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d.frank
Geschlecht:weiblichReißwolf
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Alter: 44
Beiträge: 1129
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D
Beitrag10.12.2022 04:28

von d.frank
Antworten mit Zitat

Wenn du und Rilke des Menschen Wort als ein Urteil meint, das über ein Ding gesprochen wird und es somit gleichzeitig abtut, schließe ich mich der Einschätzung an.

Aber Entschuldigungen müssen nicht sein. Es ist ein Bild, es ist abstrakt und du hast nur Momente davon gesehen.


_________________
Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
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d.frank
Geschlecht:weiblichReißwolf
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Alter: 44
Beiträge: 1129
Wohnort: berlin


D
Beitrag12.12.2022 15:35

von d.frank
Antworten mit Zitat

Hallo ihr,

mag das Bild eigentlich auch nicht erklären, wahrscheinlich auch nicht mir selbst.

Zuerst: Wo ist Lina?
Für mich durchzieht sie den ganzen Text. Wenn man sie nicht als Ding oder Person betrachtet, dem oder der mit der Vergabe eines Namens/Stempels und der Schlussfolgerung, dass sie nicht da ist, ziemlich viel Spielraum im Jetzt genommen ist.
Die Frage: "Wo ist Lina?", kann man auch so ein bisschen mit Schrödingers Gedankenexperiment vergleichen. So ein bisschen auch mit dem Strandpromenadentext (finde ich), weil durch die Frage steht ja nur fest, dass Lina eben nicht da ist. Und weil somit das Nachsehen erschwert ist, sind der Rest nur Vermutungen, und weil die meistens unbefriedigend sind, geht es irgendwann gar nicht mehr um die Person, sondern nur noch um ihr Verschwinden und um die Befindlichkeiten der sie suchenden Person.

Entschuldigung @Jenny, dass ich die mir nachträglich aufgegangene Essenz ihres Textes hier eingefügt habe.

Zitat:
befindet sich das radioaktive Präparat im Kasten so lange in einem sogenannten Überlagerungszustand, bis jemand nachschaut, ob der Zerfall tatsächlich stattgefunden hat", erklärt der Physiker Erich Runge.

Solange der Kasten verschlossen bleibt und keine Messung erfolgt, befindet sich das Material also in der Schwebe zwischen Zerfallen-Sein und Nicht-Zerfallen-Sein.


*auf die Schnelle von https://web.de/magazine/wissen/wissenschaft-technik/schroedingers-katze-geloest-phaenomen-verstaendlich-erklaert-31155030

Dann habe ich also versucht, die Quantenmechanik auf die Psychologie anzuwenden. Lina verwandelt sich, das Bild verwandelt sich und weil das alles im Konjunktiv geschieht, ist selbst das niemals wirklich bewiesen. Alles ist , wie auf dem Bild zu sehen, aber nur für jeweils einen Moment und durch Interaktion zwischen Sender (dem Bild) und Empfänger (dem Betrachter) anscheinend beweglich. Lina, als Inhalt und nicht als Körper, Gefäß oder Projektionsfläche gesehen, ist in Bewegung und deshalb steckt die Frage nach ihr für mich auch in Gestalt des alten Mannes, sowie später in beiden Personen gleichzeitig.

Wie in dieser Kurzgeschichte von Andy Weir
http://www.galactanet.com/oneoff/theegg_de_mod.html

oder in dem ihr nachempfundenen Animationsfilm von Dinge erklärt – Kurzgesagt
https://www.youtube.com/watch?v=VmHAuMGJwe4

viel besser, schöner und vor allem optimistischer in Worte gefasst wurde.


Dann geht es um Muster in Wahrnehmungen, die wichtig sind, damit man etwas einordnen kann, gleichzeitig aber auch den Blick verengen. Der Betrachter kann hier nicht wirklich in das Geschehen eingreifen, er wird sozusagen von einem Bild in das nächste geschubst und hat weder Gewissheit, noch Handlungsspielräume.
Die Mustererkennung funktioniert also gar nicht, weil sich das Bild immerzu verändert und auch nicht physikalisch auf die eigene Wahrnehmung umgebogen werden kann, außer man würde es eben verhängen.
Das ist, anders als bei Schrödingers Katze, ein Kontrollverlust, den man zulassen muss, um die Frage nach Lina beantworten zu können.
Man müsste also gedanklich in das Bild und damit auch in die Darstellung hineingehen, wenn man denn auf der Suche nach Lina wäre und weiters müsste man die gefundenen Antworten aushalten können oder sie auch aushalten wollen.

Dass Lina selbst auf der Suche ist (vielleicht nach sich selbst), kindlich, naiv (Rotkäppchen, verzaubert wirkender Wald) und deshalb mit einem winzigen Löffel den sogleich schmelzenden Schnee in ihrem Korb anhäuft. Dass der Sturm sie aus dieser Naivität herausreißt, weshalb der alte Mann an ihre Stelle tritt, der ebenfalls sammelt, aber in diesem Fall, um nicht zu verdursten. Dann jagt er, (was eigentlich nicht verwerflich ist, weil auch das tun Lebewesen, um ihr Überleben und ihren Platz in der Entwicklung zu sichern) aber in dem vorgefertigten Muster wirkt es grausam und verwerflich.
Später zeigt er sich dem Mädchen gegenüber hilfsbereit (was eigentlich eine menschlich warme Geste ist, in Bezug auf das Vorhergehende aber bitter wirken könnte und die ganze Interaktion unter ein schlechtes Zeichen stellt)
und weil das Mädchen durstig und angewiesen ist, nimmt es die Gabe an, beteiligt sich somit indirekt an der zuvor gezeigten Jagd, sozusagen.
 
Es sind Persönlichkeitsanteile, die in jedem Menschen stecken und sich gegenseitig bedingen.
Insofern ging es mir auch um Narrative, die aus einfachen Bildern entstehen, die man ausschmücken oder demontieren kann und über Andere und auch über sich selbst erdenkt und erzählt.
 
Das Bild  ist ein fester Bestandteil der Wahrnehmung, aber gleichzeitig eben auch nur ein Bild, das ohne den Betrachter keinerlei Wirkung ausübt. Der erzählende Betrachter, der stattdessen die Bilder in Worte übersetzt, hat jedoch eine hypothetische Meinung, und in diesem Fall nicht über die Bilder, sondern über die, die sie betrachten.
Meine Hoffnung dabei war, dass dieses Vorgefertigte die Bereitschaft zum Aufbrechen der Muster und Einordnungen erhöht. Leider ist das so nicht angekommen und hat sich eher verstärkt.

Becher, Löffel, Korb, Hut oder Mütze - das alles sind in dem Fall Werkzeuge und gleichzeitig Attribute, die in der Wahrnehmung einen festen Platz haben, hier aber aufgehoben oder auch verkehrt worden sind. Das niedliche Mädchen, der Bettler - ebenfalls typische Bilder und Muster.

Darum geht es auch im Bezug auf die Mütze/den Hut, eine Hommage an Gustave Flaubert und an die Kopfbedeckung des Charles Bovary, die ihn, ebenso wie sein Name und die Art, wie er ihn selbst vor der Klasse ausspricht, am Anfang des bekannten Romans gleichzeitig charakterisieren und verdammen.
Worte, Dinge, Namen, Bilder, Narrative können so etwas anrichten, wenn man sie als vorgefertigte Schablonen verwendet, um sie, wie eine KI es tun würde, jemandem überzustülpen, damit es einem in der eigenen Beurteilung von Sachverhalten leichter fällt. Charles Bovary trägt eine Mütze, die ihn im Außen charakterisiert, sie wurde ihm auch von außen aufgezwungen. Anfänglich über die Mütze charakterisiert, tritt Bovary im Verlauf des Buches völlig in den Hintergrund und ist am Ende wirklich in jeder Form gehörnt.

Soviel dazu und zu dem, wie ich das Vage im Text selbst gegriffen kriege.

An dieser Stelle dann auch nochmal ein Danke an alle, die sich auf den Text eingelassen und ihm auch ein paar Punkte dagelassen haben.


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