18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Kinderbuchprojekt / ab 10 Jahren


 
 
Gehe zu Seite 1, 2  Weiter
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
d.frank
Geschlecht:weiblichReißwolf
D

Alter: 44
Beiträge: 1129
Wohnort: berlin


D
Beitrag07.02.2017 23:34
Kinderbuchprojekt / ab 10 Jahren
von d.frank
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Neue Version »

Dieses Projekt ist eigentlich Fantasy und ich habe das Gefühl, der Einstieg könnte zu langatmig für das Genre sein.
Was meint ihr? Macht es Lust auf mehr oder ist es sterbenslangweilig?
PS: Auch alle anderen Anregungen sind willkommen!



Kapitel 1

Auf der ganzen und langen Busfahrt hatte Luis sich gefühlt, wie die Hühner sich fühlen mussten, wenn sein Vater sie vor sich her gegen den Zaun getrieben hatte.
Es war immer noch seltsam, diesen großen, hageren Mann, der sich seit Monaten nicht mehr rasierte, bei der Arbeit auf dem Hof zu sehen. Er trug dann die dunkelgrünen Wathosen und das braunkarierte Hemd von Opa Rainer, das ihn laut Luis Mutter wie einen kernigen Kerl aussehen ließ. Dass sie ihn liebevoll so genannt hatte, schien ihm jetzt schon ewig her.
Auf dem Land verging die Zeit nach eigenen Regeln, langsamer, und stiller, vielleicht weil sie hier Platz fand, sich auszubreiten. Man merkte ihren Fortgang beinahe nur an den Jahreszeiten.
Auch beim Angeln hing alles daran. Im Winter standen die Fische in den tiefen und ruhigen Zonen, im Sommer fand man sie in den Strömungen.
Im Grunde mochte Luis das Angeln nicht. Er wandte sich immer noch ab, wenn sein Vater mit flinker Hand ein Messer in das Herz oder in die Kiemen drückte und der Fisch sofort erstarrte. Anfangs hatte er keinen Bissen davon essen können.
Aber Luis Vater sagte, mit dem Angeln wäre es wie mit dem Leben. Manchmal musste man etwas tun, weil es eben getan werden musste. Und er bearbeitete die Äcker, kümmerte sich um die Hühnerherde, fuhr den alten, rostigen Pflug und die Lieferungen aus, die kaum das Benzin wieder hereinbrachten.
Es ging ihm mit dem Hof nicht anders, als es Opa Rainer schon gegangen war. Und vielleicht hatte er deshalb entschieden, das verfallene Grundstück zu beziehen, statt dringend benötigtes Geld daraus zu machen.
Beim Angeln verschwand der finstere Ausdruck aus seinem müden Gesicht, kein Wort über Automaten und Maschinen, die niemals Urlaub brauchten, keins über unbezahlte Rechnungen, keins darüber, dass Opa Rainer jede ärztliche Behandlung abgelehnt hatte.
Wenn Luis Mutter anrief, um zu fragen, wie es in der Schule lief und ob er sich endlich die Haare hätte schneiden lassen, dann stand sein Vater neben dem Gewürzregal und sortierte die getrockneten Kräuter oder er prüfte, ob die Schrauben noch hielten.
Nie fragte er, ob sie nach ihm gefragt hätte, aber immer stand ihm die Antwort in den Augen und später schepperte sie in den Kisten vorne im Hofladen.
Luis hätte nicht beschwören wollen, dass allein der Umzug nach Borgheide die Trennung seiner Eltern nach sich gezogen hatte. Aber die Entscheidung seines Vaters hatte dafür gesorgt, dass seine Mutter nicht mit in der Kabine saß, als sie die Umzugskisten mit dem Truck eines Nachbarn auf den Hof transportierten. Vielleicht hätte Luis alles dort hassen müssen. Doch außer der Erinnerung an das Bild seiner Eltern, die sich im engen Gang vor der Spüle in den Armen lagen, vermisste er nichts aus der Stadt. Weder das winzige Zimmer in der Dreiraumwohnung, keines der Einkaufszentren, die Schule nicht und auch keine der belanglosen Freundschaften.
Wenn man sich für nichts Anderes als Elektroden und Schaltpläne interessierte, konnte es schwierig werden. Wenn man ansonsten schüchtern und seltsam war, machte das die Sache beinahe aussichtslos.
Seit Borgheide kam aber nun Bernhard jeden Tag die Stiegen zum Baumhaus hochgeklettert und brachte Heidelbeernapfkuchen oder Nudelsalate, die seine Mutter für Luis und seinen Vater zubereitet hatte. Er verstand nicht viel von den aufwendigen Konstruktionen und Berechnungen, aber er hörte geduldig zu, wenn Luis eifrig darüber erzählte und er war der Einzige, bei dem Luis mit dem Erzählen eifrig wurde. Wegen Bernhard ließen die anderen ihn Ruhe.
Luis wollte nicht dazugehören. Lieber saß er in der Krone über dem Dach des Baumhauses und verdrahtete die Solarzellen, die er in der Verästelung angebracht hatte.
Sie speicherten das Licht besser, wenn man sie spiralen förmig wie die Blätter anordnete. Bis zum Herbst sollte der alte Heizkörper, den Luis Vater dem Junkers für drei von Opas besten Legehennen abgeschwatzt hatte, mit dem Generator des Windrades verbunden sein und das Baumhaus auch im Winter bewohnbar machen. Luis hatte die Wände gedämmt und eine Zwischendecke gezogen. Für die Ferien hatte der Plan gestanden, mit Bernhards Hilfe richtige Glasfenster in die rechteckigen Aussparungen einzusetzen.
Dieses Vorhaben hatte Luis nun aufgeben müssen.
Seine Stimmung in den letzten Tagen vor der Abreise wollte sich nicht dadurch bessern, dass Bernhard ihm von den coolen Sachen vorschwärmte, Kinos und Kartbahnen, Fressbuden und Skaterparks, Twiggys, laut Bernhards Zeitrechnung, sicher schon vorhandenem Busen. Bis auf vielleicht Letzteres, nichts, das Luis neu oder aufregend erschien.
Aber er hatte sich überreden lassen. Weil nach Tante Bellas Anruf Lächeln und Lied auf den Lippen seines Vaters gelegen hatten, als sie später verschrumpeltes Obst und mattes Gemüse in die Kisten stapelten.
Ohne die aufwendige und ständige elektrische Beschallung war auch die Stadt nichts anderes, als grauer Beton mit vermüllten Gehwegen und hartnäckigen Staubschichten. Obwohl Luis in einer Stadt wie dieser aufgewachsen war, hatte er die Ferien bei Opa Rainer immer herbeigesehnt und jetzt, seit der Zugfahrt, als Natur und Weite immer und immer lichter geworden waren, beschlich ihn das Gefühl, nicht mehr genügend atmen zu können. Die wuchernden Leuchtreklamen der Einkaufsstraße blendeten ihn und dann flackerten sie, als könnten sie seine mürrischen Gedanken lesen.
Selbst die schiefe Hausnummer 5 summte wie ein müder Schwarm Bienen in der Wintertraube und nach all der beleuchteten Trostlosigkeit wirkte das Gesicht der Tante erfrischend lebendig, wie es versuchte, ein rechts ziemlich lückenhaftes Gebiss zu verbergen.
"Meine Güte, bist du groß geworden!"
Die Tante dagegen war klein und pummelig, und selbst für Luis Verhältnisse denkbar unpassend angezogen. Eine hellgrüne Puffhose machte ihr Elefantenbeine, während das enge Oberteil die mächtigen Arme betonte. Um ihren Kopf herum wuchs eine angegraute Mähne aus Naturlocken, die oberhalb der Stirn von einem Band gehalten wurde. Trotz dieser, auf den ersten Blick, verqueren Erscheinung hatte Luis eine tiefsitzende Wärme im Bauch, als er ihr höflich die Hand entgegenstreckte. Sie erinnerte ihn an die verwurschtelten Kartoffeln, für die sich sein Vater Namen ausdachte, und sie hatte einen Steg über das tiefe Tal seiner Eltern geschlagen.
"Als ich das letzte Mal gesehen habe, warst du noch so ein niedlicher Hosenscheißer."
Das landete einen kalten Treffer in der vorangegangenen Wärme, weil Luis das Mädchen hinter der Tante ausgemacht hatte.
Ob da schon ein Busen war, konnte er nicht erkennen, und er guckte auch nur, weil Bernhard ihm das regelrecht eingepflanzt hatte.
Laut dessen Aussage musste man sich alle Optionen offenhalten, selbst, wenn der letzte Kontakt aus einer Zeit mit Schwimmwindeln herrührte.
Ganz sicher wäre diese Erscheinung wohl nach seinem Geschmack gewesen, mal abgesehen davon, dass Bernhard keine erkennbaren Ansprüche stellte.
"Wie war die Fahrt? Hat alles geklappt?"
Luis nickte und löste seinen Blick von den rotgoldenen Locken, dann stieg er über die Armee aus Schuhen, die einen Teil des engen Flurs blockierte. Er wollte auch der Tochter seine Höflichkeit erweisen, es erschien ihm unklug, schon jetzt, wie mit Bernhard vereinbart, nach einer Nummer zu fragen, aber sie hatte nicht den nötigsten Anstand für ihn übrig. Nur ein kurzes, flapsiges Augenrollen, ein schwungvolles Kinnfliegen, schon war sie aus Luis Blickfeld verschwunden.
"Mach Dir nichts draus. Das ist eine Phase“, sagte die Tante und streifte ihm den Rucksack von den Schultern. "Du schläfst im Gästezimmer. Es ist klein aber fein."
Es war aber eher eine Hundehütte. Den hinteren Teil besetzten Liege und geblümte Tagesdecke, der vordere Teil hatte noch Restplatz für einen Kleiderschrank, der selbst mit viel Fantasie nicht zur grün lackierten Kommode passte.
"Wie findest du es?", fragte die Tante ernsthaft interessiert. Luis nickte steif. In Gedanken war er schon wieder beim Baumhaus, sah zu, wie der Fluss an seiner engsten Stelle genügend Wasser wälzte, dass das selbst konstruierte Schaufelrad mindestens eine Glühbirne mit Energie versorgen könnte. Aber er dachte auch an die ungelenke Hand seines Vaters, mit der er Opa Rainers alten grünen Telefonhörer entgegengenommen hatte.
Die von Tante Bella war rund und feuchtwarm, und sie dirigierte Luis damit hinter einen Vorhang aus fusseligen Plüschschlangen, die nach alten Socken rochen.
"Du kannst hier fernsehen oder lesen. Da hinten steht mein Bücherregal", erklärte sie und deutete im Wohnzimmer auf ein monströses Etwas, das eher einem schiefen Verschlag gleichkam und in den Urwald aus tropischen Gewächsen vor dem Fenster zu stürzen drohte. Ein orangefarbener, von innen mit Fliegen gesprenkelter Lampion hing tief von der Decke. Auf der Couchlehne döste eine Katze.
"Das ist Penelope", sagte die Tante und strich dem Tier routiniert den Rücken.
"Ich werde Dir einen Schlüssel geben, dann kannst Du ausgehen und dir die Zeit vertreiben. Du bist ja kein kleines Kind mehr, oder? Hast Du ein Handy?"
Luis schüttelte den Kopf, dann ein zweites Mal, um auszudrücken, dass er das von der Tante jetzt hingehaltene nicht bei sich tragen wollte. Aber er nahm das Ding dann an, ließ es in der linken Tasche seiner Hose verschwinden und wurde das schmerzhafte Gefühl nicht los, dass es sich dort durch den Stoff brennen wollte.
"Falls was ist! Die Nummern sind alle abgespeichert.“
In der hellblauen Küche griff die Tante in einen der gelben Hängeschränke.
"Einen Tee?“
Luis verneinte.
"Mach dir nicht zu viele Sorgen! Ich bin sicher, dass Ilona und Karl sich schon wieder zusammenraufen.“ Sie lächelte mütterlich und goss sich heißes Wasser in die Tasse. Der Dampf, der dabei ihren Kopf umhüllte, gab dem Gesicht mit den gummibandgehaltenen Haaren ein Aussehen, das Luis an einen dicken Indianer mit Pfeife erinnerte.
"Dir wird es auch guttun, mal eine Weile rauszukommen. Du hast meinen ganzen Respekt dafür, dass du Karl mit dieser Entscheidung nicht alleinlassen wolltest. Das war sicher alles andere als leicht für dich.“
Vielleicht hätte Luis jetzt sagen sollen, dass der Umzug allein ihm nicht geschadet hatte, dass er sich manchmal in seinem Baumhaus vorkam, als hielte die Welt endlich den Atem an und ließe ihn auch mal zu Wort kommen, aber die Tante redete so vor sich her und hantierte, dass er sie nicht dabei stören wollte.
"Außerdem musste ich Ilona versprechen, dich zu einem Haarschnitt zu überreden.“ Sie zwinkerte und ihr Auge zuckte wegen Luis beschämtem Blick dann ein bisschen fehlgeleitet, also ließ sie lieber zwei Zuckerstücke in ihre Tasse plumpsen.
"Du wirst deine Zeit schon herumkriegen. Es gibt eine Menge toller Dinge, die man hier unternehmen kann."
"Hmm", erwiderte Luis und verschränkte die Arme auf dem Rücken.
"Naja, rede am besten mit Twiggy."
Und Luis hätte gern ein noch bedeutungsvolleres Hmm hinterher geschoben.

Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
MariaLS
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 61
Beiträge: 140
Wohnort: Wien


Beitrag08.02.2017 09:22

von MariaLS
Antworten mit Zitat

Hallo Unbekannter!

Dieser/dein Einstieg macht in jedem Fall Lust auf mehr.  Sicher auch deshalb, weil deiner Ankündigung zufolge es sich um Fantasy handeln würde. Wobei, Fantasy nicht mein Ding ist, Kinder bzw. Jugendliche lesen es gerne.

Ich habe versucht herauszufinden, wie alt Luis sein könnte. Ich schätze mal so um die 13 Jahre. Gewissen Kenntnisse in Physik, ein gewisses Interesse an Mädchen und auch die Art, wie er sich Gedanken über die Trennung der Eltern macht, würde für dieses Alter sprechen. Liege ich damit richtig?

Womit ich so meine Problemchen habe?

.)Gerade im Bereich der Kinder-und Jugendliteratur halte ich kurze, nicht zu verschachtelte Sätze für wichtig. Auch gilt es zu überlegen, wie viel Information will ich in einen einzigen Satz verpacken? Mir fällt eine aktuelle Szene aus meinem Unterricht ein. Ein Schüler liest eben so einen langen Satz (aus einem beliebigen Text). Ich frage, ob er mir sagen kann, worum es in diesem Satz geht. Er erklärt zu Beginn flüssig, kommt ins Stocken, will nachlesen und findet sich innerhalb des Satzes nicht mehr zurecht. Vielleicht auch deshalb, weil Kinder und Jugendliche erst lernen müssen, sich innerhalb von komplexen Satzinhalten zu orientieren.

.)Das unbestimmte Fürwort man und dessen Verwendung macht mich nicht besonders glücklich.

Zitat:
Wenn man sich für nichts Anderes als Elektroden und Schaltpläne interessierte, konnte es schwierig werden. Wenn man ansonsten schüchtern und seltsam war, machte das die Sache beinahe aussichtslos
."

Nichts anderes wird klein geschrieben (das ist aber nur eine Bemerkung am Rande)

Könntest du statt dem Wort man nicht zum Beispiel schreiben: Ein Junge, der sich für nichts anderes interessiert ...... ? Und dann die Schüchternheit Luis ganz persönlich zu schreiben.

.) Du malst starke Bilder, wie zum Beispiel das Aussehen der Tante. Ich kann sie mir richtig gut vorstellen. Du fügst dann dazu, dass sie sogar für Luis Ermessen einen seltsamen Style hat.  Wirft sich die Frage auf, welchen Bezug Luis zu Style und co hat? Vielen 13-jährigen Jungs ist das nämlich enorm wichtig.

.)
Zitat:
"Wie findest du es?", fragte die Tante ernsthaft interessiert.


Da ist das Adjektiv ernsthaft  mE nicht notwendig. Sie ist interessiert und es liegt im Ermessen des Lesers/der Leserin darin eine Ernsthaftigkeit zu erkennen.
Zitat:
"Das ist Penelope", sagte die Tante und strich dem Tier routiniert den Rücken.

Auch wieder so ein Adjektiv Wink. Gehen wir mal davon aus, dass die Tante weiß, wie die Katze gestreichelt wird. Im schlechtesten Fall würde sich das Tier wehren.

Zum Schluss:
Es wird viel an Information aufgeworfen, vielleicht ein Spur zu viel. Unter
Umständen könntest du das ein bisschen splitten. (Krankheit des Großvaters zum Beispiel.

Wie gesagt, ich mag die Art, wie du schreibst, bleibt dran. [/quote]
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
d.frank
Geschlecht:weiblichReißwolf
D

Alter: 44
Beiträge: 1129
Wohnort: berlin


D
Beitrag09.02.2017 12:21

von d.frank
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Maria

Vielen Dank, dass du dich mit dem Text beschäftigt hast.

In meiner Vorstellung ist Luis 12, kurz vor 13. Er ist ziemlich weit für sein Alter. Das resultiert einfach aus seiner Person.

Zitat:
Gerade im Bereich der Kinder-und Jugendliteratur halte ich kurze, nicht zu verschachtelte Sätze für wichtig. Auch gilt es zu überlegen, wie viel Information will ich in einen einzigen Satz verpacken?


Damit könntest du recht haben. Ich habe gerade erst wieder auf das Genre umgeschaltet, muss sehen, dass ich mich wieder ganz drauf einstellen kann.

Zitat:
Du fügst dann dazu, dass sie sogar für Luis Ermessen einen seltsamen Style hat. Wirft sich die Frage auf, welchen Bezug Luis zu Style und co hat? Vielen 13-jährigen Jungs ist das nämlich enorm wichtig.


Also eigentlich hatte ich gehofft, es wäre in dem Kapitel klar geworden, dass Luis die typischen Interessen eines Jungen in seinem Alter ziemlich weit abhanden gehen?



"Wie findest du es?", fragte die Tante ernsthaft interessiert.


Da ist das Adjektiv ernsthaft mE nicht notwendig. Sie ist interessiert und es liegt im Ermessen des Lesers/der Leserin darin eine Ernsthaftigkeit zu erkennen.

Hier bin ich anderer Meinung. Es gibt die Smalltalkfrage und die, aus der klar wird, dass der Fragesteller wirklich um eine ehrliche Meinung bittet.
Ich finde, das Adjektiv fügt der Person der Tante hier eine weitere Charakterisierung hinzu. Dasselbe hier:

"Das ist Penelope", sagte die Tante und strich dem Tier routiniert den Rücken.

Aber man könnte wohl noch etwas Deutlicheres finden. Das ist Feinarbeit, an der ich derzeit noch gar nicht dran bin. Deshalb steht das Kapitel im Feedback. Ich wollte zunächst einmal wissen, ob der berühmt berüchtigte Infodump und die naiven Rückblenden hier so stehen können, oder ob ich sie geschickter in den Verlauf streuen muss. Da nämlich schon im zweiten Kapitel die Fantasyelemente und das Abenteuer losbrechen, könnte es schwierig werden, die Ausgangscharakterisierungen dort noch verbaut zu kriegen. sad

Du sagst ja selbst:
Es wird viel an Information aufgeworfen, vielleicht ein Spur zu viel. Unter
Umständen könntest du das ein bisschen splitten. (Krankheit des Großvaters zum Beispiel.

Ich weiß nur nicht so wirklich, wo und was sich kürzen lässt, weil alle Informationen im Verlauf eine Rolle spielen und die Handlung ab dem zweiten Kapitel so rasant fortschreitet, dass Einstreuungen fehl am Platz wirken.

Danke Dir!
Grüße
diana
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
MariaLS
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 61
Beiträge: 140
Wohnort: Wien


Beitrag10.02.2017 00:18

von MariaLS
Antworten mit Zitat

Hallo Diana!

Vielleicht kannst du das mit ernsthaft interessiert auf zwei Sätze umbauen? Die Tante frägt und Lius spürte das ernsthafte Interesse.

Hast du die Möglichkeit, Kindern in diesem Alter mal zu zuhören? Das hilft immer. Vielleicht kannst du einen Dialog unter Jungs einbauen, in dem klar wird, dass Luis anders tickt. Lass sie miteinander sprechen. Es klingt irre brutal, aber gerade Jungs in dem Alter würden Luis als schwul bezeichnen. Weniger brutal, wäre Luis im Laufe so eines Dialogs als Mädchen zu bezeichnen, oder ihn prinzipiell als Luise titulieren.

Das routinierte Streicheln? Vielleicht kannst du das Adjektiv austauschen, vielleicht Luis einbauen, der erlebt, wie wohl sich die Katze fühlt, wenn sie gestreichelt wird.

Zum Infooverload: nimm dir Zeit, auch zwei Kapitel lang. Wenn Opas Krankheit eine Rolle spielt, dann schenke dem Opa Aufmerksamkeit.

So, schönen Abend noch!

Alles Liebe Maria


_________________
Träume haben und Ziele setzen
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
nothingisreal
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3994
Wohnort: unter einer Brücke


Beitrag10.02.2017 00:44
Re: Kinderbuchprojekt / ab 10 Jahren
von nothingisreal
Antworten mit Zitat

d.frank hat Folgendes geschrieben:


Kapitel 1

Auf der ganzen und langen Busfahrt hatte Luis sich gefühlt, wie die Hühner sich fühlen mussten, wenn sein Vater sie vor sich her gegen den Zaun getrieben hatte.
Es war immer noch seltsam, diesen großen, hageren Mann, der sich seit Monaten nicht mehr rasierte, bei der Arbeit auf dem Hof zu sehen. Er trug dann die dunkelgrünen Wathosen und das braunkarierte Hemd von Opa Rainer, das ihn laut Luis Mutter wie einen kernigen Kerl aussehen ließ. Dass sie ihn liebevoll so genannt hatte, schien ihm jetzt schon ewig her.


Hallo d.frank,

ich hab deinen Faden wegen Infodump gelesen und dachte mir, ich schau mal hier rein, um herauszufinden, was du meinst. Jetzt weiß ich es.
Du kannst vielleicht eine richtig gute Geschichte haben, vielleicht die innovativste Idee seit Ewigkeiten. Aber ich komme nicht über den Absatz hinaus, den ich oben zitiert habe. Allerdings nicht nur wegen Infodump.

Der erste Satz:

Zitat:
Auf der ganzen und langen Busfahrt hatte Luis sich gefühlt, wie die Hühner sich fühlen mussten, wenn sein Vater sie vor sich her gegen den Zaun getrieben hatte.

gestrichen: warum sollte es da stehen? Dass sie lang war akzetiere ich noch. Aber auf der ganzen und auch noch langen ...
Du fängst mit Plusquamperfekt an.
Jetzt kommt ein Vergleich. An und für sich nicht schlimm, allerdings ist er irgendwie schief. Er fährt Bus. Die Hühner werden gegen den Zaun getrieben. Das sind zwei vollkommen unterschiedliche Empfindungen. Wäre er von Soldaten gegen eine Mauer getrieben worden, könnte ich noch irgendwie diesen Vergleich nachvollziehen - auch wenn ich diesem Fall diesen Vergleich eher in einer Satire erwartet hätte.
Durch den Vergleich hast du eine Rückblende, wodurch du wieder ins Plusquamperfekt musst.
Lies mal "wenn sein Vater sie vor sich her gegen den" laut vor. Merkst du was? Das fließt nicht, man stolpert drüber.
Für mich funktioniert der erste Satz überhaupt nicht. Schon da fühlte ich den Wunsch wegzuklicken.

Zweiter Satz, jetzt kommt die Rückblende, allerdings steht sie im Präteritum, was mich vermuten lässt, dass es doch keine Rückblende ist, und ich bin verwirrt.
Zitat:
Es war immer noch seltsam, kein komma diesen großen, hageren Mann, der sich seit Monaten nicht mehr rasierte , bei der Arbeit auf dem Hof zu sehen

Alles markierte ist im Grunde Infodump. Den ob der rasiert oder unrasiert ist, macht meines Erachtens keinen Unterschied für die Arbeit im Hof aus. Dass er groß ist, auch nicht. Lediglich das hager könnte ich durchgehen lassen. Ein hagerer Mann bei der Arbeit auf dem Hof, ja, das sieht etwas merkwürdig aus, schließlich muss man ordentlich anpacken können. Was würde aus meiner Sicht bleiben? Es war immer noch seltsam diesen hageren Mann bei der Arbeit auf dem Hof zu sehen.

Satz drei und vier:

Zitat:
Er trug dann die dunkelgrünen Wathosen und das braunkarierte Hemd von Opa Rainer, das ihn laut Luis Mutter wie einen kernigen Kerl aussehen ließ. Dass sie ihn liebevoll so genannt hatte, schien ihm jetzt schon ewig her.


Bei Satz drei stieg ich aus, um genau zu sein bei "braunkariert". Das ist mir so was von egal am Anfang des Buches, es sei denn diese Info ist absolut relevant für die Story. Dann und nur dann würde ich sie drin lassen.
Jetzt kommt irgendein Opa Rainer ins Spiel und die Mutter. Im dritten Satz hast du also drei Familienmitglieder erwähnt, die mir absolut nichts sagen. Und dass das Hemd von Opa Rainer ist, juckt mich wenig, es sei denn, es ist eine absolut wichtige Info für die Story.
Wozu das "dann"?
Den vierten Satz überflog ich.

Wäre das ein Buch in der Buchhandlung, hätte ich es weggelegt. Ich meine das jetzt überhaupt nicht böse, bitte nicht falsch verstehen. Aber dieser Einstieg motiviert mich nicht zum Weiterlesen. Und das finde ich sehr schade. Wenn du wirklich 880 Wörter lang seinen Lebenslauf runterraterst, würde ich dir empfehlen, es zu lassen. Aber, und das ist jetzt ganz wichtig, das ist meine Meinung. Es gibt Menschen, denen gefallen solche Einstiege. Und wenn du Herr der Ringe gelesen hast, weißt du, dass es um Welten schrecklichere Einstiege gibt. Und trotzdem ist das Buch mehrmals verfilmt worden und ein Bestseller schlechthin. Und ja, ich hab das Buch von der ersten bis zur letzten Seite gelesen, allerdings weil es so berühmt ist. Nicht weil mir die Beschreibung der Hobbits so unglaublich Spaß gemacht hat. Verstehst du, worauf ich hinaus will?

Lass dich nicht entmutigen. Das wird schon. Und bestimmt kriegst du noch paar Meinungen.

LG NIR


_________________
"Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten." - William Somerset Maugham
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Elster
Geschlecht:weiblichLeseratte
E


Beiträge: 140



E
Beitrag10.02.2017 09:51

von Elster
Antworten mit Zitat

Hallo Diana,

den Einstieg finde ich schwierig. Bei Erwachsenen würde das vielleicht noch gehen, aber bei der Zielgruppe der 10 bis 13 jährigen (wobei das eh ne komische Altersangabe ist, aber das liegt glaub ich am Forum), geht das meiner Meinung nach gar nicht.
Ich erfahre in den ersten Ansätzen ja auch kaum etwas über Luis selbst, sondern über seinen Vater und den Hof. Und übers Angeln und wie die Zeit vergeht. Nicht gerade die Themen, die einen in dem Alten brennend interessieren.

Zitat:
Wenn man sich für nichts Anderes als Elektroden und Schaltpläne interessierte, konnte es schwierig werden. Wenn man ansonsten schüchtern und seltsam war, machte das die Sache beinahe aussichtslos.
Seit Borgheide kam aber nun Bernhard jeden Tag die Stiegen zum Baumhaus hochgeklettert und brachte Heidelbeernapfkuchen oder Nudelsalate, die seine Mutter für Luis und seinen Vater zubereitet hatte. Er verstand nicht viel von den aufwendigen Konstruktionen und Berechnungen, aber er hörte geduldig zu, wenn Luis eifrig darüber erzählte und er war der Einzige, bei dem Luis mit dem Erzählen eifrig wurde. Wegen Bernhard ließen die anderen ihn Ruhe.
Luis wollte nicht dazugehören. Lieber saß er in der Krone über dem Dach des Baumhauses und verdrahtete die Solarzellen, die er in der Verästelung angebracht hatte.
Sie speicherten das Licht besser, wenn man sie spiralen förmig wie die Blätter anordnete. Bis zum Herbst sollte der alte Heizkörper, den Luis Vater dem Junkers für drei von Opas besten Legehennen abgeschwatzt hatte, mit dem Generator des Windrades verbunden sein und das Baumhaus auch im Winter bewohnbar machen. Luis hatte die Wände gedämmt und eine Zwischendecke gezogen. Für die Ferien hatte der Plan gestanden, mit Bernhards Hilfe richtige Glasfenster in die rechteckigen Aussparungen einzusetzen.
Dieses Vorhaben hatte Luis nun aufgeben müssen.
Seine Stimmung in den letzten Tagen vor der Abreise wollte sich nicht dadurch bessern, dass Bernhard ihm von den coolen Sachen vorschwärmte, Kinos und Kartbahnen, Fressbuden und Skaterparks, Twiggys, laut Bernhards Zeitrechnung, sicher schon vorhandenem Busen. Bis auf vielleicht Letzteres, nichts, das Luis neu oder aufregend erschien.


Den Absatz finde ich wichtig. Da wird es spannend, da erfährt man etwas über den Protagonisten, und hey, ein spleeniger Junge, der ein Baumhaus hat und mit Elektroden und so weiter rumbastelt, könnte sich durchaus lohnen, den zu begleiten!
Du könntest das vielleicht nach vorne nehmen, und die anderen Informationen kürzen und an anderer Stelle einbauen.
Oder du steigst ganz anders ein, und lässt die Leser Luis und Bernhard im Baumhaus erleben.

Ich glaube, Luis ist ein Protagonist, der zum Weiterlesen einladen würde, du musst ihm nur ein bisschen mehr Platz lassen.

Viele Grüße,
Elster
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
d.frank
Geschlecht:weiblichReißwolf
D

Alter: 44
Beiträge: 1129
Wohnort: berlin


D
Beitrag11.02.2017 13:54

von d.frank
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Ihr,

danke für das Feedback! Ich werde demnächst das überarbeitete Kapitel einstellen.

Grüße
diana
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
d.frank
Geschlecht:weiblichReißwolf
D

Alter: 44
Beiträge: 1129
Wohnort: berlin


D
Beitrag12.02.2017 16:14

von d.frank
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Elster,

hast du über den Infodump Faden hierher gefunden?

Grüße
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Elster
Geschlecht:weiblichLeseratte
E


Beiträge: 140



E
Beitrag12.02.2017 21:08

von Elster
Antworten mit Zitat

d.frank hat Folgendes geschrieben:
Hallo Elster,

hast du über den Infodump Faden hierher gefunden?

Grüße


Nein, ich hab das schon vorher gelesen, bin aber dann durch den Infodump Faden wieder daran erinnert worden.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
d.frank
Geschlecht:weiblichReißwolf
D

Alter: 44
Beiträge: 1129
Wohnort: berlin


D
Beitrag12.02.2017 21:23

von d.frank
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Und siehst du das auch so?

Dass alles raussollte und der Einstieg bei der Tante beginnen sollte?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Elster
Geschlecht:weiblichLeseratte
E


Beiträge: 140



E
Beitrag12.02.2017 23:00

von Elster
Antworten mit Zitat

Ich würde hier anfangen:
Zitat:
Luis wollte nicht dazugehören. Lieber saß er in der Krone über dem Dach des Baumhauses und verdrahtete die Solarzellen, die er in der Verästelung angebracht hatte.

Aber das ist total subjektiv. Mir gefallen diese beiden Sätze und ich finde, sie vermitteln einen vielsagenden Eindruck von Luis.
Und dann ist er ja quasi schon bei der Tante.

Grundsätzlich habe ich ein bisschen den Eindruck, dass du deine Zielgruppe nicht so richtig im Blick hast. Manche Sätze sind ganz schön verschachtelt, das ist für Kinder schwer zu lesen. Du hast im Infodump Faden geschrieben, dass du Luis über das Verhältnis zu seinem Vater charakterisierst, der Vater aber später nicht mehr vorkommt. Ich finde das ein bisschen schwammig, und weiß nicht, ob Kinder das so mitnehmen. Obwohl ich weiß, dass man denen auch nicht alles aufs Brot schmieren muss. Wink
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Poolshark
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 42
Beiträge: 827
NaNoWriMo: 8384
Wohnort: Berlin


Beitrag12.02.2017 23:37
Re: Kinderbuchprojekt / ab 10 Jahren
von Poolshark
Antworten mit Zitat

Hallo d.frank,

wir haben in einem anderen Thread über das Infodumping gesprochen und unter diesem Gesichtspunkten, schau ich mir gern mal deinen Text an und lasse dir meine Eindrücke da. In Blau markiere ich Textstellen. In Orange schreibe ich Anmerkungen zu dem, was mir nicht gefällt und in Grün was mir gut gefällt.
d.frank hat Folgendes geschrieben:
Kapitel 1

Auf der ganzen und langen Busfahrt hatte Luis sich gefühlt, wie die Hühner sich fühlen mussten, wenn sein Vater sie vor sich her gegen den Zaun getrieben hatte.
Es war immer noch seltsam, diesen großen, hageren Mann, der sich seit Monaten nicht mehr rasierte, bei der Arbeit auf dem Hof zu sehen. Er trug dann die dunkelgrünen Wathosen und das braunkarierte Hemd von Opa Rainer, das ihn laut Luis Mutter wie einen kernigen Kerl aussehen ließ. Dass sie ihn liebevoll so genannt hatte, schien ihm jetzt schon ewig her.
Auf dem Land verging die Zeit nach eigenen Regeln, langsamer, und stiller, vielleicht weil sie hier Platz fand, sich auszubreiten. Man merkte ihren Fortgang beinahe nur an den Jahreszeiten.
Auch beim Angeln hing alles daran. Im Winter standen die Fische in den tiefen und ruhigen Zonen, im Sommer fand man sie in den Strömungen. Den Zusammenhang zum Charakter zur Zeit, den du bis hier hin so schön beschrieben hast, erkenne ich nicht.

Wie gesagt, bis hier hin ein schöner, stimmiger Einstieg, dessen Sprache mir gut gefällt. Folgender Absatz liest sich schon zäher. Dass Luis das Angeln nicht mag, finde ich eigentlich nicht weiter erwähnenswert, weil viele Leute mit Jagen und Angeln ein Problem haben. Aber ich lese trotzdem noch weiter.
Im Grunde mochte Luis das Angeln nicht. Er wandte sich immer noch ab, wenn sein Vater mit flinker Hand ein Messer in das Herz oder in die Kiemen drückte und der Fisch sofort erstarrte. Anfangs hatte er keinen Bissen davon essen können.
Aber Luis Vater sagte, mit dem Angeln wäre es wie mit dem Leben. Manchmal musste man etwas tun, weil es eben getan werden musste.
Spätestens hier fühle ich mich jetzt geinfodumpt und du verlierst meine Aufmerksamkeit. Hier werden jetzt Tätigkeiten aufgezählt. Es ist möglich, dass ich eine ungeduldigere Leserin bin, als andere, aber ich sehe einfach keinen Grund, warum ich über Luis Vater derart minutiöse Details erfahren muss. Ich werde mir nichts davon merken, außer "Bauernhof". Sowas kann man zwar machen, gerade hochliterarische Texte finden im Trivialen das Besondere. Es ist wie der Blick durch ein Mikroskop und das ist nie langweilig. Aber solche Aufzählungen sind im Vergleich dann eher der Blick auf ein Fließband. Und: du schreibst eine Erzählung und keine kafkaeske Alltagsbetrachtung, die sich sowas erlauben kann.
Und er bearbeitete die Äcker, kümmerte sich um die Hühnerherde, fuhr den alten, rostigen Pflug und die Lieferungen aus, die kaum das Benzin wieder hereinbrachten.
Es ging ihm mit dem Hof nicht anders, als es Opa Rainer schon gegangen war. Und vielleicht hatte er deshalb entschieden, das verfallene Grundstück zu beziehen, statt dringend benötigtes Geld daraus zu machen.
Und jetzt wieder zurück zum Angeln. Ich überfliege, Opa, Rechnungen, Gewürzregale. Brauchst du das wirklich? Vielleicht willst du eine Stimmung erzeugen, aber die ist in diesem Fall nicht besonders genug, um sie wirklich zu betrachten.
Beim Angeln verschwand der finstere Ausdruck aus seinem müden Gesicht, kein Wort über Automaten und Maschinen, die niemals Urlaub brauchten, keins über unbezahlte Rechnungen, keins darüber, dass Opa Rainer jede ärztliche Behandlung abgelehnt hatte.
Wenn Luis Mutter anrief, um zu fragen, wie es in der Schule lief und ob er sich endlich die Haare hätte schneiden lassen, dann stand sein Vater neben dem Gewürzregal und sortierte die getrockneten Kräuter oder er prüfte, ob die Schrauben noch hielten.
Nie fragte er, ob sie nach ihm gefragt hätte, aber immer stand ihm die Antwort in den Augen und später schepperte sie in den Kisten vorne im Hofladen.
Luis hätte nicht beschwören wollen, dass allein der Umzug nach Borgheide die Trennung seiner Eltern nach sich gezogen hatte. Aber die Entscheidung seines Vaters hatte dafür gesorgt, dass seine Mutter nicht mit in der Kabine saß, als sie die Umzugskisten mit dem Truck eines Nachbarn auf den Hof transportierten. Vielleicht hätte Luis alles dort hassen müssen. Doch außer der Erinnerung an das Bild seiner Eltern, die sich im engen Gang vor der Spüle in den Armen lagen, vermisste er nichts aus der Stadt. Weder das winzige Zimmer in der Dreiraumwohnung, keines der Einkaufszentren, die Schule nicht und auch keine der belanglosen Freundschaften. Das erzählt mir jetzt was über den Charakter. Da schalte ich kognitiv wieder zu. An allen anderen Informationen fliegt mein Auge einfach vorbei.
Wenn man sich für nichts Anderes als Elektroden und Schaltpläne interessierte, konnte es schwierig werden. Wenn man ansonsten schüchtern und seltsam war, machte das die Sache beinahe aussichtslos. Schüchtern und seltsam sind mir persönlich in Jugendbüchern und Coming-of-Age-Geschichten viel zu schon-mal-dagewesen. Sorry.
Seit Borgheide kam aber nun Bernhard jeden Tag die Stiegen zum Baumhaus hochgeklettert und brachte Heidelbeernapfkuchen oder Nudelsalate, die seine Mutter für Luis und seinen Vater zubereitet hatte.
Mit Bernhard kommt jetzt der nächste Charakter, zu dem ich auch überhaupt keinen Bezug habe.  Er verstand nicht viel von den aufwendigen Konstruktionen und Berechnungen, aber er hörte geduldig zu, wenn Luis eifrig darüber erzählte und er war der Einzige, bei dem Luis mit dem Erzählen eifrig wurde. Wegen Bernhard ließen die anderen ihn Ruhe.
Luis wollte nicht dazugehören. Lieber saß er in der Krone über dem Dach des Baumhauses und verdrahtete die Solarzellen, die er in der Verästelung angebracht hatte.
Sie speicherten das Licht besser, wenn man sie spiralen förmig wie die Blätter anordnete. Bis zum Herbst sollte der alte Heizkörper, den Luis Vater dem Junkers für drei von Opas besten Legehennen abgeschwatzt hatte, mit dem Generator des Windrades verbunden sein und das Baumhaus auch im Winter bewohnbar machen. Luis hatte die Wände gedämmt und eine Zwischendecke gezogen. Für die Ferien hatte der Plan gestanden, mit Bernhards Hilfe richtige Glasfenster in die rechteckigen Aussparungen einzusetzen.
Du bleibst einfach zu lange in einer unsortierten Vergangenheit. Du springst hin und her, nichts bleibt bei mir hängen und das ist schade, weil deine Sprache ziemlich ausgereift ist und ich mir ziemlich sicher bin, dass du was zu erzählen hast. Warum fängst du nicht mit einer Baumhausszene an, zeigst mir wer Luis ist, lässt ihn ein bisschen atmen, statt ihn mir derart vorzuführen. Ich fühle mich wie in einem Museum, wo man nix anderfassen darf und nur durchgescheucht wird.
Dieses Vorhaben hatte Luis nun aufgeben müssen.
Seine Stimmung in den letzten Tagen vor der Abreise wollte sich nicht dadurch bessern, dass Bernhard ihm von den coolen Sachen vorschwärmte, Kinos und Kartbahnen, Fressbuden und Skaterparks, Twiggys, laut Bernhards Zeitrechnung, sicher schon vorhandenem Busen. Bis auf vielleicht Letzteres, nichts, das Luis neu oder aufregend erschien.
Aber er hatte sich überreden lassen. Weil nach Tante Bellas Anruf Lächeln und Lied auf den Lippen seines Vaters gelegen hatten, als sie später verschrumpeltes Obst und mattes Gemüse in die Kisten stapelten.
Und jetzt wird hier irgendwo Obst und Gemüse einsortiert. Ich hab überhaupt keine Vorstellung davon wo ich bin. Hab keinen roten Faden, keinen Weg, auf dem ich Luis durch seine Geschichte folgen kann. Ich humple nur hinterher.
Ohne die aufwendige und ständige elektrische Beschallung war auch die Stadt nichts anderes, als grauer Beton mit vermüllten Gehwegen und hartnäckigen Staubschichten. Sone Sätze finde ich dann wieder interessant. Sie sind originell. Charakter schimmert durch die wiederholten Rückblenden und für mich zusammenhanglosen Erinnerungen.
***
Ab hier bin ich wieder im Jetzt und dabei.
Obwohl Luis in einer Stadt wie dieser aufgewachsen war, hatte er die Ferien bei Opa Rainer immer herbeigesehnt und jetzt, seit der Zugfahrt, als Natur und Weite immer und immer lichter geworden waren, beschlich ihn das Gefühl, nicht mehr genügend atmen zu können. Die wuchernden Leuchtreklamen der Einkaufsstraße blendeten ihn und dann flackerten sie, als könnten sie seine mürrischen Gedanken lesen.
Selbst die schiefe Hausnummer 5 summte wie ein müder Schwarm Bienen in der Wintertraube und nach all der beleuchteten Trostlosigkeit wirkte das Gesicht der Tante erfrischend lebendig, wie es versuchte, ein rechts ziemlich lückenhaftes Gebiss zu verbergen.
"Meine Güte, bist du groß geworden!"
Die Tante dagegen war klein und pummelig, und selbst für Luis Verhältnisse denkbar unpassend angezogen. Eine hellgrüne Puffhose machte ihr Elefantenbeine, während das enge Oberteil die mächtigen Arme betonte. Um ihren Kopf herum wuchs eine angegraute Mähne aus Naturlocken, die oberhalb der Stirn von einem Band gehalten wurde. Trotz dieser, auf den ersten Blick, verqueren Erscheinung hatte Luis eine tiefsitzende Wärme im Bauch, als er ihr höflich die Hand entgegenstreckte. Sie erinnerte ihn an die verwurschtelten Kartoffeln, für die sich sein Vater Namen ausdachte, und sie hatte einen Steg über das tiefe Tal seiner Eltern geschlagen.
"Als ich das letzte Mal gesehen habe, warst du noch so ein niedlicher Hosenscheißer."
Das landete einen kalten Treffer in der vorangegangenen Wärme, weil Luis das Mädchen hinter der Tante ausgemacht hatte.
Ob da schon ein Busen war, konnte er nicht erkennen, und er guckte auch nur, weil Bernhard ihm das regelrecht eingepflanzt hatte.
Laut dessen Aussage musste man sich alle Optionen offenhalten, selbst, wenn der letzte Kontakt aus einer Zeit mit Schwimmwindeln herrührte. Hier bindest du zum Beispiel eine Info gut ein. Schräg und interessant isses auch noch.
Ganz sicher wäre diese Erscheinung wohl nach seinem Geschmack gewesen, mal abgesehen davon, dass Bernhard keine erkennbaren Ansprüche stellte.
"Wie war die Fahrt? Hat alles geklappt?"
Luis nickte und löste seinen Blick von den rotgoldenen Locken, dann stieg er über die Armee aus Schuhen, die einen Teil des engen Flurs blockierte. Er wollte auch der Tochter seine Höflichkeit erweisen, es erschien ihm unklug, schon jetzt, wie mit Bernhard vereinbart, nach einer Nummer zu fragen, aber sie hatte nicht den nötigsten Anstand für ihn übrig. Nur ein kurzes, flapsiges Augenrollen, ein schwungvolles Kinnfliegen, schon war sie aus Luis Blickfeld verschwunden.
"Mach Dir nichts draus. Das ist eine Phase“, sagte die Tante und streifte ihm den Rucksack von den Schultern. "Du schläfst im Gästezimmer. Es ist klein aber fein."
Es war aber eher eine Hundehütte. Den hinteren Teil besetzten Liege und geblümte Tagesdecke, der vordere Teil hatte noch Restplatz für einen Kleiderschrank, der selbst mit viel Fantasie nicht zur grün lackierten Kommode passte.
"Wie findest du es?", fragte die Tante ernsthaft interessiert. Luis nickte steif. In Gedanken war er schon wieder beim Baumhaus, sah zu, wie der Fluss an seiner engsten Stelle genügend Wasser wälzte, dass das selbst konstruierte Schaufelrad mindestens eine Glühbirne mit Energie versorgen könnte. Aber er dachte auch an die ungelenke Hand seines Vaters, mit der er Opa Rainers alten grünen Telefonhörer entgegengenommen hatte. Solche Einschübe sind viel echter, viel näher am Charakter dran und viel, viel interessanter als die Abhandlungen am Anfang.
Die von Tante Bella war rund und feuchtwarm, und sie dirigierte Luis damit hinter einen Vorhang aus fusseligen Plüschschlangen, die nach alten Socken rochen.
"Du kannst hier fernsehen oder lesen. Da hinten steht mein Bücherregal", erklärte sie und deutete im Wohnzimmer auf ein monströses Etwas, das eher einem schiefen Verschlag gleichkam und in den Urwald aus tropischen Gewächsen vor dem Fenster zu stürzen drohte. Ein orangefarbener, von innen mit Fliegen gesprenkelter Lampion hing tief von der Decke. Auf der Couchlehne döste eine Katze. Schön.
"Das ist Penelope", sagte die Tante und strich dem Tier routiniert den Rücken.
"Ich werde Dir einen Schlüssel geben, dann kannst Du ausgehen und dir die Zeit vertreiben. Du bist ja kein kleines Kind mehr, oder? Hast Du ein Handy?"
Luis schüttelte den Kopf, dann ein zweites Mal, um auszudrücken, dass er das von der Tante jetzt hingehaltene nicht bei sich tragen wollte. Aber er nahm das Ding dann an, ließ es in der linken Tasche seiner Hose verschwinden und wurde das schmerzhafte Gefühl nicht los, dass es sich dort durch den Stoff brennen wollte. Okay, ich kann jetzt mit Sicherheit sagen, dass dein Erzählen im Hier und Jetzt sehr viel bildhafter und lebendiger ist, als deine Rückblenden. Hier wird dein Protagonist interessant. Deine Rückblenden haben mich eher abgetörnt.
"Falls was ist! Die Nummern sind alle abgespeichert.“
In der hellblauen Küche griff die Tante in einen der gelben Hängeschränke.
"Einen Tee?“
Luis verneinte.
"Mach dir nicht zu viele Sorgen! Ich bin sicher, dass Ilona und Karl sich schon wieder zusammenraufen.“ Sowas reicht um Luis' Familienverhältnisse anzudeuten. Man muss eine Trennung vorher gar nicht erwähnen. Ich bin als Leserin viel mehr involviert, wenn ich mir Luis Vorgeschichte selbst erschließe. Das ist wie Ostereier suchen. Die schmecken viel besser, wenn man sie selber gefunden hat. wink Sie lächelte mütterlich und goss sich heißes Wasser in die Tasse. Der Dampf, der dabei ihren Kopf umhüllte, gab dem Gesicht mit den gummibandgehaltenen Haaren ein Aussehen, das Luis an einen dicken Indianer mit Pfeife erinnerte.
"Dir wird es auch guttun, mal eine Weile rauszukommen. Du hast meinen ganzen Respekt dafür, dass du Karl mit dieser Entscheidung nicht alleinlassen wolltest. Das war sicher alles andere als leicht für dich.“
Vielleicht hätte Luis jetzt sagen sollen, dass der Umzug allein ihm nicht geschadet hatte, dass er sich manchmal in seinem Baumhaus vorkam, als hielte die Welt endlich den Atem an und ließe ihn auch mal zu Wort kommen, aber die Tante redete so vor sich her und hantierte, dass er sie nicht dabei stören wollte.
"Außerdem musste ich Ilona versprechen, dich zu einem Haarschnitt zu überreden.“ Sie zwinkerte und ihr Auge zuckte wegen Luis beschämtem Blick dann ein bisschen fehlgeleitet, also ließ sie lieber zwei Zuckerstücke in ihre Tasse plumpsen.
"Du wirst deine Zeit schon herumkriegen. Es gibt eine Menge toller Dinge, die man hier unternehmen kann."
"Hmm", erwiderte Luis und verschränkte die Arme auf dem Rücken.
"Naja, rede am besten mit Twiggy."
Und Luis hätte gern ein noch bedeutungsvolleres Hmm hinterher geschoben.


Okay, meine zusammengefasste Meinung zu Text und Infodumping:
Ungefähr dort, wo du mit dem Angeln anfängst, steige ich komplett aus. Dort wo ich Sternchen gemacht habe, beginnt für mich die Geschichte. Und eine recht sympathische Geschichte, die ich weiterlesen würde.
Natürlich weißt nur du, was du wirklich an Hintergrundgeschichte brauchst, aber die ganzen Rückblenden mit dem Baumhaus, dem Bauernhof und der eigenen Einschätzung Luis' seltsam zu sein, empfinde ich als Ballast.
Du hast eine ziemlich sichere Art zu erzählen und hast mit dem Haus der Tante ein schönes Setting geschaffen, mach dir das nicht kaputt, in dem du deine Leser zwei Seiten lang auf Abwege schickst und verlierst. Das was du da gemacht hast, ist nämlich kein Infodump, sondern ein ganzer Irrgarten aus Informationen.

Ich finde wirklich, dass du die Geschichte mit der Ankunft im Haus der Tante beginnen solltest. Für mich als Leserin haben alle anderen Informationen einfach keinen Mehrwert. Das, was du im Geschehen über das Leben von Luis einstreust, finde ich viel besser und lebendiger.
Dein Anfang mit der Zeit gefällt mir allerdings gut. Falls du tatsächlich rigoros kürzen solltest, kannst du den vielleicht irgendwo anders einbringen.

Natürlich ist das jetzt alles nur meine persönliche Meinung und ich sehe mich als eine eher überkritische, ungeduldige Leserin, aber ich glaube nicht, dass deine Zielgruppe, sehr viel geduldiger ist als ich und besonders viel über Opas und Papas Arbeit auf dem Bauernhof und unbezahlte Rechnungen lesen will. Es ist auch fraglich, ob Luis selbst derart reflektiert und detailversessen über seine Geschichte nachsinnt.

Aber jut, genug darüber geschwafelt, dass Schwafeln schlecht ist. Laughing
Ich bin gespannt, wie du weiter mit dem Text umgehst. Denn dein Schreibstil ist ziemlich genau mein Ding.


_________________
"But in the end, stories are about one person saying to another: This is the way it feels to me. Can you understand what I'm saying? Does it also feel this way to you?"
-Sir Kazuo Ishiguro
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
d.frank
Geschlecht:weiblichReißwolf
D

Alter: 44
Beiträge: 1129
Wohnort: berlin


D
Beitrag13.02.2017 19:27

von d.frank
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Poolshark,

riesen Dank für deine Mühe!
Damit lässt sich super arbeiten. Ich werde versuchen, deine Anmerkungen zu berücksichtigen und eben auch drinbehalten, von dem ich als Autor weiß, dass es tragend für die Story ist. Schön, dass du auch was Positives dagelassen hast! smile
Ein bisschen Motivation kann ich gerade ganz gut brauchen.

Ich hoffe, du lässt dich wieder hier blicken, wenn die zweite Fassung steht.

Grüße
diana
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Poolshark
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 42
Beiträge: 827
NaNoWriMo: 8384
Wohnort: Berlin


Beitrag14.02.2017 21:21

von Poolshark
Antworten mit Zitat

Schön, dass du was mit meinem Feedback anfangen konntest. Sone bunte Textwand kann manchen auch erschlagen.

Ich bleib gern weiter an dem Text dran.

Auf gutes Gelingen und bis bald.


_________________
"But in the end, stories are about one person saying to another: This is the way it feels to me. Can you understand what I'm saying? Does it also feel this way to you?"
-Sir Kazuo Ishiguro
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
d.frank
Geschlecht:weiblichReißwolf
D

Alter: 44
Beiträge: 1129
Wohnort: berlin


D
Beitrag16.02.2017 17:43
Buchprojekt Fantasy
von d.frank
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Kapitel 1
 
"Miranda Butter", murmelte Luis Vater in seinen wild gewachsenen Bart und blickte stur auf die Pose. Kein einziges Wort über Schnurfangbügel und Bremseinstellungen und Luis wusste nicht, ob ihn das freuen  sollte. Im Grunde mochte er das Angeln nicht. Er wandte sich immer noch ab, wenn sein Vater mit flinker Hand ein Messer in das Herz oder die Kiemen drückte. Aber beim Angeln trat dieser Glanz in die müden Augen, derselbe, der auch am Morgen kurz über das Gesicht gehuscht war.
"Bernhard meint, an der Küste haben sie einen großen Dorschbestand", sagte Luis, obwohl Bernhard nicht die geringste Ahnung von Fischbeständen hatte.
"Ja, und der Hof?"
"Auf den Junkers kann man sich schon verlassen."
Luis Vater nickte still und bedächtig in Richtung Ufer, dann hüpfte die Pose. "Ein Biss“, kommentierte er,  sich augenblicklich bereitstellend, “Jetzt musst du  ihn noch ein bisschen kämpfen lassen. Siehst, du wie die Leine zieht? Anziehen und gehen lassen. Du musst ein Gefühl dafür bekommen, wann er müde wird. Du darfst ihn nicht zu früh einholen!"
Luis verkniff sich ein Seufzen und nahm die Angel entgegen.
 
"Miranda Butter? Echt jetzt? Ist ja abgefahren", sagte Bernhard und griff nach dem zweiten Stück Heidelbeernapfkuchen. Er saß in dem Angelstuhl, den Luis  als Ausguck auf dem Baumhausdach aufgestellt hatte. Der abgewetzte Stoff der Sitzfläche beulte sich fast bis zum Boden."Und dein Vater hat wirklich ja gesagt?"
Luis kletterte aus der Krone und überprüfte das Hauptkabel. Knapp die Hälfte der Solarzellen waren jetzt sauber verdrahtet. Sie speicherten das Licht besser, wenn man sie spiralenförmig wie die Blätter anordnete. Unten am Stamm lehnte der alte Heizkörper, den sein Vater dem Junkers für drei von Opas besten Legehennen abgeschwatzt hatte. Er musste ihn unbedingt noch nach oben holen.
"Nicht direkt", sagte Luis, ließ sich neben Bernhard auf die Holzbohlen sinken und klaubte den Rest Kuchen aus der Gefrierdose, die Bernhards Mutter wie jeden Tag mitgegeben hatte. "Aber ich denke, er wird fahren."
"Und für dich heißt das zwei Wochen Berlin, ist doch endgeil, Mann."
Bernhards Begeisterung griff nicht auf Luis über. Stattdessen sanken ihm die Schultern ein. Er vermisste nichts aus der Stadt, weder das winzige Zimmer in der Dreiraumwohnung, keines der Einkaufszentren, schon gar keine der belanglosen Freundschaften. Immer nur hatte er die Ferien bei Opa Rainer herbeigesehnt. Dieses Mal musste es eben andersherum laufen. Das hatte Luis schon entschieden, als sein Vater nach dem Gespräch mit Tante Bella eine herzähnliche Kartoffel aus der Stiege genommen und sie wie einen gerade gefangenen Fisch betrachtet hatte . Alles, was jetzt noch zählte, war das Ergebnis.
"Guck mal, der zweite Preis ist ein Thermomix. Ich glaube, meine Mutter hätte eher den genommen." Bernhard hielt Luis sein aktuelles Handy entgegen. Ein kurzer, unwirscher Blick reichte und der bläulich schimmernde Schirm flimmerte wie ein grelles Farbgewirr, unter dem das Miranda Butter Logo noch hässlicher zu werden schien.
"Alter, jetzt weiß ich, was deine heimliche Superkraft ist! Mit Blicken Handys töten“, sagte Bernhard, lachte, aber stopfte das Gerät auch vorsorglich in den Schutz seiner Jackentasche.

Auf der ganzen Busfahrt hatte Luis sich gefühlt, wie die Hühner sich fühlen mussten, wenn sein Vater sie vor sich her gegen den Zaun getrieben hatte. Seine Stimmung in den letzten Tagen vor der Abreise wollte sich nicht dadurch bessern, dass Bernhard ihm unbeiirt von den coolen Sachen vorschwärmte, Kinos und Kartbahnen, Fressbuden und Skaterparks, Twiggys, laut seiner Zeitrechnung, sicher schon vorhandenem Busen. Bis auf vielleicht Letzteres, noch immer nichts, das Luis neu oder aufregend erschienen wäre.
Seit der Zugfahrt, als Natur und Weite lichter geworden waren, beschlich ihn das Gefühl, nicht mehr genügend atmen zu können. Die wuchernden Leuchtreklamen der Einkaufsstraße blendeten ihn, und dann flackerten sie, als könnten sie seine Gedanken lesen.
Selbst die schiefe Hausnummer 5 summte wie ein müder Schwarm Bienen in der Wintertraube.
Nach all der beleuchteten Trostlosigkeit wirkte das Gesicht der Tante erfrischend lebendig, wie es versuchte, ein rechts ziemlich lückenhaftes Gebiss zu verbergen.
"Meine Güte, bist du groß geworden!"
Die Tante dagegen war klein und pummelig, und selbst für Luis Verhältnisse denkbar unpassend angezogen. Eine hellgrüne Puffhose machte ihr Elefantenbeine, während das enge Oberteil die mächtigen Arme betonte. Um ihren Kopf herum wuchs eine angegraute Mähne aus Naturlocken, die oberhalb der Stirn von einem Band gehalten wurde. Trotz dieser, auf den ersten Blick, verqueren Erscheinung hatte Luis eine tiefsitzende Wärme im Bauch, als er ihr höflich die Hand entgegenstreckte. Sie erinnerte ihn an die verwurschtelten Kartoffeln, für die sein Vater sich Namen ausdachte, und sie hatte einen Steg über das tiefe Tal seiner Eltern geschlagen.
"Als ich das letzte Mal gesehen habe, warst du noch so ein niedlicher Hosenscheißer."
Das landete einen kalten Treffer in der vorangegangenen Wärme, weil Luis jetzt das Mädchen hinter der Tante ausgemacht hatte.
Ob da schon ein Busen war, konnte er nicht erkennen, und er guckte auch nur, weil Bernhard ihm das regelrecht eingepflanzt hatte.
Laut dessen Aussage musste man sich alle Optionen offenhalten, selbst, wenn der letzte Kontakt aus einer Zeit mit Schwimmwindeln herrührte.
Ganz sicher wäre diese Erscheinung wohl nach seinem Geschmack gewesen, mal abgesehen davon, dass Bernhard keine erkennbaren Ansprüche stellte.
"Wie war die Fahrt? Hat alles geklappt?"
Luis nickte und löste seinen Blick von den rotgoldenen Locken, dann stieg er über die Armee aus Schuhen, die einen Teil des engen Flurs blockierte. Er wollte auch der Tochter seine Höflichkeit erweisen, es erschien ihm unklug, schon jetzt, wie mit Bernhard vereinbart, nach einer Nummer zu fragen, aber sie hatte nicht den nötigsten Anstand für ihn übrig. Nur ein kurzes, flapsiges Augenrollen, ein schwungvolles Kinnfliegen, schon war sie aus Luis Blickfeld verschwunden.
"Mach Dir nichts draus. Das ist eine Phase“, sagte die Tante und streifte ihm den Rucksack von den Schultern. "Du schläfst im Gästezimmer. Es ist klein aber fein."
Es war aber eher eine Hundehütte. Den hinteren Teil besetzten Liege und geblümte Tagesdecke, der vordere Teil hatte noch Restplatz für einen Kleiderschrank, der selbst mit viel Fantasie nicht zur grün lackierten Kommode passte.
"Wie findest du es?", fragte die Tante ernsthaft interessiert. Luis nickte steif. In Gedanken war er schon wieder beim Baumhaus, sah zu, wie der Fluss an seiner engsten Stelle genügend Wasser wälzte, dass das selbst konstruierte Schaufelrad mindestens eine Glühbirne mit Energie versorgen könnte. Aber er dachte auch an die ungelenke Hand seines Vaters, mit der er Opa Rainers alten grünen Telefonhörer entgegengenommen hatte.
Die von Tante Bella war rund und feuchtwarm, und sie dirigierte Luis damit hinter einen Vorhang aus fusseligen Plüschschlangen, die nach alten Socken rochen.
"Du kannst hier fernsehen oder lesen. Da hinten steht mein Bücherregal", erklärte sie und deutete im Wohnzimmer auf ein monströses Etwas, das eher einem schiefen Verschlag gleichkam und in den Urwald aus tropischen Gewächsen vor dem Fenster zu stürzen drohte. Ein orangefarbener, von innen mit Fliegen gesprenkelter Lampion hing tief von der Decke. Auf der Couchlehne döste eine Katze.
"Das ist Penelope", sagte die Tante und strich dem Tier routiniert den Rücken.
"Ich werde Dir einen Schlüssel geben, dann kannst Du ausgehen und dir die Zeit vertreiben. Du bist ja kein kleines Kind mehr, oder? Hast Du ein Handy?"
Luis schüttelte den Kopf, dann ein zweites Mal, um auszudrücken, dass er das von der Tante jetzt hingehaltene nicht bei sich tragen wollte. Aber er nahm das Ding dann an, ließ es in der linken Tasche seiner Hose verschwinden und wurde das schmerzhafte Gefühl nicht los, dass es sich dort durch den Stoff brennen wollte.
"Falls was ist! Die Nummern sind alle abgespeichert.“
In der hellblauen Küche griff die Tante in einen der gelben Hängeschränke.
"Einen Tee?“
Luis verneinte.
"Mach dir nicht zu viele Sorgen! Ich bin sicher, dass Ilona und Karl sich schon wieder zusammenraufen.“ Sie lächelte mütterlich und goss sich heißes Wasser in die Tasse. Der Dampf, der dabei ihren Kopf umhüllte, gab dem Gesicht mit den gummibandgehaltenen Haaren ein Aussehen, das Luis an einen dicken Indianer mit Pfeife erinnerte.
"Dir wird es auch guttun, mal eine Weile rauszukommen. Du hast meinen ganzen Respekt dafür, dass du Karl mit dieser Entscheidung nicht alleinlassen wolltest. Das war sicher alles andere als leicht für dich.“
Vielleicht hätte Luis jetzt sagen sollen, dass der Umzug allein ihm nicht geschadet hatte, dass er sich manchmal in seinem Baumhaus vorkam, als hielte die Welt endlich den Atem an und ließe ihn auch mal zu Wort kommen, aber die Tante redete so vor sich her und hantierte, dass er sie nicht dabei stören wollte.
"Außerdem musste ich Ilona versprechen, dich zu einem Haarschnitt zu überreden.“ Sie zwinkerte und ihr Auge zuckte wegen Luis beschämtem Blick dann ein bisschen fehlgeleitet, also ließ sie lieber zwei Zuckerstücke in ihre Tasse plumpsen.
"Du wirst deine Zeit schon herumkriegen. Es gibt eine Menge toller Dinge, die man hier unternehmen kann."
"Hmm", erwiderte Luis und verschränkte die Arme auf dem Rücken.
"Naja, rede am besten mit Twiggy."
Und Luis hätte gern ein noch bedeutungsvolleres Hmm hinterher geschoben.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
MariaLS
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 61
Beiträge: 140
Wohnort: Wien


Beitrag16.02.2017 22:42

von MariaLS
Antworten mit Zitat

Liebe Diana!
Du, ich widme mich deiner neuen Version morgen nachmittags in aller Ruhe. Bei mir ist heute die Luft draußen. Toll, dass du weitergearbeitet hast. Smile
Schönen Abend noch.


_________________
Träume haben und Ziele setzen
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
d.frank
Geschlecht:weiblichReißwolf
D

Alter: 44
Beiträge: 1129
Wohnort: berlin


D
Beitrag16.02.2017 23:42

von d.frank
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Mach Dir keinen Stress!

Ich kann mich gerade selbst noch nicht mit der neuen Version anfreunden.
Irgendwie habe ich da jetzt zwei völlig unterschiedliche Erzählstile...
Und jetzt gefallen mir die neuen Absätze auch noch besser Shocked

Jetzt muss ich also das ganze MS umrüsten, überarbeiten ja sowieso, aber völlig umrüsten.....das artet dann ja schon wieder aus.

So werde ich jedenfalls nie fertig, Halleluja. Crying or Very sad

Falls der Wechsel im Stil auch noch jemand anderem aufgefallen sein sollte, nur zu, ihr dürft mich ruhig bestätigen. Confused
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
MariaLS
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 61
Beiträge: 140
Wohnort: Wien


Beitrag18.02.2017 18:34

von MariaLS
Antworten mit Zitat

So Diana, bevor ich mich meinen Ergüssen widme, bin ich dann mal hier!

Ich finde diese Version weitaus ansprechender. Du baust in jedem Fall Spannung auf und weckst Neugierde.  

Es sind eher Kleinigkeiten, die mir spontan ins Augen schießen.

Zitat:
nicht mehr genügend atmen zu können.
Mit der Formulierung habe ich ein Problem. Kann aber auch mein persönliches sein. Ich würde da eher zu nicht mehr richtig atmen zu können  oder nicht mehr genügend Luft zu bekommen.

Zitat:
aber stopfte das Gerät auch vorsorglich in den Schutz seiner Jackentasche.


Hab ich was verschlafen? Hat er schon was in die Jackentasche gestopft. Mich irritiert das auch.

Zitat:
Nach all der beleuchteten Trostlosigkeit wirkte das Gesicht der Tante erfrischend lebendig, wie es versuchte, ein rechts ziemlich lückenhaftes Gebiss zu verbergen.


Hmm? Das Gesicht verbirgt? Und wenn du schreibst: Es wirkt erfrischend, trotz des lückenhaften Gebisses?

Zitat:
"Mach Dir nichts draus. Das ist eine Phase“, sagte die Tante und streifte ihm den Rucksack von den Schultern. "Du schläfst im Gästezimmer. Es ist klein aber fein."
Es war aber eher eine Hundehütte.


Es war aber eher (entweder aber oder eher, würde ich sagen). Überhaupt würde ich schon einstreuen, dass es sich dabei um die Wahrnehmung des Jungen handelt.

Zitat:
hatte noch Restplatz
spotan fällt mir gerade die Restplatzbörse ein. wink könntest du sicher anders schreiben.

Nun gut Smile , ein paar Kommafehler habe ich auch noch gefunden. (und das aus meinem Mund, die mit Kommas auf Kriegsfuß steht. Aber in den fremden Texten sehe ich sie besser)

Bleib dran, in jedem Fall.


_________________
Träume haben und Ziele setzen
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
d.frank
Geschlecht:weiblichReißwolf
D

Alter: 44
Beiträge: 1129
Wohnort: berlin


D
Beitrag19.02.2017 15:23

von d.frank
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Maria,

danke, dass du noch mal vorbeigeschaut hast!
Klingt, als würde ich dich von wichtigen Aufgaben abhalten!? Laughing

Ach ja, so ist das mit dem Geben und Nehmen, irgendwann gerät es zur Pflicht....oder habe ich dich falsch verstanden?

Vielen Dank für das Kleinteilige, einige gute Anregungen sind da mit bei.
Aber ich konzentriere mich derzeit noch nicht darauf. Noch bin ich am Zusammenfügen, streichen, neu aufsetzen. wink

Ich wollte eigentlich vor allem wissen, ob auch du den eingefügten Anfang stilistisch inkohärent zum folgenden Text empfindest?

Grüße
diana


_________________
Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
MariaLS
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 61
Beiträge: 140
Wohnort: Wien


Beitrag19.02.2017 20:13

von MariaLS
Antworten mit Zitat

Nein, Diana du hältst mich von gar nichts ab. Doch, es geht mir darum den Kreislauf von  geben und nehmen in Schwung zu halten. Das ist mit ein Grund, warum ich mich hier nach neun Jahren wieder registriert habe. Ich  brauche die Arbeit mit Gleichgesinnten.  So einfach ist das Very Happy

_________________
Träume haben und Ziele setzen
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Poolshark
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 42
Beiträge: 827
NaNoWriMo: 8384
Wohnort: Berlin


Beitrag21.02.2017 23:41

von Poolshark
Antworten mit Zitat

Hallöchen,

also die neue Version ist auf jeden Fall näher am Leser dran, aber ich hab immer noch Zweifel, ob du deine Zielgruppe abholst. Du gehst in deinem Erzählen immer wieder auf Um- und Abwege. Das ist mir einfach zu viel, aber ich sehe durchaus ein, dass das Geschmacksache sein könnte.
Aber dann wiederum ... die Zielgruppe. Ich glaube die verlierst du mit deinen recht verschwurbelten Sätzen. Die sind zwar oft originell und liebenswürdig schwurbelig, aber teilweise weiß ich einfach nicht, was du meinst und werde immer wieder aus dem Setting rausgeworfen.

Ich hab zum Beispiel diese Sache mit "Miranda Butter" nicht begriffen. Das hast du komplett an mir vorbei erzählt. Du hast den, zugegeben recht schmalen Grat, zwischen einem authentischen Abbilden der Charaktere und dem Leser alles auf die Nase binden, noch nicht ganz getroffen. Es ist ein bisschen so, als würde ich ein Gespräch von Leuten belauschen, die ich nicht kenne. Das ist an manchen Stellen verlockend, an anderen ermüdend, weil man die Hälfte nicht versteht oder sie für einen nicht relevant sind.

So ein Abschnitt zum Beispiel:
Zitat:
Dieses Mal musste es eben andersherum laufen. Das hatte Luis schon entschieden, als sein Vater nach dem Gespräch mit Tante Bella eine herzähnliche Kartoffel aus der Stiege genommen und sie wie einen gerade gefangenen Fisch betrachtet hatte . Alles, was jetzt noch zählte, war das Ergebnis.

Keine Ahnung.

Oder das hier:
Zitat:
Sie erinnerte ihn an die verwurschtelten Kartoffeln, für die sein Vater sich Namen ausdachte, und sie hatte einen Steg über das tiefe Tal seiner Eltern geschlagen.

Die Infos in dem Satz passen für mich überhaupt nicht zusammen. Nach zwei Mal lesen, ahne ich, was du sagen willst. Aber erstens frage ich mich, ob dieser Einwurf wirklich deiner Geschichte dient und ob es nötig ist, dieses Gefühl derart zu verkünsteln.

Mein Rat an dich: Hol den Rotstift raus und streiche rigoros alles, was du nicht brauchst. Das kannst du ja erst mal testweise machen und schauen, ob du dich dann noch in dem Text wiederfindest. Ich hab am Anfang meiner Schreibpraxis ähnlich wie du erzählt. Wollte viel zu viel in meinem Text unterbringen und ich hab es als echten Befreiuungsschlag empfunden, mich von ganz viel Ballast zu lösen und zu erfahren, wie wenig man eigentlich braucht, um eine Stimmung zu erzeugen.
Aber ich weiß natürlich auch, wie sehr man mit seinem Text verwachsen kann und wie unbeweglich einem dadurch vieles erscheint. Wenn das bei dir auch so ist, würde ich dir dann doch erst mal zu etwas Abstand raten.


_________________
"But in the end, stories are about one person saying to another: This is the way it feels to me. Can you understand what I'm saying? Does it also feel this way to you?"
-Sir Kazuo Ishiguro
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
d.frank
Geschlecht:weiblichReißwolf
D

Alter: 44
Beiträge: 1129
Wohnort: berlin


D
Beitrag22.02.2017 20:06

von d.frank
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Poolshark,

ich habe sehnsüchtig auf dein Erscheinen hier gewartet. wink
Schön, dass du dein Versprechen gehalten hast.
Nachdem deine Einschätzung nun ja weniger positiv ausgefallen ist, brauchte ich ein bisschen Zeit, um deinen Kommentar mit dem nötigen Abstand betrachten und auf meine eigene Sichtweise übertragen zu können.
Im letzten Absatz klingt dein Urteil eher pauschal und es fällt mir schwer, diese Ratschläge im speziellen auf den Text anzuwenden.
Auch weil du dich dort irgendwie widersprichst?
Nimm das jetzt bitte nicht als trotzige Gegenwehr entgegen!
Ich habe mich sehr gefreut, dich hier wieder zu sehen und mir liegt an deiner Einschätzung!
Aber ich kann mit dem Thema Ballast abwerfen, das du mir nahe legst,  nichts anfangen, wenn du in den Sätzen davor anmahnst, dass die Inhalte wiederum zu knapp geschildert sind?
Hä? Kannst du mir das vielleicht noch ein wenig genauer erläutern?
Vielleicht direkt am Text?

Ich habe dich so verstanden, dass du die kompletten beiden Absätze vor dem Eintreffen bei der tante streichen würdest. Du bist der Meinung, sie wären unnötiger Ballast, weil ich sie nicht brauchen würde. Aber das kannst du im Endeffekt ja nicht wissen. Wenn die Infos also verwirren, sollten sie dann doch wohl eher weiter ausgeführt werden?
Aber warum sollten in den ersten Sätzen eines Buches aufgeworfene Fragen das Interesse killen?
Bei mir erreichen sie immer genau das Gegenteil.

Das Thema Zielgruppe sehe ich nicht so eingeschränkt. Bis man bei Tschick (ebenfalls Jugendbuch) überhaupt weiß, was passiert ist, wer eigentlich Tschick ist, und dass der Ich Erzähler überhaupt auf einer Wache sitzt, vergehen ebenfalls ganze Absätze.


Zitat:
Ich hab zum Beispiel diese Sache mit "Miranda Butter" nicht begriffen. Das hast du komplett an mir vorbei erzählt.


Wirklich? Wie kriege ich jetzt raus, ob das auch anderen so geht?
Für mich ist das völlig klar. Aber ich bin ja auch der Autor dieser Stelle lol2
Die liebe Miranda Butter taucht später auch noch mal auf. Ich habe sie mir nicht neu erdacht, ich habe sie nur vorgezogen.

Zitat:
Es ist ein bisschen so, als würde ich ein Gespräch von Leuten belauschen, die ich nicht kenne. Das ist an manchen Stellen verlockend, an anderen ermüdend, weil man die Hälfte nicht versteht oder sie für einen nicht relevant sind


Du hast zwei Beispiele genannt:

Zitat:
Dieses Mal musste es eben andersherum laufen. Das hatte Luis schon entschieden, als sein Vater nach dem Gespräch mit Tante Bella eine herzähnliche Kartoffel aus der Stiege genommen und sie wie einen gerade gefangenen Fisch betrachtet hatte . Alles, was jetzt noch zählte, war das Ergebnis.


Diese Andeutung klärt sich doch später und abschließend im folgenden Gespräch mit der Tante? Und wenn nicht, dann lieber dieses ausweiten?

Zitat:
Sie erinnerte ihn an die verwurschtelten Kartoffeln, für die sein Vater sich Namen ausdachte, und sie hatte einen Steg über das tiefe Tal seiner Eltern geschlagen.


Das ist ja aus dem unveränderten Text. Warum ist dir das in der ersten Version noch nicht aufgestoßen? Die Situation der Eltern spielt eine Rolle. Dass der Satz am Ende übertrieben klingt, stimmt! lol2

Zitat:
Ich hab am Anfang meiner Schreibpraxis ähnlich wie du erzählt. Wollte viel zu viel in meinem Text unterbringen und ich hab es als echten Befreiuungsschlag empfunden, mich von ganz viel Ballast zu lösen und zu erfahren, wie wenig man eigentlich braucht, um eine Stimmung zu erzeugen.


Gibt´s denn auch irgendwo was von dir zu lesen?

Zitat:
Aber ich weiß natürlich auch, wie sehr man mit seinem Text verwachsen kann und wie unbeweglich einem dadurch vieles erscheint. Wenn das bei dir auch so ist, würde ich dir dann doch erst mal zu etwas Abstand raten.


Das klingt ziemlich vernichtend, ganz anders als deine erste Einschätzung. Das wundert mich einfach und daraus resultiert das ambivalente Gefühl, das ich jetzt deiner Kritik gegenüber empfinde. Als ginge es einfach darum: Du brauchst diesen Infodump nicht, egal wie gekonnt oder eben nicht gekonnt du ihn aufdröselst. Question Embarassed

Noch mal: Ich will hier keinen auf unverstandener Autor machen. Ich verstehe es einfach nicht! wink

Freu mich, von dir zu lesen!

LG
diana


_________________
Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 2 Gehe zu Seite 1, 2  Weiter

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Trash
Was schenkt man einer Frau von sieben...
von Arminius
Arminius Trash 11 23.09.2023 14:22 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Roter Teppich & Check-In
Nach Jahren wieder hier
von ausgefuchst
ausgefuchst Roter Teppich & Check-In 5 21.01.2023 11:28 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Einstand
Die Arboritos Band 2 - 1. Szene [fant...
von Ylvie Wolf
Ylvie Wolf Einstand 3 28.11.2022 14:09 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Werkstatt
Zwischen den Jahren
von FaithinClouds
FaithinClouds Werkstatt 24 26.11.2022 21:28 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Werkstatt
Offener Brief an Kanzler Olaf Scholz...
von pentz
pentz Werkstatt 16 16.10.2022 22:55 Letzten Beitrag anzeigen

EmpfehlungBuchEmpfehlungBuchBuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlung

von Terhoven

von BiancaW.

von Fao

von femme-fatale233

von DasProjekt

von Oktoberkatze

von Mogmeier

von CAMIR

von Belfort

von Magpie

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!