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Rotgeburt


 
 
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Firilion
Geschlecht:männlichEselsohr
F


Beiträge: 316



F
Beitrag03.04.2008 13:31
Rotgeburt
von Firilion
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Rotgeburt

Matt gebürstetes Licht rinnt zäh
in langen, zugespitzten Bahnen,
um auf kaltem Boden zu zerschellen.
Kristallklare Splitter fluten die Enge meines Raumes,
in dem ich Pfeile aus Schatten zeichne.
Sie wirken wie in Fleisch
getriebene Spieße aus rostigem Metall.
Der matt-spitze Kontrast dringt in
meine infizierten Augen; ich stolpere gestochen
als eine achtlos gebürstete Lichtscherbe
die Farbe Rot gebar.

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SylviaB
Geschlecht:weiblichSchnupperhasi

Alter: 58
Beiträge: 6332
Wohnort: Köln
DSFo-Sponsor


Beitrag04.04.2008 02:25

von SylviaB
Antworten mit Zitat

Vorweg - die Farbe Rot gebar. - kommt da nicht noch ein die vor?

die, die Farbe Rot gebar? smile

Ich hab mir nun einiges von dir angelesen und das hier finde ich toll!
Hatte ich schon einmal geschrieben, dass ich Worte liebe, die ich ganz klar ausprechen muß? Also wo der Mund exakt sprechen muß!

Das hast du hier vollbracht aber gleichzeitig weckst du Bilder in mir.
Bilder von einem Raum, dessen Licht aus Tageslicht besteht, welches durch trübe Fenster fällt und diese kleinen Staubkörnchen und Flusen, die sich im Raum befinden, anstrahlen. Sie leuchten richtig.
Auf dem hölzernen Bodenbrettern befinden sich schemenhaft die Schatten der Gardinen und Stühle, deren Umrissen wirken, als würden sie gerade Morden. Die Stuhlbeine sind die Dolche und die Gardine der Rock einer Frau. Die Augen sind geblendet und das Rot wurde geboren.

Das sind meine Gedanken dazu, was natürlich nicht bedeutet, dass du das ausdrücken wolltest. Was ich in deinen Texten lese, sind weitgehendst Beschreibungen von deiner Umwelt.
So wie du sie siehst, wie du sie wahrnimmst und damit gibst du natürlich auch ein Wenig von dir preis.
Mir kommt dieser Raum gleichsam Alt-romantisch wie beängstigend vor. Es ist, als würde dort etwas lauern, was sich nicht greifen läßt, was nicht zu verstehen ist. Was einengt, wie eine Kiste oder eine Abstellkammer oder vielleicht ein Schrank, in dem ich mich einschließe und mich nicht wieder hinaus wage.

Die Form kann Ilka besser beurteilen. Dafür bin ich nicht so geschaffen. Ich mag wie du die Worte nutzt und ich finde auch keinen Logikfehler. Auch hast du die Zeilen zum flüssigen lesen gebracht.
Erst mußte ich überlegen, wie du die "Melodie" des Textes empfunden hast, dann dachte ich an einen recht dramatischen Ton.
Inbrünstig würde man ihn wohl nennen. Mit Inbrunst las ich ihn laut vor.

Und merkwürdiger Weise wandelte sich der Inhalt in eine Art Angstzustand. Ich empfand eine starke Beklemmung, was mir recht selten passiert.

Ich würde dich nun gern fragen, welche Gedanken du bei diesem Gedicht hattest.

Lieben Gruß
Sylvia


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Firilion
Geschlecht:männlichEselsohr
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Beiträge: 316



F
Beitrag04.04.2008 03:08

von Firilion
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Liebe Sylvia,

da ich einmal mehr keinen Schlaf finde, kann ich Dir recht schnell antworten.
(Ein Glück ist diese Woche noch keine Uni und ich muss auch nicht arbeiten)

Ich gebe Dir (und den anderen Lesern und Schreibern hier) einen etwas tieferen und ehrlichen Einblick in meine Motive, die ich in meinen Gedichten zeige:

In der Tat sind die meisten meiner Gedichte eine Beschreibung meiner Umgebung und meiner Gedanken darin. Es ist eine oftmals sehr differenzierte Wahrnehmung, eine fremde Wahrnehmung, eine dunkle Wahrnehmung.
Ich betrachte meine Umwelt genau, studiere sie und skizziere sie. Dabei mischen sich diese Eindrücke mit meinen inneren Gefühlen und Gedanken und zaubern dann eine ganz eigene Welt in meinen Kopf. Diese versuche ich dann in Worte zu giessen.
Als Umwelt ist mir hier nahezu alles zu Diensten, sei es mein Studentenzimmer in der WG oder die vielen ausgedehnten Spaziergänge oder der Unibetrieb oder der abendliche Kneipenbesuch mit Freunden. Ebenso kann es eine verzerrte Vergangenheit sein oder eine konstruierte Zukunft. Die Möglichkeiten sind endlos.
Hauptthema der letzten Zeit aber sind, wie man wohl auch merkt zum einen die Natur (dank der Spaziergänge) und dunkle, ängstliche Gedanken (die dadurch entstehen, das meine reale Zukunft momentan eine große Änderung trägt: Abschluß der Uni in diesem Semester als Wirtschaftsinformatiker und der dann folgende Berufseinstieg, für den ich mittlerweile nicht mehr viel Motivation habe, aber mein Alter eine Umorientierung kaum noch zulässt). Beides, meine innere Aufgewühlheit und die ruhige, treibende Natur lassen bizarre Bilder sprießen, die selbst mir teilweise schwer zu deuten fallen.
Als Sahnehäubchen obendrauf packen wir dann noch eine kleine "Störung" in meinem Köpfchen, die das Ganze noch einmal kräftig durchzuschütteln weiß und schon sind seltsame Dinge perfekt. Mal entstehen klare Beschreibungen, mal abstrakte Definitionen, mal Trivialgedichte, mal Gedankenlyrik, die kaum noch zu interpretieren ist. Fluch? Nein, Gabe, das habe ich akzeptiert und versuche, dies in eine geordnete, gelenkte Bahn zu bringen. Meine Bahn heißt Wortspielplatz und mein Klettergerüst ist das Gedicht, während ich noch damit befasst bin, den Sand zu schreiben, seit Jahren.
Als letztes würze ich diesen Sud noch mit Musik, bis ich ihn mir schmackhaft serviere. Die Kombination mit Klang erzeugt weitere, abgestuftere Bilder. Hier ist die Bandbreite dann schier unerschöpflich. Je nach Stimmung und Impression kann dies Klassik, Jazz, Metal, Britpop oder auch mal gute, alte Liedermacherei a la Mey und Co. sein. Besonders wenn es mal keine rein instrumentellen Werke sind, sondern z.b. ein Lied von Mey oder Wader oder Wecker (ebenso wie englische oder französische  Songwriter) kommt eine dritte Einflußgröße ins Spiel; gesungene Worte, die mir derart gefallen, das ich sie versuche einzubauen, wenn es sein muss auch abzuändern, damit sie passen. Ich spiele dann hin und her.

Ich merke grad, wie schwer es ist in Worten zu beschreiben, wie der kreative Prozess des Schreibens entsteht und passiert, vor allem wenn man möglichst alle Einflußgrößen berücksichtigen will. Ja, hier kommt der Naturwissenschaftler, der Exakte, der Programmierer in mir hervor, ein Mitbringsel aus meinem Studium.


So, wer es bis hier durchgehalten hat, diesen Quadratmeter textueller Selbstbeweihräucherung, der erfährt mehr zu dem Gedicht "Rotgeburt" smile

Das Gedicht gibt meine Eindrücke eines großen, rechteckigen Raumes wieder, der vom nahenden Sonnenuntergang durchflutet wird. Darin wenige Möbel, einige Stühle, ein Tisch, Stehlampen, ein riesiges, endloses Bücherregal, Altbaudeckenhöhe 3,50 Meter mit Stuck. Ich kenne den Raum gut, es ist ein Arbeits- und Lesezimmer nach dem Umbau eines Hauses, das bereits 1871 gebaut wurde. Und ich kenne die Stimmungen des Raumes gut, denn wenn ich dort zu Besuch bin, borge ich mir gerne Bücher aus (spart Geld als Student, wenn man gerne liest). Eigentlich ein wundervoller Raum, den ich immer mochte. Bis ich dort bei Sonnenuntergang saß in einem Sessel und in Ruhe das Zimmer betrachtete, die Sonne und das Licht im Rücken. Vor den Fenstern weißschleiernde Vorhänge, die das Licht dämpfen und brechen, es tropft fast herunter. Das Zimmer ist kühl, denn zur jetzigen Jahreszeit ist es immer noch kalt abends. Ein wenig staubig ist es da auch, logischerweise, egal wie oft geputzt wird. Und wie ich so in den Raum starre, bemerke ich die Schatten der Gegenstände und spüre, sie beobachten mich und durchleuchten mich. Und der große Raum wurde immer enger, kälter und drohender. Was, wenn die Schatten jetzt aufspringen und mich umzingeln, micht durchbohren, weil ich hier fremd bin....ich muss fliehen, aber das Licht nimmt mir die Sicht, nein, alles friedlich, meine Augen müssen mich täuschen. Und überall im Dunkel diese hellen Punkte aus Licht, wie ein Schwarm, der versucht in den Süden zu fliehen vor dem nahenden Winter. Irgendwie wurde der Raum immer farbloser für mich, immer stärker zerbrach er in schwarz und weiß, in reinen Kontrast und das engte mich immer mehr ein. Als ich mich dann ein wenig bewegt habe, stach mir ein wundervolles, rotes Licht in die Augen, das von einer Glasplatte reflektiert wurde. Das wirkte so fremd und falsch in diesem Kontrast und war doch so zauberhaft....es war der Feuerball der Sonne.


Ich hoffe dies ist eine einigermaßen verständliche Antwort, ich habe versucht, es auch für jemand "Außenstehenden" begreiflich zu formulieren.

Liebe Grüße
Matthias
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SylviaB
Geschlecht:weiblichSchnupperhasi

Alter: 58
Beiträge: 6332
Wohnort: Köln
DSFo-Sponsor


Beitrag04.04.2008 03:15

von SylviaB
Antworten mit Zitat

Danke für deine Erklärung, die wohl keine Fragen offen läßt.

Es erfreut mich, doch zumindest in den Grundzügen erkannt zu haben, was du geschrieben hast. Ich gebe zu, es war nicht ganz einfach.
Aber die Wortspielerei und der "Grundton" waren da und haben mir sehr gefallen.

smile extra Schön geschrieben und ich finde du hast tatsächlich Talent. smile


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