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Zwerg sein und andere Wehwehchen


 
 
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*Ich*Nur*
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Beiträge: 6
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Beitrag10.03.2014 10:46
Zwerg sein und andere Wehwehchen
von *Ich*Nur*
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Hallo zusammen.
Hier ist mein 1. Kapitel von bisher fünf. Das Gerüst steht auch schon. Und ich würde unheimlich gerne eine Meinung dazu haben rotwerd
Ist übrigens mein erstes Mal Very Happy
Also: Hier ein kleiner Blick in den Kopf meiner Protagonistin.
Habe es übrigens in mehrere Abschnitte geteilt, damit das lesen ein bisschen leichter fällt.

Kapitel 1

Jetzt

Juni - Pfingstmontag


Mein linker Arm ist eingeschlafen und wie ich mich auch lege oder setze, es wird nicht besser. Ich zappe deprimiert durch gefühlte 1000 Kanäle – erschreckend, dank „Sky“ sind es tatsächlich weitaus mehr – aber es ist nichts Sehenswertes dabei. Wobei ich betonen möchte, wenn ich deprimiert sage, handelt es sich nicht etwa um einen Film mit primitiver Handlung oder vorher- sehbarem Ende, nein! Selbst die älteste Folge von King of Queens würde mir noch den Abend retten. Stattdessen kann ich Amateuren beim Kochen oder hysterisch intriganten Zicken mit schlechtem Modegeschmack zu sehen, die wiederum andere Frauen mit ebenso fraglicher Kleiderwahl kritisieren. Als ich schließlich bei einer dieser Frauentausch / Bauertausch / Kinder- tausch – was auch immer – inne halte, beschließe ich dem Ganzen ein Ende zu setzen. Ich möchte mich nicht an einem Haufen sozial schwacher Menschen ergötzen, während sich diese teilweise nicht mal darüber im Klaren sind, was da gerade mit ihnen passiert. Ich schalte den Fernseher aus, bevor ich mit meinem Zappen noch weiter die Einschaltquoten in die Höhe treibe.

Heute ist mein freier Tag und noch ist mein Abend nicht gelaufen. Ich nehme mir vor, es mir gemütlich zu machen: ein gutes Buch, ein heißes Bad, und das Ganze bei romantischem Kerzenschein. Was das Genre meiner Bücher und Filme betrifft, ich bin der Typ „hoffnungslose Romantikerin“. So kitschig und klischeehaft es sich auch anhören mag, Liebe ist mein Lebenselixier. Jedenfalls denke ich das manchmal. Oft hört man, Walt Disney habe die Schuld an die verzerrte Vorstellung des perfekten Mannes. Dazu kann ich nur sagen: „Sehr geehrter Herr Disney, tatsächlich, sie tragen die alleinige Schuld!“ – und Dirty Dancing.

Ich musste leider das ein oder andere Mal (vielleicht auch ein paar Mal mehr) herausfinden, dass nicht in jedem Mann der sehnlichst erwünschte Traumprinz steckt. Aber das muss ja nichts heißen. Ich habe mir daher eine Frist bis zu meinem 30. Lebensjahr gesetzt; dann muss die Katze im Sack sein. Und sollte mir bis dahin doch noch kein Wunder widerfahren sein, und die Katze steckt noch nicht im Sack, dann habe ich selbstverständlich auch gleich schon die perfekte Ausrede dazu: Man braucht keinen Mann um glücklich zu sein!
Und beinahe glaube ich auch daran. Immerhin praktiziere ich diese Vermutung ja zum ersten Mal. Ich bin allein und ich fühle mich gut, und das sehe ich durchaus nicht als selbstverständlich an, denn es ist nicht immer so gewesen. Zum ersten Mal versuche ich herauszufinden wer ich bin, und nicht ich, die Freundin von... oder die Tochter von..., nein ich bin Am, 25 Jahre jung und in der Blüte meines Lebens.

Ich schlendere zu meinem Bücherregal und ziehe dabei Hose und Socken aus. Ich streife mit den Fingerspitzen über die Buchtitel und lese laut vor: Stolz und Vorurteil, Anna Karenina, The Great Gatsby, Jane Eyre, Bridget Jones, Eine Geschichte aus zwei Städten, Sturmhöhe...
Es ist zu spät um etwas Neues anzufangen, also entscheide ich mich für Sturmhöhe. Ich sagte ja, „Klischee“, aber ein Klassiker geht immer. Allerdings hoffe ich inständig, dass meine Wahl nichts darüber aussagt, wie meine Vorlieben für Beziehungen zu Menschen sind. Das würde Einiges erklären, wäre dennoch bedenkenswert!

Ich ziehe mir Oberteil und BH aus, werfe beides zu Boden, klemme mir das Buch unter den Arm und mache mich auf die Suche nach Teelichtern. Ich durchwühle sämtliche Schränke im Wohnzimmer, kämpfe mich durch die Unordnung meiner geräumigen Zweizimmerwohnung und finde mich schließlich sogar auf dem Fußboden wieder. Ich krieche auf allen Vieren, irgendwo hier müssen sich die kleinen Biester versteckt haben, das kann ich spüren. Ich springe auf und laufe (warum auch immer) in die Küche und bleibe dabei mit meiner Brust an der Türklinke hängen. Ein stechender Schmerz durchzuckt mich, ich kreische auf, lasse das Buch fallen, schmeiße mich zu Boden und kauere mich zusammen. Ich rufe verzweifelt nach meiner Mama – vergeblich. Es ist nämlich niemand hier, der meine Showeinlage sieht oder der gewillt ist mich zu trösten, weil ich allein bin. Verfluchtes Zwergen Dasein! Nur ein kleines bisschen größer und ich würde auf sämtliche Türklinken dieser Welt herabblicken. Was hat das mit den Türen eigentlich auf sich? Ich mein‘, keiner braucht Türen, wenn er allein ist. Türen sind da, um sie zu schließen, um seine Privatsphäre zu bewahren. Wenn aber nun niemand da ist, vor dem man seine Privatsphäre bewahren braucht, so ist man auch nicht gezwungen irgendeine gottverdammte Türe zu schließen. Was ist also hier der Sinn und Zweck einer Türe, für 1,58 cm große Zwerge? Die Antwort lautet: Es gibt keinen! Also, beschlossene Sache: die Türen kommen, samt ihrer hochgefährlichen Türklinken, in den Keller!

Ich rapple mich auf, hebe mein Buch auf und öffne den Kühlschrank, um mir aus Frust etwas Essbares in den Mund zu stopfen. Ich habe noch nicht mal richtig einen Blick in das Innere werfen können, da beginnt das Ding schon heftig zu piepen: „Achtung, Achtung! Bitte schließen sie die Türe, Lebensmittel drohen binnen weniger Augenblicke zu verfallen! Hitze dringt ein, Kälte strömt aus und in 20 Sekunden ist das gesamte Eisfach getaut!“ Ich schließe genervt die Türe. Der Moment erinnert mich an eine Aussage meiner Mutter zu Teenagerzeiten: „Schatz kannst du bitte die Türe schließen? Das kostet Strom. Überleg‘ dir doch was du essen willst, bevor du den Kühlschrank öffnest.“ Wie um alles in der Welt sollte ich das bitte anstellen, wenn ich doch gar nicht wusste, was sich alles im Kühlschrank befindet? Ich meine, wie lange sollte so etwas denn dauern? Hm... ich hätte gerne eine Milchschnitte! Kühlschrank auf, keine Milchschnitte drin, Kühlschrank wieder zu. Und da ich ja Strom sparen soll und wir uns das Piepen ersparen wollen, bleibt auch nicht die Zeit, während der Suche nach der Milchschnitte, sich gleichzeitig nach etwas Anderem umzusehen. Also, auf ein Neues: Ich hätte gerne einen Milchreis. Kühlschrank auf, kein Milchreis drin, Kühlschrank wieder zu. Dann hätte ich gerne einen Joghurt, mit Erdbeergeschmack, aber ohne Fruchtstücke. Kühlschrank
auf, kein Erdbeerjoghurt ohne Fruchtstücke drin, Kühlschrank wieder zu. Ja ist es den Möglich! Dieses Ratespiel kann doch ewig dauern, bis dahin ist man verhungert!

Ich esse nichts – besser so. Ich gehe geknickt zurück ins Wohnzimmer und schmeiße mich mit dem Rücken auf die Couch. Dann werfe ich meine Beine über die Rückenlehne, ziehe meinen Oberkörper hinterher, sodass ich kopfüber von der Couch hänge. Ich spüre wie mir das Blut in den Kopf steigt und meine Ohren rauschen. Meine Position verschafft mir einen bisher verborgenen Blick unter meinen Couchtisch. Ein paar uralte Zeitschriften, Bonbonpapier – hier steckt die Fernbedienung des DVD Players – und siehe da: Teelichter! Wusste ich doch, dass ich mir die Dinger nicht eingebildet habe. Man möchte es nicht glauben, aber in meinem Chaos steckt eine gewisse Ordnung. Ich setze mich auf; zurück zum Plan!

 Buch – check!
 Zuckerpeeling + super teures Duschbad (Geburtstagsgeschenk November letzten Jahres, noch nicht benutzt) –
check!
 Teelichter – check!

Ich schnappe mir mein Buch und die Teelichter und während ich mich auf den Weg ins Badezimmer mache, überlege ich, ob Zuckerpeeling oder Duschbad ablaufen kann. Kann Zucker ablaufen? Also unendlich wird sich so etwas wohl nicht halten. Aber habe ich jemals Zucker weggeworfen, weil ich nach langer Zeit aufs Haltbarkeitsdatum geschaut habe und feststellen musste
„hm, doch schon so lange im Schrank...“? Klar, bei Milch, Wurst etc. passiert mir das leider viel zu oft, aber bei Zucker? Und ich kann nicht sagen, dass es daran liegt, weil er schneller aufgebraucht ist als vielleicht Milch oder Wurst. Wie würde ich denn aussehen, wenn ich mir jeden Morgen ein Glas Milch nähme und gleich 250 g Zucker hinterher. Und in wie fern ließe sich die Haltbarkeit des Zuckers mit der Haltbarkeit von Duschbad und Zuckerpeeling kompensieren?
- Wie auch immer, irgendwann wird mich Google aufklären.

Ich lege Buch und Teelichter auf dem Klodeckel ab und ziehe mir meinen Slip aus. Ich sehe mich im Raum um und muss zufrieden feststellen, dass ich ein unbeschreiblich schönes Bad besitze. Ich habe sorgfältig darauf geachtet, dass sich meine Wohnung von herkömmlichen Wohnungen unterscheidet. Nicht mit dem Ziel, besser und wohlhabender eingerichtet zu sein, nur um mich von anderen abzuheben. Ich wollte viel lieber meine eigene Note in mein Heim bringen. Man sollte herein kommen und denken, „oh ja, das sieht ganz nach Am aus“. Die ganze Null – Acht – Fünfzehn Einrichtung alla Ikea hing mir einfach irgendwann zum Hals raus. Ikea und ich waren mal gute Freunde, unsere Wege mussten sich nur leider trennen – die Schuld dafür trage nicht ich! Ich habe als Kind schon unheimlich gerne den Schrott aus den Überraschungseiern zusammen gebaut, wirklich, ich mache so etwas echt gerne. Aber Ikea hat mich an meine Grenzen gebracht.

Meine Wohnung ist jetzt ein buntes Allerlei. Und mit bunt meine ich Farbe! Überall springen einem kleine Farbtupfer ins Auge.
Mal eine Wand, dann mal wieder ein paar Kissen, die ein oder andere Vase, aber nur leuchtende Farben. Keine Neonfarben, warme Farben, Farben die glücklich machen: Apfelgrün, Safran- gelb, Ziegelrot und ein kräftiges dunkles pink. Es sind die Farben Indiens, die Farben des Orients. Geheimnisvoll, erotisch und kreativ, sie verleiten dich zum Träumen, erlauben dir dem Alltag zu entfliehen. Indisch- so könnte man auch meine Wohneinrichtung beschreiben. Meine Möbel sind eine Mischung aus Vintage und Indisch, Altes neu aufbereitet. Mir gefällt der Gedanke, aus etwas altem, das auf dem ersten Blick düster wirkt, etwas Buntes und Fröhliches zu machen. Es ist wie mit der Geschichte vom hässlichen Entlein. Ich denke, dass in Jedem und Allem etwas Schönes zu finden ist. Man muss nur manchmal etwas genauer hinsehen und wissen wie man die Schönheit am besten hervorhebt. Bei meinen Möbeln gelingt dies durch Farbe. Im Übrigen strahlt ein solches Möbelstück Kraft und Sicherheit aus. Es ist schon sehr alt, hat durch seine massive Qualität aber so viele Jahre zuverlässig seinen Zweck erfüllt. Mein Ikea Regal hat nicht mal den Transport vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer überlebt.

In meinem Badezimmer sieht es ähnlich farbenfroh aus. Da mir ein relativ großes Badezimmer gehört, hatte ich auch genügend Spielraum für Dekoration und Schnickschnack. Vom Türrahmen ausgesehen blicke ich auf ein großes Fenster, rechts befindet sich Toilette und Waschbecken und links eine Badewanne sowie eine Dusche. Neben dem Fenster thront ein körpergroßer goldener Spiegel, der den Blick auf eine zierliche junge Frau freigibt. Zierlich im Sinne von klein, aber nicht dürr. Damals habe ich meinen Hintern immer als zu prall empfunden, heute weiß ich, der liebe Gott hat es gut mit mir gemeint. Als weniger prall würde ich meine Brüste bezeichnen. Obwohl sie noch der Schwerkraft trotzen, könnten sie für meinen Geschmack etwas größer sein. Auf dem ersten Blick wirke ich mit meinen langen dunkelbraunen Haaren und dem sonnengebräunten Teint ganz hübsch. Aber lasst mal das Tageslicht ins Bad und seht euch die Dellen an meinen Oberschenkeln an. Die gleichen einer Mondlandschaft.

Ich gehe auf den Spiegel zu. Zum einen, um nicht weiter über meinen Körper nachdenken zu müssen und zum anderen, um mein Gesicht zu inspizieren. Ich halte Ausschau nach Falten – keine zu finden, Gott sei Dank! Ich schaue mir in die Augen, grüne Augen mit dichten langen Wimpern. Ich liebe dunkle Augen, ich wünschte ich hätte dunkelbraune oder schwarze Augen. Ich könnte mir Kontaktlinsen kaufen. - Schnell verwerfe ich den Gedanken, dann könnte ich mir auch gleich einen schmaleren Nasenrücken verpassen, eine vollere Oberlippe wünschen oder die Ohren ein klein wenig anlegen lassen. Die Brüste würden natürlich auch besser aussehen, würden sie zu meinem Po passen. Die Liste endete wahrscheinlich nie.
Ich gehe zur Badewanne, mache das Wasser an und verteile behutsam die Teelichter auf den Wannen Rand. Dann zünde ich nach einander die Kerzen an und gleite so vorsichtig wie nur möglich ins warme Nass. Mit Bedacht lege ich mich zurück und fummle mir mein Haarband aus den Haaren. Als mir der Geruch von Verbrannten in die Nase steigt, durchströmt mich kurze Panik, und ich richte mich schnell wieder auf. Kontrolliert, aber mit Herz klopfen verteile ich Wasser auf meine Haare. Die Flammen müssen wohl nur ein einzelnes Haar erfasst haben, aber genug um mich darauf Aufmerksam zu machen, das Feuer in der Nähe des Kopfes keine gute Idee ist. Ich puste demnach den Teil der Kerzen aus und schupse sie vom Wannenrand. Gefährliche kleine Viecher. Als auch das überstanden ist, nehme ich mir mein super teures Duschbad und gebe es großzügig ins Wasser. Eigentlich mag ich es gar nicht zu baden, schon gar nicht im Schaum. Ich lasse viel lieber den Abfluss auf und dusche im Liegen. Da ich aber nicht die Schuld an der Wasserarmut tragen möchte, bade ich stattdessen.
Ich lege mich wieder zurück und atme genüsslich auf. Da fällt mir ein, dass ich das Buch vorhin auf dem Klodeckel liegen gelassen habe. Ja kann`s denn sein! Ich raffe mich auf, wieder mit der Eleganz einer Antilope und bahne mir einen Weg durch das Lichterparadies: raus aus der Wanne, zwei Teelichter umge- schmissen, Buch geschnappt, zurück zur Wanne, bloß keine Kerze mehr umschmeißen (werden langsam immer weniger), wieder rein ins warme Wasser.
Das wäre geschafft. Ich fahre wieder runter, lege mich zurück und blättre geistesabwesend im Buch herum. Trotzdem fühle ich mich unbehaglich. Es fällt mir schwer mich zu entspannen und auf das Buch kann ich mich auch nur schwer konzentrieren.
- Ich habe keine Lust mehr zu lesen. Ich setze mich auf und lege den Klassiker bei Seite. Als ich zurück gleite wird es plötzlich dunkler. Ich denke mir für einen Sekundenbruchteil nichts dabei und lege mich vollends hin. Ich spüre etwas in meine Seite zwicken und drehe mich nach rechts. Wieso ist es plötzlich so eng in der Wanne? Und für das super teure Duschbad gilt auch eher: weniger ist mehr. Ich flutsche nur so hin und her und kann mich kaum aufrecht halten. Da bemerke ich, dass die Teelichter aus sind. Schlimmer noch, die komplette rechte Seite des Wannenrandes ist leer. Da wird mir klar, dass mein vorher so hoch gelobter, fetter Hintern, die komplette Ablage abgeräumt hat. Ich lasse das Wasser ab und fische die einzelnen Kerzen heraus. Dabei stelle ich entsetzt fest, dass die eine Hälfte meines Körpers mit Kerzenwachs überzogen ist. Ich lache verstört auf und versuche zunächst das Kerzenwachs mit Kaltem Wasser zu entfernen. Meine Güte, hab ich meinen Kopf denn nur zum Haare schneiden? Hohe Temperatur, das Wachs schmilzt, niedrige Temperatur, die Kerze festigt sich. Also drehe ich das kalte Wasser aus und probiere es mit heißem. Sofern man das Ganze als „kalt“ und „heiß“ bezeichnen kann. „Kalt“ kommt vielleicht eher dem „Lauwarmen“ näher, und das „Heiß“ wird nur so heiß, wie es die Schmerzgrenze zulässt. Im Endeffekt nützt beides nichts. Da fällt mir das Zuckerpeeling wieder ein. Ich öffne die Dose, nehme einen großzügigen Kleks und verteile die Paste entlang meiner Hüfte und dem Oberschenkel. Um für ein gleichmäßiges Hautbild zu sorgen, schmiere ich noch einen Teil auf den Rest meines Körpers. Da es mich interessiert, ob das Peeling auch wirklich nach Zucker schmeckt, ertappe ich mich dabei, wie ich mir über den Arm lecke. Schluss jetzt! Ich wasche das Ganze mit klarem Wasser ab, und steige aus der Wanne. Ich nehme mir ein Handtuch und trockne mich ab. Das Wachs hat sich nicht entfernen lassen, aber meine Haut fühlt sich an der Stelle samtig weich an. Für einen Augenblick denke ich darüber nach, den Rest meines Körpers ebenfalls mit Wachs zu überziehen. Komme aber schnell wieder zur Vernunft.

Ich schaue auf die Uhr: 23:12 Uhr. Ich bin nicht wirklich müde, aber es gibt Tage an denen man das Schicksal nicht weiter herausfordern sollte. Ich habe heute absolut nichts Produktives zu Stande gebracht. Und da ich morgen noch immer frei habe, muss ein Plan her.
Ich binde mir das Handtuch um die Brust und begebe mich im Dunkeln tappend ins Schlafzimmer. Vor dem Bett lasse ich das Handtuch wieder fallen und entferne die Zierkissen. Ich lege mich nackt ins Bett, schließe die Augen und schlafe kurz darauf erschöpft vom nichts tun ein.[/i][/b]



_________________
„Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,
  Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;
  Mein Pathos brächte dich gewiß zum Lachen,
  Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.“

Auszug aus: Johann Wolfgang von Goethe. „Faust: Der Tragödie erster Teil.“
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KeTam
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Das goldene Gleis Ei 1
Ei 10 Ei 8
Pokapro und Lezepo 2014


Beitrag10.03.2014 11:12

von KeTam
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Hallo du,

erst mal das, was mir positiv aufgefallen ist: Du hast dir schon sehr viele Gedanken zu deiner Protagonistin gemacht. Hast sie mit vielen kleinen Details ausstaffiert, hast wahrscheinlich ganz genau im Kopf, wie sie tickt, was sie mag, was sie nicht mag, usw.

Alles Dinge, die du brauchst, um sie lebendig zu machen, dem Leser nähre zu bringen.

Jetzt kommt das aber ...

Der Einstieg zieht für mich gar nicht. Ich hab irgendwann abgebrochen und nur noch überflogen.

Ich denke, das liegt daran, dass du im Grunde eine ganz normale Frau, bei einem ganz normalen, langweiligen Abend zeigst. Ich schaue ihr sozusagen beim Leben zu, aber genauso könnte ich tausend anderen Leuten beim Leben zuschauen und würde dann aber nach kurzer Zeit einfach abschalten. Denn, warum sollte mich deine Protagonistin bis jetzt interessieren? Da gibt es noch keinen Aufhänger, keinen Haken, der mich festhalten könnte.
Klar, man kann das auch so machen, wie du es machst. Nur dann muss da deutlich mehr Wortwitz rein.

Ich weiß ja nun nicht, was ihr im weiteren Verlauf des Textes noch passieren wird. Vielleicht wäre es eine Lösung, dass du an einer Stelle einsteigst, an der etwas Konkretes passiert, was den Leser neugierig macht und die ganze Charakterisierung dann an passenden Stellen einfließen lässt.

Ich hoffe, mein Feedback hilft dir weiter ...

Liebe Grüße, KeTam.
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*Ich*Nur*
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Beitrag10.03.2014 11:59

von *Ich*Nur*
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Hallo KeTam,

schön, dass du dir die Zeit genommen hast.
Ich brauche zwar noch ein bisschen, bis die Kritik vollends angekommen ist, verstehe aber was du meinst.
Hatte damals einfach mal drauf los geschrieben und dann darauf aufgebaut. In meinem nächsten Kapitel ist man, denke ich, gleich im Geschehen drin. Vielleicht würde sich etwas in der Art tatsächlich eher eignen.
Vielleicht magst du dir das auch irgendwann mal durchlesen. smile

Liebe Grüße


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  Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;
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Constantine
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Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag10.03.2014 14:11

von Constantine
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Hallo *Ich*Nur*,

vielen Dank für deinen Einstandstext. Insgesamt flüssig und gut geschrieben. Einige Erbsen sind drin, die spare ich mir jetzt.

Du weißt wer Am ist, hast dir deine Protagonistin gut überlegt und zeigst mir, dem Leser, ihre Gedanken über Gott und die Welt, lässt sie ihre Wohnung und sich selbst beschreiben und schilderst ihren freien Abend mit geplantem Teelichtbad und Buch. Als Einführung ok.

Für mich persönlich könntest du hier und da etwas straffen. Z.B. die Sache mit der Türklinke würde ich komplett weglassen. Es ist ihre Wohnung und ich denke, sie wohnt bereits seit einer längeren Weile hier. Sie wird sich ihre Wohnung für ihre Bedürfnisse eingerichtet haben. Was die Deko und das Mobiliar angeht, indisch-vintage Style. Ok. Dann hätte sie sich auch längst um die Türklinken-Thematik gekümmert.

Am ist mir leider etwas zu "geschwätzig" und weitet diese Szene unnötig lang aus. Es geht mir nicht um eine Pointe am Ende des Kapitels oder dass irgend etwas, eine Wendung, passiert. Aber es geschieht recht wenig. Stattdessen bekommt der Leser sehr viel innere Ansichten von Am und ich für meinen Teil habe das Gefühl, da wird versucht, so viel wie möglich über den Charakter reinzupacken, wie eine Strichliste, was macht sie während sie sich auszieht, nach den Teelichtern sucht und ins Bad geht, wo könnte man mehr an Gedanken und Beschreibungen der Wohnung und das Äußere von Am einbauen, obwohl die Szene an sich nicht so viel hergeben mag.

Für mich könntest du etwas mehr über ihren Zwergenwuchs thematisieren, mehr von ihrem Dilemma. Sie denkt mir hier und da zu sehr über alltägliche Problemchen, aber richtig zum Kern ihres Problems stoße ich als Leser nicht. Du sagst, sie ist eine hoffnungslose Romantikerin, ihr Literaturgeschmack und ihre Vorbereitungen für das Bad machen es etwas deutlich. Aber genau hier könntest du z.B. mehr liefern. Zeig mir ihre hoffnungslos, romantische Seite in Bezug darauf, dass ihr dieser Charakterzug Probleme bereitet, dass sie unglücklich ist. Was sind z.B. ihre Probleme, was die Suche nach "Mister Right" angeht?
Eigentlich macht sie schöne Dinge daheim, wie z.B. hier ein romantisches Bad nehmen, aber mit fehlt neben den Beschreibungen das Gefühl, wie es wäre dies mit jemandem zu teilen. Verstehst du, was ich meine? Versuch einige Brüche einzubauen, die die Situation vom alltäglichen Blabla über Gott und die Welt zum Kern deiner Protagonistin führen. Damit würde deine Szene etwas mehr Dramatik bekommen und ihrem erschöpften Einschlafen im Bett mehr Tragik verleihen.

LG,
Constantine
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Beitrag10.03.2014 15:06

von *Ich*Nur*
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Hallo Constantine,

Ich verstehe was du meinst, du hast es wirklich sehr nett erklärt. smile
KeTam meinte ähnliches und ich hab noch mal in Ruhe drüber nachgedacht und kann es wirklich nachvollziehen. Ich kann mich selbst noch nicht von außen sehen, sagt man das so? Darum finde ich das so super hier. Als würde man eine Klassenarbeit schreiben, diese korrigiert bekommen und sich dann an die Stirn fassen und denken "Oh, ja... Hehe, stimmt".
 Ich denke ich werde diese Szene nicht komplett streichen, aber vielleicht aufteilen - auf verschiedene Kapitel.
Schade, dass man eine Woche warten muss, bevor man wieder etwas von sich rein stellen darf. Würde gerne wissen, wie das rüber kommt.

LG
Sophia


_________________
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KeTam
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Das goldene Gleis Ei 1
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Pokapro und Lezepo 2014


Beitrag10.03.2014 15:09

von KeTam
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*Ich*Nur* hat Folgendes geschrieben:

 Ich denke ich werde diese Szene nicht komplett streichen, aber vielleicht aufteilen - auf verschiedene Kapitel.
Schade, dass man eine Woche warten muss, bevor man wieder etwas von sich rein stellen darf. Würde gerne wissen, wie das rüber kommt.

LG
Sophia


Hallo Sophia,

ich denke, das ist eine gute Idee. So hat der Leser auch Zeit, deine Protagonistin allmählich kennen zu lernen.

Du kannst allerdings eine Neue Version einstellen, die dann hier im selben Thread angehängt ist. Also, falls du den Anfang überarbeitest!

Lg, KeTam.
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Beitrag12.03.2014 21:09

von *Ich*Nur*
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Also... Ich habe den Text soweit auf andere Kapitel aufgeteilt und würde jetzt mit diesem beginnen.

Kapitel 1

Jetzt

Juni – Pfingstmontag

Bum...bum...bum... Ich bin wach, kann und will aber nicht die Augen öffnen. Was ist das für ein Krach? Ich rolle mich auf den Rücken. Bum...bum...bum... Ich presse mir das Kissen auf den Kopf, doch das Hämmern will nicht aufhören. Also zwinge ich mich zum Aufstehen. Meine Augen kann ich dennoch nicht öffnen, es ist einfach zu hell. Ich greife blind nach meinem Morgenmantel, den ich achtlos über einen Stuhl geworfen habe.

Meine Nachbarn scheinen wohl nicht ganz die Bedeutung von einem Feiertag begriffen zu haben. Es herrscht ein regelrechtes Baustellenkonzert über mir. Das taktvolle Hämmern wird jetzt von einem ohrenbetäubenden Bohren begleitet. Ich möchte meinen Teil zum Konzert beitragen und stelle die Musikanlage laut. Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass es schon 13.30 Uhr ist. Wieso hab ich so lange geschlafen? Sieben Anrufe in Abwesenheit und eine Nachricht von Lila:

Hallo!!!! Schon wach? Frühstück und heute Abend Klettern? Meld dich!
Hab dich lieb... *Lilla*


Das Frühstück dürfte ich verpasst haben. Ich tippe eine Antwort:

Hey Süße, gerade erst aufgewacht Crying or Very sad Also kein Früh- stück.

Die Antwort kommt prompt.

Morgen Schlafmütze Very Happy Mittagessen?

Ich muss lächeln, ich liebe Lilla. Es gibt keine bessere Freundin.

Keine Zeit... Muss aufräumen, meine Wohnung ist ein Schlachtfeld!

Ich muss wirklich aufräumen. Morgen beginnt der Alltag wieder und nach der Arbeit werde ich zu nichts mehr im Stande sein.

Ausrede akzeptiert wink Sollen wir heute Abend in die Kletterhalle?

Ich möchte wissen von wem diese Idee ist. Das kann Lil doch nicht ernst meinen.

Keine Kletterhalle, du erinnerst dich?

Damals

Eric fährt wie eine Frau. Nein, das ist nicht wahr, ich bin eine Frau, und hätte ich einen Führerschein – er könnte mir nicht das Wasser reichen. Er könnte mir nicht mal jetzt, ohne Führerschein, das Wasser reichen. Und ausgerechnet er, der so bedacht darauf ist, sich an sämtliche Verkehrsregeln dieser Welt zu halten, überfährt doch gerade tatsächlich einen Vogel. Einen Vogel, der nicht fliegen kann. Womöglich irgendeine vom Aussterben bedrohte Tierart, die es auf der Welt nur noch ein einziges Mal gibt. Und wir mussten es natürlich überfahren.
Wir waren nicht mal am Willkommensschild des Freizeitparks vorbei, da hatten wir schon die komplette Aufmerksamkeit auf uns: „Was fährt der denn hier mit dem Auto rein!“, „Die Parkplätze sind dahinten“, „Hier spielen Kinder, werden die auch einfach überfahren?“, „Das ist ein Naturschutzgebiet!“
Ich krieche so tief wie möglich in den Sitz, während Eric völlig überfordert den Rückwärtsgang einlegt und noch einmal über das Tierchen fährt - spätestens jetzt dürfte das Federvieh auf jeden Fall hinüber sein.

Nachdem wir das Auto an der richtigen Stelle geparkt haben, machen wir uns auf den Weg zu unserem Bungalow. Sam versucht behutsam auf Eric einzureden, doch dieser will sich nicht trösten lassen. „Mann, das wäre doch jedem von uns passiert.
Woher solltest du denn wissen, das hier irgendwelche Tiere frei  ́rum laufen.“ Versucht es Sam weiter.
„Der Typ vorhin hatte Recht, Sam. Stell mal vor, das wären Kinder gewesen. Wir hätten uns vorher genau informieren müssen.
Das ist deine Schuld Am!“
„Ja klar, im schlimmsten Fall schiebt man es auf mich. Deine Perle saß doch auf dem Beifahrersitz!“
„Hallo, geht`s noch. Wer hatte denn die Wegbeschreibung in der Hand und sollte uns navigieren?“ kontert Lilla mit Recht.
„Also gut“ sage ich. „Es ist dumm gelaufen, trotzdem ist der Truthahn jetzt tot und daran können wir nichts mehr ändern.“
 „Das war doch kein Truthahn“ meldet sich Sam wieder zu Wort. „ Das war ein Strauß oder so.“
„Ja sicher, ein Strauß“ kichert Lil. „Also wenn das ein Strauß gewesen sein soll...“
Plötzlich prusten wir alle los. „Du meinst einen Pfau, nicht Strauß.“ sage ich lachend.

Was es tatsächlich gewesen ist, werden wir wohl nie herausfinden. Und als wir schließlich am Bungalow angekommen sind, ist die angespannte Atmosphäre von vorhin auch endgültig verflogen.
Während die Männer den Grill anschmeißen, haben Lilla und ich uns auf dem Bett ausgebreitet. „Also ich finde wir sollten auf jeden Fall das Schwimmbad ausprobieren. Die haben die ultimativen Rutschen hier, siehst du?“ sie zeigt auf ein Foto im Katalog und kreist es mit einem Kugelschreiber ein.
„Klar, von mir aus. Mir ist das egal, ich schließe mich der Mehrheit an.“ gebe ich gedankenverloren zurück. Ich beobachte die Männer, wie sie um das Feuer kreisen. Mann hat Feuer gemacht. Wer sagt eigentlich, dass Grill anschmeißen Männersache ist? Ich könnte mit Sicherheit auch ein Feuer machen.
„Die verstehen sich gut, oder?“ reißt mich Lil aus meinen Gedanken.
„Hm? Was meinst du?“ frage ich.
„Die Zwei da draußen, ich glaube die kommen ganz gut miteinander klar.“ wiederholt sich Lilla.
„Ja – ich denke schon.“ antworte ich. Allerdings ist es mir bisher noch gar nicht in den Sinn gekommen, dass es auch anders sein könnte. Lilla ist meine beste Freundin und sie und Eric sind einfach schon ewig zusammen, ich kann mir ihn gar nicht mehr weg denken. Und Lil ist ein Teil von meinem Leben, hätte Sam sie nicht leiden können, dann konnte er auch unmöglich etwas für mich empfinden. Lilla und ich teilen uns quasi ein Gehirn. Und wenn Sam Lilla gern hat, so muss er Eric akzeptieren. Denn Lilla gibt es nur im Doppelpack.

„Wie läuft es denn bei euch? Bist du glücklich?“ möchte sie wissen. Bevor ich reagiere, suche ich nach der Definition von Glück. Was bedeutet glücklich sein? Ich stelle mir immer vor, wenn ich glücklich bin, würde mir das Herz vor Freude und Glück aus der Brust springen. Dieses Gefühl blieb mir bisher jedoch verborgen. Ich übergehe daher diese Frage und antworte: „Es läuft gut. Ich glaube wir haben nach drei Jahren so langsam unser Gleichgewicht gefunden. Sam und ich ergänzen uns ziemlich gut. Wir streiten uns kaum noch, und wenn, dann ohne es eskalieren zu lassen. Ich denke ich bin viel ruhiger geworden.“ Ich hatte bisher immer sehr große Schwierigkeiten meine Emotionen unter Kontrolle zu halten. Wenn ich Sam im Streit mit Worten nicht erreichen konnte, so flogen in meiner Verzweiflung schon mal die Gegenstände durch die Wohnung.
„Das klingt aber nicht gerade überzeugend! Das ist doch was tolles, wo liegt dann das Problem?“ Ich habe keine Lust mich von Lilla therapieren zu lassen und wechsle das Thema. „Es gibt kein Problem.“ Ich reiße ihr den Stift aus der Hand und kreise eine weitere Freizeitbeschäftigung ein. „Ich will klettern gehen. Aber nicht an einer Kletterwand. Hier gibt es so einen Hochseil- garten, da kann man Parcours laufen.“

Was habe ich mir bitte dabei gedacht? Das kann doch unmöglich meine Idee gewesen sein. Ich stehe gerade 15 m über der Erde. Ich bin verkleidet wie ein Mienenarbeiter. Mein Helm ist zu groß und da ich die Größe eines Umpalumpas habe, meinen die Herrschaften mich in einen Kindergurt stecken zu können. Das Teil schneidet mir so eng in den Schritt, da erkennt sogar jeder Blinde, dass ich ein Weiblein bin.
Es gab nur noch drei Plätze. Und in meinem Übermut hat Sam mir den Vortritt gelassen. Im Gegensatz zu mir wirken Lilla und Eric ziemlich routiniert. Ich mache mir gleich vor Angst in die Hose. Ich wusste nicht dass ich Höhenangst habe. Ernsthaft, hätte ich gewusst, dass ich Höhenangst habe, dann wäre ich jetzt bestimmt nicht in dieser misslichen Lage. Gott, ich hätte mich doch ganz sicher nicht ausgerechnet für den Hochseilgarten entschieden. Ich habe Angst, traue mich aber nicht einen Rückzieher zu machen. Wie würde das bitte aussehen?
Oh nein, es geht los. Hilfe! Ich kann nicht. Was tut mein Körper da? Meine Füße machen sich selbständig. Ok, ganz ruhig. Ich muss nur über ein Seil gehen, ich bin gesichert und ich kann mich noch am Seil über mir festhalten. Ich darf einfach nicht nach unten sehen. Oh lieber Gott im Himmel, ich habe nach unten gesehen. Da schwirren tatsächlich überall Leute herum, die uns beobachten - Sam beobachtet mich. Ich muss mich zusammenreißen. Oh, ist das anstrengend. Wieso habe ich so wenig Kraft in den Armen? Konzentrier dich auf Lilla. Ich setze zügig einen Fuß vor den anderen. Gleich hab ich es geschafft. Noch ein paar Schritte. Nach einer gefühlten Ewigkeit komme ich endlich zum Stehen.
Mein ganzer Körper zittert, ich höre mein Herz klopfen und meine Wangen glühen. Wie soll ich bitte noch zehn weitere Hindernisse überstehen. „Ahoi!!!“ Lilla ist schon am Ende der zweiten Station. Das ist unfair, Eric und Lilla arbeiten zusammen. „Ahoiii!!!“ Ich spüre die Blicke der Menschen auf mir. Ich weiß nicht wie ich weiter gehen soll. Vor mir bahnt sich eine Art Brücke auf. Mehrere Balken, die nicht miteinander verbunden sind. Das Ganze gleicht einer langen Reihe von großen Schaukeln. „Aahoiii!!!“ Was ist das für ein Geschrei? Als ich mich umsehe, entdecke ich auf der gegenüberliegenden Seite eine heftig herumfuchtelnde Frau – als Piratin verkleidet. „AHOI!!!“ Während ich mich frage, warum die Dame als Piratin verkleidet ist, scheint sich das Gemüt der Frau zu erhitzen. Sie scheint mir mit ihren Händen irgendetwas sagen zu wollen. „AAHOIII!!!!“ Ich
rufe ihr ebenfalls zu: „WAS?“ Völlig aufgebracht schreit sie zurück: „DU SOLLST WEITER GEHEN! DU HÄLST DEN GANZEN VERKEHR AUF!“ Ist das ihr ernst? Seit einer Ewigkeit brüllt sich die Gute mit ihrem Ahoi die Seele aus dem Leib. „WIESO SAGST DU DAS NICHT GLEICH?!“ Die Panik bahnt sich wieder an die Oberfläche. Ich setze einen Fuß auf den ersten Holzbalken, während der sogleich nach vorne schaukelt. Ich ziehe schnell den Zweiten hinterher. Das System führe ich eine ganze Weile so fort und dann geschieht das wovor ich mich gefürchtet habe: Ich rutsche ab, dabei hatte ich es fast geschafft. Ich hänge mit meinem Oberkörper an einem Balken. Ich versuche mich hochzuziehen. Meine Arme zittern, weil meine Muskulatur schlapp macht. Ich schaffe es einfach nicht, mich aus dieser Position hochzuhieven. Da erblicke ich das Gesicht meiner Retterin. „Du hast mich nicht zurück gelassen?“

„Mach keinen Scheiß Am. Ich war schon fast am Ziel. Hinter dir ist ein Haufen Leute die endlich weiter wollen. Was machst du denn da?“
„Ich bin abgerutscht! Ich kann nicht weiter, ich komme nicht hoch!“
„Blödsinn... gib mir deine Hand. Bei drei drückst du dich mit ganzer Kraft hoch. Eins...zwei...und drei!“
Ich hab es geschafft. Ich halte mich krampfhaft an Lil fest. „Ich hab‘ so Angst Lilla, ich kann nicht weiter gehen. Ich habe Höhenangst.“
„Das meinst du nicht wirklich. Am, du wolltest unbedingt hier hin. Du hast sogar Sam den Platz weggeschnappt.“
„Ich weiß Lil, da wusste ich auch noch nicht dass mir die Höhe so viel ausmacht.“
Sie schüttelt den Kopf, muss aber schmunzeln. Auch ihre Wangen sind von der Anstrengung gerötet. „Du bist echt der Wahnsinn. Ich hab auch Angst, aber wir können nicht ewig hier oben bleiben, Schatz. Also komm, lass uns die Sache hinter uns bringen.“
Sie hat Recht. Ich konzentriere mich und überwältige die nächsten acht Stationen. Ich habe absolut keine Kraft mehr. Sogar jeder einzelne Finger schmerzt mir. Noch ein Hindernis und ich hab das Höllengerät hinter mir. Eric hilft Lilla gerade über das Ziel und weg sind sie. Ich bin also auf mich allein gestellt. Ich mache mich auf den Weg. Und da passiert es – schon wieder. Ich falle. Diesmal hänge ich in der Luft. Unter mir höre ich ein kleines Kind rufen: „Guck mal die dicke Frau da oben, Mama.“ Hat das Kind mich gerade dick genannt? Als dick bin ich nun wirklich nicht! Ich hieve meine Beine über das Seil ... aber ich habe einfach keine Kraft. Ich kann nicht mehr... ich gebe auf. Anscheinend bin ich tatsächlich nicht in Form. Der Gurt schnürt mir meine Brüste bis ans Kinn und es fühlt sich an, als würden diese allmählich abtrennen. Ich sehe noch meine Freunde, die mich auffordern weiter zu machen. Aber ich will nicht mehr. Ich rufe um Hilfe.
„AHOI!!“ Da ist sie wieder. Diese korpulente Frau soll mich etwa retten? Weitere Fragen konnte ich nicht mehr stellen, da rutscht die Piratin mit Schwung und breitbeinig auf mich zu. Sie ist zu schnell. Wenn sie nicht langsam abbremst, wird die Gute voll in mich reinrammen. Sie bremst nicht ab. Und ihre Beine schließt sie auch nicht. Die Frau steuert mit ihrem weiblichen Geschlecht genau auf mein Gesicht zu. Und da erst wird sie gestoppt. Es kann einfach nicht schlimmer sein. Ich hänge 15 m in der Luft, habe eine schwitzige Vagina im Gesicht, und werde dabei von 100 Leuten beobachtet. Wo ist Sam? Ob er alles mitbekommen hat?
Meine neue Freundin rutscht gemächlich an mir herab, sodass wir schließlich auf Augenhöhe sind. Glücklich sieht sie nicht aus. Sie seilt uns ab und als ich endlich wieder Boden unter meinen Füßen habe, fängt die Menge an zu johlen und stimmt in Applause ein.

Jetzt

Hab`s natürlich nicht vergessen. Wie könnte ich. Very Happy Fällt dir was anderes ein?

Niemand wird diesen Tag jemals vergessen.

Wie wäre es mit bowlen? Dann reservier ich ne Bahn für 20:00 Uhr?

Auch bowlen kann ich nicht sonderlich gut. Aber hier in der Nähe gibt es einen Laden der ganz cool ist. Der bietet neben Bowlingbahnen auch Dartspielen, Billard und eine Bar an.


Tris ist einverstanden. Und ich bin da, wo du bist :* Du solltest dich übrigens mal um deine Freundin kümmern, immer wenn du nicht zu erreichen bist, muss ich die Sache ausbaden.


Tris habe ich auf der Arbeit kennengelernt. Um etwas Geld zu- sätzlich zu verdienen habe ich einen Zweitjob in einem Solarium angenommen. Tris ist ein sehr lauter Mensch und ein wenig an- strengend auf Dauer. Sie hat aber ein unglaublich gutes Herz. Lilla ist anfangs immer ein wenig distanziert, wenn ich wieder potenzielle Freundinnen anschleppe. Aber ich bin mir ganz si- cher, dass sie Tris bereits ins Herz geschlossen hat, auch wenn sie es nicht zugeben mag.

Ja ich weiß, werde beim nächsten Mal dran denken. Kommt noch wer mit? Bowlen zu dritt?

Nicht, dass ich ein Problem damit hätte nur zu dritt loszugehen.

Tris sagt, sie bringt noch „ein paar Leute“ mit. Was immer das heißen mag. Lassen wir uns überraschen.

Ich hätte besser nicht gefragt. Tris kennt echt einige merkwürdige Gestalten.
Ok. Dann sehen wir uns da. Freu mich.


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„Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,
  Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;
  Mein Pathos brächte dich gewiß zum Lachen,
  Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.“

Auszug aus: Johann Wolfgang von Goethe. „Faust: Der Tragödie erster Teil.“
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Constantine
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Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag12.03.2014 22:33

von Constantine
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Hi Sophia,

mein erster Eindruck von deinem ersten Kapitel:
Du schreibst sehr angenehm, flüssig und anschaulich. Bis auf einige Kleinigkeiten, wie Kommasetzung nach den Anführungszeichen der direkten Rede und manchen Wörtern, die du ungewöhnlicherwiese mit Bindestrich schreibst, z.B. "Früh- stück" (eher:Frühstück) oder "si- cher" (sicher), finde ich dein Kapitel ok.

Auffällig in deinem ersten Kapitel ist, dass die Damals-Sektion um einiges platzintensiver ist, als die Jetzt-Abschnitte. Mag daran liegen, dass du mit der Klettergarten-Szene im Damals-Abschnitt nicht direkt beginnst, sondern eine längere Einführung bis dahin verfasst hast. Die Einführung nutzt du, um in die anderen Charaktere einzuführen. Ob dies bereits hier notwendig ist, oder ob einfach nur die Beziehung zwischen Am und Lila genügt, stelle ich bei dir mal zum Überdenken an.
Du könntest direkt mit der Klettergarten-Beschreibung im Damals-Abschnitt loslegen (auch wenn die Szenen mit dem überfahrenen Vogel und dem Beziehen des Bungalows ok sind, aber vielleicht etwas zu ausladend?), um dem Leser vom Jetzt-Abschnitt und der Problematik der geplanten Klettergarten-Aktivität mit Lil zu unterrichten. Während der Erinnerung an der damaligen Klettergarten-Begebenheit kannst du etwas über die anderen Personen und ihre Beziehung und Stellung zu Am einfließen lassen.

Es sieht einfach so aus, dass die kurzen Jetzt-Abschnitte eher Beiwerk sind und der Damals-Abschnitt der eigentlich wichtige ist (beides ist wichtig und ich für meinen Teil würde beidem einen gewissen Raum geben. Verstehst du, was ich meine?

Wo ich mich schwer tat, war der Wechsel zum Damals-Abschnitt und die Orientierung. Erst im zweiten Abschnitt erfahre ich, dass vier Personen im Wagen sind und fühle mich etwas Verloren ob der anderen Namen und der Zuordnung, wer was sagt. Den zu Beginn nennst du nur Eric und Am.
Hier wäre es insofern zu lösen, indem du im ersten Damals-Abschnitt die beteiligten Personen nennst. Dann kommt es nicht so überraschend, dass da plötzlich im zweiten Abschnitt weitere Namen auftauchen.

Nur vom Detail her: Du beginnst deinen Jetzt-Abschnitt mit "Juni - Pfingstmontag" (sozusagen als jahreszeitliche Orientierung), deinen Damals-Abschnitt hingegen ohne diese Info. Warum? Vielleicht wäre es von der Homogenität/Konsequenz her auch angebracht, sich für die Damals-Abschnitte jahreszeitliche Details zu überlegen.

Die Idee mit den SMS ist ok. Du hebst sie durch fette Lettern vom Text ab. Im Damals-Abschnitt verwendest du auch fette Lettern, die von der "Piratin" stammen. Die fetten Lettern der "Piratin" sollen ihre laute Stimmlage und "Aggressivität" unterstreichen. Ich denke, dass ist auch ohne fette Lettern nachvollziehbar aufgrund der Schreibweisen von Ahoi und den Ausrufezeichen.
Was du mit den SMS machen könntest, wäre einen anderen Font verwenden, um sie vom eigentlichen Text abzuheben und dadurch könntest du auch den SMS-Charakter betonen. Nur eine Idee. Ob sinnvoll, wer weiß.

Der letzte Satz deines Kapitels "Ok. Dann sehen wir uns da. Freu mich." müsste nach deiner Schreibweise auch fett sein, oder? Hierbei handelt es sich auch um den Text einer SMS.


Vielleicht ist etwas Hilfreiches von mir dabei.

Gerne gelesen.

LG,
Constantine
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Beitrag12.03.2014 23:35

von *Ich*Nur*
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Schön, dass du dir noch mal Zeit genommen hast Constantine.

Ganz kurz vorweg: ich hab den Text von word hier rüber kopiert und hatte bei word die Silbentrennung aktiviert. Ich hab wohl leider ein paar Bindestriche übersehen und nicht korrigiert Embarassed
Und ja, auch den letzten Satz habe ich übersehen.
Den Rest überdenke ich noch mal in Ruhe... Brauche immer was länger dafür smile
Ich danke dir für deine Mühe!


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Constantine
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Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag13.03.2014 00:11

von Constantine
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Du, das ist alles nur meine Meinung und mein Empfinden beim Lesen deiner Geschichte. Wenn dir davon etwas sinnvoll erscheint, prima.

Dein Text ist noch sehr neu und mit der Überarbeitung würde ich ein wenig warten. Vielleicht kommen im Laufe der nächsten Tage weitere hilfreiche Kommentare. Wünschen würde ich es mir für dich. smile

LG,
Constantine
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scopie
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Beitrag13.03.2014 02:28

von scopie
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Hallo Sophia,

ich fange einfach mal direkt an. (: Zum "Jetzt":

Teilweise ist mir der Text zu langatmig. Im Grunde geht es in der kompletten Szene um "ein gutes Buch, ein heißes Bad, und das Ganze bei romantischem Kerzenschein" und darum, dass das alles durch Ams niedliche Schusseligkeit ein bisschen in die Hose geht. Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob es vielleicht einfach nur so ausgedehnt wurde, um Ams Charakter, ihre Gedankenwelt und die Lebenssituation auf einmal zu beschreiben. Denn eigentlich müsste man einen banalen Abend, an dem man "absolut nichts Produktives zu Stande gebracht" hat, nicht so sehr in die Länge ziehen. Es fehlt der Kick, das wurde vor mir ja auch schon kritisiert.
Ein konkretes Beispiel für eine mir persönlich zu lange Passage ist das Sinnieren über ein mögliches (oder unmögliches) Verfallsdatum von Zucker. Das ist in meinen Augen nicht relevant für ihren Charakter, zumal er die ganze Zeit ausführlich beschrieben wird und somit eine weitere Ausschweifung nicht nötig ist.

Auch ich bin der Ansicht, dass du im ersten Kapitel zu viel preisgibst. Der Leser kann einen Charakter ruhig nach und nach im Laufe der Geschichte kennenlernen, das macht es zu einem interessanten Prozess. Hier wirkt es auf mich ein bisschen wie: "Ok, ich beschreibe jetzt erst mal im Detail den Charakter und ein bisschen Drumherum, und wenn ihr das alles wisst, dann kann die eigentliche Geschichte losgehen".
Du könntest Ams Charakter hier und da mehr auf subtilere Weise durchscheinen lassen. Wenn ich eine kleine Szene beschreibe, in der Herr Beispiel nach dem Verfassen eines Briefes mehrere Minuten damit verbringt, seinen Füllfederhalter exakt parallel zum Schreibblock zu platzieren, und er ihn dabei immer wieder um wenige Millimeter verrückt, nenne ich keine Eigenschaft von Herrn Beispiel direkt, aber seine zwanghafte Ordnungsliebe wird trotzdem deutlich und anschaulich.

Zum Schreibstil: Der Text lässt sich flüssig lesen, aber mir fällt auf, dass sehr viele Sätze mit "Ich" beginnen ("Ich mache dies", "Ich denke das"). Da sollte aus meiner Sicht noch mehr sprachliche Vielfalt rein, weil es streckenweise wie eine trockene Aneinanderreihung von Tätigkeitsbeschreibungen klingt. Dabei denke ich, dass man Ams lebhaften Charakter mit Abwechslung in Satzbau und Wortwahl bestimmt gut unterstreichen könnte - und auch, dass du das Potential dafür hast.

Was ich am meisten vermisst habe, war Ams Umgang mit dem "Zwergsein". So vieles wurde haargenau beschrieben, aber gerade das, was sogar im Titel steht, nur einmal kurz erwähnt. (Die Stelle ist übrigens etwas unsauber formuliert; ich bin noch nie mit meiner Brust irgendwo "hängengeblieben" *schmunzel* Sie könnte sich auch einfach stoßen, das tut meiner Erfahrung nach auch mehr als genug weh... ^^)
Schon in der wohlgeplanten Wohnung könnte sie z.B. dafür gesorgt haben, dass ihre Lieblingsschmöker im Regal auf ihrer Augenhöhe stehen. Und bei dem Versuch, einen Traumprinzen anzulocken, könnte sie schon öfter auf das Problem gestoßen sein, nicht so viel hübsche Kleidung in ihrer Größe zu finden. Mich interessiert auch: Ist Am immer so ein bisschen genervt vom "Zwergsein" oder kann sie es auch locker mit Humor nehmen? Mit deiner Grundidee lässt sich gut spielen - Trau dich, sie am Schopf zu packen und mehr daraus zu machen. (:

Zum "Damals" hat Constantine schon einiges gesagt, dem ich zustimme. Die SMS-Idee (anderer Font) klingt gut, das könnte man zumindest mal probieren.

Ich bin froh, dass in diesem Teil Schwung reinkommt. Aber mit dem Einstieg hatte ich auch Probleme. Wegen der Charaktere war ich leicht verwirrt ("Wer ist da jetzt alles?"). Mir war auch nicht klar, dass es sich um einen Ausflug mit Übernachtung handelt, daher war ich wegen des Bungalows erst mal kurz stutzig (das ist für die Kletter-Geschichte aber sowieso kein relevanter Fakt). Und ich dachte: "Würde man um das Überfahren eines so großen Vogels nicht etwas mehr Wirbel machen?" ^^

Das "Ahoi" bräuchte nicht jedes Mal so viele "i"'s und Ausrufezeichen, denn auch mit weniger wird deutlich, dass da jemand ruft.

Ams Verzweiflung und Erschöpfung im Hochseilgarten kamen bei mir an. Das war für mich der erste Moment, in dem ich mitempfunden und ein bisschen mitgefiebert habe. Der erste intensivere Bezug zur Protagonistin.

Auch die Freundschaft zwischen Am und Lilla kann ich spüren. Alles ist zwar insgesamt noch ausbaufähig, aber im zweiten Teil zeigst du deine Stärke im Dialog. Lockere Wortwahl und weitgehend realistisch, das mag ich.

Und mir gefällt, dass im zweiten Teil nicht nur Schwung, sondern auch eine andere Art von Humor in die Geschichte kommt. Im ersten Teil wirkte der Humor auf mich manchmal etwas verbissen.

So, das war's erst mal von mir. Ich würde mich freuen, mehr von Dir zu lesen.

Herzliche Grüße
scopie
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*Ich*Nur*
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Beitrag13.03.2014 13:18

von *Ich*Nur*
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Hallo scopie,

Wie schön, dass auch du dir Zeit genommen hast.
Zuerst mal etwas zu meinem ersten Text. Ich habe damals einfach drauf los geschrieben. Ich hatte eine bestimmte Person vor Augen und wollte diese unbedingt zu Papier bringen. Erst als ich damit fertig war, kam die Idee dazu und daraufhin habe ich ein Gerüst erstellt. Ich habe vorher nie (außer zu Schulzeiten) geschrieben. Und ich wollte generell wissen, ob meine Art zu schreiben anspricht, oder ob sie doch zu banal ist. Daher hast du mir diese Frage schon mal beantwortet und freu mich smile
Inzwischen habe ich echt einige brauchbare Tipps bekommen, die mich wieder daran erinnert haben, was ich denn an einem Buch gut finde. Immerhin habe ich doch schon so viel gelesen, um das beurteilen zu können. Bei mir selbst ist mir das aber gar nicht so einfach und darum bin ich froh hier zu sein, damit mich jemand anders darauf aufmerksam macht. Ich habe mich persönlich schon so oft ertappt, wie ich Zeilen eines Buches nur überflogen habe, weil ich entweder nicht sofort gepackt würde oder einfach zu viel beschrieben wurde. Als wäre der Leser zu dumm, es auch schon beim ersten mal verstanden zu haben. Und das ist auch bei mir der Fall. Viel bla bla, was man auch mit weniger Worte hätte ausdrücken können. smile
Darum habe ich den ersten Teil quasi gestrichen.
Und mir ist währende des Schreibens auch aufgefallen, dass ich viel zu oft "ich" benutze. Danke auch noch mal für den Hinweis. Auch das "Ahoi" ist angekommen smile
Zu den auftauchenden Personen vielleicht ne Idee, wie ich die vorstellen kann, ohne dass es wieder unnötig einleitend klingt?
Ach und zum Überfahren des Vogels: das beruht auf ein wahres Erlebnis und die Personen sind tatsächlich einfach so davon gekommen. Aber vielleicht sollte ich in der Beschreibung den Strauß weg lassen, denn so groß war er nun wirklich nicht. Very Happy
Vielleicht sollte ich auch den Teil des Bungalows weg lassen, ist in der Szene auch nicht relevant.
Mal sehen was mir so einfällt.

@ constantine, danke noch mal für den Hinweis zu Kommersetzung bei der wörtlichen Rede Embarassed


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LeoModest
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Beitrag14.03.2014 17:56

von LeoModest
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Hallo Ich*Nur,

zunächst mal: es gibt irgendeine Funktion, wo man ein "Neue Version"-Knopf einführen kann, sodass jeder weiß, dass es eine zweite Version gibt.. Ich weiß selber nicht, wie das geht, sodass ich mich nicht beschwere, aber vielleicht kann dir jemand anders sagen, wie es geht. Smile

Nun, ich habe also die erste Version gelesen, daraufhin mir die Kommentare angeschaut bis ich auf die zweite Version gestoßen bin, mit der ich mich nun aber nicht auseinander gesetzt habe - also Kommentare zur ersten, hoffend, dass es noch etwas bringt.

Also, ich stimme meinen Vorrednern tendenziell nicht zu. Mir gefällt deine Art zu schreiben, weil du deinen Finger auf etwas legst, was ich auch spannend finde: für Am ist das der Alltag und daher wichtig - und selbst wenn nichts passiert, so kann uns der langweilige Alltag beschäftigen und uns Grund zum Nachdenken geben. Verstehst du, was ich meine?
Hm, ich drücke mich nicht gut aus. Was ich sagen will: du beschreibst hier einen Abend der Protagonistin und es passiert nichts, aber das stört mich gar nicht. Du hast belanglose Nebensächlichkeiten beschrieben, aber dies war gar nicht plump und langweilig. Dass sie die Teelichter zufällig findet, finde ich prima, weil so ist die Realität und so beschreibst du es: wohlgemerkt ohne ins unerträglich Banale abzudriften. Alles das passte mir also.

Ebenso gefällt mir, dass hier nicht über die romantische Sehnsucht geschrieben wird. Ich habe mal ein Einstiegskapitel gelesen, wo so oft darauf hingewiesen wurde, wie sehr single die arme Frau ist. Das ist für die Katz. Ja, lass' Am doch zunächst mal die Illusion, dass sie eigentlich glücklich ist, lass' sie sich Mühe geben, den Tag auch alleine schön zu gestalten - und dabei sonderbarerweise scheitern. Du musst nicht mit der Holzhammermethode beschreiben, wie sie sich den Traummann vorstellt: an diesem Abend ist es nicht so präsent bei ihr - gewiss (so nehme ich an) wird es noch auftauchen. Aber hier wird es nicht so offensichtlich angedeutet, dass man beim ersten nett lächelnden Mann weiß: "Ei, das wird er sein..." Das passt also, Ich*Nur.

Was ich kritisch anmerken würde:

- Sie hätte 'Anna Karenina' aus dem Schrank nehmen sollen - dann wäre der Abend gerettet gewesen! Wink

- Die Türklinkengeschichte finde ich auch mäßig

- Die Wohnungsbeschreibung ist etwas gezwungen - könnte aber mit einem Hinweis auf den neuen Schrank, die neue Tapete oder sonst was begründet werden. Ich meine: kein Mensch beschreibt im Alltag in seinen Gedanken seine Wohnung - aber wenn die Tapete neu ist, dann bleibt man kurz stehen und sagt sich: "Ja, das ist wirklich schön hier..." und denkt ein wenig darüber nach

- Folgende Ausdrücke passen meines Erachtens nicht zu deinem Stil, scheinen aufgesetzt um einen lässigen Ton anzuschlagen, der zum Rest nicht so passt: fetter Hintern, Mondlandschaft, Schwerkraft trotzend, Wasserarmut und vielleicht noch ein paar andere Stellen, die ich eben nicht finde

Ja, ich glaube das war's für's Erste. Bestimmt lese ich mir irgendwann auch die überarbeitete Version an, weil ich dann noch näher am Geschehen bin. Aber ich hoffe, das hat dir trotzdem ein wenig geholfen!

Mach's gut

Leo
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scopie
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Beitrag14.03.2014 19:08

von scopie
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Hi Sophia,

du könntest Eric auch schon kurz im Jetzt-Teil einführen. "War das [die Kletterhalle] Erics Idee? Seit er und Lilla vor einer halben Ewigkeit zusammengekommen sind, schaffte er es immer wieder mich zu necken." - Das ist alles andere als optimal formuliert, aber vielleicht wurde die Idee deutlich? Embarassed
Erst eben, als ich den Kletter-Teil nochmal - wacher als beim letzten Mal ^^ - gelesen habe, wurde mir klar, dass Sam nicht nur ein Freund, sondern Ams Freund war. Sorry! Jetzt ist auch die Bungalow-Szene klarer. *lach* Problematisch ist aber immer noch, dass Sam bei seinem ersten Auftritt in der Geschichte ein Irgendwer ist, über den erst mal nichts weiter gesagt wird. Wenn Sam im Laufe der gesamten Geschichte keine besondere Rolle zukommt, würde es reichen, wenn z.B. erwähnt wird, dass Am und Sam im Auto auf der Rückbank saßen und Sams Beziehung zu Am in einem Nebensatz beschrieben wird. Beispiel zur Verdeutlichung: "Sam, der drei Wochen nach diesem Horrorausflug Schluss machte", irgendwas Passendes eben.

Den Teil beim Bungalow, in dem Lil meint, die beiden Jungs würden gut miteinander auskommen, verstehe ich nicht so ganz. Eric und Lilla sind schon lange zusammen, Am und Sam sind es seit drei Jahren. Wenn Lil und Am beste Freundinnen sind, sind sich sicher auch die Jungs schon oft begegnet. Hier klingt es, als würden sie sich gerade erst annähern und die Verhältnisse wären noch nicht klar.
Beim Rest der Bungalow-Szene bin ich mir nicht sicher. Klar, für das Kletter-Malheur ist sie nicht relevant. Aber durch die Szene, in der Am das Gespräch über ihr Liebes(un)glück vermeiden will, erfährt man ja auch etwas über Am. Es wird ein wenig vom Hintergrund ihrer leichten Verdrossenheit gezeigt.

Ich finde es übrigens gut, dass du erst mal alles über den Charakter "rausgelassen" hast. smile Im Kletter-Teil merkt man, dass du Am (sozusagen) sehr gut kennst. Das Bild von ihr ist stimmig, und gerade ihre intuitiven Reaktionen mag ich (die Worte und Gedanken in ihrer Panik / Hektik).

Die Vogel-Geschichte finde ich an sich auch gut, aber ja, der Strauß-Vergleich sollte raus. lol2

Herzliche Grüße
scopie
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Constantine
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Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag16.03.2014 17:54

von Constantine
Antworten mit Zitat

Hallo Sophia,

ich finde, die Idee von scopie, Eric im Jetzt-Teil zu erwähnen im Bezug auf die SMS und deren Inhalt ("Klettergarten") sehr gut. Der Jetzt-Teil ist für mich im Vergleich zum Damals-Teil etwas zu kurz und ausbaufähig. Eric würde dem Jetzt-Teil mehr Substanz und Inhalt geben und würde der Überleitung zum Damals-Teil mit dem Klettergarten einen weiteren persönlichen Bezug geben.

LG,
Constantine
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