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Sprechblasen


 
 
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nasigoreng
Gänsefüßchen
N


Beiträge: 30
Wohnort: Großstadt


N
Beitrag13.08.2023 19:06
Sprechblasen
von nasigoreng
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

sprechblasen
 


mit unseren knickerbockern
kabbeln wir wie toll
kühn in unserem sprachflussbett

schäumen uns auf,
bestaunen unsere silben-
reiher, die bei jedem flug-
ansatz bis zur betäubung
das drahtgitter anstoßen

komm, warten wir
auf helios'
goldregen der unsere
offenen münder stopft
bis wir uns da wahrnehmen
wo worte in unnot versickern

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crim
Geschlecht:männlichsex, crim & rock'n'roll


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Wohnort: München
Die lange Johanne in Gold Lezepo 2015
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Beitrag14.08.2023 13:46

von crim
Antworten mit Zitat

Hi nasigoreng,
ein interessantes Einstandsgedicht, das auch etwas übers Gedichteschreiben sagt, denke ich. In der ersten Strophe erkenne ich noch Kinder, die toll/kühn spielen, mit der Sprache. Es werden die Silben-Reiher, also nicht die Silber-Reiher bestaunt. Gedichte, lese ich darin, aber die Reiher stoßen sich an allzu engen Vorgaben? Dem Drahtgitter. Die sind eingesperrt, und statt fliegen zu können, werden sie schmerzhaft zurückgehalten. Ein eindrückliches Bild. Und die letzte Strophe, da wird das goldene Licht der Sonne sogar zum Mundstopfer. Ein unerwartetes Bild für mich. Ich komme noch nicht ganz dahinter. Interessant finde ich auch die vom Zeilenumbruch zerrissenen Worte in den ersten beiden Strophen. In der dritten passiert das nicht. Dort versickern die Worte schließlich. Bis zum Flug-Ansatz las ich noch positiv, ab da wird das Gedicht steht's düsterer für mein Empfinden.
Gerne gelesen habe ich es trotzdem.
LG crim
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Brombärchen
Eselsohr


Beiträge: 258



Beitrag14.08.2023 14:01
Re: Sprechblasen
von Brombärchen
Antworten mit Zitat

Ich mag dein Gedicht sehr:)
Ich lese es als Reflexion darüber, was mit Sprache möglich ist und was nicht.
In dem Kontext finde ich den Titel toll, weil er viel veranschaulicht. Blasen können platzen. Sie schweben über den Menschen, sind ihnen nicht wirklich zugehörig. Das Flüchtige, Vorübergehende der Gedanken wird aufgezeigt.

nasigoreng hat Folgendes geschrieben:
sprechblasen
 
mit unseren knickerbockern
kabbeln wir wie toll
kühn in unserem sprachflussbett

Die Alliteration von Knickerbockern und kabbeln vermittelt mir etwas kindliches, tollpatschiges wie kleine Kinder die laufen lernen in zu großen Schuhen.
Die Trennung von toll (und das wie vor toll ist toll:)) und kühn mag ich weil es andeutet, dass es ein bisschen verrückt, schön und übermütig ist wie wir die Sprache benutzen.
Sprachflussbett vermittelt mir das wir einer eigenen Eingebung folgen, aber in den Grenzen des „Sprachbetts“.

Zitat:

schäumen uns auf,
bestaunen unsere silben-
reiher, die bei jedem flug-
ansatz bis zur betäubung
das drahtgitter anstoßen

Silbenreiher finde ich ist ein tolles Kofferwort.
Es reflektiert die Flüchtigkeit und Eitelkeit  unseres Selbst: aufschäumen. Bleibt auch in der Metapher von Wasser für Sprache.
Die Bereitschaft bis zur Selbstzerstörung sein Wesen auszuleben, dem aber in der Sprache/ dem Leben (zu) enge Grenzen gesteckt sind.
Zitat:

komm, warten wir
auf helios'
goldregen der unsere
offenen münder stopft
bis wir uns da wahrnehmen
wo worte in unnot versickern

Und diese Strophe zeigt eine ganz andere Dimension der Sprachlosigkeit. Die im Staunen und Wundern uns ergreift.
Helios Goldregen könnte auch eine Metapher für Inspiration sein.
Die letzten beiden Zeilen deuten für mich auch auf Offenbarung, tiefere Erkenntnis als der alltägliche Sprachgebrauch der Logos uns liefern kann. Der Goldregen füllt uns, bis wir uns da wahrnehmen ( wo wir uns vorher nicht wahrgenommen haben. Ein Teil von uns, der bisher verborgen blieb.)
Wo Worte versickern. Ein Ort der Sprachlosigkeit und tieferen unmittelbaren  Erkenntnis
Auch die gegensätzliche Wortschöpfung Unnot deutet auf eine tiefere/ oder höhere Sinnsphäre als die des dualistischen logischen Denkens hin.
Das heißt durch die Segnung des Sonnenregens erkennen wir einen Ort in uns, der jenseits des dualistischen Denkens liegt, eine höhere/tiefere Einheit des Lebens.
Hier würde ich mit einem taoistischen und oder buddhistischen Weltbild weiter interpretieren.

Noch mal rückbezogen auf den Titel wirken die Sprechblasen, das alltägliche Geplapper, dem eigentlichen Sein fremd.
Die Sprachlosigkeit hingegen führt zur Einheit mit dem Sein.

Mir gefällt auch die Stimmung des Gedichts, die ich als grundsätzlich alle Ebenen des Lebens bejahend und lebensfroh empfinde.
Erinnert mich ein bisschen an die thailändische Kultur smile

Hat mir sehr sehr gut gefallen. So eine Einstellung hätte ich gerne. love
Liebe Grüße von brombärchen
Edit: Mit crim überschnitten:) Deine, crim, Interpretation gefällt mir auch. Würde nur dem Düsteren widersprechen, da die dritte Strophe ja beginnt mit „komm, warten wir“. Also einen auffordernden, fröhlichen Charakter hat.


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crim
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Beitrag14.08.2023 15:15

von crim
Antworten mit Zitat

Hi Brombärchen,
das Mundstopfen und das Versickern der Worte wiegt in der letzten Strophe für mich schwer. Auch die Wahl des Wortes Unnot. Not schwingt dadurch für mich mit. Es ist ein bisschen wie: Denk jetzt nicht an einen Elefanten! Ich will dir dadurch nicht deine positive Lesart nehmen, aber mir fällt es nicht leicht, das positiv zu lesen.
LG crim
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Brombärchen
Eselsohr


Beiträge: 258



Beitrag14.08.2023 15:29

von Brombärchen
Antworten mit Zitat

Hi crim:)
Ich verstehe. Wahrscheinlich ist es davon abhängig, wie man Sprechen und Stille bewertet.
Gestopft werden die offenen Münder immerhin mit Helios Goldregen.
Und Unnot bedeutet für mich aus der Dualität zu entkommen. Also weder Not noch nicht Not. Weder Gier und Hass in der Sprache des Buddha und daher inneren Frieden zu haben.
Bin schon sehr gespannt auf deine Rückmeldung, Nasigoreng:).


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nasigoreng
Gänsefüßchen
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Beiträge: 30
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N
Beitrag15.08.2023 19:08

von nasigoreng
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo!
Liebe/s Brombärchen und lieber crim,
ja ... was kann ich sagen? Eines MUSS ich sagen/schreiben:
Ich bin total überwältigt - ich hätte nie mit damit gerechnet, dass Ihr Euch so eingehend und interessiert meinem Gedicht widmen würdet. Und ich freue mich ... aber wie! smile
Und das es gleich auf verschieden Interpretationen auf Euch wirkt - DANKE! Das wir mir damals  beim Verfassen so gar nicht sicher...

Ich hab so lange nichts mehr geschrieben ... und das hier ist noch ein 'Altexemplar'. Vielleicht sollte ich wieder beginnen ...

Viele Grüße, wir lesen uns ...
N
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crim
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Beitrag15.08.2023 20:47

von crim
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Dann bin ich sehr gespannt auf Neuexemplare, solltest du tatsächlich wieder beginnen. Herzlich willkommen im Forum!
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nasigoreng
Gänsefüßchen
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Beiträge: 30
Wohnort: Großstadt


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Beitrag15.08.2023 21:50

von nasigoreng
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Danke smile
Ich sehe mal wieder: mit Gras im Kopf kann ich nicht mal nur einen vernünftigen Satz schreiben.
Aber Du hast es dann doch verstanden ...
Also sollte ich wieder was an richtigem Text einstellen, dann besser vorher lol

Aber nun zu Euren Deutungsversuchen.
Brombärchen hat es so ziemlich auf den Punkt gebracht.
Zwei Menschen, die im Dialog und dem Philosophieren  ihr bestes geben, ziehen sich erst einmal an - über die Sprache.
Aber die Sprache ist nicht alles. Irgendwann hält sie als Ebene nicht mehr viel. Gibt es andere Anziehungspunkte als die Sprache? Ist die Bereitschaft da?
Soweit ... smile

Schönen Abend!
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