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Dieses Werk wurde für den kleinen Literaten nominiert Weihnachten bei den Reclams


 
 
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MrPink
Geschlecht:männlichLyromane

Alter: 53
Beiträge: 2431
Wohnort: Oberbayern
Der Bronzene Wegweiser


Beitrag04.12.2011 11:51
Weihnachten bei den Reclams
von MrPink
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Weihnachten bei den Reclams

Erster Advent, ein Sonntag: Herr und Frau Reclam sitzen bei einer Tasse Tee mit Bratapfelaroma am Kamin.
Er: „Heiligabend ist heuer an einem Freitag..“
Sie: „Na hoffentlich ist es kein dreizehnter.“
Er (hinter geschlossenen Lidern die Augen verdrehend): „Hmpf.“
Sie: „Wie soll ich denn dieses Jahr den Baum schmücken?“
Er (hinter geschlossenen Lidern die Augen verdrehend): „Keine Ahnung, mit Hufeisen?“
Sie (die Ohren auf Durchzug und in Gedanken beim Haartrockner vom letzten Jahr -  nicht wirklich sinnvoll für eine Toupetträgerin): „Aber dieses Jahr schenken wir uns nichts.“
Er: „Ok.“ , widmet sich seinem Geschenk vom letzten Jahr – Bundesliga im Pay-TV.
Sie: „Spielen heute die Löwen wieder?“
Er (hinter geschlossenen Lidern die Augen verdrehend):“Die Löwen sind die Blauen und die spielen in der 2. Liga. Jetzt spielen die Roten! Die Bullen! Die Superbullen!“
Sie hat aber schon nach Beendigung ihrer Frage wieder auf Durchzug gestellt.

Heiligabend, beide sitzen bei einer Tasse Tee mit Lebkuchengeschmack und starren in die elektrische Christbaumbeleuchtung.
Unechte Fingernägel öffnen vorsichtig ein kunstvoll verziertes Päckchen. Geschenkpapier wird akribisch geglättet und  zusammengelegt. Ungläubig hält Frau Reclam etwas in die Höhe und versucht in all den Schnüren, Schnallen und Stoffteilchen ein funktionales Produkt zu erkennen.

Sie (mittlerweile mit Erkenntnis gesegnet): „Dir ist aber nicht entgangen, dass ich mich seid der Hüft-OP vor acht Jahren nicht mehr so recht bewegen kann, und ich mit dem attraktiven jungen Ding, das du  vor 31 Jahren kennenlerntest nicht mehr so viel gemein habe?! - Wir wollten uns doch nichts schenken.“
Er: „Die Verkäuferin meinte dies Geschenk sei ein Hauch von Nichts.“
Den Umschlag mit dem Gutschein für den Tanzkurs bei der VHS (erotischer Ausdruckstanz) lässt er unauffälig und mit dem Vorsatz, damit die hübsche Lektorin im Verlag zu bewichteln, zwischen die Sitzpolster gleiten.

Fetzen von Geschenkpapier und zerrissenes Geschenkband liegen unsortiert zu seinen Füssen und verunstalten das Linoleum-Parkett . Ungläubig hält Herr Reclam etwas in die Höhe; keine Schnallen oder Schnüre, dafür viel Stoff.
Er (um Fassung bemüht): „Wir wollten uns doch nichts schenken!“
Sie: „Hat ja auch nichts gekostet, die Wolle hatte ich noch von den Socken übrig. Nun roll ihn mal aus und halt ihn über den Kopf, hast ihn ja noch gar nicht richtig gesehen.“
Herr Reclam rollt den Schal, den grün-weißen Schal, aus und liest mit leicht bebender Unterlippe tonlos mit: „Die Superhasen“

Die nun eintretende Stille wirkt auf Frau Reclam unangenehm bedrohlich. Was sollte sie falsch gemacht haben?

Sie: „Weißt du, dein alter Schal war ja total dreckig, als hätten da welche mit Edding drauf rumgeschmiert. Ging selbst bei der Kochwäsche nicht mehr raus. Außerdem hat sich das Rot des Schales immer ganz schrecklich mit deiner Gesichtsfarbe gebissen, wenn du dich beim Spiel aufgeregt hast. Grün steht dir sowieso viel besser und die Mütze passt  bestimmt ganz ausgezeichnet dazu, Hase. Hase?- Bulle! Superbulle! Oh mein Gott!“ Plötzlich fällt es ihr wie Schuppen von den Augen; die Vereinsfarben, die Tiernamen, der Stolz der sich in seinen Augen spiegelte, als er heimkam, nach elfeinhalb Stunden und ihr mit tränen erstickter Stimme die Spielernamen von seinem Schal vorlas.

45 Minuten später (ohne Nachspielzeit). Herr und Frau Reclam sitzen bei einer Tasse mit Glühweinsirup. Ihr fröstelt ein wenig in den Netzstrumpfhosen, die ihn unweigerlich an Rollbraten denken lassen. Der Stringtanga ist nicht zu erkennen (Wird sie ihn jemals wiederfinden?) und den Anblick der sich oben herum bietet ist nun wirklich nicht das, was man sich in der Vorweihnachtszeit zumuten möchte, oder sonst irgendwann. Mit dem Auge, das nicht mit einem Kühlakku behandelt werden muss, schaut sie auf den selbstgemachten Weihnachtsstern an der Wand. Dort wo für den Rest des Jahres der Sparkassen-Panorama-Kalender hängt.

Sie: „Der wievielte ist denn heute eigentlich?“
Er: (den Schal mit ausgestreckten Armen in die Höhe haltend, wobei sich das in Schafwolle manifestierte Bekenntnis ein wenig in den Hasenohren seiner nagelneuen Strickmütze verhedderte – stark lispelnd, weil der sich zur Entspannung der Situation auch noch das Hasengebiss vom letzten Fasching eingesetzt hat): „Der Dreissehnte.“



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kskreativ
Geschlecht:weiblichMärchenerzähler
K

Alter: 59
Beiträge: 2232
Wohnort: Ezy sur Eure, France


K
Beitrag04.12.2011 11:59

von kskreativ
Antworten mit Zitat

Ich weiß schon warum ich Weihnachten nicht feiere! Deine Geschichte hat mir jetzt gerade noch einen Grund mehr geliefert. Toll geschrieben.

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C'est la vie. oder: Du würdest dich wundern, was man so alles überleben kann.
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BlueNote
Geschlecht:männlichStimme der Vernunft


Beiträge: 7306
Wohnort: NBY



Beitrag04.12.2011 12:13

von BlueNote
Antworten mit Zitat

Hi Pink,

ja ... Weihnachten bei den Reclams. Soll uns das jetzt abschrecken? Eigentlich ist es doch ganz putzig beschrieben, wie das alte Ehepaar Weihnachten zelebriert. Fast schon ... zärtlich ... voll stiller Harmonie.
Zunächst hatte ich eine Abrechnung mit einer sehr (spieß-)bürgerlichen Art und Weise, Weihnachten zu feiern, erwartet - wurde aber dann doch eher überrascht. Wo will sie hin, deine Geschichte? Wenn man Weihnachten nicht mag, ist wohl alles klar ... (kskreativ, hast du keine Kinder?)
Für mich ist das kein Text, der sich gegen die alten Menschen bzw. deren Verhalten wendet. Das hätte ich auch nicht als angebracht empfunden. Die beiden Eheleute waren mir eher sympathisch.

BN
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MrPink
Geschlecht:männlichLyromane

Alter: 53
Beiträge: 2431
Wohnort: Oberbayern
Der Bronzene Wegweiser


Beitrag04.12.2011 12:28

von MrPink
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hi ks,
das "toll geschrieben" freut mich natürlich und die Sichtweise von BN, hi BN, gefällt mir ebenso. Eigentlich sollte dies ein Beitrag für den Adventskalender werden, bin aber nicht rechtzeitig fertig geworden. Ich bin wirklich gegen Weihnachten und wenn man das dem Text anmerkt, ist das ok. Ein bischen was zum Schmunzeln für den Leser und mal was anderes zu probieren für mich, um mehr gings mir hier nicht.

schönen 2. Andvent
andi



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MrPink
Geschlecht:männlichLyromane

Alter: 53
Beiträge: 2431
Wohnort: Oberbayern
Der Bronzene Wegweiser


Beitrag04.12.2011 23:12

von MrPink
pdf-Datei Antworten mit Zitat

MrPink hat Folgendes geschrieben:

 Ich bin wirklich gegen Weihnachten
]


Oh shit: Nicht! Ich bin wirklich nicht gegen Weihnachten... Embarassed


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Gast







Beitrag04.12.2011 23:29

von Gast
Antworten mit Zitat

Ich finds klasse - danke Mr. Pink
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Gast







Beitrag04.12.2011 23:31

von Gast
Antworten mit Zitat

Auch ich finde, dass es richtig gut ist, wenn ich auch mit den Farben etwas durcheinander gekommen bin ... Confused dass Weihnachten dann ausgerechnet auf den "dreissehnten" fiel ... das konnte ja nur ins Auge gehen ... ich werd' einfach mal genau aufpassen, dieses Jahr, ob ich nun für oder gegen Weihnachten bin Laughing

Gutes Leseerlebnis, dein Kalendertürchen!
Gruss
Anja
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