"Steve Splatter"

[Longo]

Zu Gast bei Steve Splatter, einem bekannten kanadischen Showmaster, der “mit seinen Gästen Klartext redet”.

14.05.2006, Sendung mit dem Thema: "Ich schlage meine Kinder."

"Mein nächster Gast ist Petra Jacob, bitte!”

Eine mächtig korbulente Frau, angezogen mit einem pinken Blazer, betritt watschelnd die Bühne und setzt sich auf einen extrabreiten Stuhl mit mächtiger Rückenlehne.
"Weißt du, warum du hier bist, Petra?", fragt Steve, nachdem sie sich hingesetzt hat, und streicht sich dabei über seinen Schnauzer.
"Nein."
"Du weißt nicht, warum du hier bist?"
"Nein", wiederholt Petra und blickt unsicher nach links und rechts.
"Steh auf! Mütter, die ihre Kinder schlagen, haben kein Recht auf meiner Bühne zu sitzen!”, schreit er durch das Studio und begibt sich auf die Bühne.
...
"Ich kann nicht", sagt Petra.
Drei durchtrainierte Securitymänner stürmen auf die Bühne und helfen der adipösen Frau aus ihrem Stuhl. Es geht langsam vorwärts, aber schon steht sie schnaufend vor Steve.
"Er kann dir sagen, warum du heute hier bist!", sagt Steve zu Petra bestimmt.
Die Kamera schwenkt hinüber auf den großen Bildschirm. Dort erscheint ein weinendes, pausbäckiges Kindergesicht mit einem gut sichtbaren Hämatom am Kopf. In weinendem Ton gibt das Kind von sich: "Mama, ich halte es bei dir nicht mehr aus. Du schlägst mich und meinen kleinen Bruder nur. Ich habe Angst vor dir. Ich - "
Das Publikum gibt nach dem Ende der Liveschaltung laute Kommentare von sich: "Rabenmutter! Rabenmutter!" Ein Teil der Zuschauer steht auf.
Steve setzt hinzu: "Weißt du jetzt, warum du hier bist?"
Sie antwortet: "Meinen Kinder geht es gut. Ich habe niemanden geschlagen. Ich liebe meine Kinder." Dabei gestikuliert sie mit ihren Armen und bläst heftig Luft durch ihre Zahnlücken.
"Willst du mir sagen, dass dein Sohn lügt? Willst du mir sagen, ihm geht es gut? Hast du ihm in die Augen gesehen? Schau mich an!", schreit er Petra an, die, den Tränen nahe, auf den Boden blickt. Er fährt fort: "Du willst mir etwa sagen, lass mich raten, dass seine Hämatome am Kopf vom Spielen kommen? Willst du das?"
"Er ist gestolpert und die Treppen runtergefallen."
"Die Treppen runtergefallen?"
Die Kamera schwenkt wieder auf den großen Bildschirm. Wieder erscheint das Bild des Jungen, noch stärker quellen ihm die Tränen aus den Augen, mit kaum noch hörbarer Stimme setzt er hinzu: "Du hast gelacht, als du mich runtergeschubst hast. Steve, ich habe solche Angst..."
Steve rückt der Mutter nun ganz nah auf die Pelle und schreit sie, ebenso wie viele der aufgestandenen Zuschauer, an: "Hast du gehört, was er gesagt hat? Du misshandelst deine Kinder, du Rabenmutter, du ...! Warum hast du das gemacht?"
"Ich..."
"Warum lügst du?"
"Ich..."
"Du als Mutter hast eine Pflicht, du musst Vorbild sein, du musst dich um dein Kind sorgen!"
"Er hat immer genug zu essen gehabt."
Die Reaktion des Publikums: "Das sieht man dir an!"
Steve fährt fort: "Es geht nicht um das Essen, es geht um Liebe, es geht um Vertrauen! Schlagen, Petra Jacob, ist das Unterste, Niederste, was man als Mutter machen kann! Schämst du dich nicht? Kannst du dich überhaupt noch im Spiegel erblicken? Antworte!"
"Aber Peter hat..."
"Weißt du, was du bist?" Steve nickt. "Eine Drecksmutter, ein Haufen Dreck. Und ich sage dir noch etwas", setzt Steve sehr deutlich hinzu und starrt Petra in die Augen: "Deine beiden Söhne siehst du nicht mehr! Ich werde alles in die Wege leiten, dass sie ein besseres Leben führen können! Das garantiere ich dir!"
Applaus im Publikum.
Petras Körper zittert. Sie bringt kein Wort mehr heraus, sagt ein paar Mal leise "Nein", aber Steve leitet das Ende des Gespräches ein: "Rabenmütter haben nichts auf meiner Bühne zu suchen. Menschen wie du sollten nie mehr in Kontakt mit Kindern kommen! Menschen wie du sind eine gesellschaftlich Schande! Auf Wiedersehen!"
Petra bewegt sich wackeligen Schrittes von der Bühne, Security Leute beschleunigen den Abgang.
Steve, wieder auf seiner Position vor der Bühne angekommen, sagt laut: "Der Nächste bitte."



MFG Longo

[Honky Tonk]

Hm, was soll man dazu sagen. Gut geschrieben ist es. Ansonsten fehlt mir noch etwas Hintergrundmaterial. Hast du da irgendein Vorbild? Ich meine nämlich einen ähnlichen Showmaster zu kennen.

[Longo]

Steve Wilkos, falls du den kennst.
Beim Lesen sind mir gerade noch ein zwei Rechtschreibfehler aufgefallen. Falls noch jemand zu dem Text etwas schreiben will (was ich hoffe), braucht ihr sie nicht aufzuzählen, ich weiß z.B. dass bei gesellschaftlich noch ein "e" drankommt.

MFG Longo

[Honky Tonk]

Stimmt der war es. Was willst du uns denn damit sagen?

[Plague Rat]

[Murmel]

hm. Wer erzählt da eigentlich? Ein Fersehzuschauer???

[Honky Tonk]

Genau der wird ja nicht ganz klar. Sonst ist es ja nur ein einfacher Auszug.

[Longo]

Ich bin kein Schreiber, der anhand eines Planes einen Text schreibt. Ich schreibe intuitiv, habe einen groben Rahmen, hier die Darstellung einer Talkshow und darin forme ich. Zum Beispiel: Ich fixiere mich nicht auf die Betrachtungsweise von Steve, sondern gehe Punkt für Punkt auf interessante Dinge ein, die dann von mir - je nach Laune - mit Emotionalität oder Humor usw gefüllt werden. Zu Humor ist auch diese Szene geordnet:
""Steh auf! Mütter, die ihre Kinder schlagen, haben kein Recht auf meiner Bühne zu sitzen!”, schreit er durch das Studio und begibt sich auf die Bühne.
...
"Ich kann nicht", sagt Petra. "
Die arme Frau kommt einfach nicht aus dem Stuhl.
Zum größten Teil würde ich den Text aber als medienkritisch bezeichnen.

MFG Longo

[Eredor]

Ein heikles Thema, dazu ein toller Text.
Mir gefällt es sehr, wie du beim Leser gemischte Gefühle erzeugst. Einerseits will man einer der Zuschauer sein, diese Rabenmutter ausbuhen und andererseits... will man die helfende Hand sein.
Zwei Extremen, die aufeinanderprallen. Übertriebene Agressivität an Kindern und die daraus resultierende übertriebene Reaktion des sozialen Umfeldes.

Im Gegensatz zu den anderen ist mir der Moderator leider nicht bekannt vorgekommen, ich bin aber auch nicht derjenige, der viel fern sieht.  
Allerdings hat er einen interessanten Charakter. Er ist ein viel zu konsequenter "Held", der die Menschen so sehr liebt, dass er keine Mühe scheut, die schwarzen Schafe auszusortieren.

Erneut, das Thema gefällt mir und an der Umsetzung lässt sich auch nicht kritisieren.

lg Dennis

[Ronneburger]

Hallo,

du hast mich mal wieder darauf aufmerksam gemacht, wie sehr ich Talkshows hasse. Alleine deshalb möchte ich nicht krank werden, weil man da förmlich gezwungen wird sich von Gerichtsshows und Talkshows berieseln zu lassen.

Diesen Typen kenne ich übrigens auch und finde ihn richtig ....., das Wort schreib ich jetzt nicht.

Zu deinem Text. Finde ich gut geschrieben und ich kann mich gut reinversetzen, ob das jetzt an deinem Stil liegt oder weil ich die Show schon im Kopf hatte, kann ich nicht sagen. Trotzdem fehlt mir irgendwie ein gewisser Hintergrund, vielleicht auch wirklich ein Ende oder eine Auflösung, wenn du es so willst.
Eine Antwort auf die Frage: War sie es oder war sie es nicht? Aber ich glaube, das war ja von dir gewollt, dass du es offen lässt. Mir fehlt es halt irgendwie.

[pna]

Au ja! ich sehe da ein richtig hinterfotziges Drama: Der Vater der Kinder hat sich in eine hübsche Frau verknallt und die liebt auch ihn, und jetzt ist nur noch die dicke Gattin im Weg. Die Kinder wollen auch lieber bei der schlanken und erfolgreichen Frau sein, also hängt man der Mutter an, sie würde ihre Kinder schlagen. Großes Theater, aufgepinselte Hämatome, die Frau komplett fertig, der Vater schauspielerisch gerührt... Nach der Show stürzt sich die dicke Mutter in ein Kuchenmesser und entleibt sich, und der treulose Mann samt betrügerischer Kinder entkommt in den neuen Hafen der Ehe, während das Andeken der geschmähten Frau in Zukunft als Mahnmal für die fette, amerikanische, Kinder schlagende Frau herhalten muss.
Ha!

lg/Peter

[Skywhite]

Die Idee ist gut, aber irgendwie denke ich, hier herrscht ein wenig Beweihräucherung, was die Art angeht, wie du Sätze fomulierst.

Das kannst du sicher besser.

Sky

[Longo]

Es ist nicht so wichtig, ob das alles stimmt, sondern ob es unterhält und Emotionen hervorruft. Ich hatte erst noch die Idee, eine kurze Texteinblendung am Ende der Sequenz anzufügen, z.B.: "Petra Jacob wurden ihre beiden Söhne nach der Sendung richterlich entzogen. Sie wird der Körperverletzung angeklagt und erwartet eine hohe Freiheitsstrafe. Peter und sein Bruder leben jetzt bei Pflegeeltern in Cambridge." Aber ich habe das schließlich nicht angefügt, weil das die Perspektive des Fernsehzuschauers zu stark akzentuieren würde. (@pna: Das würde nach der Werbepause, die zehn Minuten geht, aufgedeckt werden, unter dem Titel: "Die wahre Geschichte der Petra J. - Steve deckt auf")
@Skywhite: Die Formulierung der Sätze ist natürlich nicht ausgereift; manchmal gibt es sich wiederholende Formulierungen oder umgangssprachliche Ausdrücke wie "auf die Pelle rücken", aber ein perfekt ausformulierter Text mit entsprechender Syntax entspräche meiner Ansicht nach nicht dem Inhalt und dem nach dem Sinne des Autors gedachten Rezipienten. Das Problem für mich hier war der Mittelweg zwischen sprachlicher Komplexität, wodurch oft der Inhalt leidet, und kurzem hypotaktischen Satzbau, den ich fast immer benutze, zu finden, also zusammengefasst einen nach meinem Empfinden normalen Text zu schreiben, was für mich nicht einfach ist.

MFG Longo

[Murmel]

Vielen Dank, dass du auch auf meine Kommentare eingegangen bist, aber dir liegt ja eh nicht daran, den Stil zu verbessern.  

[Longo]

"Durchtrainierte" und "korpulent" habe ich in meinem Text verbessert. Und ich habe dir auch die Stelle mit den drei Punkten erklärt. Also bitte .

MFG Longo

[BlackRider]

Hm, ich habe seit Jahren keine Talkshow mehr gesehen, aber das wirkt eigentlich nur wie das Drehbuch zu einer. Es ist nichts darin, was darueber hinausgehen wuerde. So wie der Text dasteht, kann ich mir auch gleich eine Talkshow anschauen... verstehst Du was ich meine?