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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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Stimmgabel Papiertiger
Beiträge: 4370 Wohnort: vor allem da
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11.06.2017 09:37 Re: bilanz von Stimmgabel
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ich hatte damals viele pläne
mehrdimensionale gebilde
als lichtstrebender hyperbelkranz |
symmetrisch geordnet und |
traumdifferenziert | bei diesen drei Bla Bla Lamettaglitzerzeilen knick ich echt ab / Lyrik?
einer führte mich zum kap
scheitel jugendlicher sehnsüchte
fand die tafel nur am fuße des berges
tranken wir wein aus stellenbosch
für mehr war wieder keine zeit
ein paar pläne blieben mir
im hinterkopf dieser alte narr
meint es wäre nie zu spät
er hat seine eigene physik und
glaubt jetzt an wurmlöcher ...
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Hallo Tula,
mMn ein nichtssagender, vor allem ein nichtssagend wollender Text, der sich einzig hinter allgemeinen Nebelhüllen und Hülsen versteckt; irgendwie ne Klischee-Lebensreise von Jugend bis alter Narr [ A. Einstein (passt nur nicht Südafrika) oder oder? ] mal kurz durchgefriemelt; paar Floskeln wie:
Pläne
Gebilde
Kap
Stellenbosch
ach ja, das Weinsuckeln darf nicht fehlen [ ist's ja so lebensbesagend ]
alter Narr
Wurmlöcher
und das war's.
Meine ernsthafte Frage: Ob solche sich selbst abhakenden Texte [ für mich wie ne leblose abstreich_Liste von ... bis ] tatsächlich lese_Sinn machen und dann möglicherweise auch noch Einstein (oder oder) an den Kragen getackert? Selbst Captain Kirk würde spätetstens nach einer Minute gähnend das Kino verlassen haben [ dann vielleicht mit Wurmloch ]. Okay, im sich langweilenden zu Hause als quicky brainy mal aufgepinnt, ist ja was anderes, man weiß ja nie wofür ...
... oder geht's um die Stellenbosch Universität? Li hat die mal touristisch besucht, vor allem dort Wein in die Birne geschüttet, hi hi ... / um Stellenbosch writers? ... um Publizitätsrechte zum Fall A. Einstein in Südafrika ... oder einfach nur um eine Stellenbosche Gedenktafel mit Einstein drauf ...
oder will sich hier klein lyr_LI selbst als großer Physiker outen, quasi Inkognito, so ganz nebenbei ???
was für ein Geschwurbel so kann ein leerer Sonntag brunchend beginnen.
Gruß Stimmgabel ...
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_________________ Gabel im Mund / nicht so hastig... |
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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11.06.2017 23:16
von Tula
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Hallo verstimmte Gabel
wenn ein anspruchsvoller Leser bereits beim gewählten Thema nicht ins Schwingen kommt, kann ich dies noch nachvollziehen. Ansonsten sollte ich wahrscheinlich den Leser bedauern, der hier mit solch einem gedanklichen Gebrösel seinen leeren Sonntag zu füllen vermeint. Denn dieses hat mit konstruktiver Kritik herzlich wenig zu tun und bezeugt eher seine Oberflächlichkeit, d.h. fehlenden Willen und Mühe, sich den ansonsten leicht zugänglichen Inhalt zu erarbeiten.
Da wir uns nicht kennen, weiß ich auch nicht, ob es bereits deiner Jugend an Träumen, Tatendrang und Ehrgeiz mangelte, denn um diese geht es hier. D.h. nicht um irgendwelche pubertären Flausen, dass man 'irgendwann mal irgendwo hin will'. Nein, es geht um 'Pläne'. Ich gehe mal davon aus, dass du Begriffe wie 'Wunsch', Traum', 'Vorhaben' usw. semantisch von 'Plan' unterscheiden kannst. Und ob du in einer begeisterungsarmen Jugend nur so vor dich hingesummt hast, weißt nur du allein. Das sollte aber nicht ausschließen, dass andere Menschen in diesem Alter ihre jugendlichen Träume in konkrete Pläne zu verwandeln versuchen, wie realistisch diese am Ende auch sein mögen. Das mag bei dem einen die leistungssportliche Spitze sein, bei einem anderen die erfolgreiche Karriere als Musiker usw., bei mir war es eben ein anderer Wunsch, den ich zielstrebig viele Jahre lang versucht habe, beruflich zu verwirklichen.
Worum es dabei genau ging, spielt keine Rolle. Ich denke, da kann sich ein jeder die zweite Strophe selber schreiben, sie steht nur als Beispiel einer späteren Reminiszenz an die Träume 'von damals'. Strophe 1 und 3 dagegen sind allgemein gültig.
Also zurück zur ersten Strophe. Es geht um 'Pläne': konkret, aber auch mehrschichtig, für Außenstehende nicht immer nachvollziehbar. 'Licht-strebend' steht sowohl für die Höhe der Ziele als auch für den Ehrgeiz des Lyrichs, als komplexe Funktion der Hyperbel andererseits für die Perfektion der besagten Pläne und auch ihre gedankliche Schönheit (als Hyperbelkranz), wobei man unter anderem auf die Verwendung der Hyperbel als stilistisches Element in der modernen Architektur verweisen könnte. Dann sind die Pläne auch symmetrisch geordnet – das deutet auf die Sorgfalt in der Planung hin, während 'differenzieren' hier in seiner doppelten Bedeutung steht, d.h. als mathematisch ausgerichtete Allegorie wird 'die Funktion der Zukunft (und des Berufswunsches) über die Träume differenziert'.
Welche Rechnung dann doch nicht aufging, ist hier wie gesagt nebensächlich. Du kannst dir aber sicher sein, dass ich mir das Beispiel (wie die erste Zeile der Strophe klarstellt) des Kaps nicht umsonst gewählt habe, denn es steht in seiner entdeckungsgeschichtlichen Symbolik für die Träume, die mich bereits als Kind geprägt haben. Als ich etwa vor zwei Jahren beruflich zweimal in Stellenbosch war, hatte ich, wie auf Dienstreisen üblich, wenig Zeit. Vom Bemühen unserer Gastgeber abgesehen (dass wir nicht ganz 'leer' ausgingen'), blieb es hauptsächlich beim Kulinarischen. Den Tafelberg sah ich nur von unten, vom Kap ganz zu schweigen; und dabei erinnerte ich mich unwiderruflich an die Begeisterung früherer Tage.
Die dritte Strophe steht wieder allgemein und auch ironisch für die im Titel stehende Bilanz. Nüchtern betrachtet, haben sich viele Träume für immer verflüchtigt, andere haben ihren Platz eingenommen, sind auch 'realistischer'. Der Narr im Hinterkopf gibt aber manchmal keine Ruhe, besteht auf theoretische Möglichkeiten, die sich in praktischer Hinsicht aber nicht ergeben (werden). Das hat mit deinem Gebrabbel von Einstein und dem inkognito Physiker (der ich nicht bin) überhaupt nichts zu tun. Was du da nur rausgelesen hast ...
Stellenbosch steht natürlich für Wein der Spitzenklasse und wenigstens bei diesem könnten wir uns (rein theoretisch!) noch verbrüdern. Auch dies scheint mir momentan eher unwahrscheinlich und so greife ich aber lieber auf die lyrisch-historische Symbolik des Kaps zurück. Vom Adamastor Camões' hast du unter Umständen gehört, ich habe die Episode nochmal genauer gelesen und fand in der letzten Strophe den Bezug zu dir:
Und so geschah's, mit furchterregendem Gebrüll
wandte das Untier die verstimmte Gabel ab.
Brach sich ein letzter Klang, dann war es endlich still,
nur aus der Ferne drang nochmal ... papperlapapp ...
und so lass mich jetzt getrost in die lyrische Weite segeln ..
LG
Tula
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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menetekel Exposéadler
Alter: 104 Beiträge: 2452 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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12.06.2017 08:28 Re: bilanz von menetekel
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Tula hat Folgendes geschrieben: | bilanz
ich hatte damals viele pläne
mehrdimensionale gebilde
als lichtstrebender hyperbelkranz
symmetrisch geordnet und
traumdifferenziert
einer führte mich zum kap
scheitel jugendlicher sehnsüchte
fand die tafel nur am fuße des berges
tranken wir wein aus stellenbosch
für mehr war wieder keine zeit
ein paar pläne blieben mir
im hinterkopf dieser alte narr
meint es wäre nie zu spät
er hat seine eigene physik und
glaubt jetzt an wurmlöcher ... |
Hallo Tula,
für mich inhaltlich ohne Fehl und Tadel.
Eine Stelle könntest du nochmal überdenken und zwar die erste Versgruppe. Da sind einfach zu viele Fremdwörter drin; das wirkt irgendwie steril, denn die Wissenschaft ist der Erbfeind der Poesie. - Die Idee mit der Hyperbel ist an sich sehr schön, doch vielleicht gar nicht notwendig?
Zitat: | ich hatte damals viele pläne
mehrdimensionale gebilde
symmetrisch geordnet
einer führte mich zum kap
scheitel früher sehnsüchte
fand die tafel nur am fuße des berges
tranken wir wein aus stellenbosch
für mehr war wieder keine zeit
ein paar pläne blieben mir
im hinterkopf dieser alte narr
meint es wäre nie zu spät
er hat seine eigene physik und
glaubt jetzt an wurmlöcher
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oder du könntest alternativ alles um die "Hyperbeln" gruppieren.
In ungereimten Gedichten müssen die Textgruppen formal ja nicht identisch sein
Zitat: | ich hatte damals viele pläne
ein lichtstrebender hyperbelkranz
...
... |
Ich denke, du hast dir mit dem Gedicht viel Mühe gemacht, was man den vielen Klangschmankerln direkt anhört; doch im Eingang steckt einfach zu viel Physik.
Auf die ... kannst du locker verzichten.
Vermutlich eines der Werke, das eine längere Zeit ruhen und dann in die Bearbeitung gehen sollte ... die lohnte sich in jedem Fall.
Liebe Grüße
m.
_________________ Alles Amok! (Anita Augustin) |
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Stimmgabel Papiertiger
Beiträge: 4370 Wohnort: vor allem da
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12.06.2017 09:22
von Stimmgabel
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Hallo Tula,
ich las nun deine eigentliche Absicht deines Stückes. Quasi handelt es sich hier um einen, deinen persönlichen Tagebucheintrag, der nun auch derart persönlich_sensibel eine Aufnahme im Leser suchte [ einforderte? ], diesen er quasi als solchen zu erkennen habe. Ob das tatsächlich die Funktion der Lyrik ist, dass ein fremder Leser aus einem inszenierten Stück sofort und aprior den Schluss direkt zu den persönlichen Analen des Autoren ziehen will / muss / soll, halte ich nicht nur für verwegen, sondern für absoluten Käse / ... hättest du es zumindest dezidiert als deine Lese-Erwartung voran Stellen müssen.
Ungeachtet dessen, erkenne ich nun umso mehr deine background_Absicht in deinem SchwarzaufWeiß kaumst wieder [ selbst unter lyrisch weitester Akrobatik zugleich am Text bleibend ].
Deinen vehementen Ausritt in meine, quasi verarmte Jugend lass ich mir mal durch den Kopf gehen
Und ja, du hast Recht, in Stimmgabel hast du einen anspruchsvollen Leser vor dir, der sich vor allem auf das angebotene SchwarzaufWeiß bezieht und kaumst den Anspruch hat, irgendwelche hermetisch versteckten Befindlichkeiten des Autoren hinter dem Text zu entdecken. Umso mehr scheint es mir wichtig, deinen verhohnepiepelnden Abschluss in Form dieses Textausschnittes von Luís Vaz de Camões in ein angemessenen Background zu setzen.
Handelt es sich bei diesen modellierten? Versen [ aus dem Epos der Lusiaden ] um jenen Moment, als der mythologische (Sturm) Riese Adamastor, ’Der Nordwind’ endlich von den Seefahrern des Vasco da Gama abließ / geht’s in Camões' Stück vordergründig um die Gewalten der Natur adversus Mensch einerseits, andererseits im Übertragenen um den Eroberungswillen des Menschen über sich selbst und, als hätten die Götter einen eingreifenden Blick darauf.
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Tula, es war mir ein Interessantes, deinen wagemutigen Ausritt in die persönliche Kisten von Autor und Leser [ in dem Fall meine Person ] zu erfahren, und alles wegen eines inszenierten SchwarzaufWeiß, das einzig sich selbst erklären will.
Gruß Stimmgabel ...
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_________________ Gabel im Mund / nicht so hastig... |
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Soleatus Reißwolf
Beiträge: 1002
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12.06.2017 09:50
von Soleatus
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Hallo Tula!
Ein Gedicht, bei dem die Vorstellungen des Verfassers und die Vorstellungen der Leser kaum zur Deckung zu bringen sein werden.
Das beginnt damit, dass du das "Ich" anscheinend vollständig mit dem Verfasser gleichsetzt, ein Ansinnen, das heute schon in der Schule als zweifelhaft bezeichnet wird; und es geht mit dem Voraussetzen von (Schul-)Bildung weiter, die einfach nicht jeder hat:
Zitat: | ... mathematisch ausgerichtete Allegorie wird 'die Funktion der Zukunft (und des Berufswunsches) über die Träume differenziert'. |
Müsste dann nicht über dem Gedicht "Vorausgesetzter Bildungsabschluss: Abitur" stehen?!
Na gut, das war überspitzt. Was ich sagen möchte: Du tätest gut daran, hier von deinen Lesern nicht einen verlustfreien Nachvollzug deiner Gedanken zu erwarten; tust du es doch, wirst du enttäuscht werden.
Enttäuscht wird aber, so denke ich, auch mancher Leser, der mehr oder weniger auf dieses Nachvollziehen verpflichtet wird, ohne dass ihm ein Eigenes bliebe; was viele (mich zum Beispiel) kaum reizt.
Gruß,
Soleatus
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James Blond Eselsohr
Alter: 71 Beiträge: 448 Wohnort: HAMBURG
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12.06.2017 14:56 Ernüchterung von James Blond
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Allzu individuell und damit für den Leser weitgehend unverständlich? Diesem Urteil kann ich micht nicht anschließen. Denn dazu habe ich hier schon weitaus kryptophilere Texte angeboten bekommen, die sich ohne eingehende Kenntnis der Macken des Autors nicht erschließen konnte und oft genug auch dann nicht.
Hier hingegen bleibt alles relativ offen und auf den Titel ausgerichtet: es geht um die Lebensbilanz eines Gealterten, der sich nun fragt was aus seinen Träumen geworden ist.
In der 1. und 3. Strophe werden Begriffe und Ideen der Mathematik und Physik verwendet und zu Leitvorstellungen und Hoffnungen umgewandelt, die darauf schließen lassen, dass der Autor eine entsprechende wissenschaftliche Ausbildung besitzt. Eingerahmt sitzt dazwischen eine Strophe, die einen konkreten Ort beschreibt, an dem der Autor einst seinen Jugendträumen am nächsten kam.
Doch hier sind alle drei Strophen ironisch gebrochen, der lichtstrebende Hyperbelkranz klingt ein wenig zu illuminativ nach fieberhaften Jugendphantastereien, die mittlere nach an der Realität gebrochenen Träumen und die letzte entlarvt das physikalische Modell als Lebenlüge, als Hilfskonstruktion, um den Traum vom Traum noch nicht aufgeben zu müssen: Eine kritische bis zynische Bilanz, die uns da serviert wird. Und doch bleibt man als Leser davon merkwürdig unbetroffen. Zum einen ist es der bekannte Topos der geplatzen Träume und mühevollen Illusionen, zum anderen ist es diese Version aus einer uns nicht vertrauten Biografie, die Kombination aus zu großer Allgemeinheit mit einer sehr spezieller Weinsorte, die mich wenig anspricht.
Ich denke zwar auch, dass Lyrik mindestens zu 50% auf Nabelschau beruht, aber auch zu 50% auf Fundsachen, die Allgemeingut darstellen, nicht nur aus dem, was mir wichtig erscheint, sondern uns. Die abgeklärte, ernüchterte Sprache des Zynikers lässt dabei nur wenig Raum für Humorvolles, das die brüchige Bilanz zugunsten einer belebenden Einsicht übersteigen könnte. So wie er ist, wirkt der Text wie sein LI: ziemlich müd und tot. Und nicht einmal der gute Wein vermag daran etwas zu ändern. Und auch die moderne Form in freier, ungereimter Kleinschreibung trägt ihren Teil zur Ernüchterung bei: Der eher prosaische Text erreicht mich mit keiner Zeile, vermutlich auch, weil er mich nicht überrascht.
Cheerio!
JB
_________________
Was soll ich mit guten Freunden?
Ich bräuchte bessere Feinde! |
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albaa Leseratte
A
Beiträge: 131
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A 12.06.2017 20:57
von albaa
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Hallo Tula,
Ich habe ein bisschen die Kommentare quer gelesen. Tu mir jetzt schwer mit einer eigenen Meinung, vor allem, weil ich bei James Besprechung mehrmals nicken konnte.
Welche Metaphern ein Dichter verwenden will, ist wohl seine Sache. Und ein Leser kann durchaus Lust verspüren zu googlen. Google ist ja eine Art erweitertes Gehirn, Gott sei Dank, bei dieser modernen Wissenflut, durch Tante Google, kann man jeden Tag etwas dazu lernen, und es auch wieder vergessen
Mir geht es wie James: Der Text lässt mich unberührt: Mir scheint, das LI hält mit diesem Physikkonstrukt die Emotionen auf Distanz, oder es ist einfach, wie James schon sagte "leer und müde", nein, er sagte: "müde und tot".
Ja, manche klammern sich dann an Wurmlöcher, andere an irgendeinen Eso-Kram oder werden Buddhisten oder vegane Tierschützer.
Mir gefällt es nicht so schlecht, obwohl ich ein bisschen skeptisch bin, ob man das Thema der Desillusionierung in drei Strophen abhandeln kann - aber irgendwie gefällt mir dann gerade wieder diese lapidar Kürze, als eine Art aufrüttelnde Provokation ... vielleicht haben sich ja gerade deshalb so viele mit diesem Text beschäftigt, während viele andere Beiträge hier kommentarlos oder kaum kommentiert in der Versenkung verschwinden (?)
LG
albaa
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poetnick Klammeraffe
Alter: 62 Beiträge: 835 Wohnort: nach wie vor
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12.06.2017 22:17
von poetnick
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Hallo Tula,
der Bogen vom jugendlichen Aufbruch und Überschwang - eine Welt die so gross ist wie die in sie und sich selbst gesetzten Erwartungen - bis zu den Realitäten, die es dann irgendwann abzugleichen gilt,
wird für mich gut nachvollziehbar. Auch bei meinem nebulös (bleibendem) Verständnis von Hyperbeln.
Die von M. vorgeschlagenen Änderungen nehmen spürbar die 'Bedeutungsschwere' heraus, ohne die Bedeutung des Textes zu mindern.
Für mich liest sich die 3. Strophe sehr schön und könnte gar für sich selbst stehen, ohne ins Sentimentale abzudriften.
Auf bald - Poetnick
_________________ Wortlos ging er hinein,
schweigend lauschte er der Stille
und kam sprachlos heraus |
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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13.06.2017 00:36
von Tula
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Liebe Leser menetekel, Stimmgabel, Soleatus, James, albaa und poetnick
an ganz erster Stelle möchte ich mich bei euch allen für die wirklich eingehenden Kommentare bedanken. Die rege Teilnahme ist nicht nur als solche höchst erfreulich, der Eingang von mehreren Beiträgen ist besonders dienlich, da letztere im Vergleich neben einiger Zustimmung eben auch die grundsätzlichen Mängel eines Werkes aufweisen. Ihr werdet mir bitte deshalb verzeihen, wenn ich hier nicht jedem separat antworte.
Zunächst ein sehr aufschlussreiches Zitat von James:
Zitat: |
... dass Lyrik mindestens zu 50% auf Nabelschau beruht, aber auch zu 50% auf Fundsachen, die Allgemeingut darstellen, nicht nur aus dem, was mir wichtig erscheint, sondern uns. |
Ich stimme hier (wie sicher alle) ohne Widerrede zu, begreife aber auch die Schwierigkeit, die Brücke zwischen Selbstbetrachtung und Allgemeingültigkeit (also: das Thema als solches) erfolgreich zu schlagen. Denn wie schon in meinem Kommentar vorher beschrieben, sollte sich (d.h. so hoffte ich) der eine oder andere Leser in den Strophen 1 und 3 selbst wiederfinden (oder sich fragen: wie war das eigentlich mit meinen Plänen damals?). Wie ich aus den Kommentaren ersehe, wird der Ich-Bezug hier dennoch als überlastig empfunden; das Gedicht erscheint als zu persönlich.
Ein Grund mag in der Tat in der ersten Strophe zu finden sein. Die Bilder mögen für den mathematisch vorgebildeten Leser noch interessant wirken, bei anderen allerdings zu aufgesetzt und fachgekünstelt; bedenkenswert für mich sicher der Kommentar “Emotionen auf Distanz” von albaa, denn der erste Teil des Gedichtes sollte ebenfalls die (zuweilen blinde) Begeisterung der Jugend nachgestalten. Also die erste Strophe muss in der Tat tiefer bearbeitet werden.
Ähnlich in der zweiten; ich wollte das mystische Ziel der Träume etwas umschreiben, um dann aber auch den Leser nicht vollkommen im Dunkeln zu lassen. Dennoch ist es unerheblich, woher der Wein kam, vielleicht kann auch der Ort an Allgemeinheit gewinnen, so dass sich der Leser 'sein/ihr' Ziel der Sehnsucht selbst aussuchen kann. Muss ich drüber nachdenken.
Etwas betroffen machte mich die Analyse, dass der LI hier 'leer und müde' wirkt. Müde geht noch (der Elan der Jugend hat natürlicherweise etwas nachgelassen), bei 'leer' oder gar 'tot' musste ich etwas schlucken. Nicht nur weil der Autor hinter dem LI gewiss kein Trauerkloß ist, sondern weil die Idee zur Umsetzung auf Selbstironie bauen wollte. Leicht zynisch, eventuell, aber keine Resignation oder gar 'Lebenslüge', mit einem Lichtblick in der letzten Strophe, denn der 'alte Narr' ist ja Teil des LI und hat somit die benannten theoretischen Möglichkeiten noch nicht aufgegeben. Ich denke jetzt an eine Verlängerung des Abschlusses, ein “Warum auch nicht?” oder ähnliches.
Also genug Stoff, um mir das ganze nochmals durch den Kopf gehen zu lassen. Werde die Sache in Ruhe angehen.
Die parodierte Stelle, liebe Stimmgabel, hast du richtig erkannt. Da sich die bösen Wolken nun verzogen haben und der Ozean wieder offen vor uns liegt, wirst du mir verzeihen so wie ich dir.
LG
Tula
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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Aranka Bücherwurm
A
Beiträge: 3106 Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
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A 13.06.2017 01:22
von Aranka
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Hallo Tula!
Was fällt mir aus dem Text entgegen? Was spielt mir der Text inhaltlich zu? Was überrascht mich? Was regt mich auf? Was lässt mich schmunzeln? Was macht mich nachdenklich? Was bleibt zurück, das den Augenblick des Lesens überdauert. Diese und andere Fragen stelle ich mir und meine Rückmeldung wird sich daran orientieren.
Der Text tritt mir als ein deutlich geplantes Gebilde entgegen: die Strophen dem Titel streng gehorchend und zuarbeitend sind inhaltlich gruppiert (1. die Pläne der Jugend/ 2. was daraus wird in der Lebensmitte/ 3. was davon bleibt im Alter).
Gut überlegte Wortwahl und Setzung, klare Stilentscheidungen (Kleinschreibung/ keine Zeichensetzung) zeigen einen bewusst und sorgsam arbeitenden Autor.
Ein Autor, der seine Textidee fest im Blick behält und nun Zeile für Zeile setzt und linear in einem zeitlichen Hintereinander, dem Titel getreu, Bilanz zieht.
Für mich entsteht hier kein Textraum, keine Nische, indem ich als Leser einmal staunend, ratend, mich wundernd oder auch mich verirrend zurückgelassen werde. Der Autor behält in jeder Minute die Textkontrolle und lässt auch mich, den Leser nicht von seiner Leine.
Mir bleibt die Rolle, dem LI Schritt für Schritt zu folgen.
Das LI breitet in S 1 „das Wesen“ seiner jugendlichen Pläne vor mir aus und aus der etwas „gesteltzten“ und gleichzeitig recht abstrakten Wortwahl (mehrdimensionale Gebilde/ lichtstebender Hyperbelkranz /traumdifferenziert) schließe ich auf die Wichtigkeit dieser Pläne für das LI. Sie bleiben mir jedoch ein abstraktes Gebilde.
In der S 2 führt das LI mich an einen konkreten Ort, erzählt eine konkrete Begebenheit, deren Wichtigkeit für das LI ich durchaus glaube, sie aber in der Bedeutung nicht erfassen oder nachvollziehen kann. Diese Strophe hat sich verfangen und steckt in einer sehr individuellen Biographie fest, die nur für das LI Bedeutung hat und das Erzählte auf mich als Leser fast banal wirkt, da es sich nicht in eine tiefere Ebene öffnen lässt.
Der Textton in den ersten beiden Strophen ist ein kontrolliert distanzierter und bewegt sich dennoch hart an der Grenze zur Resignation. Die vorgezeigte nüchtern bilanzierende Sachlichkeit ist brüchig. Es sind die kleinen Wörtchen, die es verraten:
Zitat: | ich hatte damals viele pläne (jetzt vorbei)
mehrdimensionale gebilde
als lichtstrebender hyperbelkranz
symmetrisch geordnet und
traumdifferenziert
einer führte mich zum kap
scheitel jugendlicher sehnsüchte
fand die tafel nur am fuße des berges
tranken wir wein aus stellenbosch
für mehr war wieder keine zeit |
Die S 3 zeigt etwas Text-Temperatur und gibt dem Ton etwas mehr Spielraum und ich würde fast von Textbewegung sprechen. Die Wendung „dieser alte narr“ ist in dem sonst kontrollierten Text schon fast ein emotionaler Ausbruch und ich spüre ein kleines Augenzwinkern des LI zum Narrem im Hinterkopf. Ich war ihm beim Lesen gleich nah, diesem „Text sprengenden“ Kerl mit seiner eigenen Physik, der an Wurmlöcher glaubt.
Ich folge gern dem Narren in seine Wurmlöcher, ganz egal, was der Autor sich bei dieser letzten Zeile gedacht hat und wie er dieses Bild für sich füllt, hier lässt er mich endlich von seiner Leine und entlässt mich einmal in ein Bild, das mir eine kleine Tür in ein Dahinter öffnet.
Fazit: Ich erkenne einen ernsthaft erarbeiteten Text, einen inhaltlich roten Faden und einen durchdachten Textaufbau. Und das war mir Motivation genug, zu kommentieren.
Mitnehmen kann ich den Narren, der an Wurmlöcher glaubt.
Lyrik kann mehr. Und der Autor auch.
Tula, ich habe mich gerne mit dem Text beschäftigt und vielleicht kannst du etwas mit meinen Gedanken anfangen.
Liebe Grüße Aranka
_________________ "Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)
„Erst als ihm die Welt geheimnisvoll wurde, öffnete sie sich und konnte zurückerobert werden.“ (Peter Handke) |
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Perry Exposéadler
P Alter: 71 Beiträge: 2509
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P 13.06.2017 01:52 Hallo Tula, von Perry
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lyrisch Bilanz zu ziehen ist kein leichtes Unterfangen, stellt das Thema ansich einem ja leider ein ganzes Leben voller Pläne in den Weg.
Da ich mich mit Lebensbilanzen ebenfalls gern beschäftige, habe ich mal versucht deine Bilder in humoristisch gebrochene Rahmen zu spannen.
Vielleicht ist ja die ein oder andere Anregung für dich dabei.
viele pläne mehrdimens
ionale gebilde mit hypo
tenusen hatte ich früher
einer scheiterte knapp
am kap der guten hoffnung
war sündhaft nur der wein
geblieben im hinterkopf
sind wurmende löcher
in schwereloser käserei
LG
Perry
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Stimmgabel Papiertiger
Beiträge: 4370 Wohnort: vor allem da
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13.06.2017 03:04 Re: Hallo Tula, von Stimmgabel
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Perry hat Folgendes geschrieben: |
lyrisch Bilanz zu ziehen ist kein leichtes Unterfangen, stellt das Thema ansich einem ja leider ein ganzes Leben voller Pläne in den Weg.
Da ich mich mit Lebensbilanzen ebenfalls gern beschäftige, habe ich mal versucht deine Bilder in humoristisch gebrochene Rahmen zu spannen.
Vielleicht ist ja die ein oder andere Anregung für dich dabei.
viele pläne mehrdimens
ionale gebilde mit hypo
tenusen hatte ich früher
einer scheiterte knapp
am kap der guten hoffnung
war sündhaft nur der wein
geblieben im hinterkopf
sind wurmende löcher
in schwereloser käserei
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Hallo Perry,
hier ist dir meiner Meinung nach die thematische Umsetzung [ mit Tulas persönlicher Intention, die sie uns nach_berichtete ] trefflich gelungen [ lyrisch inhaltlich und lyrisch stilistisch ] / da ist ein selbstironischer LI-Ton in Selbstreflektion und Blinzelei, da sind einzelne Wegstrecken, die zwischen Vorstellung und Desillusionierung balancieren, da ist eine Konklusio, die nicht narreteiend platt sondern im LI-Heute mt einer anderen Lebendigkeit hinüberleitet.
Ebenso deine lyrischen Stilelemente mit einem schowing_Bein [ anstelle der platten, kopfgerkünstelten telling_Klischees ], die die Balance zwischen Selbstironie und mitten-im-Leben stehend widerspiegeln.
In S1 die beiden im-Wort Umbrüche [ jewiels feine, zweidimensionale Bedeutungen ],
in S2 das interessante, fast schon oxymoronale Bild des "knappen Scheiterns"
in S3 die Bilanz-Konklusio, die bleibende Lebendigkeit [ eben anders als ... ] mit einem Schlenker in die gestaltete Ernsthaftigkeit zwischen "Wurmlöcher (wurmenden Löchern ) und schwereloser Käserei"
MMn / jedes Wort richtig an seinem Platz. Eine Lyrik, die sich ineinander zusammenfügt zu einem ganzen, assoziativen Bild, das sich einerseits selbst an die Hand nimmt, andererseits dem Leser einen, seinen denk-Freiraum ebenso gewährt ohne dabei die text_Hand zu verlieren.
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... lass mich darüber hinaus noch folgenden Gedanken wagen: hier schimmert eine inszenierte, leicht_schwere, quasi eine reale, tückische Balance zwischen / ist, wollte sein und könnte sein / hindurch, die du mMn genau so öfter in deinem Schreibstil anklingen lassen solltest / gerade mit deiner art_eigenen, lyrischen Schreibabsicht,
eben wir hier (mMn) in mutiger Bild-Leichtigkeit und haltendem Ernst ... fließend umgebrochen
Perry, für mich feinst ein perry'esk lyrisches Stück
ein chapeau'endes Tschüss, Frank ...
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_________________ Gabel im Mund / nicht so hastig... |
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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14.06.2017 01:41
von Tula
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Hallo Aranka
auch bei dir bedanke ich mich herzlich für die eingehende Analyse und auch die Aufmunterung, dass es sicher noch besser geht.
Ich werde mir deine Ratschläge gewiss zu Herzen nehmen, d.h. bei der Bearbeitung dieses, als auch für die nächsten Werke, die da hoffentlich noch kommen werden.
Ich muss wohl auch den alten Narren etwas öfter zu Rate ziehen
LG
Tula
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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14.06.2017 01:52
von Tula
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Hallo Perry
Dank auch dir für deinen heiteren und herzhaften Eintrag. Das Ding gefällt mir ebenfalls; dass du die Ionisierung der Pläne in ihren Dimensionen entdeckt hast, finde ich bemerkenswert.
Ich denke nun aber auf der anderen Seite über die 'richtige' Portion Selbstironie nach, welche ich hier in der ersten Version mit wenig Erfolg einbringen wollte und in der Überarbeitung eventuell etwas verstärken möchte. Vielleicht schießt da deine Version etwas über meine Absicht hinaus. Die schwerelose Käserei hat mir zwar einen Lacher entlockt, wird wohl aber meinerseits erst in später folgenden, auf Komik angelegten Gedichten auf Gleichgesinnte treffen.
Also dir und nochmals Stimmgabel
LG
Tula
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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15.06.2017 01:49
von Tula
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Hallo
hier eine überarbeitete Version, die auch dem Wesen der Träume entspricht. Ich hoffe, der eine oder andere würde da mitreisen
"Rat(- und Rad)schläge" sind weiterhin erwünscht.
LG
Tula
damals
standen die pläne fest
auf meiner sternenkarte
schlug ich jeden rat an das kreuz
des südens
vermaß der sextant den traumwinkel
der gestirne
hinter dem horizont
dann trug mich der strom
doch an einen dieser strände
jugendlicher sehnsüchte
fand die tafel nur am fuße des berges
tranken wir wein vom besten für mehr
war keine zeit
jetzt hängen die bilder
sich ab und an in meinen kopf
dieser alte narr
glaubt noch immer nicht an schwerkraft
kramt die karte wieder raus und
zeigt mir wurmlöcher …
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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albaa Leseratte
A
Beiträge: 131
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 905 Wohnort: die alte Stadt
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22.06.2017 00:14
von Tula
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Hallo albaa
Dankeschön!
Radschlagend in ein Wurmloch ...
LG
Tula
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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