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Die Prothesen-Katze


 
 
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Eris Ado
Klammeraffe


Beiträge: 750



Beitrag28.06.2023 14:32
Die Prothesen-Katze
von Eris Ado
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Der Mensch als Prothesengott nutzt gerne Sachen um seine Mängel auszugleichen. Baut sich Autos um schnell voranzukommen, baut Schiffe um sich mühelos über Wasser zu halten. Konstruiert Flugzeuge um in Bereiche vorzudringen, die für den bloßen Menschen unerreichbar wären. Mittels Raketen kann er gar in den Weltraum reisen. Physisch ist der Mensch dank Prothesen topfit. Psychisch ist er ein Schwächling. So kommt die Katze als belebter Prothesengegenstand ins Spiel.
Was hat eine Katze, das der Mensch gern hätte? Ihr Blick verrät es. Ihre Haltung verrät es. Diese Ruhe, wenn sie in der Sonne sitzt. Da gibt es kein Gestern und kein Morgen. Da gibt es nur den Augenblick. Da gibt es keine anderen Lebensformen in ihrem Hirn. Sie ist voll bei sich. Katzen sind die Herrscher über das Hier und Jetzt.
Ganz anders der Mensch. Auch ihn verrät der Blick. Sogar wenn er vermeintlich entspannt auf dem Sofa lümmelt, ist da immer etwas in seinem Hirn, das flackert. Er ist das neurotische Tier. Unruhig, immer in Gefahr in den Wahnsinn zu rutschen. Der Mensch kann sich nicht halten. Ist in Gedanken bei anderen. Wie erringe ich die Gunst von jemandem, wie haue ich jemanden übers Ohr? Er kann auch die Zeit nicht halten. Mäandert im Gestern und Morgen. Folglich hat er sich die Katze zugelegt um sich das Jetzt ins Wohnzimmer zu holen. Somit kann er es wenigstens betrachten. Besitzen wird er es nie.

Zum Schluss noch eine Anmerkung:
Katzen sind Killer. Menschen sind Killer. Die Katze wirkt bei ihren Tötungshandlungen viel possierlicher als der Mensch. Ein weiterer Pluspunkt.

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Arminius
Geschlecht:männlichReißwolf

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Beitrag28.06.2023 18:14

von Arminius
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Als Dosenöffner einer Katze gern gelesen. Da ist was dran.
Der Anmerkung möchte ich nur eingeschränkt zustimmen, kann sie aber auch nicht schlüssig widerlegen Mr. Green


_________________
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There is more stupidity than hydrogen in the universe, and it has a longer shelf life (Frank Zappa)
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Gast







Beitrag28.06.2023 22:11

von Gast
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Hallo Eris Ado Smile,

einen interessanten Text hast du da geschrieben, er regt zum Nachdenken an, nur der Begriff "Prothese" scheint mir nicht ganz passend zu sein, zumindest in Bezug auf die mutmaßliche Fähigkeit einer Katze, das Hier und Jetzt bewusst zu erleben.
Zitat:
Folglich hat er sich die Katze zugelegt um sich das Jetzt ins Wohnzimmer zu holen. Somit kann er es wenigstens betrachten. Besitzen wird er es nie.

Das sehe ich anders. Ich denke, dass es noch nie eine Zeit gab, in der so viel und ausgiebig über Achtsamkeit nachgedacht wurde als jetzt. Krankenkassen bieten Achtsamkeits- und Meditationskurse an, Achtsamkeitsinstitute und Mindfulness Coaches sprießen wie Pilze aus der Erde. Die Menschen trainieren es, aufmerksam zu sein, den Augenblick bewusst zu erleben. Besonders die jüngere Generation scheint sich viel Gedanken über Work-Life-Balance bzw. ein bewussteres Lebenskonzept zu machen. Wie diese Entwicklung letztendlich eine Gesellschaft beeinflusst, steht auf einem anderen Blatt.  
Zitat:
Zum Schluss noch eine Anmerkung:
Katzen sind Killer. Menschen sind Killer. Die Katze wirkt bei ihren Tötungshandlungen viel possierlicher als der Mensch. Ein weiterer Pluspunkt.

Eine Katze wirkt alles andere als possierlich im Sinne von drollig oder süß, den Vergleich finde ich eher unpassend. Wenn sie auf der Lauer liegt, um sich blitzschnell ihr Opfer zu schnappen, geht sie hochkonzentriert vor, um ein Grundbedürfnis zu befriedigen.

Gerne gelesen!

LG Katinka
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nebenfluss
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Beitrag28.06.2023 22:32
Re: Die Prothesen-Katze
von nebenfluss
Antworten mit Zitat

Hallo Eris Ado,

interessante Gedanken, überzeugend dargelegt. Die m. E. zu lapidare Anmerkung zum Schluss würde ich aber entweder weglassen (falls sie zum Text gehören sollte) oder - falls möglich - im gleichen Stil ausformulieren.
Gerne gelesen.


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nebenfluss
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Beitrag28.06.2023 22:48

von nebenfluss
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Zitat:

Zitat:
Folglich hat er sich die Katze zugelegt um sich das Jetzt ins Wohnzimmer zu holen. Somit kann er es wenigstens betrachten. Besitzen wird er es nie.

Das sehe ich anders. Ich denke, dass es noch nie eine Zeit gab, in der so viel und ausgiebig über Achtsamkeit nachgedacht wurde als jetzt. Krankenkassen bieten Achtsamkeits- und Meditationskurse an, Achtsamkeitsinstitute und Mindfulness Coaches sprießen wie Pilze aus der Erde. Die Menschen trainieren es, aufmerksam zu sein, den Augenblick bewusst zu erleben. Besonders die jüngere Generation scheint sich viel Gedanken über Work-Life-Balance bzw. ein bewussteres Lebenskonzept zu machen.

Das ist allerdings auch eine einseitige Sichtweise. Gerade heute ist auf zeit.de zu lesen, jede:r dritte Studierende stünde am Rande eines Burn-outs.
Aus dem Boden sprießen nicht nur Achtsamkeitskurse und -institute, sondern auch kritische Artikel zur Verbindung z. B. zwischen "Me-Time" und Kapitalismus, als Beispiel:
https://vangardist.com/news-article/the-sin-of-me-time/
Zitat:
Die Stunden zwischen 8 Uhr früh und 1 Uhr nachts sind vollgestopft mit Arbeit, Studium, (Zer)Denken.

Zitat:
Der Ausweg? Abspringen. Aber um Gottes Willen, was tue ich denn dann? Oder besser: Wer bin ich denn dann?

Das scheint mir doch das Zitat aus dem Text bestens zu bestätigen. (EDIT: Oder jedenfalls erkennen viele Menschen gerade erst, "keine Katze zu sein", was nicht bedeutet, eine Katze werden zu können.)


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Eris Ado
Klammeraffe


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Beitrag28.06.2023 23:24

von Eris Ado
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Vielen Dank an alle.

Die Schlussbemerkung habe ich nur geschrieben um die Sache etwas aufzulockern. Zur Sache trägt sie nichts bei. Vielleicht streiche ich sie, weil sie offenbar nicht so gut ankommt.
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Pickman
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Beitrag29.06.2023 13:26

von Pickman
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Zitat:
der Begriff "Prothese" scheint mir nicht ganz passend zu sein


Da stimme ich zu. Eine Prothese ist für mich ein Ersatz für einen verlorengegangenen funktionalen Teil meines Körpers. Etwas, das nie Teil meines Körpers war, ist keine Prothese, sondern ein Instrument.


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Eris Ado
Klammeraffe


Beiträge: 750



Beitrag29.06.2023 15:54

von Eris Ado
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Pickman hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
der Begriff "Prothese" scheint mir nicht ganz passend zu sein


Da stimme ich zu. Eine Prothese ist für mich ein Ersatz für einen verlorengegangenen funktionalen Teil meines Körpers. Etwas, das nie Teil meines Körpers war, ist keine Prothese, sondern ein Instrument.


Der von Freud geprägte Begriff Prothesengott, bezieht sich darauf, dass sich der Mensch mittels Prothesen zu einer Art Gott gestaltet hat. Die Prothese muss somit nicht Teil des menschlichen Körpers gewesen sein, sondern Teil eines imaginierten göttlichen Körpers.
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Eris Ado
Klammeraffe


Beiträge: 750



Beitrag29.06.2023 16:01

von Eris Ado
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Zitat:
Das sehe ich anders. Ich denke, dass es noch nie eine Zeit gab, in der so viel und ausgiebig über Achtsamkeit nachgedacht wurde als jetzt. Krankenkassen bieten Achtsamkeits- und Meditationskurse an, Achtsamkeitsinstitute und Mindfulness Coaches sprießen wie Pilze aus der Erde. Die Menschen trainieren es, aufmerksam zu sein, den Augenblick bewusst zu erleben.


Wer einen Kurs besucht, will einen Mangel beheben. Wie weit kann man mit diesen Kursen kommen? Auf Augenhöhe mit einer Katze? Das bezweifle ich.

Wer mal ein paar Fußballspiele gesehen hat, hält sich für einen Bundestrainer; wer ein paar Polittalkshows konsumiert hat, hält sich für einen Spitzenpolitiker; wer ein paar Achtsamkeitskurse besucht hat, hält sich für eine Katze. So ist der Mensch.
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Haro
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Beitrag29.06.2023 16:37
Re: Die Prothesen-Katze
von Haro
Antworten mit Zitat

Hallo Eris Ado!

Keine Geschichte, wohl eher ein Statement eines Katzenliebhabers. Smile
Das macht es für mich schwer, etwas dazu zu sagen. Stilistisch fein ausgearbeitet, wobei auch ich finde, dass die Anmerkung zum Schluss nicht wirklich zum Rest des Textes passt.

Inhaltlich ist das natürlich so eine Sache. Da prallen persönliche Weltanschauungen aufeinander und es dürfte schwer fallen, objektiv darüber zu reden. Du ahnst es sicher schon: Ich bin der Hunde-Typ. Mit Katzen kann ich nicht viel anfangen.

[quote="Eris Ado"]Was hat eine Katze, das der Mensch gern hätte?[/quote]
Mir fallen da spontan ganz andere Dinge ein, als die von Dir angeführten, z.B. die Geschmeidigkeit und Beweglichkeit des Körpers, dem jegliche Formen von Verspannung und Muskelschmerz völlig fremd zu sein scheinen. Die traumwandlerische Trittsicherheit. Die Fähigkeit, Stürze aus großer Höhe unbeschadet zu überstehen.

Was die psychischen Seiten der Katze angeht, kann ich Dir leider nicht zustimmen.

[quote="Eris Ado"]Diese Ruhe, wenn sie in der Sonne sitzt. Da gibt es kein Gestern und kein Morgen. Da gibt es nur den Augenblick. Da gibt es keine anderen Lebensformen in ihrem Hirn. Sie ist voll bei sich. Katzen sind die Herrscher über das Hier und Jetzt.[/quote]
Dies gilt genau so lange, bis hinter der Katze ein Besen umfällt oder ein anderes Ereignis aus der Ganz-bei-sich-Katze eine rasende Furie macht, die schwierigkeitslos ein Zimmer in Schutt und Asche zerlegen kann, nur weil sie sich erschreckt hat.

Deine Beschreibung der menschlichen Psyche finde ich ehrlich gesagt etwas seltsam.

[quote="Eris Ado"]Er ist das neurotische Tier. Unruhig, immer in Gefahr in den Wahnsinn zu rutschen. Der Mensch kann sich nicht halten. Ist in Gedanken bei anderen. Wie erringe ich die Gunst von jemandem, wie haue ich jemanden übers Ohr? Er kann auch die Zeit nicht halten. Mäandert im Gestern und Morgen.[/quote]
Ticken Katzenliebhaber so? Echt? Da lobe ich mir doch meinen Hund, der zusammen mit mir herrlich auf der Couch entspannen kann. In Gedanken bei jemand anderem zu sein finde ich schön, allerdings habe ich da andere Themen als die von Dir beschriebenen - und mein Hund denkt da genauso, sagt er. Smile

In einer Sache muss ich Dir allerdings zustimmen: Wir haben in der Tat ein Problem mit ungleichmäßiger Entwicklung von Technik/Ratio und Psyche. Man kann nur hoffen, dass sich das im Rahmen des nächsten Evolutionsschubs erledigt. Vielleicht sind es ja aber auch die zukünftigen KIs, die uns da als "Prothese" weiterhelfen, indem sie es uns erlauben, uns quasi unvoreingenommen "von außen" zu betrachten. Wir werden sehen.

Gruß an die Katze! Smile

Haro

Edit: Seltsam ... in der Vorschau werden die Zitate korrekt dargestellt, aber wenn ich es absende nicht. Sad
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nebenfluss
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Beitrag29.06.2023 17:38
Re: Die Prothesen-Katze
von nebenfluss
Antworten mit Zitat

Haro hat Folgendes geschrieben:
Edit: Seltsam ... in der Vorschau werden die Zitate korrekt dargestellt, aber wenn ich es absende nicht. Sad


Du hast deinen gesamten Beitrag in ein Selbstzitat - quote="Haro" - gepackt. Vermutlich liegt es daran.


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Eris Ado
Klammeraffe


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Beitrag29.06.2023 17:46
Re: Die Prothesen-Katze
von Eris Ado
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Haro hat Folgendes geschrieben:
Gruß an die Katze!


Ich hatte mal eine Katze. Die ist aber seit einigen Jahren tot. Zur Zeit habe ich eine Spinne, die ich ab und zu sehe. (Oder sie hat mich. Sie hat sich in meine Wohnung begeben, nicht ich in ihre. Obwohl: Wenn ich mich in ihre Wohnung begeben würde, hätte sie mich erst recht.)

Grüße an den Hund. smile extra
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Haro
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Beitrag29.06.2023 17:47

von Haro
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Selbstzitat? Wie ist das denn passiert? Ich kann das nirgends sehen. Alles was ich sehe ist "Quote=Eris Ado".
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Gast







Beitrag29.06.2023 21:52

von Gast
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nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Das ist allerdings auch eine einseitige Sichtweise. Gerade heute ist auf zeit.de zu lesen, jede:r dritte Studierende stünde am Rande eines Burn-outs.

Das ist allerdings keine neue Entwicklung und eine Schlagzeile, die du ähnlich formuliert in zig Artikeln der letzten Jahre findest. Gibt man nur „Burnout bei Studierenden“ in Google ein, erscheinen Berichte aus vergangenen Jahren, die mitunter die gleichen Symptome und vermeintlichen Ursachen aufzählen: Prüfungsstress, Arbeitsbelastung, finanzielle Sorgen. Das gab es immer schon. Was sich geändert hat, ist die Haltung dazu. Sind nun die Auswirkungen der Pandemie maßgeblich ausschlaggebend für diese
nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Aus dem Boden sprießen nicht nur Achtsamkeitskurse und -institute, sondern auch kritische Artikel zur Verbindung z. B. zwischen "Me-Time" und Kapitalismus, als Beispiel:
https://vangardist.com/news-article/the-sin-of-me-time/

Entwicklung?

Die Autorin des Artikels fragt sich:
Zitat:
Rennen wir nicht alle irgendeiner vermeintlichen Pflicht hinterher, um darin eine Berechtigung für unsere Existenz zu finden?

Ich denke, grundsätzlich rennen wir dem Glück hinterher, wir wollen uns glücklich fühlen, und mit einer positiven Einstellung, die man eben durch Ausblenden von negativen Gedanken, Gefühlszuständen wie Stress/Leistungsdruck eher erreicht, fühlt man sich nun mal automatisch glücklicher. Es gibt viele verschiedene Wege, die man dafür einschlagen kann, was individuell und jedem selbst überlassen ist, wie er dieses Glück findet. Wer sein Glück als höchstes Ziel im Nichtstun sieht, sich konsequenterweise dann mit weniger zufrieden gibt, der soll das machen, wer im Beruf aufgeht und seine Erfüllung im wirtschaftlichen Erfolg sieht, der soll das machen. Ich glaube auch, eine gesunde Balance zwischen beidem, Auf-sich-achten und Leisten, liegt im Bereich des Möglichen.

Eris Ado hat Folgendes geschrieben:
Wer einen Kurs besucht, will einen Mangel beheben. Wie weit kann man mit diesen Kursen kommen? Auf Augenhöhe mit einer Katze? Das bezweifle ich.

Wer einen Kurs besucht, zeigt zunächst einmal Interesse, will vielleicht etwas Neues ausprobieren. Er will etwas für sich tun, für sein Wohlbefinden, bestenfalls sogar Spaß dabei haben. Ich glaube nicht, dass es hauptsächlich darum geht, einen „Mangel“ zu beheben. „Mangel“ klingt sehr hart, es ist ja kein Geheimnis, dass Menschen unvollkommen sind, ich sehe nichts Schlimmes darin. Wenn man so einen Kurs besucht, geht es nicht vorwiegend um die Beseitigung eines Mangels, sondern um die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Dafür ist es nicht zwingend notwendig, „auf Augenhöhe mit einer Katze“ zu kommen bzw. ihre Fähigkeiten zu erlangen.
Eris Ado hat Folgendes geschrieben:
Wer mal ein paar Fußballspiele gesehen hat, hält sich für einen Bundestrainer; wer ein paar Polittalkshows konsumiert hat, hält sich für einen Spitzenpolitiker; wer ein paar Achtsamkeitskurse besucht hat, hält sich für eine Katze. So ist der Mensch.

Ich habe mal an einem Nordic-Walking Laufkurs teilgenommen, die Stöcke empfand ich schnell als lästig, aber die Trainerin hat immer wieder zwischendurch verschiedene Achtsamkeitsübungen mit uns gemacht. Das fand ich wiederum sehr interessant, auch zu realisieren, wie schwer es ist, sein Gedankenkarussell auszublenden. Die Übungen waren vielfältig und haben auch im Nachgang des jeweiligen Termins definitiv für einige Denkanstöße gesorgt. Die Aufgabe, sich mit den Wurzeln eines riesigen Baumes zu verbinden, war durchaus eine Herausforderung. Laughing
Es ist sicher viel mentales Training nötig, um sich gezielt solche bewussten Augenblicke zu schaffen, da gebe ich dir recht.

Eris Ado hat Folgendes geschrieben:
Der von Freud geprägte Begriff Prothesengott, bezieht sich darauf, dass sich der Mensch mittels Prothesen zu einer Art Gott gestaltet hat. Die Prothese muss somit nicht Teil des menschlichen Körpers gewesen sein, sondern Teil eines imaginierten göttlichen Körpers.

Diesen von Sigmund Freud entwickelten Begriff „Prothesengott“ kannte ich bis jetzt nicht, danke für den Hinweis. So ergibt es mehr Sinn. Ich hatte Schwierigkeiten, mir die Fähigkeit einer Katze im Hier und Jetzt zu leben, als Körperersatzteil vorzustellen.
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Pickman
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Beitrag29.06.2023 22:52

von Pickman
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Eris Ado hat Folgendes geschrieben:
Pickman hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
der Begriff "Prothese" scheint mir nicht ganz passend zu sein


Da stimme ich zu. Eine Prothese ist für mich ein Ersatz für einen verlorengegangenen funktionalen Teil meines Körpers. Etwas, das nie Teil meines Körpers war, ist keine Prothese, sondern ein Instrument.


Der von Freud geprägte Begriff Prothesengott, bezieht sich darauf, dass sich der Mensch mittels Prothesen zu einer Art Gott gestaltet hat. Die Prothese muss somit nicht Teil des menschlichen Körpers gewesen sein, sondern Teil eines imaginierten göttlichen Körpers.


Oha, Das Unbehagen in der Kultur, damit habe ich mich auch mal befasst, lang ist's her, alles vergessen.


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nebenfluss
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Beitrag30.06.2023 00:21

von nebenfluss
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Hallo Katinka,
Zitat:
nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Das ist allerdings auch eine einseitige Sichtweise. Gerade heute ist auf zeit.de zu lesen, jede:r dritte Studierende stünde am Rande eines Burn-outs.

Das ist allerdings keine neue Entwicklung und eine Schlagzeile, die du ähnlich formuliert in zig Artikeln der letzten Jahre findest.

das stimmt, aber ich weiß nicht, was du (auch im Rest deiner Antwort) mir oder über den Text damit sagen willst.
Zumal sich Vergleichbares erst recht über die vermeintliche Lösung sagen lässt. Das was man heutzutage (Selbst)Achtsamkeit (oder MeTime, SelfCare etc.) nennt, versuchten Hippies bereits in den 1960er Jahren zu erreichen, sei es durch Konsum bestimmter Drogen oder der Hinwendung zu fernöstlicher Esoterik. Gerade dieses Feld - Yoga, Meditation, Buddhismus, ZEN, die fünf Tibeter, die Ansprachen des Dalai Lama - hat den westlichen Menschen seitdem ständig als Angebot begleitet, ebenso wie Gurkenmaske & Co. sowie selbstredend diverse Bestseller aus dem Bereich der Glücksversprechung ("Macht des positiven Denkens", "Sorge dich nicht - lebe!" etc.), meist aus US-amerikanischer Feder. Das alles konnte aber nicht das Entstehen einer Gesellschaft verhindern, in der immer mehr Menschen nervös werden, wenn sie mal eine Stunde offline sind/nicht aufs Smartphone schauen - man könte ja etwas verpassen ... die Motivationen und Problemlagen dahinter sind sicherlich vielschichtiger als die beiden im Text erwähnten,
Eris Ado hat Folgendes geschrieben:
Ist in Gedanken bei anderen. Wie erringe ich die Gunst von jemandem, wie haue ich jemanden übers Ohr?

diese passen aber z. B. auf die Gier nach immer mehr Followern. Und gerade weil der Text dieses spezielle Feld gar nicht beackert, sich dennoch darauf anwenden lässt, finde ich ihn überzeugend und zeitgemäß.

Es steht dir selbstverständlich frei, eine optimistischere Haltung dazu zu haben.


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Gast







Beitrag30.06.2023 20:21

von Gast
Antworten mit Zitat

Hallo nebenfluss,
nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Katinka hat Folgendes geschrieben:
nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Das ist allerdings auch eine einseitige Sichtweise. Gerade heute ist auf zeit.de zu lesen, jede:r dritte Studierende stünde am Rande eines Burn-outs.

Das ist allerdings keine neue Entwicklung und eine Schlagzeile, die du ähnlich formuliert in zig Artikeln der letzten Jahre findest.

das stimmt, aber ich weiß nicht, was du (auch im Rest deiner Antwort) mir oder über den Text damit sagen willst.

Mein Kommentar spiegelt meine Gedanken zu den Artikeln wider, die du in Bezug auf ein Zitat von mir verlinkt hast. Eris Ados Beitrag beschäftigt sich unter anderem mit der mutmaßlichen Unfähigkeit der Menschen im Hier und Jetzt zu leben. Mir stellte sich die Frage, ob man das wirklich so pauschal sagen kann und welche Möglichkeiten der Prävention sich bieten, eben nicht eines Tages mit einem Burnout aufzuwachen. Sorry, @Eris Ado, falls ich zu sehr abschweife und an deiner Intention bezüglich des Textes vorbeireden sollte, schließlich geht es hier ja um Textarbeit. rotwerd
nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Zumal sich Vergleichbares erst recht über die vermeintliche Lösung sagen lässt.

Das stimmt auch.
nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Das alles konnte aber nicht das Entstehen einer Gesellschaft verhindern, in der immer mehr Menschen nervös werden, wenn sie mal eine Stunde offline sind/nicht aufs Smartphone schauen - man könte ja etwas verpassen ... die Motivationen und Problemlagen dahinter sind sicherlich vielschichtiger als die beiden im Text erwähnten,
Eris Udo hat Folgendes geschrieben:
Ist in Gedanken bei anderen. Wie erringe ich die Gunst von jemandem, wie haue ich jemanden übers Ohr?

diese passen aber z. B. auf die Gier nach immer mehr Followern.

Wer sich erst gar nicht mit möglichen Lösungsansätzen auseinandersetzt, wird auch nichts an seiner Haltung ändern können. Ich glaube, es findet schon eine Entwicklung statt, wenn man es versucht, egal ob mit Achtsamkeitstraining, Meditation, Buddhismus, den Ansprachen des Dalai Lama oder Dale Carnegie, man muss ja nicht unbedingt zum Zen Master mutieren. Es geht darum, sich ein Stück weit von seinem Gedankenkarussell, wie Eris Ado es beschreibt
Eris Ado hat Folgendes geschrieben:
Ganz anders der Mensch. Auch ihn verrät der Blick. Sogar wenn er vermeintlich entspannt auf dem Sofa lümmelt, ist da immer etwas in seinem Hirn, das flackert. Er ist das neurotische Tier. Unruhig, immer in Gefahr in den Wahnsinn zu rutschen. Der Mensch kann sich nicht halten. Ist in Gedanken bei anderen. Wie erringe ich die Gunst von jemandem, wie haue ich jemanden übers Ohr? Er kann auch die Zeit nicht halten. Mäandert im Gestern und Morgen.

zu befreien. Dass das nicht mit einem Fingerschnippen passieren kann, ist klar.
nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Es steht dir selbstverständlich frei, eine optimistischere Haltung dazu zu haben.

Ich habe keine perfekte Lösung und sehe die Zustände, die du in Bezug auf die aktuelle Entwicklung unserer Gesellschaft aufzählst, auch. Dennoch bleibe ich unverbesserlich optimistisch, das stimmt.

LG Katinka
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