(GED) "Wenigstens konnte man sich in Ruhe vorbereiten&q

Pencake · Exposéadler Alter: 55 Beiträge: 2364 Wohnort: Hamburg

„Wenigstens konnte man sich in Ruhe vorbereiten“

Deine viel zu großen Hände
an viel zu dünnen Armen
ziehen die Bettdecke glatt
und streichen die letzten Beulen aus dem
Leben.

Deine viel zu prallen Beine
unter viel zu weißer Haut
liegen das Laken blank
und pressen schmerzende Falten in die
Zeit.

Deine viel zu müden Augen
vor viel zu wachen Gedanken
halten das Neonlicht fest
und schicken die ersten Wellen in den
Tod.

Dein Herz zerspringt
in gestern, heute, morgen.
Doch mein Lächeln,
meine Tränen
kitten nicht.

Egopus · Cholyriker Alter: 60 Beiträge: 851 Wohnort: Duisburg

das ist stark.

gänsehaut beim lesen ist nicht unbedingt etwas,
was ich oft bekomme.
und selten finde ich ein gedicht wirklich gut.

hier passt alles.
jede szene sitzt, jedes gefühl bleibt im hals stecken.
jede träne wartet darauf frei gelassen zu werden.

ich bin erdrückt von so viel gefühl in einem text.

großes kino
michael

Pencake · Exposéadler Alter: 55 Beiträge: 2364 Wohnort: Hamburg

Moin Egopus,

danke. Schön, dass dir die Zeilen was geben.

Natürlich gerade deshalb, weil es mir sehr nahe Zeilen sind.

Schon verrückt bei uns Schreibern, dass wir
durch die Resonanz von Unbekannten Energie
gewinnen.
Eigenes Thema.

Lichten Tag soweit,

Niko

pna · 07.05.2008 13:41 von pna

Lieber Niko,

Dein unsentimentaler, aber wunderbar menschlicher Zugang zum Thema adelt Dich ebenso, wie die schlanke, feinfühlige Wortwahl.

Hab grad ein störrisches Knölchen im Hals.

Respektvolle Grüße,
Peter

Pencake · Exposéadler Alter: 55 Beiträge: 2364 Wohnort: Hamburg

Moin Peter.

Vielen Dank.

Ich wundere mich etwas - der Text ist eine Weile her.
Wie schafft ihr das, auch noch die alten Texte anzuschauen?

Wie auch immer, freut mich sehr.

Herzlich, Niko

pna · 07.05.2008 16:34 von pna

Ich habe heute mit einer netten Kollegin vom Forum diskutiert, die zur Zeit in Wien weilt, und die hat mich ganz zu Recht auf Dich aufmerksam gemacht. Manchmal brauchen so blinde Hühner wie ich halt mal einen Tritt in den Arsch um Gutes zu finden.

lg/Peter

Pencake · Exposéadler Alter: 55 Beiträge: 2364 Wohnort: Hamburg

Aha.

Hm - ich will auch mal dringend nach Wien. Ich erinnere noch ein ausgezeichnetes Gedicht über deine Stadt, das du hier vor einiger Zeit gepostet hast.

Habe Nachholbedarf in Sachen geschichtsträchtige Metropolen. Waren gerade in Prag und voll und ganz begeistert. Nun habe ich Sehnsucht nach möglichst weiteren Europaklassikern - und Wien wird immer wieder schwer gelobt. Wenns soweit ist, trinken wir eine Melange im Kaffehaus XY ...

Gruß an die Forumsschwester soweit noch möglich.

HG, Niko

MosesBob · Gehirn² Administrator Alter: 44 Beiträge: 18339

Hey Niko!

Mir ist das Gedicht damals offenbar durch die Lappen gegangen. Wunderschöne Metaphern, eindringliche Worte. Sie reißen Wunden auf und heilen sie gleichermaßen. Selten hat Leiden so viel Spaß gemacht.

Grüße,

Martin

Taugenichts · Reißwolf Alter: 38 Beiträge: 1201

Wunderschön.
Nur eine Strophe stört mich:

Deine viel zu müden Augen
vor viel zu wachen Gedanken
halten das Neonlicht fest
und schicken die ersten Wellen in den
Tod.

Das Neonlicht passt für mich einfach nicht in meine subjektive Vorstellung zu deinem Gedicht. FÜr mich klingt es eher nach einem heruntergekommenen Zimmer, mit einem kargen Bett und einer ältere Hausfrau und da springt einfach kein Neonlicht rein. Höchsten eine schwach leuchtende Nachttischlampe.
Und "die ersten Wellen in den Tod" gefällt mir auch nicht richtig.

Das ist aber auch ein Gedicht, dass man sehr persönlich liest (warscheinlich weil es sehr persönlich ist)
naja, vielleicht leuchtet dir ja einer der beiden Einwände ein!

Pencake · Exposéadler Alter: 55 Beiträge: 2364 Wohnort: Hamburg

Kann dir leider in diesem Falle genannte "Romantik" eines kargen Zimmers samt funzligem Nachttischlicht nicht bieten.
Es handelte sich um ein technisch prima ausgestattetes Krankenhauszimmer mit ebensolchem Neonlicht.
Die "Wellen" nehmen genau diesen technischen Umstand auf - für eine
Verbindung zu dem Ort, den keiner kennt ...

Dank für die Anmerkung.

Herzlich, Niko

Pencake · Exposéadler Alter: 55 Beiträge: 2364 Wohnort: Hamburg

Achso - und Moses natürlich: Dank für deine ermutigenden Worte!

Herzlich, Niko

Taugenichts · Reißwolf Alter: 38 Beiträge: 1201

Jetzt hats Klick gemacht ^^
danke

Wurm · Wortedrechsler Alter: 38 Beiträge: 63 Wohnort: Dubai

Was bleibt mir da noch gross ueber ausser zu sagen ich schliesse mich 100% den anderen an, erste Sahne ehrlich...*schluck*

Tiefgang · Reißwolf Alter: 43 Beiträge: 1139 Wohnort: Hamburg

Das ist mit das beste Gedicht, das ich je gelesen habe.

Entschuldige meinen Pathos. Aber erstens kann ich diese Szene gut nachfühlen, zweitens hat dieses Gedicht einen wunderschönen Aufbau, drittens packend genaue Metaphern, die obendrein kreativ, weil neu sind und viertens einen Schluss, der traurig und wahr zugleich ist und einfach punktgenau sitzt.

Es gibt Nnichts, was man hier m.M. besser machen könnte.

Hätte ich 10 Daumen, würden alle nach oben zeigen Wink

Gratulation (und zu Recht der Literat)!!!