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Matthias Jecker Eselsohr
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Beiträge: 328
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Soleatus Reißwolf
Beiträge: 1002
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25.12.2016 13:06
von Soleatus
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Hallo Matthias!
Ich weiß nicht ... Für mein Gefühl versuchst du zu wenig, den Leser zu führen. In der ersten Strophe mache ich das an den "Gazellen" fest, die nicht im Wald sein sollten, und die der Leser also anders einordnen muss; auf gedichte. com habe ich nun erfahren, dass das gar keine Gazellen sind deiner Meinung nach ... Woher soll ich das wissen?
Oder, in Strophe zwei: du nennst als Ort die "Autobahn"; das "Ich" wird von mir also dort verortet, im Inneren eines Autos. Wozu aber das "Hefeweizen" wenig passt, die "Pelle im Ascher" auch nicht.
So hebt immer eines das andere auf, nichts führt irgendwohin, nichts führt mich: und am Ende bleibt, jedenfalls weitestgehend, eine Leerstelle. (Wozu auch die Verwendung einer Allerwelts-Strophe beiträgt.)
Die Suchmaschine hat neben den Nennungen deines Gedichts auch eines von Sayat Nova ausgespuckt, beziehungsweise dessen deutsche Übersetzung (von der ich keine Ahnung habe, wie gut sie ist):
Solange ich lebe, gehört mein Dasein dir;
was sollte ich sonst damit machen?
Wenn ich Tränen vergieße, wenn ich tief seufze,
oh Liebste, dann ist es, weil ich deinen Schmerz auf mich nehme.
Du hast gesagt: "Ich bin eine Gazelle."
Lass mich deinem Lauf folgen.
Ich möchte immer nach dir spähen, meine Liebste.
Tritt mit Anmut in den Garten, oh Liebste:
Mit meiner Saz werde ich dich in Liedern preisen und anflehen.
Haare wie Blumen, Lippen wie Früchte,
das ist die Stunde der Ekstase.
Komm, wir laufen über die Felder bis ans Ufer,
das ist die Stunde der Gazellen.
Von der Nachtigall zur Rose, von der Rose zum Wäldchen,
das ist die Stunde des Spaziergangs.
Tritt mit Anmut in den Garten, oh Liebste:
Mit meiner Saz werde ich dich in Liedern preisen und anflehen.
Du kleidest dich in goldbestickte Seide;
schlank wie eine Zypresse, mit schmalem, hochaufgerichtetem Stamm.
Den Kelch in deiner Hand, füll ihn für mich;
diese Nähe ist mein Tod.
Du musst nur im Garten erscheinen
und dein Verehrer Sayat-Nova liegt zerstört am Boden.
Tritt mit Anmut in den Garten, oh Liebste:
Mit meiner Saz werde ich dich in Liedern preisen und anflehen.
(Saz = Laute) Ob man das "Das ist die Stunde der Gazellen" so überdeutlich vorbereiten muss wie hier, ist eine andere Frage; so beliebig in die Runde geworfen wie bei dir sollte es aber auch nicht werden.
Gruß,
Soleatus
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menetekel Exposéadler
Alter: 104 Beiträge: 2452 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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27.12.2016 09:45 Re: die stunde der gazellen von menetekel
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Matthias Jecker hat Folgendes geschrieben: | es ist die stunde der gazellen
sie irrlichtern lautlos durch den wald
die asche in den feuerstellen
wird langsam, unausweichlich kalt
es ist die zeit der frikadellen
die autobahn gestoßen voll
im ascher liegt noch eine pelle
mein hefeweizen schäumt wie toll |
Hallo Matthias,
leider kann ich mit deinem Gedicht wenig anfangen, obwohl mir die erste Strophe - vom Gefühl her - gut gefällt. Gazellen sind jedoch nur morgens und in den Nachmittagsstunden aktiv. Stehen sie dir für etwas andres, bleibt es unklar.
Gemeinhin gelten sie als Metaphern für schmale, sportliche Frauen.
In der Sprache der Symbole ließe sich ein Zusammenhang zum Mondgott Chandra herstellen, aber ich denke, dies wäre zu weit hergeholt ...
Über die hohe Geschwindigkeit, die leibhaftige Gazellen erreichen können, ließe sich ein Faden zur zweiten Strophe spannen. - Nachts sind Autobahnen aber eher selten überfüllt.
Ganz besonders stoßen mir die Frikadellen sauer auf (Steputats Reimlexikon? ), die in deiner Heimat offenbar mit einer Pelle überzogen sind ... gut, wenn dann zum Runterschlucken ein (hoffentlich alkoholfreies!) Hefeweizen mitgeführt wird.
Eher skeptische Grüße
m.
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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27.12.2016 23:51
von firstoffertio
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Ich muss an dieses berühmte Gedicht denken, ganz anders als deines, sicher. Die Lokalitäten ebenfalls. Aber ich dachte, ich lass mal einen Link da. Wer weiß, vielleicht spieltest du sogar darauf an?:
https://www.poetryfoundation.org/poems-and-poets/poems/detail/57605
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Matthias Jecker Eselsohr
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Beiträge: 328
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M 13.01.2017 12:57
von Matthias Jecker
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@ soleatus und menetekel:
a) Es gibt in diesem Text verschiedene nicht allzu schwierig zu verstehende Hinweise auf Ort und Zeit.
Liegt der Ort wohl eher in Afrika oder in Mitteleuropa? Wo gibt es Frikadellen? Wo sind die Autobahnen voll? Wo liegen Wurstpellen im Ascher? Wo trinkt man Hefeweizen? (Ich höre jemand sagen: „Ich habe das alles in Alaska erlebt!“ Na gut, meinetwegen Alaska.)
Steht dieser Ascher eher in einem Nobelrestaurant oder bei mir in der Küche? Oder gar vor einem Imbissstand?
Wenn der Ort klar ist: Um welche Jahreszeit könnte es sich handeln? Würde man im Hochsommer Lichter im Wald sehen zu einer Zeit, wo die Autobahn voll ist?
Um welche Tageszeit könnte es sich handeln? Werden Feuerstellen eher am Morgen oder am Abend verlassen? (Ich höre den Einwand: „In der Wüste Gobi hatten wir immer nachts ein Feuer“. Und daneben die Autobahn und den Wald?) Ist es morgens oder abends üblicher, Hefeweizen und Frikadellen zu sich zu nehmen. (Mittags? Ich bitte dich: Wie soll ich dann Lichter im wald sehen?)
b) Es gibt in diesem Text verschiedene „symbolistisch“ tragfähige Dinge: Irrlicht / Asche / Feuerstelle / Stoßverkehr / Wurstzipfel / Schaumkrone. Man kann den Text aber sehr gut und auch in meinem Sinn als reine Beschreibung verstehen.
Die lautlos durch den Wald neben der Autobahn irrlichternden Gazellen kann ein Leser mit etwas Nachdenken vielleicht mit etwas ganz Konkretem verbinden. Aber sowohl das reale wie das „mytisfizierte“ Bild würden dann eigentlich denselben Gegensatz zu den Dingen ausserhalb des Waldes bilden.
Heute morgen habe ich in dsfo gelesen von der Symbolik des Rauches über dem Häuschen von Brechts Geliebter: „Achse von Raum und Zeit / Hoffnung im Staat DDR“, so oder ähnlich steht das dort. Da hoffe ich doch, dass man sich auch bei meiner Feuerstelle etwas einfällen lässt (zur Klärung vorab: Ich habe keine Geliebte im Wald), und sei es nur einen an den Haaren herbeigezogenen Hinweis auf die Feuerstelle von Beuys, welche nur 20 km von mir weg langsam erkaltet.
Bei den „Dingen“ gibt es vielleicht ein Problem, das ich nicht bedacht hatte. Ich bewege mich ja in einer „Fremdsprache“. Für „Hackfleÿschtätschli“ kann ich Frikadelle oder Bulette schreiben (Frikadelle liegt mir geografisch näher), für „Wurschtzipfel“ wähle ich vom „Reim „beflügelt“ die „Pelle“, für „Äschebächer“ schreibe ich „Ascher“ und baue so unbewusst Stellen ins Gedicht ein, wo ein Menetekel oder ein anderer des Hochdeutschen Mächtiger darüber stolpert. Ich kann da nur mum Nachsicht flehen.
c) Grund zur Freude ist mir, dass überhaupt zwei Leser sich die Mühe einer Kritik gemacht haben. Und der eine deutet sogar an, dass ihm irgendwie die eine Strophe gefallen habe, obwohl er eigentlich nur Negatives über das gedicht zu sagen weiss.
Ich habe eure Kritiken nun lange überdacht. Und ich bin danach immer noch selbst im Falle dieser acht Zeilen erstaunlich mit mir zufrieden (was an sich schon ausserordentlich ist). Sollte ich euch mit meiner Antwort ein winziges Törchen zu meiner Art, Texte zu achen geöffnet haben, wäre mir das eine Ehre. Und sonst bring ich halt mal wieder was anderes in der Hoffnung, das errege mehr Interesse.
@firstoffertio
d) Vielen Dank für deinen Gedankensprung. Mir war jenes Gedicht nicht bekannt. Ich hab‘s jetzt eingehen gelesen. Und frage mich, wie es zu Berühmtheit gelangen konnte? Naja, in seiner Zeit, das kann ich verstehen. Aber soll man das heute noch für gute Lyrik halten? Was soll man von einem Reim wie „Lissadell - gazelle“ halten? Also für mich ist das nichts „Berühmtes“ mehr.
Euch drei nochmals grössten Dank dafür, dass ihr euch ein wenig Zeit genommen habt, und
ein schönes WE
MJ
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Soleatus Reißwolf
Beiträge: 1002
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13.01.2017 13:27
von Soleatus
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Hallo Matthias!
Ich habe gerade einen längeren Eintrag begonnen, ihn aber gelöscht. Nur soviel:
"Es gibt in diesem Text verschiedene nicht allzu schwierig zu verstehende Hinweise auf Ort und Zeit."
Deiner Meinung nach. Das dumme ist: Wie schwer etwas zu verstehen ist, beurteilt der, der versteht. Nicht der, der zum Verstehen auffordert.
Gruß,
Soleatus
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Matthias Jecker Eselsohr
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Beiträge: 328
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M 13.01.2017 17:30
von Matthias Jecker
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ja und nein. mein problem war hier, dass ich eigentlich kaum einen "ernsthaften" (sorry, in meinen augen) versuch erkennen konnte (und kann), sich eine szenerie vorzustellen (wobei menetekel noch schreibt, ihm/ihr würde irgendwas am text gefallen).
hast du jetzt deinen beitrag aus ärger über meinen gelöscht? ich dachte eigentlich, ich hätte den sehr neutral und sachlich formuliert...
ich zitier noch, was dein fazit im ersten kommentar war:
"So hebt immer eines das andere auf, nichts führt irgendwohin, nichts führt mich: und am Ende bleibt, jedenfalls weitestgehend, eine Leerstelle. (Wozu auch die Verwendung einer Allerwelts-Strophe beiträgt.)"
Dies beschreibt einerseits wunderschön den Inhalt meiner Verse. dir aber dient es als begründung, eine gesamtszenerie zu verneinen. da bin ich (subjektiv meinetwegen)leicht anderer meinung. vielleicht hat sich die dsfo-gemeinde zu sehr daran gewöhnt, dass in jedem beliebigen gedicht echte gazellen durch was auch immer hüpfen (als hintergründige anspielung, die jeder versteht, nur ich nicht)?
nochmals danke für deine beschäftigung mit dem text!
mj
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