir einander an. Der Feinripp verzog sich zu einem vorwurfsvollen Schmollmund. Das, rief es, ist also deine Auffassung von einem ordentlichen Haushalt?! Mich hier wochenlang unter deinen dreckigen Unterhosen zu begraben! Ich wäre fast erstickt!! Mein Herrchen hatte schon ganz Recht, dich in deinem Saustall sitzen zu lassen, du, du... Schlampe! Den ganzen Tag Pralinen fressen, Nägel lackieren, Sekt saufen und mit deinem fetten, faulen, breiten A.... Mit einem gezielten Handkantenschlag setzte ich dem Gezeter ein Ende.
Aber jetzt stehe ich da, das müffelnde Hemd in den Händen, und überlege, was ich damit tun soll. Einfach aus dem Fenster werfen? Dann steht fünf Minuten später die Nachbarin vor der Tür und bringt es mir zurück. Nach ganz unten in den Mülleimer stopfen und die im Backofen vor sich hin schimmelnden Reste des Nudelauflaufs von letzter Woche großflächig darüber verteilen? Ich könnte es auch in briefmarkengroße Stückchen zerschneiden und jeden einzelnen Fetzen mit einer satanischen Botschaft beschriften. Dann chartere ich mir einen Hubschrauber und lasse sie auf einen ganz bestimmten Stadtteil herunter schneien...
Nein. Ich werde ein Huhn schlachten. Ich ziehe das Hemd an – mit nichts darunter – und beschmiere uns beide mit dem noch warmen Blut. Ich entzünde mitten auf dem Marktplatz einen riesigen Scheiterhaufen. Wild und ekstatisch werde ich um das Feuer tanzen. Stundenlang. Bis zur völligen Erschöpfung. Und dann, in einem letzten großen Aufbäumen, reiße ich mir das Hemd vom Leib und übergebe es unter dem Gejohle der Zuschauer den hungrigen Flammen, in denen es jämmerlich verschmurgelt. Jawohl! So mach ich’s.
Aber zuerst sollte ich das Bauarbeiterhemd wohl waschen und ordentlich zusammen legen. Vielleicht bekommt es sogar einen Ehrenplatz in meinem Schrank. Jedes Mal, wenn ich die Tür öffne, wird es mich hämisch angrinsen. Naaaaa...., fragt es dann. Naaaaaa....., wirst du dich wohl noch mal mit einem Bauarbeiterhemd tragenden Nicht-Bauarbeiter einlassen? Und jedes Mal, wenn ich die Tür wieder geschlossen habe, werde ich mich bekreuzigen, dreimal auf meinen ungeputzten Fußboden spucken und feierlich schwören: Nein! Nie wieder werde ich das tun!
Das Hemd bleibt hier. Ein Fanal. Ein blütenreines, pfirsichduftendes, kuschelweiches Mahnmal.
_________________ Am Jüngsten Tag, wenn die Posaunen schallen und alles aus ist mit dem Erdeleben, sind wir verpflichtet, Rechenschaft zu geben von jedem Wort, das unnütz uns entfallen. - J.W. Goethe |
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Hardy-Kern Kopfloser
Alter: 74 Beiträge: 4832 Wohnort: Deutschland
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28.09.2008 09:07
von Hardy-Kern
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Eine nette Geschichte. Gut geschrieben und man muss auch überlegen, wo du eigentlich hinwillst. Aber dann weiß man, dass ein Bauarbeiterhemd doch so manche Vorteile in sich birgt oder geborgen hat, egal wer es auch trug. Sekt und Zigaretten bezahlen sich nun mal nicht selbst.
Gelungen,
Hardy
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halcyonzocalo Einsamer Trancer
Alter: 34 Beiträge: 1202 Wohnort: Irgendwo im Nirgendwo
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28.09.2008 09:33
von halcyonzocalo
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Guten Morgen, Arle!
Ich muss Hardy recht geben: Sehr gelungen, deine kleine Geschichte.
Zitat: | Bauarbeiter sind rechtschaffene Leute |
Hier hast du das "d" bei rechtschaffend vergessen.
Zitat: | Bauarbeiterhemden sehen an Bauarbeitern gut aus. An sonst niemandem. |
Ich würde den zweiten Satz eventuell zu "Sonst an niemandem." umstellen.
Aber das sind jetzt nur ganz kleine Kleinigkeiten.
Dein Text ist wirklich sehr gut, wie auch die ganzen anderen Geschichten von dir.
Sehr gerne gelesen.
Gruß
halcyonzocalo
(Sebastian)
_________________ Die minimaldeterministische Metaphernstruktur mit ihrer mytophoben Phrasierung spiegelt den ideeimmanent abwesenden Bedeutungsraum. |
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arle Wortedrechsler
A Alter: 69 Beiträge: 61 Wohnort: im Südwesten
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A 28.09.2008 21:54
von arle
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Achtung, ich geifere jetzt:
Weißte, Hardy, ich bin immer noch in der Lage, mir meine Zigaretten (Sekt saufe ich höchstens einmal an Silvester) selbst zu bezahlen, und meine Pralinen und meine Nudelaufläufe auch. Dazu brauche ich keinen Leptosomen im Feinrippunterhemd, der eine Baustelle höchstens mal im Stau auf der Autobahn von nahem gesehen hat und der nun den ganzen Tag am Küchentisch sitzt und seine Rückenhaare im lauen Frühlingsluftzug flattern lässt und überhaupt.... Ach.
Danke schön für dein "gelungen". Und einen ganz lieben Gruß von
Silvia
_________________ Am Jüngsten Tag, wenn die Posaunen schallen und alles aus ist mit dem Erdeleben, sind wir verpflichtet, Rechenschaft zu geben von jedem Wort, das unnütz uns entfallen. - J.W. Goethe |
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arle Wortedrechsler
A Alter: 69 Beiträge: 61 Wohnort: im Südwesten
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