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Fatale Begegnung

 
 
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Chablis
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 67
Beiträge: 269
Wohnort: Leipzig


Beitrag30.08.2007 06:55
Fatale Begegnung
von Chablis
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich kannte sie, vergaß nie ein Gesicht. Mit Namen war das allerdings eine andere Sache. Sie steuerte in meine Richtung, hatte mich in der Menge aber noch nicht entdeckt.

So hatte ich noch etwas Zeit, mir das Hirn zu zermartern. Ja, ich war mir sicher, diese Frau schonmal wo gesehen zu haben. Und irgendwie spürte ich, die Begegnung war keine erfreuliche gewesen.

Ich weiß nicht, ob es dem einen oder anderen von Ihnen, geneigte Leser auch so geht. Die Erinnerung ist schon fast körperlich spürbar und doch nicht zu greifen. Je krampfhafter man versucht, zu einem Gesicht einen Namen zu finden, umso aussichtsloser ist es. Hier war es ebenso.

Sie war ca. einen Kopf kleiner als ich, blond und modisch-elegant gekleidet. Sie bewegte sich langsam und blieb immer wieder stehen, da sie die Bilder an den Wänden aufmerksam studierte. Also, sie hatte ein Auge für die Malerei, genau wie ich. Nicht umsonst war ich der Einladung zu der Ausstellung meines Freundes ohne zu zögern gefolgt. Und so stand ich hier und überlegte, wer sie um Himmels Willen denn sein könnte.

Uns trennten nur noch wenige Schritte. Sie hielt ein Sektglas in der Hand, an dem sie von Zeit zu Zeit nippte. Es war wie verhext, ich kam nicht auf ihren Namen. Was, wenn sie aber mich kannte? Was, wenn sie mich ansprach, so nach dem Motto: 'Oh, hallo Frank, Du hier? Lange nicht gesehen.' Das wäre mehr als peinlich. Was, wenn diese Frau zu einem meiner zahllosen One-Night-Stands gehörte? Ich hatte mir schon anhören müssen, dass Männer meines Kalibers die Vergangenheit immer wieder einholen würde.

Noch hatte ich Zeit, sie mir genau zu betrachten, da sie jetzt seitlich von mir stehen geblieben war. Sie sah etwas jünger aus als ich, obwohl ich ohne Übertreibung behaupten konnte, dass ich mich gut gehalten hatte. Ich schätzte sie auf Mitte dreißig. So langsam kam in mir der Gedanke hoch, mich besser zu verdrücken. Wie schon erwähnt, verband ich aus irgend einem Grund keine guten Erinnerungen an diese Person. Nur konnte ich's mir in keinster Weise erklären.

Doch jetzt war es zu spät für Fluchtgedanken. Sie drehte sich wieder in meine Richtung, und im gleichen Moment hatte sie mich entdeckt. Sie machte einen Schritt auf mich zu, während sich ihre Miene verfinsterte. Also hatte mich mein Gefühl nicht getrogen. Da war was faul gewesen damals. Ein Wunder Punkt mehr in meinem Leben.

Jetzt half alles nichts mehr, außer vielleicht die Flucht nach vorn. Ich tat es ihr gleich und setzte auch ein Bein in ihre Richtung. Und in dem Moment, wo sie den Mund aufmachen wollte, um etwas zu sagen, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Meine Ex-Frau!



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Seneca
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 58
Beiträge: 215



Beitrag30.08.2007 08:16

von Seneca
Antworten mit Zitat

Super Text. Klasse erzählt und sehr schön aufgebaut. Kurzer, überraschender Schluß und Ende. Bravo.

P.S.: das 'in keinster Weise' ist wohl als Stilmittel zu verstehen.


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Chablis
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 67
Beiträge: 269
Wohnort: Leipzig


Beitrag30.08.2007 08:49

von Chablis
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Danke Seneca.
Ja, ist ein Stilmittel. Natürlich ist mir bekannt, das es 'in keiner Weise' heißen muss. Aber da dieser Fehler allgemeiner Sprachgebrauch ist, habe ich es so gelassen.

Chablis


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Ninchen
Geschlecht:weiblichWortedrechsler

Alter: 43
Beiträge: 70
Wohnort: NRW


Beitrag30.08.2007 11:27

von Ninchen
Antworten mit Zitat

Oh, das war super!!  lol  Hat mir ganz toll gefallen. Der Erzähler kommt sehr sympathisch rüber, weil er nicht aalglatt ist. Die Geschichte ist schön plastisch, und den Schluss fand ich klasse  smile extra

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Nina
Geschlecht:weiblichDichterin


Beiträge: 5012
Wohnort: Berlin


Beitrag30.08.2007 14:17
Re: Fatale Begegnung
von Nina
Antworten mit Zitat

Hallo Chablis,

die Geschichte gefällt mir richtig gut. Ich habe dennoch ein paar Anregungen zum Text.

Chablis hat Folgendes geschrieben:
Ich kannte sie, vergaß nie ein Gesicht. Mit Namen war das allerdings eine andere Sache. Sie steuerte in meine Richtung, hatte mich in der Menge aber noch nicht entdeckt.


Ich finde den Einstieg sehr gut. Man weiß direkt, wo man ist, und worum es geht. Prima.


Chablis hat Folgendes geschrieben:
So hatte ich noch etwas Zeit, mir das Hirn zu zermartern. Ja, ich war mir sicher, diese Frau schonmal wo gesehen zu haben. Und irgendwie spürte ich, die Begegnung war keine erfreuliche gewesen.


Das "irgendwie" finde ich nicht passend. Ich würde mir wünschen, genau eben dieses unangenehme Gefühl weiter ausgeführt und beschrieben zu haben.

Chablis hat Folgendes geschrieben:
Ich weiß nicht, ob es dem einen oder anderen von Ihnen, geneigte Leser auch so geht. Die Erinnerung ist schon fast körperlich spürbar und doch nicht zu greifen. Je krampfhafter man versucht, zu einem Gesicht einen Namen zu finden, umso aussichtsloser ist es. Hier war es ebenso.


Hier wird eine Distanz aufgebaut. Schade. Ich finde, dass die gerade in den ersten zwei Absätzen aufgebaute Spannung und Nähe zum Erzähler hier (leider) unterbrochen wird. Die Gedanken sind dennoch gut und interessant. Ich fänds schöner, wenn diese, dem Erzähler entsprechend eingebaut würde. Weißt Du, was ich meine?
Das Wort "geneigte" ... mag ich persönlich nicht. Ich bin eine Leserin, ...aber geneigte...klingt so... distanziert und ...mir fehlt das richtige Wort.

Chablis hat Folgendes geschrieben:
Sie war ca. einen Kopf kleiner als ich, blond und modisch-elegant gekleidet. Sie bewegte sich langsam und blieb immer wieder stehen, da sie die Bilder an den Wänden aufmerksam studierte. Also, sie hatte ein Auge für die Malerei, genau wie ich. Nicht umsonst war ich der Einladung zu der Ausstellung meines Freundes ohne zu zögern gefolgt. Und so stand ich hier und überlegte, wer sie um Himmels Willen denn sein könnte.


Das "also" könnte weggelassen werden. "Nicht umsonst war ich" ... hmmm. Ich habe zwar keinen Verbesserungsvorschlag an dieser Stelle, aber ich finde diese Formulierung könnte überarbeitet werden.

Chablis hat Folgendes geschrieben:
Uns trennten nur noch wenige Schritte. Sie hielt ein Sektglas in der Hand, an dem sie von Zeit zu Zeit nippte. Es war wie verhext, ich kam nicht auf ihren Namen. Was, wenn sie aber mich kannte? Was, wenn sie mich ansprach, so nach dem Motto: 'Oh, hallo Frank, Du hier? Lange nicht gesehen.' Das wäre mehr als peinlich. Was, wenn diese Frau zu einem meiner zahllosen One-Night-Stands gehörte? Ich hatte mir schon anhören müssen, dass Männer meines Kalibers die Vergangenheit immer wieder einholen würde.


Vorschlag: Ich habe mir schon öfter anhören müssen, dass ....

Chablis hat Folgendes geschrieben:
Noch hatte ich Zeit, sie mir genau zu betrachten, da sie jetzt seitlich von mir stehen geblieben war. Sie sah etwas jünger aus als ich, obwohl ich ohne Übertreibung behaupten konnte, dass ich mich gut gehalten hatte. Ich schätzte sie auf Mitte dreißig. So langsam kam in mir der Gedanke hoch, mich besser zu verdrücken. Wie schon erwähnt, verband ich aus irgend einem Grund keine guten Erinnerungen an diese Person. Nur konnte ich's mir in keinster Weise erklären.


Noch hatte ich Zeit, sie mir genauer zu betrachten, da sie jetzt direkt neben mir stehen geblieben war/stehen blieb/stand.
So langsam kam mir der Gedanke, mich besser zu verdrücken. (ohne "hoch")

Chablis hat Folgendes geschrieben:
Doch jetzt war es zu spät für Fluchtgedanken. Sie drehte sich wieder in meine Richtung, und im gleichen Moment hatte sie mich entdeckt. Sie machte einen Schritt auf mich zu, während sich ihre Miene verfinsterte. Also hatte mich mein Gefühl nicht getrogen. Da war was faul gewesen damals. Ein Wunder Punkt mehr in meinem Leben.


Für Fluchtgedanken war es nicht zu spät, sondern für Flucht an sich. "Doch jetzt war es zu spät, (um) zu flüchten". "Also hatte mich mein Gefühl nicht betrogen" (getrogen ist vermutlich ein Tippfehler hier).

Chablis hat Folgendes geschrieben:
Jetzt half alles nichts mehr, außer vielleicht die Flucht nach vorn. Ich tat es ihr gleich und setzte auch ein Bein in ihre Richtung. Und in dem Moment, wo sie den Mund aufmachen wollte, um etwas zu sagen, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Meine Ex-Frau!


[...] außer die Flucht nach vorn. (Ohne vielleicht). "Ich tat es ihr gleich und ging einen Schritt auf sie zu". "Kurz bevor sie den Mund aufmachte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen, wer sie war - meine Ex-Frau".


Die Geschichte gefällt mir wirklich gut. Die Situation kennt wohl jeder, dass man ein Gesicht sieht, was man nicht wirklich zu-bzw. einordnen kann. Die Pointe ist gelungen.

Weiter so!

LG
Schmetterling


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Liebe tut der Seele gut.
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Chablis
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 67
Beiträge: 269
Wohnort: Leipzig


Beitrag30.08.2007 14:25

von Chablis
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Vielen Dank Schmetterling für die ausführliche Kritik des Textes. Manches sollte ich wirklich besser übernehmen. Es geht mir häufig so, dass ich betriebsblind werde. Da sind Anregungen von 'außen' sehr hilfreich.

Ich werde den Text nochmal überarbeiten.

Chablis


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