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crim
Geschlecht:männlichsex, crim & rock'n'roll


Beiträge: 1578
Wohnort: München
Die lange Johanne in Gold Lezepo 2015
Pokapro und Lezepo 2014 Pokapro VII & Lezepo V



Beitrag14.07.2011 11:17

von crim
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Urban Fantasy.
Keine Ahnung, ob das so heißt, hab das glaube ich hier im Forum, als Begriff so aufgeschnappt.

Ich bin im Übrigen weniger ermüdet, als ein wenig gehetzt. Die Verfolgungsjagd würde m.E.n. noch ne bessere Wirkung erzielen, wenn man sie in eher langsamen Passagen einbettet. Ja, ich glaube da ist mein Knackpunkt gewesen heute morgen, ich habs jetzt allerdings nicht zweimal gelesen, da kann ein Eindruck schonmal verschwimmen.
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Maria
Geschlecht:weiblichEvolutionsbremse

Alter: 52
Beiträge: 5998

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Beitrag14.07.2011 12:47

von Maria
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Moin,
gelesen hab ich den zweiten Teil noch nicht, aber ich war so frei den Button "neue Version" zu aktivieren wink
Wenns weiter geht, dann klick doch "Fortsetzung" an, dann überspringt ein interessierter Leser die Diskussionen und bleibt nur bei Deinem Text.

Ich les die Tage auch noch weiter ...


_________________
Give me sweet lies, and keep your bitter truths.
Tyrion Lannister
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Fao
wie Vendetta

Alter: 33
Beiträge: 1994



Beitrag14.07.2011 12:58

von Fao
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Hi Taugenichts,

Hab noch nicht zu Ende gelesen - wird noch getan.
Die Sprache mag ich, den Anfang fand ich klasse, wollt eigentlich nur mal überfliegen, hat mich dann aber doch festgehalten.

Für mich funktionieren aber die Übergänge nicht.
Sind mir zu aprubt, hart, da hat das eine im ersten Moment nichts mit dem anderen zu tun.

Z.B.

Zitat:
Noch gefangen im Zwielicht eines fragilen Selbstbewusstseins, wie frisch gebranntes Glas, am Rand ausgehärtet, aber innen noch zart und formbar.
Alle wollten hingehen. Zumindest die in meiner Klasse, die sich nicht im Abseits sozialer Hackordnungen eingnistet hatten.
Disco. Indi-Rock. Mich hatte die etwas dickliche Jana gefragt, aber das machte mir nichts. Ich mochte sie, auch wenn es nicht die selbe Art von Mögen war, die sie mir zweifelsohne entgegenbrachte.
Draussen eine lange Schlange. Das Gefühl zwischen wunderschönen, unsterblichen Elfen und griechischen Helden zu stehen. Unwichtig, aber immerhin mit dabei.


Haut mich irgendwie erstmal raus. Dann lieber Absatz u. umstellen "Disco. Indi-Rock. Alle wollten hingehen", wäre für mich sinnvoller.


Gruß,
Fao


_________________
Begrüßt gerechte Kritik. Ihr erkennt sie leicht. Sie bestätigt euch in einem Zweifel, der an euch nagt. Von Kritik, die euer Gewissen nicht anerkennt, lasst euch nicht rühren.
Auguste Rodin - Die Kunst.
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Gast







Beitrag14.07.2011 22:11

von Gast
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Hallo Taugenichts,

Ich bekomme bei der Lektüre Kammerflimmern und mußte daher fast vorzeitig abbrechen. Es gibt keine Tempowechsel, die vielen Sätze mit einem Wort wirken anfänglich noch beschleunigend, dann aber bald ermüdend.
Mich stören die vielen Fremdwörter, die ich wohl verstehe, die aber auf mich seltsam unmotiviert wirken - es gibt oft genauso gute deutsche Entsprechungen oder Umschreibungen.

Zur Metaphorik  fällt mir Milan Kundera ein, vielleicht kennst du den:
Mit Metaphern spielt man nicht. Die Liebe kann aus einer einzigen Metapher geborenen werden
Ich finde deine Metaphorik oft sehr bemüht, sie wirkt einfach übertrieben auf mich, nicht dem Thema angemessen:  too much.

Wenn ich deinen Text richtig verstanden habe geht es doch vor allem um eine Art Liebe oder Bessessenheit ?  Dieser (vermutete) Hauptstrang verliert sich aber ziemlich in den vielen reflektiven Seitensträngen - bis zur Unkenntlichkeit.

Sorry, nicht mein Ding, aber ich bin wahrscheinlich auch nicht deine Zielgruppe.

LG
Dlurie
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Taugenichts
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 38
Beiträge: 1201



Beitrag17.07.2011 01:26

von Taugenichts
Antworten mit Zitat

Zitat:
Hallo Taugenichts,

Ich bekomme bei der Lektüre Kammerflimmern und mußte daher fast vorzeitig abbrechen. Es gibt keine Tempowechsel, die vielen Sätze mit einem Wort wirken anfänglich noch beschleunigend, dann aber bald ermüdend.
Mich stören die vielen Fremdwörter, die ich wohl verstehe, die aber auf mich seltsam unmotiviert wirken - es gibt oft genauso gute deutsche Entsprechungen oder Umschreibungen.

Zur Metaphorik  fällt mir Milan Kundera ein, vielleicht kennst du den:
Mit Metaphern spielt man nicht. Die Liebe kann aus einer einzigen Metapher geborenen werden
Ich finde deine Metaphorik oft sehr bemüht, sie wirkt einfach übertrieben auf mich, nicht dem Thema angemessen:  too much.

Wenn ich deinen Text richtig verstanden habe geht es doch vor allem um eine Art Liebe oder Bessessenheit ?  Dieser (vermutete) Hauptstrang verliert sich aber ziemlich in den vielen reflektiven Seitensträngen - bis zur Unkenntlichkeit.

Sorry, nicht mein Ding, aber ich bin wahrscheinlich auch nicht deine Zielgruppe.

LG
Dlurie



Puhhh, harsche Kritik! Sehr schön!

Hättest du nicht auch eine Handvoll Konstruktivität dabei? Wie könnte denn für dich eine passende Entschläunigung aussehen? Wo war der Punkt, an dem deine Spannung in Genervtheit kippte? Dir wars zu schnell, schön, dann gib mir doch was, womit ich das verändern kann! smile

Die Fremdwörter. Da mag ich dir nicht zustimmen. Bemüht sind sie nicht, sollten sie in deinen Augen unstimmig sein, dann nenn sie mir bitte und ich denke nochmal über sie nach. Ich habe von natur aus einen sehr blumigen Stil, kann wenig dagegen machen und da vielen gerade das gefällt, denke ich auch, dass ich das nicht ganz ändern sollte!

Ich habe mich über deine, wenn auch sehr ungenaue, Kritik gefreut, da sie mal wieder wirklch kritisch war, einzig an dem doch sehr destruktiven innuendo von "aber ich bin wahrscheinlich auch nicht deine Zielgruppe" störe ich mich. Wieso solltest du nicht meine Zielgruppe sein?


@Maria
Danke. Wusste nicht, wie das geht!
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Gast







Beitrag17.07.2011 19:15

von Gast
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Hallo Taugenichts

dann will ich mal versuchen, meinen Eindruck am Text festzumachen.

Fangen wir mit dem Einfachsten an:

Die Fremdwörter  
fragiles Selbstbewußtsein warum nicht zerbrechlich
adulter Glanz warum nicht  Glanz der Erwachsenheit
persistaltische Leiber : das mußte ich googlen , Peristaltik, ein Begriff aus der Medizin bezeichnet nach Wicki die Muskeltätigkeit verschiedener Hohlorgane. Ich sehe da den Zusammenhang zu den Verzerrungen durch das Stroboskop nicht.
filligraner, warmer Sommerregen: ich glaube filigran schreibt sich mit einem l
Warscheinlich projeziere ich aber nur mich selbst auf sie. Warum nicht: wahrscheinlich schließe ich nur von mir auf andere.  
nicht domestizierte Wildkatzen : sind Wildkatzen nicht immer nicht domestiziert?
kurze Dislokation: wenn ich dich recht verstehe, meinst du einen Ortswechsel ?
Mein Herz hört nicht auf seinem eigenen diastolen Schatten nachzurennen. Wieder ein Fachbegriff aus der Medizin und ich bin nicht sicher ob das Adjeltiv nicht diastolisch heissen muss

Entschleunigung:
Du verwendest sehr häufig das Stilmittel der unvollständigen Sätze (ohne Verb oder Subjekt), m.E. zu häufig. Dadurch kommt eine ziemliche Unruhe in den Text, wie ich vermute..  
Einige Beispiele:
Die zwei Türsteher. Nacht. Strassenlaternenlichter. Parkende Autos, kein Verkehr.

Diese eine Erfahrung. Dieses Mädchen.

Jetzt studiere ich Medizin. Seit zwei Semestern. Akzeptable Noten.

Langsam schüttele ich die Erinnerungen ab. Wiedergeboren im Alltag. Tragisch.

Elf Uhr. Nachher habe ich noch eine Immunologie Vorlesung.Nachmittag und Abend frei.


Metaphorik:
Das ist natürlich immer auch Geschmacksache. Auf mich wirken die Bilder manchmal etwas weit hergeholt, sie stehen in einem Mißverhältnis zum Anlaß. Sie sind für meinen Geschmack zu dramatisch.
Einige Beispiele:  
Das Gefühl zwischen wunderschönen, unsterblichen Elfen und griechischen Helden zu stehen

Ich umarmte sie sogar. Wurde von einer Träne gebrandmarkt.
Auf meinem weißen Hemd kam sie mir wie ein Mahnmal vor.

Überall Matsch, Erde, Schatten, die Wolke eines monströsen Kalmars.Ich wische mir das irdene Gekröse aus den Augen. Mein linkes Knie aufgerissen, rote Blumen auf weissem Porzellan.

Dann gibt es aber auch wieder sehr treffende Bilder.


Und abschliessend ein Absatz, der verdeutlichen soll, warum ich Probleme hatte zu folgen.

Ich kenne nicht einmal ihren Namen.   
Thema das Mädchen Draussen brennt jetzt die Sonne, doch in der Wohung ist es angenehm kühl. Zwei Zimmer, viel zu viel Platz.
Thema:  Das Wetter und die Verhältnisse im Zimmer.
Aber mein Vater bezahlt dafür, wollte nicht, dass ich mir eine ein Zimmer Wohnung nehme. Falls mal ein Mädchen mitkommt. Oder bleibt und bei diesem Zusatz zwinkerte er anzüglich. Ich kann meinen Vater nicht leiden, auch wenn er mich nie schlecht behandelt hat. Das nicht, aber ernstgenommen hat er mich auch nie.
Thema: Der Vater, der sich um das Sexualleben seines Sohnes Sorgen macht und eine Zweizimmerwohnung finanziert und das schlechte Verhältnis des Protas zu seinem Vater
Die Sonne draussen wird absorbiert, gibt Wärme ab, produziert Farben.
Leben entsteht, Zelle für Zelle. Früher war ich von all diesen Dingen begeistert.
Thema: Reflexion über die Entsehung des Lebens und die frühere Begeisterung des Protas dafür.   
Fanatismus. Man sollte nie unterschätzen, welche Kraft ein Verstand entwickeln kann, der sich nur auf eine einzige Sache konzentriert. Und ich sollte nicht unterschätzen, wie gehemmt ein Verstand durch eben dieses Phänomen sein kann.
Thema: Reflexion über den Fanatismus.

Dieser assoziative Stil verwirrt mich. Du legst eine Fährte in eine bestimmte Richtung und wechselst dann gleich wieder den Kurs.
Ich kann das nicht besser beschreiben, ich hoffe, du kannst etwas damit anfangen.

Meine Anmerkung zur Zielgruppe bezog sich lediglich auf mein fortgeschrittenes Alter. Ich denke der Text wendet sich eher an
jüngere Leser -oder ?

Lieben Gruß
Dlurie
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Nicki
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Beiträge: 3611
Wohnort: Mönchengladbach
Ei 10


Beitrag17.07.2011 23:15

von Nicki
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Hallo,
ich glaube nicht, dass die Geschichte zu schnell daher kommt. Sicher, sie ist schnell, soll ja auch Spannung und ein gewisses "atemloses Gefühl vermitteln. So lange der Leser das Tempo mithält, ist doch alles OK.
Ich überfliege oft langatmige Beschreibungen in Romanen und suche mir  die Stelle, wo es mit der eigentlichen Handlung weitergeht, ich bin ein ungeduldiger Leser. Insofern kommt mir eine temporeiche Geschichte sehr entgegen.
Auch wenn ich schon im fortgeschrittenen Alter bin.
Mit den Fremdwörtern kann man ebenfalls zweigeteilter Meinung sein. Gut, einige sind nicht unbedingt notwendig, aber manche passen zum Lesefluss besser. Adulter Glanz klingt für mich wesentlich passender als die deutsche Umschreibung.
die " nicht domestizierte Wildkatzen " sollte man sinnvoll ersetzen.
Bin mal gespannt, wie es weitergeht!
MfG
Nicki
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Taugenichts
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Beitrag17.07.2011 23:56

von Taugenichts
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@DLurie
Erstmal vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast genauer zu werden! Danke!
Ich weiss schon, warum ich gerne Rezensenten habe, die dem Text von Beginn an kritisch gegenüberstehen. Sie sehen einfach mehr Schwachpunkte, da sie nicht vom grundsätzlichen Gefallen geblendet werden.

Ich stimme dir in vielen Punkten zu:

Die Fremdwörter. Zum einen ist das mein persönlicher Stil... ich bin ein Wortfetischist, zum anderen fand ich die medizinischen Bilder hier passend... er stzudiert ja Medizin und hält sich offensichtlich für ziemlich schlau (stimmt natürlich nicht).
peristaltische leiber... krummes bild, wird geändert.
projeziere mich... zu umständlich, deine version wird übernommen.
wildkatzen, stimmt, wird übernommen.
dislokation... soll hier im medizinischen sinn sein, also eine verschiebung, ausrenkung eines einzelteiles... z.b eines knochens aus dem übrigen skelett. das würde ich eig. gern behalten.

Entschleunigung:
ich denke, ich werde an ein paar stellen etwas auflockern... manchen gefällt mein parataktischer stil, aber ich möchte damit auf einer ebene bleiben die möglichst algemeinverträglich ist.

mit den metaphern die du nennst muss ich mich noch mal ausführlicher beschäftigen... ich hänge so an ihnen.

zuletzt: nein, ich richte mich nicht an jüngere menschen, im Gegenteil. Falls du Lust hast den nächsten Part auch zu lesen... da dürfte deutlicher werden, dass der Text wesentlich abgründiger und erwachsener ist lol2

@Nicki
Dieses atemlose Gefühl ist genau das, was ich erreichen wollte!
Schön aber auch im Kontrast zu hören, das für andere der Stil funktioniert... der nächste Teil wird morgen überarbeitet sein... da kommen ein paar interesante Aspekte, denke ich. Würde mich freuen, wenn du weiterhin deine Meinung mit mir teilen magst lol2
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Taugenichts
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 38
Beiträge: 1201



Beitrag18.07.2011 01:14

von Taugenichts
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1.Seki





Ihre Ohren.
Alles begann mit ihren Ohren.
Ich war damals noch jung. Ein verunsicherter Gymnasiast, zwölfte Klasse. Im Rinnstein einer späten Pubertät. Angeschwemmt, ziellos und doch schon an der Grenze zum Mann. Noch gefangen im Zwielicht eines fragilen Selbstbewusstseins, wie frisch gebranntes Glas, am Rand ausgehärtet, aber innen noch zart und formbar.
Alle wollten hingehen. Zumindest die in meiner Klasse, die sich nicht im Abseits sozialer Hackordnungen eingnistet hatten.
Disco. Indi-Rock. Mich hatte die etwas dickliche Jana gefragt, aber das machte mir nichts. Ich mochte sie, auch wenn es nicht die selbe Art von Mögen war, die sie mir zweifelsohne entgegenbrachte.
Draussen eine lange Schlange. Das Gefühl zwischen wunderschönen, unsterblichen Elfen und griechischen Helden zu stehen. Unwichtig, aber immerhin mit dabei.
Alle mussten ihre Ausweise zeigen, nur mir wurde Ritterschlag des unkontrollierten Einlasses verliehen. Ein paar der Jungs scherzten, versuchten etwas von dem adulten Glanz zu stehlen, der mich vor unseren weiblichen Begleiterinnen nun umflorte.
Drinnen war ich wie erschlagen. Die Lautstärke. Rauch. Damals wurde noch überall geraucht. Stroboskoplichter machten jede Bewegung zu einem Abenteuer.
Ich holte mir ein Bier in der Flasche, nicht im Glas. Das mache ich auch heute noch so.
Aber unsere Begegnung sollte noch ein wenig dauern. Erst musste ich mich noch durch alberne Tanzversuche quälen, den Annäherungsversuch der dicklichen Jana möglichst liebevoll abwehren.
Ich mag dich auch. Aber irgendwie nicht so richtig Liebe. Vielleicht kommt das ja noch. Klar, vielleicht treffen wir uns mal. Ich mag dich ja auch.
Ich umarmte sie sogar. Wurde von einer Träne gebrandmarkt.
Auf meinem weißen Hemd kam sie mir wie ein Mahnmal vor.
Seht her! Ich bin ein Herzensbrecher!
Das gefiel mir nicht. Im Bad machte ich mir noch ein paar Spritzer Wasser wohlverteilt auf das Hemd, damit es nach überschäumendem Bier aussah.
Dann stand ich eine ganze Weile nur da und sah den Strobo-Schnappschüssen der konvulsierenden Leiber zu.
Ich rauchte eine nach der Anderen. Meine eigen Packung Gauloise, das musste schon sein. Ich wollte keiner von denen sein, die immer nur andere fragen, ob sie etwas zu qualmen dabeihaben.
Und als ich sie dann traf, war nicht ich es, der sie ansprach.
Sie tauchte einfach vor mir auf, griff sich mein ganzes Gesichtsfeld mit ihrem kleinen, blonden Kopf. Kurzhaarschnitt, heute würde ich Pixie dazu sagen.
Eine feingeschnittene Nase, spitz, fröhliche Augen.
Wenn sie lächelte schob sich ihre Oberlippe ein wenig zu weit nach oben, so dass man eine Menge Zahnfleisch sah.
Makel laut Schönheitsideal.
Wahre Schönheit, wenn es nach mir geht.
„Hey!“, schrie sie fröhlich.
Das erste Adjektiv, dass sie in meinem Hirn okkupierte. Fröhlich. Überbordend.
„Hey! Du siehst lustig aus.“
Das verunsicherte mich, wischte mein ganzes Selbstbild beiseite. Lustig? Es sah lustig aus, wie ich verloren und bereits leicht angetrunken dastand, Zigaretten rauchte und krampfhaft versuche erwachsen auszusehen.
„Du siehst auch lustig aus,“ antworte ich hölzern. Sie lachte.
„Magst du mir auch eine Zigarette geben?“
Hat jemals ein Jugendlicher eine solche Frage aus dem Mund eines hübschen Mädchens abgelehnt?
„Klar.“ Ich wollte sie ihr reichen, aber sie wehrte ab.
„Doch nicht hier! Ich will doch deine Stimme hören, während wir uns unterhalten.“
Ob man mir meine Unsicherheit angesehen hat?
Gefiel ihr gerade das?
Vor dem Club stellten wir uns ein wenig abseits. Andere Lärmflüchtlinge, die unausweichlichen Kotzenden, gestützt von verliebten Mädchen, gutmütigen Jungen.
Die zwei Türsteher.
Nacht. Strassenlaternenlichter. Parkende Autos, kein Verkehr.
„Kann ich jetzt die Zigarette haben?“
Sie lächelte, zeigte Zahnfleisch.
Ob man den Moment, ab dem man tatsächlich verliebt ist erspüren kann? Oder ist es wie mit dem Einschlafen, bei dem man sich als Kind jeden Abend vornimmt: heute Abend achte ich darauf, wann ich einschlafe und- im nächsten Moment aufwacht.
Wach auf. Du bist verliebt.
„Klar doch,“ sagte ich und streckte ihr die Gauloise hin.
Dann sah ich es.
Ihre Ohren.
Man bemerkte es nur, wenn man sich direkt darauf konzentrierte.
Sie waren zu spitz.
Ich schaute noch genauer hin, versuchte dabei unauffällig zu bleiben und sah ein Büschel rötlicher, gerader Haare, die ganz oben auf der Spitze saßen. So geschickt zwischen den kurzen, blonden Kopfhaaren verborgen, dass man sich, sobald man sie sah, schon wieder unsicher wurde, ob es nicht nur ein Lichtreflex gewesen war.

Draussen perlt ein filligraner, warmer Sommerregen vom Himmel. Spielt Xylophon auf den Blättern.
Ich bin jetzt 26. Ein Alter, dass ich mir damals nie hätte vorstellen können.
Aber mit 17 konnte ich mir auch wirklich herzlich wenig vorstellen.
Nach dem Abitur studierte ich erst Philosophie, dann Psychologie, brach aber beides nach wenigen Semestern ab. Ein ruheloser Geist zwischen zielsicheren Intellekten.
Nie konnte ich etwas meine ganze Aufmerksamkeit widmen. Immer entzog sich mir ein Teil meines Bewusstseins, klammerte sich unnachgiebig an eine Erfahrung.
Diese eine Erfahrung.
Dieses Mädchen.
Jetzt studiere ich Medizin. Seit zwei Semestern. Akzeptable Noten.
Mit Kommilitonen will ich nichts zu tun haben, auch wenn sie mich gerade wegen meiner offenen Ablehnung immer wieder ansprechen.
Negative Ladung, in einem Meer positiv geladener Teilchen.
Natürlich habe ich einige, wenige Freunde. Partnerarbeit im Labor, ein gemeinsames Referat. Ich weiss, dass es viele schöne und wertvolle Menschen gibt. Ich kann mich nur einfach nicht auf sie konzentrieren.
Elf Uhr.
Nachher habe ich noch eine Immunologie Vorlesung.
Nachmittag und Abend frei.
Ich studiere nicht nur, weil mich Medizin interessiert, eigentlich interessiert mich alles, was man studieren kann. Es lässt mir auch genug Zeit zum Suchen.
Nach ihr zu suchen. Oder zumindest nach irgendetwas, dass mit ihr zu tun hat.
Vor einem Jahr fand ich ein Mädchen, dass Ohren wie sie hatte. Zwar verbargen lange, blonde Haare die Form ihrer Ohren, aber ein rötlicher Schimmer war unverkennbar, wenn man darauf achtete.
Doch alles was sie mir sagen wollte, war der Name eines Clubs.
Der Name war Ate.
Ich kann die Nächte schon nicht mehr zählen, die ich dort im Abseits wartete. Menschen beobachtete. Ein einsamer Leuchtturm in der fleischlichen Brandung.
Dienstags läuft Indie-Rock.
Heute ist Dienstag.
Langsam schüttele ich die Erinnerungen ab. Wiedergeboren im Alltag. Tragisch.
Ich wärme mir das Mittagessen auf. Immer koche ich zuviel.
Glasnudelsalat. Frischer Koriander, Frühlingszwiebeln.
Danach gehe ich schnell den Stoff der Vorlesung am Computer durch.
Die Skripte stehen eh online. Manchmal glaube ich meine Mitstudenten gehen nur zu den Vorlesungen, weil sie sonst nirgendwohin können.
Wahrscheinlich schließe ich nur von mir auf andere.
Die U-Bahn läuft über vor Menschen. Der Hörsaal läuft über vor Studenten.
Der Professor arbeitet seine Powerpoint-Präsentation ab. Wort für Wort.
Ich durchkämme den Saal nach ihren Ohren. Finde nichts.
Draussen fragt mich ein bekanntes Gesicht, ob ich mit in die Mensa kommen will.
Ich habe schon gegessen. Ja, beim nächsten mal.
Wieder zu Hause bügele ich meine Hemden. Ein weißes Hemd für den Club. Eine Packung Gauloise in meiner Jeanstasche, obwohl ich mir meine Zigaretten mittlerweile eigentlich drehe.
Eines der Konzepte, wegen denen ich damals Psychologie studierte war der Fanatismus.
Wie entsteht er? Wie entwickelt er sich?
Aber nichts genügte mir. Überall lauerte Halbwissen, überholte Fachbücher. Ein Wald aus abgestorbenen Worten, vergilbten Büchern und verworfenen Trampelpfaden.
Mir gefiel immer das Konzept von Spiegelneuronen. Ich fühle, was du fühlst.
Dann lernte ich, dass es ein veraltetes, aus marketing Gründen aufgebauschtes Konzept ist, dass nichts von dem beweist, dass manchmal im Fernsehen behauptete wird.
Die entsprechenden Experimente wurden an Affen durchgeführt. Schwerpunkt auf der Motorik. Nach einem Glas greifen, war der Modellversuch. Nichts mit Emotionen.
Ich lerne noch ein wenig, dann ist es fast neun Uhr abends. Ich mache meine täglichen Liegestützen. Drei Mal vierzig. Dusche kurz.
Um zehn sammle ich mein Rüstzeug zusammen. Schlüssel, Portmonee, Handy, Gauloise.
Ich schaue mich im Spiegel an.
Dürr, halblange, braune Haare. Eine lange, gerade Nase und große, grüne Augen.
Das weiße Hemd faltenfrei. Sneaker.
Ich versuche meinen Bartwuchs im Zaum zu halten, aber so glatt wir bei meinem siebzehnjährigen Ich sind meine Wangen dann doch nicht mehr.
Bitte sei da. Bitte.
Ich ziehe die Haustür vorsichtig ins Schloss, stehe ein paar Sekunden im Dunkeln, bevor ich das Flurlicht aufwecke.
Die Katzenfrau im zweiten Stock reisst wie immer die Tür panisch ins Schloß. Wie oft habe ich mich gefragt, wer sie wohl ist.
Nie bekommt man sie zu Gesicht, nur ihre Katzen streunen jede Nacht durchs Treppenhaus, wagen sich in den Innenhof vor, schrecken vor mir zurück wie Wildkatzen.
Draussen ist die Nacht.
Herzklopfen wie ein archaischer Jäger auf Beutezug.
Die Ampeln wie einfallslose Dirigenten.
Ato.
Heute Nacht?

Mitlerweile kennen sie mich im Ato, ich darf vordrängeln, was mir wie immer ungewollte Aufmerksamkeit einbringt.
Drinnen hole ich mir erstmal ein Bier. In der Flasche, nicht im Glas.
Das Durchschnittsalter von 22 stempelt mich bereits als Anachronismus ab, aber ohne Bart sieht man mir mein Alter nicht an.
Soziologische Studien.
Ein etwas dicker Junge, mit einem zu hübschen Mädchen. Ihr sieht man den bedeutungslosen Spass an, ihm das sehnsüchtige Glitzern in den Augen.
Eine Gruppe Mädchen, die Verehrern ausweicht wie ein Fischschwarm. Kurze Dislokation, dann die Rückkehr in die Ausgangsformation. Ein paar sehr großgewachsene Jungen, selbstbewusst. Aber nur zwei sehen gut genug aus, um heute wirklich nicht alleine nach Hause zu gehen.
Ein einsames Mädchen mittendrin, dass meine Aufmerksamkeit gefangen nimmt, doch ihre Ohren sind ganz gewöhnlich.
Ich gehe zu den Toiletten und dann steht die Zeit still.
Alles zieht Schlieren, ihre Bewegungen, meine Gedanken, Schritt-Schritt-Schritt- Gasexplosion in einer Schneekugel, ein kurzer, roter Schimmer.
Sie ist klein, schwarze, wallende Haare.
Ich schwimme durch langsam aushärtende Gallerte, berühre sie gerade noch an der Schulter. Ihr taxierender Blick wie eine Guillotine.
„Lass mal. Bin nicht in der Stimmung für Anmachsprüche.“
Bevor ich begreife tastet sich meine Hand zu ihrem rechten Ohr herauf und schiebt eine Liane schwarzer Seide beiseite. Zu spitz und ein rötliches Flimmern, dass sich mit den anderen Haaren vermischt.
Ihre Pupillen weiten sich, dann hat sie sich bereits in den Irrgarten der Leiber davongestohlen. Ich drücke mich ihr nach. Ein wenig panisch. Euphorisch vielleicht.
Ich sehe ihre Haare zum Ausgang schweben, aufblitzen, zwischen Licht und Körperlichkeit.
Türsteher, Nachtluft, es nieselt.
Ihre Schultern wippen monoton die Strasse hinab. Ich renne ihr nach. Die aufgestaute Sehnsucht von Jahren ist schwer abzuschütteln.
Sie rennt links, rechts, geradeaus, links. Der Abstand zwischen uns schmilzt, wird vom Regen fortgetragen.
Sie fühlt es.
Sie hört mich.
Bricht nach links aus, durch eine Wand? Nein! Ein Zaun aus regenfeucht glänzenden Brettern, Graffities, eine Lücke.
Ich zwänge mich hindurch, zolle einen halben Ärmel weissen Stoff als Tribut.
Sie ist nur ein paar Meter weit weg, dann stürze ich.
Überall Matsch, Erde, Schatten, die Wolke eines monströsen Kalmars.
Ich wische mir das irdene Gekröse aus den Augen. Mein linkes Knie aufgerissen, rote Blumen auf weissem Porzellan.
In Filmen sind Verfolgungsjagden immer so eine wahnsinnig heroische Angelegenheit. Von wegen. Ich sprinte wieder vorwärts. Gleich.
Sie versucht vergebens die hölzerne Kasbah auf der anderen Seite zu erklimmen.
Ich kriege ihren Rock in die Finger, reisse daran.
Dann klatscht auch sie in den Schlamm.
Ihre Augen starren mich bedrohlich zwischen den schwarzen Blitzen ihrer Haare an.
„Was zur Hölle willst du?“ kreischt sie.
Ich bin völlig ausser Atem. Kann vor lauter Gasaustausch nicht mehr sprechen. Ein paar Sekunden. Dann versuche ich pfeifend meine Stimme zu erheben.
„Ruhig, bitte. Ich bin nicht böse.“
Sie bertrachtet mich finster, ihre Augen huschen über die Umgebung wie flinke, kleine Tiere, auf der Suche nach einem Schlupfloch.
„Versuch nicht wegzulaufen. Ich habe nur eine Frage.“
„Warum sollte ich dir antworten! Mein Kleid ist völlig hinüber!“
Dann verliere auch ich vor Erschöpfung meine Fassung und brülle sie an:
„Du bist doch weggelaufen!“
„Ein Typ tatscht mich an, natürlich mach ich mich da aus dem Staub!“
„Verkauf mich nicht für dumm,“ keuche ich, „Hättest du bloß vor einem Perversen beschützt werden wollen, hättest du auch die Türsteher anquatschen können. Dich hat gestört, dass ich deine Ohren sehen wollte!“
Dann wird sie bleich. Flimmert?
„Was willst du?“
Mir ist schwindelig, aber ich stemme mich mit aller Macht gegen diese Achterbahn.
„Vor ein paar Jahren war da dieses Mädchen. Ohren wie du. Und. Ich muss sie unbedingt finden.“
Sie schaut mich unschlüssig an. Langsam verliert sich das Warnsignal der Furcht in ihren Augen, macht Platz für eine gewisse Strenge. Ich konzentriere mich auf die Forderung in meinen Augen, gebe keinen emotionalen Meter nach.
Ihre Augen flackern.
„Vergiss sie.“
Spüre ich da Mitleid in ihrer Stimme?
Ich bleibe hart, versuche so bedrohlich wie möglich auzusehen bei meinem nächsten verbalen Schlag. Wie oft habe ich ein solches Gespräch geübt?
„Verarsch micht nicht. Ich lass dich hier nicht weg, bevor du mir nicht gesagt hast, was ich wissen will.“ Ein Schritt vorwärts, näher zu diesem befleckten Engel.
Dann passiert etwas unerwartetes, ein roter Blitz, sie scheint zu schrumpfen, entgleitet mir. Wellen. Wieder reagiere ich, bevor ich nachdenken kann, trete in das Zentrum des spiralisierenden Mahlstroms. Die Hände in den Bauch gepresst liegt dieses verletzliche Bündel Weiblichkeit vor mir im Dreck.
Plötzlich kann ich Angst und Zweifel nicht mehr einsperren.
Was ist aus mir geworden? Ein kleines Mädchen in den Bauch treten? Ich?
Da treffen ihre gehetzten Augen meine, schmilzen, verschieben sich.
Ein Strich, plötzlich mitten durch die Luft gezogen. Rötlich.
Ich spüre nichts, ausser einer plötzlichen Feuchte, bevor ich neue, rote Blüten auf meinem Hemd aufgehen sehe. Meine linke Brustwarze sieht sich plötzlich mit der kalten Nachtluft konfrontiert, spannt sich an, eruptiert dabei neuerliches Blut. Meine Brust weint.
Die Beute, plötzlich in Form des Jägers, hat sich in eine Ecke der Baustelle verkrochen. Zwei Scheinwerfer in der Dunkelheit. Ein Lächeln darunter?
„Ich kann dir nicht helfen, Ich darf nicht. Aber du könntest nach Volksfesten Ausschauh halten. Schöneweide vielleicht?“
Und mit ihrem letzten Wort verschwimmt sie zu rotem Nebel. Zieht einen kleinen, rötlichen, schwindenden Kometenscheif hinter sich her, bis sie gänzlich mit der schwarzen Nacht verschmilzt. Fort.
Geschlagen schleppe ich mich den Weg zurück, durch den Zaun.
Im Ubahnhof ernte ich schockierte Blicke. Das Hemd nur noch ein blutiger Fetzen, zerzauste Haare. Warscheinlich ein gehetzter, unsteter Blick, noch die Trommeln der Jagd in den Augen. Ein Tier.
Im Wagon setzt sich niemand zu mir.
Meine Hände zittern. Sind das meine Hände? Diese in Erde, Dreck und Blut gehüllten Krallen? Archaische Werkzeuge.
Ich muss mich beruhigen, kaufe im Spätkauf noch zwei Bier.
„Ich hoffe du hast ihm auch ein paar verpasst,“ sagt der Verkäufer jovial.
„Klar. Ich habe gewonnen. Fast.“
Er lacht.
Die Luft draussen ist geklärt vom Regen.
Mein Herz hört nicht auf seinem eigenen diastolischen Schatten nachzurennen.
Zu Hause dusche ich. Trinke Bier unter dem Unwetter aus der Wasserleitung.
Schöneweide, hat sie gesagt.
Eine Spur. Immerhin eine Spur.

Mittwoch. Ich wache um acht Uhr morgens auf. Liegestützen, drei Mal vierzig.
Ich frühstücke eine kleine Portion Müsli, eine Apfel.
Heute steht nur eine Neurologie Vorlesung auf dem Plan.
Ich gehe den letzten Abend durch, immer und immer wieder. Das Gespräch, ab welchem Punkt habe ich die Kontrolle verloren?
Hätte ich brutaler sein müssen? War ich zu brutal? Ich analysiere jede Empfindung von mir, versuche mir die Empfindungen des Mädchen vorzustellen.
Ich kenne nicht einmal ihren Namen.
Draussen brennt jetzt die Sonne, doch in der Wohung ist es angenehm kühl.
Zwei Zimmer, viel zu viel Platz.
Aber mein Vater bezahlt dafür, wollte nicht, dass ich mir eine ein Zimmer Wohnung nehme. Falls mal ein Mädchen mitkommt. Oder bleibt und bei diesem Zusatz zwinkerte er anzüglich.
Ich kann meinen Vater nicht leiden, auch wenn er mich nie schlecht behandelt hat. Das nicht, aber ernstgenommen hat er mich auch nie.
Die Sonne draussen wird absorbiert, gibt Wärme ab, produziert Farben.
Leben entsteht, Zelle für Zelle.
Früher war ich von all diesen Dingen begeistert.
Fanatismus. Man sollte nie unterschätzen, welche Kraft ein Verstand entwickeln kann, der sich nur auf eine einzige Sache konzentriert.
Und ich sollte nicht unterschätzen, wie gehemmt ein Verstand durch eben dieses Phänomen sein kann.
Um 14 Uhr ist die Vorlesung. Ich gehe das Skript durch. Mittagessen verschiebe ich auf den Abend.
Im Internet schaue ich mir das Volksfest Schöneweide an.
Gewöhnlich. Achterbahnen, Riesenrad, Jahrmarkts Kulinarik. Besonders wird mit einer Geisterbahn geworben: „Die Hölle, wie man sie auf der Erde nirgendwo realistischer erleben kann.“
Dann ist es ein Uhr.
Die Haustür schnappt hinter mir zu.
Ich lese, irgendein Buch, von dem irgendein Kommilitone meinte, ich müsses es gelesen haben. Joseph Conrad. Gefällt mir nicht.
Dann sitze ich wieder in einem überfüllten Saal. Ameisenkolonie.
Wie immer. Drei Wörter: Wort für Wort.
Dann gibt es mal etwas Neues:
„So, wir haben ja schon Juni, die Klausuren sind nicht mehr allzuweit entfernt. Fragerunde. Wenn sie die Antwort wissen, dann rufen sie sie einfach rein.“
Die ersten Fragen sind albern. Stoff, den wir gerade heute durchgenommen haben.
Dann kommt endlich etwas interessantes.
„Welcher Mechanismus wird aktuell am wenigsten mit der Pathophysiologie des
Morbus Alzheimer assoziiert?“
Niemand meldet sich.
Ich warte noch ein paar Sekunden, dann rufe ich-
und gleichzeitig ruft noch jemand anderes. Unsere Antworten überlagern sich, changieren, auf die Nanosekunde genau. Ein perfektes Duett:
„Alpha-Synuklein Mutationen.“
Ich schaue in Richtung der anderen Stimme.
Ein großer, gutaussehender Blondschopf. Muskulös, modische kurzhaar Frisur. Perfekte Kleidung. Ein Unterwäschemodel, etwa in meinem Alter.
Dann sieht auch er in meine Richtung.
Rotes Flimmern, kurz über den Ohren.
Mit den übrigen Haaren zu einem gordischen Knoten verwoben.
Ein Mann? Ein Mann mit diesen Ohren?
Ich fange an zu schwitzen, schaue weg.
Starre so konzentriert auf die Tafel, als wollte ich sie mit meinen Gedanken in die Luft sprengen. Noch lange fühle ich seinen forschenden Blick auf mir.
Ich starre, wie ein in Stein gemeißelter Scheinwerfer. Beinahe beginnt die Tafel am Punkt meiner Fokussierung zu schmilzen.
Dann sieht er endlich weg.
Wer bist du?

Noch völlig in Gedanken treibe ich vowärts aus dem Vorlesungssaal.
Von links fragt mich jemand: „Willst du mit in die-„
„Nein, heute nicht, ich hab schon gegessen,“ spule ich routiniert ab.
„Dann vielleicht ein bisschen draussen auf die Wiese setzen?“
Ich will die Stimme erneut unterbrechen, da bemerke ich, dass es der blonde Kerl aus der Vorlesung ist. Aus der Nähe sieht man das rote Flimmer noch deutlicher. Wieder bricht mir der Schweiss aus. Ich versuche mich zusammenzureissen.
„Was meinst du?“
„Ob wir uns ein bisschen auf die Wiese setzen sollen. Wie das Studenten so machen.“
Er hat die Art Lächeln, die Schauspieler sehnsüchtig vor dem Spiegel einstudieren.
Überhaupt ist Alles an ihm wie aus einem Katalog. Eine makellose Collage.
Ich bin überfordert. Eine solche Situation habe ich nie kommen sehen. Ich habe keinen Schlachtplan für dieses Scharmützel, keine vorgedachten Dialogstränge.
„Äh. Ja. Klar.“ Ein von einem Roboter vorgetragenes Trikolon.
„Super“, sagt er fröhlich, läuft vor.
Ich eiere hinter ihm her.
Vorsichtige Schritte. Eine neugeborene Katze im Schnee.
„Hier ist doch Perfekt!“ Er setzt sich.
Etwas abseits. Wenige Studenten. Die Rasenfläche vor dem Hörsaal 1b ist etwa 200 Quadratmeter groß, an den Rändern stehen junge Bäume, gerade mal 3 bis 4 meter hoch. Auf der einen Seite die von Menschen und Nahrung erstickte Mensa, auf der anderen ein Parkhaus, das schmaler werdend am Ende in eine Strasse übergeht. Marienstrasse.
Er ist braungebrannt.
Neben ihm sieht meine Haut aus wie bläuliches Papier.
„Witzig, dass wir die Frage gleichzeitig beantwortete haben, was?“
„Ja. Ein Zufall.“
„Meinst du?,“ fragt er spitzbübisch.
„Hm?“
„Ich wette du hast auch bloß gewartet, bis eine interessante Frage kommt, die niemand beantwortet, um dann genau im richtigen Moment, nach der richtigen Zeit des kollektiven Schweigens, die korrekte Antwort zu geben. Stimmts?“
„Vielleicht. Ja.“
Ich bin so spassig wie ein Topf Suppe.
„Na, ich bin mir sicher.“
Was soll ich sagen? Etwas fällt mir ein.
„Ich hab dich noch in keiner Vorlesung gesehen, seit wann studierst du Medizin?“
Feixend sagt er: „Tja, ich studiere auch nicht richtig Medizin. Ich studiere mal hier, mal da, mal dies, mal jenes. Ist alles so interessant und ich habe doch Zeit.“
„Also sitzt du bloß in wechselnden Vorlesungen und spielst das unnahbare Genie.“
Langsam besinne ich mich. Tauche an die Oberfläche meines eigenen Ich’s.
„Da schau an, er taut auf- aber du hast Recht. So in etwa sieht das aus. Du glaubst gar nicht, wie das den Mädchen gefällt.“
„Glaub mir, das weiss ich aus leidiger Erfahrung.“
„Leidig? Bist du vom anderen Ufer?“
Wie in schlechten Filmen verschlucke ich mich, huste, schnappe nach Luft.
„Nein,“ presse ich unter Schmerzen hervor. „Ich bin hetero.“
Er lacht nur. Lacht fröhlich. Ansteckend. Gegen meinen Willen grinse ich.
„Du weisst, was man über die sagt, die ihre homosexuelle Seite am wütendsten verneinen.“
„Du weisst, was man über die sagt, die anderen Homosexualität unterstellen,“ kontere ich.
„Touche,“ grinst er.
„Ich muss schon sagen, als du mit mir geantwortet hast, hat mich das ganz schön aus dem Konzept gebracht.“
„Ich weiss, hat man dir auch deutlich angesehen.“
„Was?“ Wieder glitscht mir das Gespräch aus den Händen, direkt in den See, treibt zu einem nahen Fluss und schwimmt dann davon in Richtung Meer.
„Als ich in deine Richtung geschaut habe, hast du dich weggedreht, als würdest du dir selbst das Genick brechen wollen und dann liefst du auch noch rot an, wie der weltgrößte Sozialist nach Marx.“
Wieder bin ich sprachlos.
„Hey. Was sagst du. Ich hab zu Hause einen Billard-Tisch stehen. Ist nur zehn Minuten mit meinem Motorrad von hier.“
„Und wie soll ich fahren?“
„Jetzt stellst du dich aber unnötig an. Du fährst mit mir, ein Motrorrad hat doch zwei Sitze.“
„Ja, nagut. Vielleicht.“
Er lacht.
Lacht wie die Sonne.
Blendend.

Seine Wohnung könnte dem nächstbesten Ikeakatalog entommen worden sein,
Geschmackvoll, aber ohne echte Klasse.
Vier Zimmer. Meinem Vater würde das gefallen.
Ein Schlafzimmer, ein Wohnzimmer mit einem echten, nagelneuen Billardtisch in der Mitte, ein Zimmer voller Bücher, eine miniatur Bibliothek, Perserteppich, sogar ein unvermeidlicher Ohrensessel und ein fast leeres Zimmer, ganz in Weiß, dass nur einen viereckigen Holzkubus und zwei Bastmatten beherbergt.
Auf einer völlig abstrakten Ebene bin ich neidisch.
„Schöne Wohnung.“
„Nichts besonderes.“ Das klingt affektiert, doch aus seinem Mund wirkt es ehrlich. Fast entschuldigend.
„Hast du Hunger?,“ fragt er.
„Klar, sage ich.“ Vergesse meinen gesamten *ich hab schon was vor* Antwortkatalog.
„Ich mach uns schnell eine Kleinigkeit.“
Er verschwindet in der Küche, liefert mir seine Wohnung aus.
Ich wende mich der Bibliothek zu, fahre die Buchrücken ab.
Fachbücher, Atlanten, ein paar alte, belletristische Bücher und ein schier unerschöpflicher Vorrat an Lyrik. Die ganze Palette, von Baudelaire über Goethe bis Ernst Jandl.
Dann ruft er mich in die Küche.
„Strohpilze, Bambus und Paprika. Ich bin Vegetarier, musst du wissen.“
Und wieder etwas, das er mir vorraus hat. Moralische Integrität.
Es schmeckt fantastisch. Das Gemüse und die Pilze sind noch knackig, nicht verkocht. Alles von einer kräftigen Soja-Hoisin Sauce umschmeichelt.
Ich würde gern so kochen können.
Danach sitzen wir nur so da. Niemand sagt etwas, aber es fühlt sich in keinster Weise unangenehm an.
„Das war unglaublich. So gut kochen sie in deutschen China-Restaurants nie.“
„Übertreib mal nicht. Aber schön, dass es dir geschmeckt hat.“
Dann bricht es einfach aus mir heraus.
„Wer bist du eigentlich?“
Er aber lächelt nur. „Ist doch egal. Ich meine, ich kenne das. Immer alles schnell kategorisieren.“
„So meinte ich das nicht.“
„Doch, so hast du das gemeint, aber das ist ok.“ Er streckt sich, gähnt.
„Ich weiss, dass das gegen deine Vorstellungen ist, aber hast du was dagegen, wenn wir uns einfach ne Stunde hinhauen. Ohne Schauspielerei? Pennen wie die Murmeltiere?“
Ich wittere Fangfragen, Klausuren, einen Persönlichkeitstest, aber seine Gutmütigkeit lullt mich einfach ein.
„Gerne.“ Bringe ich gerade so zwischen einem eigenen Gähnen hervor.
„Wunderbar,“ knurrt er zufrieden, „dahinten gehts lang.“
Ich folge dem Rattenfänger und finde mich im Schlafzimmer wieder.
„Wenn du willst leg ich mich auf den Boden. Lieber wäre es mir aber, wenn du dich einfach mit mir reinlegst. Das Bett ist ja groß genug.“
Er sagt es so, dass es mir unhöflich vorkommt nein zu sagen.
Ich rolle mich auf der linken Seite zusammen, werde sofort müde.
Merke kaum noch, wie er einen Arm unter meinen Kopf schiebt und sich hinterher zieht, seine ungewohnt muskulöse Brust an meinen Rücken schmiegt und den anderen Arm gegen meinen eigenen Oberkörper presst.
Ich schlafe wie ein Welpe.
Schlafe wie damals.

Im Traum kehre ich zu ihr zurück. Kann sie riechen. Fühlen. Kann sie schmecken.
„Kommst du oft her?“ Das Einzige, was mir einfiel.
„Nein. Nur heute Abend. Wegen dir.“ Sie grinste, griff sich, was sie in mir fand und nahm es sich Blick für Blick.
„Wegen mir?“
„Wegen dir. Du hast mir schon immer gefallen, wie du herumstolperst, zu groß für deinen Körper. Das weckt Erinnerungen in mir. Ich kenne dieses Gefühl, musst du wissen.“
Musst du wissen - ich wusste überhaupt nichts.
Ich wollte einfach nur in diese blauen Augen gucken und die Zeit an mir abperlen fühlen, wie lauwarmes Wasser.
Sie schnippte die verbrauchte Zigarette fort, nahm mich bei der Hand.
„Komm,“ sagte sie, „komm, wir klauen uns ein paar Stunden.“
Und wenn sie mich in einen Abgrund geführt hätte, ich wäre direkt hinter ihr her, Haut an Haut.
Sie winkte einem Taxi, zog mich ihr nach auf die Rückbank.
„Four Seasons, bitte“.
Dann küsste sie mich zum ersten Mal.
Klar, ich hatte schon ein paar Mädchen geküsst, aber das hier war vollkommen anders. Es brannte, machte wahnsinnig Spass.
Ein Wettkampf um die Herrschaft über zwei paar Lippen.
Ich verlor.
Aber nie in meinem Leben kam mir eine Niederlage mehr wie ein Sieg vor.
„Four Seasons, macht dann 22€.“
Sie schmiss dem Fahrer drei zehn Euro Scheine hin, drängte mich aus dem Wagen.
Das Hotel schüchterte mich gehörig ein. Bisher kannte ich doch nur mein Kinderzimmer, doch sie stolzierte durch die Empfangshalle wie eine Prinzessin. Ich malte mir die wildesten Dinge aus. Eine Diplomatentochter, ein Rockstar aus einem anderen Land. Wieso ich? Aber dieser Gedanke verflüchtigte sich wie ein Hauch Parfum an der Luft. Nur mehr eine bittersüße Ahnung. Es gab wichtigere Dinge.
Ihre Lippen zum Beispiel.
„Zimmer 209, Duprand.“
Der Concierge reichte ihr einen Schlüssel, sah ihren verwischten Lippenstift und hätte mich vor Neid am liebsten erwürgt.
Sie kniff mich in den Po, zerrte mich zum Aufzug. Ich weiss noch, dass es mir nicht gefiel in den Hintern gekniffen zu werden. Es gab mir ein komisches Bauchgefühl. Doch der Geschmack ihrer Lippen wischte diese Gedanken fort.
Zimmer 209. Das Bild der Tür mit den drei Nummern brannte sich unauslöschlich in meine Erinnerung.
Drinnen machte sie ein paar Kerzen an.
Riesig. Das Wohnzimmer allein größer als die Wohnung meiner Eltern.
Nur noch übertroffen vom Bett in der Mitte, auf dem eine Großfamilie bequem hätte nächtigen können.
Sie ging zu einer enorm kostspielig aussehenden Anlage, fummelte eine CD aus einem kleinen Stapel einsamer Silberscheiben.
Dann krallten sich Töne in mein Fleisch, die ich nie vergessen werde.
Ich fiel in ein Fenster, schnitt mich an den Scherben, fühlte Sehnsucht, fühlte zum ersten Mal in meinem Leben Geborgenheit.
Geborgenheit im Extrem, in Selbstaufgabe.
Hätte sie mich damals, nach den ersten, schreienden Tönen der Musik gebeten, mich selbst auf einem steinernen Altar zu opfern, ich hätte nicht gezögert.
Shiny, shiny,
 shiny boots of leather,
Whiplash girlchild-
in the dark.
Comes in bells, your servant don’t forsake him,
Strike, dear mistress
And cure his heart.
Sie zog sich langsam aus. Raubte mir mit jedem Kleidungsstück einen weiteren Teil meines Verstandes. Bis ich nur mehr eine leere und doch zum bersten gefüllte Hülle war.
Und dann stand sie nackt vor mir. Kleine, spitze Brüste. Eine makellose Haut, bohrende Augen, unter einer kurzen, drahtig-blonden Wolle. Sehnen, Muskelstränge, segmentiert, fordernd, ewig, wunderschön, wie griechische Heldenskulpturen.
Ihre Scham war erfüllt von einem roten, sanften Nebel.
Langsam streifte sie auch mir meine Kleidung ab.
Das Hemd, T-Shirt, dann die Jeans, die Socken und zuletzt, mit ihren Zähnen, die Boxershorts. Fuhr mit ihren Blütenblattlippen mein linkes Bein hinauf, am Knie vorbei, am Oberschenkel weiter innen, langsamer.
Als sie mich in sich aufnahm, verlor ich den Verstand.

Langsam öffnen sich meine Augen.
Geschmackvolle Möbel. Kleiner als das Hotelzimmer meiner Erinnerung. Langsam schiebe ich die Decke von mir weg. Ich bin angezogen.
„Na, du Schlafmütze. Ist schon fast sechs. Ich dachte schon du willst gleich bis morgen früh durchschlafen.“
Die Stimme kommt mir entfernt bekannt vor.
Den Traum noch eng an die Windungen und Schlaufen meines Gehirns geschmiegt versuche ich mich zu sammeln.
Der blonde Besserwisser. Der Nachmittag taucht wieder vor mir auf.
„Normalerweise schlafe ich nachmittags nie.“
„Dafür hast du es aber verdammt gut hinbekommen.“ Er grinst sich das makellose Gebiss aus dem Schädel.
„Du schuldest mir noch eine Runde Billard. Das ist ja wohl das Mindeste, nachdem ich dir Kost und Logis gewährt habe.“
„Ok, ok. Aber erst brauche ich was zu trinken.“
„Klar. Tee, Wasser, Saft, Bier.
„Wasser.“
Während er wieder in der Küche verschwindet sammele ich die überall verstreuten Teile meines Bewusstseins.
Dann ist er wieder da, stellt mir eine teuer aussehende Karaffe voll Wasser und ein einfaches Glas hin.
Danach fühle ich mich wieder auf der Höhe.
„Nagut,“ sage ich, „dann zeig mal, was du kannst.“
„Aber immer doch.“
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Nicki
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Ei 10


Beitrag18.07.2011 08:58

von Nicki
Antworten mit Zitat

Guten Morgen,
ich weiß, man soll bei Rezensionen nicht einfach nur schreiben:
hach wie schön ...
aber was soll ich sonst dazu sagen? Ich bin jetzt richtig wild auf die Fortsetzung.
Okay, ein paar Anmerkungen:

Zitat:
Langsam besinne ich mich.

es wird mir nicht klar, worauf er sich in diesem Moment besinnt.
Zitat:
Ich bin so spassig spaßig  wie ein Topf Suppe.


Zitat:
seine ungewohnt muskulöse Brust an

wieso ungewohnt, er kennt ihn doch gar nicht, würde ich weglassen

Zitat:
Der Concierge reichte ihr einen Schlüssel, sah ihren verwischten Lippenstift und hätte mich vor Neid am liebsten erwürgt.

Perspektive!

Zitat:
fühlte Sehnsucht, fühlte zum ersten Mal in meinem Leben Geborgenheit.

Ich meine, Sehnsucht und Geborgenheit widersprechen sich.

Okay, das war´s
MfG
Nicki
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Gast







Beitrag18.07.2011 20:25

von Gast
Antworten mit Zitat

Hallo Taugenichts,
ich glaube die Diskussion über den Rhythmus führt zu nichts, und wahrscheinlich hat es auch nichts mit dem Alter zu tun, wie Nickis Kommentar zeigt. Es gibt da eben unterschiedliche Geschmäcker. Ich gehöre zu den Lesern, die auch beschreibende Passagen gerne lesen.
Bei der Menge deiner Produktion kannst du allerdings nicht erwarten, dass man sich das alles gründlich vornimmt, es sei denn wir vereinbaren ein Lektoratshonorar..
 Smile   
Ein paar Vorschläge/Anregungen zu einem Auszug:

Taugenichts hat Folgendes geschrieben:


Noch völlig in Gedanken treibe ich vowärts wie sonst, ist außerdem falsch geschrieben    aus dem Vorlesungssaal.
Von links fragt mich jemand: „Willst du mit in die-„
„Nein, heute nicht, ich hab schon gegessen,“ spule ich routiniert ab.
„Dann vielleicht ein bisschen draussen auf die Wiese setzen?“
Ich will die Stimme erneut unterbrechen, da bemerke ich, dass es der blonde Kerl aus der Vorlesung ist. Aus der Nähe sieht man das rote Flimmer noch deutlicher. Wieder bricht mir der Schweiss aus. Ich versuche mich zusammenzureissen.
„Was meinst du?“
„Ob wir uns ein bisschen auf die Wiese setzen sollen. Wie das Studenten so machen.“
Er hat die Art Lächeln, die Schauspieler sehnsüchtig das Adverb paßt m.E. nicht, Schauspieler studieren eigentlich nichts sehnsüchtig ein vor dem Spiegel einstudieren.
Überhaupt ist Alles an ihm wie aus einem Katalog. Eine makellose Collage.
Ich bin überfordert. Eine solche Situation habe ich nie kommen sehen. Ich habe keinen Schlachtplan für dieses Scharmützel diese Situation, keine vorgedachten Dialogstränge.
„Äh. Ja. Klar.“ Ein von einem Roboter vorgetragenes Trikolon. mußte ich wieder googlen „Super“, sagt er fröhlich, läuft vor.
Ich eiere hinter ihm her.
Vorsichtige Schritte. Eine neugeborene Katze im Schnee. Metapher ???„Hier ist doch Perfekt!“ Er setzt sich.
Etwas abseits. Wenige Studenten. Die Rasenfläche vor dem Hörsaal 1b ist etwa 200 Quadratmeter groß, an den Rändern stehen junge Bäume, gerade mal 3 bis 4 meter hoch. Auf der einen Seite die von Menschen und Nahrung erstickte Mensa, auf der anderen ein Parkhaus, das schmaler werdend am Ende in eine Strasse übergeht. Marienstrasse.
Er ist braungebrannt.
Neben ihm sieht meine Haut aus wie bläuliches Papier.
„Witzig, dass wir die Frage gleichzeitig beantwortete haben, was?“
„Ja. Ein Zufall.“
„Meinst du?,“ fragt er spitzbübisch.
„Hm?“
„Ich wette du hast auch bloß gewartet, bis eine interessante Frage kommt, die niemand beantwortet, um dann genau im richtigen Moment, nach der richtigen Zeit des kollektiven Schweigens, die korrekte Antwort zu geben. Stimmts?“
„Vielleicht. Ja.“
Ich bin so spassig wie ein Topf Suppe.
„Na, ich bin mir sicher.“
Was soll ich sagen? Etwas fällt mir ein.
„Ich hab dich noch in keiner Vorlesung gesehen, seit wann studierst du Medizin?“
Feixend sagt er: „Tja, ich studiere auch nicht richtig Medizin. Ich studiere mal hier, mal da, mal dies, mal jenes. Ist alles so interessant und ich habe doch Zeit.“
„Also sitzt du bloß in wechselnden Vorlesungen und spielst das unnahbare Genie.“
Langsam besinne ich mich. Tauche an die Oberfläche meines eigenenIch’s.
„Da schau an, er taut auf- aber du hast Recht. So in etwa sieht das aus. Du glaubst gar nicht, wie das den Mädchen gefällt.“
„Glaub mir, das weiss ich aus leidiger Erfahrung.“
„Leidig? Bist du vom anderen Ufer?“
Wie in schlechten Filmen verschlucke ich mich, huste, schnappe nach Luft.
„Nein,“ presse ich unter Schmerzen hervor. „Ich bin hetero.“
Er lacht nur. Lacht fröhlich. Ansteckend. Gegen meinen Willen grinse ich.
„Du weisst, was man über die sagt, die ihre homosexuelle Seite am wütendsten verneinen.“
„Du weisst, was man über die sagt, die anderen Homosexualität unterstellen,“ kontere ich.
„Touche,“ grinst er.
„Ich muss schon sagen, als du mit mir geantwortet hast, hat mich das ganz schön aus dem Konzept gebracht.“
„Ich weiss, hat man dir auch deutlich angesehen.“
„Was?“ Wieder glitscht mir das Gespräch aus den Händen, direkt in den See, treibt zu einem nahen Fluss und schwimmt dann davon in Richtung Meer.
„Als ich in deine Richtung geschaut habe, hast du dich weggedreht, als würdest du dir selbst das Genick brechen wollen und dann liefst du auch noch rot an, wie der weltgrößte Sozialist nach Marx.“
Wieder bin ich sprachlos.
„Hey. Was sagst du. Ich hab zu Hause einen Billard-Tisch stehen. Ist nur zehn Minuten mit meinem Motorrad von hier.“
„Und wie soll ich fahren?“
„Jetzt stellst du dich aber unnötig an. Du fährst mit mir, ein Motrorrad hat doch zwei Sitze.“
„Ja, nagut. Vielleicht.“
Er lacht.
Lacht wie die Sonne.
Blendend.

Seine Wohnung könnte dem nächstbesten Ikeakatalog entommen worden sein,
Geschmackvoll, aber ohne echte Klasse.
Vier Zimmer. Meinem Vater würde das gefallen.
Ein Schlafzimmer, ein Wohnzimmer mit einem echten, nagelneuen Billardtisch in der Mitte, ein Zimmer voller Bücher, eine miniatur Miniatur Bibliothek, Perserteppich, sogar ein unvermeidlicher Ohrensessel und ein fast leeres Zimmer, ganz in Weiß, dass nur einen viereckigen Holzkubus und zwei Bastmatten beherbergt.
Auf einer völlig abstrakten Ebene bin ich neidisch.
„Schöne Wohnung.“
„Nichts besonderes.“ Das klingt affektiert, doch aus seinem Mund wirkt es ehrlich. Fast entschuldigend.
„Hast du Hunger?,“ fragt er.
„Klar, sage ich.“ Vergesse meinen gesamten *ich hab schon was vor* Antwortkatalog.
„Ich mach uns schnell eine Kleinigkeit.“
Er verschwindet in der Küche, liefert mir seine Wohnung aus.
Ich wende mich der Bibliothek zu, fahre die Buchrücken ab.
Fachbücher, Atlanten, ein paar alte, belletristische Bücher und ein schier unerschöpflicher Vorrat an Lyrik. Die ganze Palette, von Baudelaire über Goethe bis Ernst Jandl.
Dann ruft er mich in die Küche.
„Strohpilze, Bambus und Paprika. Ich bin Vegetarier, musst du wissen.“
Und wieder etwas, das er mir vorraus hat. Moralische Integrität.
Es schmeckt fantastisch. Das Gemüse und die Pilze sind noch knackig, nicht verkocht. Alles von einer kräftigen Soja-Hoisin Sauce umschmeichelt.
Ich würde gern so kochen können.
Danach sitzen wir nur so da. Niemand sagt etwas, aber es fühlt sich in keinster Weise unangenehm an.
„Das war unglaublich. So gut kochen sie in deutschen China-Restaurants nie.“
„Übertreib mal nicht. Aber schön, dass es dir geschmeckt hat.“
Dann bricht es einfach aus mir heraus.
„Wer bist du eigentlich?“
Er aber lächelt nur. „Ist doch egal. Ich meine, ich kenne das. Immer alles schnell kategorisieren.“
„So meinte ich das nicht.“
„Doch, so hast du das gemeint, aber das ist ok.“ Er streckt sich, gähnt.
„Ich weiss, dass das gegen deine Vorstellungen ist, aber hast du was dagegen, wenn wir uns einfach ne Stunde hinhauen. Ohne Schauspielerei? Pennen wie die Murmeltiere?“
Ich wittere Fangfragen, Klausuren, einen Persönlichkeitstest, aber seine Gutmütigkeit lullt mich einfach ein.
Kommt dir das glaubhaft vor? Ich meine, ganz so jung ist dein Prota nicht „Gerne.“ Bringe ich gerade so zwischen einem eigenen Gähnen hervor.
„Wunderbar,“ knurrt er zufrieden, „dahinten gehts lang.“
Ich folge dem Rattenfänger der Prota vermutet doch gerade keinen Rattenfänger und du schreibst ja streng aus dessen Perspektive und finde mich im Schlafzimmer wieder.
„Wenn du willst leg ich mich auf den Boden. Lieber wäre es mir aber, wenn du dich einfach mit mir reinlegst. Das Bett ist ja groß genug.“
Er sagt es so, dass es mir unhöflich vorkommt nein zu sagen.
Siehe oben: kommt dir das glaubhaft vor?
Ich rolle mich auf der linken Seite zusammen, werde sofort müde.
Merke kaum noch, wie er einen Arm unter meinen Kopf schiebt und sich hinterher zieht, seine ungewohnt muskulöse Brust an meinen Rücken schmiegt und den anderen Arm gegen meinen eigenen Oberkörper presst.
Ich schlafe wie ein Welpe.
Schlafe wie damals.

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Taugenichts
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 38
Beiträge: 1201



Beitrag19.07.2011 01:17

von Taugenichts
Antworten mit Zitat

Vielen deiner kleinen Stil-Mäkeleien muss ich rechtgeben. Ich fürchte aber, dass wir einfach nicht auf eine Wellenlänge kommen.
Die inhaltlichen Probleme, die dich nicht richtig reinkommen lassen sind per se keine Fehler.
Wieso scheint es dir unglaubwürdig, dass sich der Prota vom "super-boy" einlullen lässt?
Er ist ein sehr einsamer, sehnsüchtiger Charakter, der sich fälschlich für sehr begabt und klug hält... hintergründig aber hochgradig unsicher ist. Hält sich von Menschen fern, Fehlen einer starken Vaterfigur, Vaterkonflikt. Der typische Schutzhüllen-Einzelgänger, der mehr als willfährig einer strahlenden, wohlgesonnenen Vaterfigur folgt.
Die Fixierung auf das ihm überlegene Mädchen... er sucht verzweifelt nach Halt, findet diesen aber nicht.
Ich finde das sehr nachvollziehbar, warscheinlich muss man sich aber mit solchen Charaktären anfreunden können. Vielleicht erscheint dir meine Schreibe aufgrund von ab und an übertriebener und darin auch falscher Stilistik nicht reif, aber keiner meiner Protagonisten wird je etwas unsinniges tun. Das ist schon alles sehr durchdacht lol2

Und der Erzähler... ich weiss ehrlichgesagt nicht, ob es das gibt oder ob man das machen "darf", aber ich benutze seit je her gerne einen allwissenden Ich-Erzähler, der sehr involviert ist, aber aus einer wissenden, vorahnenden Perspektive kommentiert.
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Gast







Beitrag19.07.2011 18:09

von Gast
Antworten mit Zitat

Hallo Taugenichts,

Taugenichts hat Folgendes geschrieben:
Vielen deiner kleinen Stil-Mäkeleien muss ich rechtgeben. Ich fürchte aber, dass wir einfach nicht auf eine Wellenlänge kommen.


Wir brauchen gar nicht unbedingt nicht auf eine Wellenlänge zu kommen.
Und ich empfinde die Stil-Mäkeleien anderer bei meinen Texten immer als sehr hilfreich bei dem zähen Ringen um Fortschritte - insbesondere natürlich, wenn sie berechtigt sind.  
Ich wünsche dir jedenfalls noch viel Spaß bei den Abenteuern deines Protas.  Wink  
LG
Dlurie
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