Die tote Maus auf der Türschwelle

[Sylvia Aljana]

Hab mal wieder etwas ausgegraben, das mir an einem Sonntagmorgen so in den Sinn kam. Ein Meisterwerk ist es nicht, eher ein Gedankenfragment. Ein bisschen kitschig, ein wenig sentimental. Der junge Herr, dem es galt lebt leider auch nicht mehr. Möchte es dennoch gern teilen.


Die tote Maus auf der Türschwelle

Hellgraue Streifen, verschlagener Blick,
lauerst nächtelang auf dein nächstes Opfer.
Schwarzer Maske, scharfe Klingen in Händen,
am Schnäuzchen klebt Blut.
Deutlicher könntest du es nur sagen,
schlügest du es in buntes Papier.
Aus deinem Sträflingspelz
leuchten mich Knopfaugen an.
Gelb und wachsam.
„Hab ich fein gemacht?“,
fragen sie mich.
Kann dir mit Worten nicht erklären,
dass der Tod kein Geschenk ist.
Kann dich nicht davon abhalten,
will dich nicht einsperren.
Frage mich dennoch,
was bringst du morgen?
Vogelküken, Eichhörnchenkinder?
Grausamer Mörder,
geliebter Tiger in samtweichem Fell.
Brauchst dich doch nicht sorgen.
Ich fülle deinen Napf,
Kraule die Ohren.
Ich höre dein Brummen,
heb' dich auf meinen Arm,
in den du dich schmiegst.
Ich mag sie doch alle,
auch die Kleinen, die Scheuen und Wilden.
Warum begreifst du das nicht?
Kann dennoch nicht bös' mit dir sein.
Du bist was du bist.
Kannst nicht aus deiner Haut.
Ich trag' dich ins Haus,
während ich mich frage:
Verzweifelt Gott so
 auch manchmal an uns?

[cindysherman]

Das ist doch schön! Ich hatte mich auf weitaus kitschigeres eingestellt nach deiner Einleitung. Ich mag den letzten Gedanken, weil der für mich überraschend kommt und nicht vorher aufgebaut wurde. Du bleibst bis dahin sehr mit der materiellen Welt verbunden und beschreibst, was sichtbar ist -ich muss aber zugeben, das ich erst beim zweiten mal Lesen kapiert habe, dass du die Katze beschreibst und nicht die Maus... Knopfaugen, Schnäuzchen, Sträflingspelz- irgendwie diffus setzte sich das bei mir zu einer Maus zusammen. Wegen dem Titel, vermutlich.
Und irgendwie habe ich mir den Kater gelb vorgestellt, weil grau war ja schon die Maus... Also, ich bin vielleicht nicht so ne gute Poesieleserin, weil zu ungeduldig, aber vielleicht kannst du die Bilder noch etwas klarer herausschälen. Wie sieht die Maus aus? Wie die Katze? Wann sieht er wie ein Killer aus, wann wie ein stolzes Schmusetier?
Und gar nicht verstanden hab ich das mit dem bunten Papier: was würde das denn deutlicher machen? Das der Kater es dir schenkt? Das er stolz ist? oder das es ein Mord war?? Alles nur so meine ersten Gedanken. Bin nicht so oft in der Poesie-abteilung. Aber weh tut das hier nicht!

[firstoffertio]

Gefaellt mir gut. Wie es ist.

[lilli.vostry]

Hallo,

hübsches Gedicht über die Verwandlung vom geliebten Haus- zum Raubtier von einem Moment zu anderen...
Der Titel ist mir zu direkt. Nimmt zu viel vorweg.

Ging mir auch so, dass ich zunächst mehr an die Maus (wegen dem Grau) als an den Kater dachte.
Gestolpert bin ich über die Zeile "Schwarze(r) Maske"... ein Tippfehler?
Wieso Dativ?

Interessant die Zeile: Der Tod ist kein Geschenk. Die Beute aber schon - aus Sicht des Katers.
Und der Tod schenkt sich jedem von uns - ob wir das wollen oder nicht...

Die Schlusszeile kommt unerwartet und wirkt mir etwas zu pathetisch-aufgesetzt.
Gott oder welche Kraft auch immer ist ja kein Richter - warum sollte er an uns verzweifeln?

Ansonsten gerne gelesen.

Frohe Schreibgrüße,
Lilli