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Lass die Nacht herein


 
 
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Enfant Terrible
Geschlecht:weiblichalte Motzbirne

Alter: 30
Beiträge: 7278
Wohnort: München


Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag22.12.2010 19:45
Lass die Nacht herein
von Enfant Terrible
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Sieh, wie, einer Waisen gleich
sie an deiner Schwelle schaudernd wartet.
Hinter ihr hallen Stunden wie Stimmen,
jener, die sie suchen.
Mit runden Augen blickt sie in dein Herz,
nimmt nur das Nötigste daraus, und wer
könnte ihr verübeln, dass sie ihren Mantel
enger schlingt um die schmächtigen Schultern,
bis das Licht weicht?
Wie könntest du sie draußen lassen?

Ein bescheidener Gast, diese alte Bekannte.
Mehr Platz benötigt sie nicht, als die Ecken
denen dein Rücken zugekehrt, als die Nischen
in denen du die Dinge ohnehin nie
zu genau ansiehst. Sie huscht vorbei und wärmt sich
an deinen Blicken aus den Augenwinkeln.

Neben dir kauernd, dich mit
ihrem Kopf an der Schulter
an Ort und Stelle haltend,
setzt sie zu trinken an, lässt Wärme
strömen in die leeren Rinnen deiner Adern.
Besser wäre es, wenn du dich
nun nicht bewegst.
Sie ist gar schnell beleidigt.

Was brauchst du Gefühl, scharfe Kanten
zu ertasten in dieser Wohnung?
Was brauchst du Gesicht – die Wände
entblößen sich und sprechen nicht mehr zu dir
in ihrer Gegenwart.



_________________
"...und ich bringe dir das Feuer
um die Dunkelheit zu sehen"
ASP

Geschmacksverwirrte über meine Schreibe:
"Schreib nie mehr sowas. Ich bitte dich darum." © Eddie
"Deine Sprache ist so saftig, fast möchte man reinbeißen." © Hallogallo
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EdgarAllanPoe
Geschlecht:männlichPoepulistischer Plattfüßler

Alter: 32
Beiträge: 2356
Wohnort: Greifswald
Bronzene Harfe Die Goldene Bushaltestelle
Goldene Feder Lyrik


Die Tauben
Beitrag24.12.2010 16:10

von EdgarAllanPoe
Antworten mit Zitat

Die in Prosa aufgelöste Versstruktur kollidiert mit der teils erzwungen klingenden Sprache. Das liest sich gestellt, so, als ob du ein Stück Draht zu einem Gegenstand biegen willst, obwohl es dafür zu kurz ist.
Einige Beispiele.

Zitat:

Sieh, wie, einer Waisen gleich
sie an deiner Schwelle schaudernd wartet.


Zu verschachtelnd und irritierend. Besser wäre: Sieh, wie sie an deiner Schwelle / schaudernd wartet wie eine Waise.

Zitat:

Hinter ihr hallen Stunden wie Stimmen,
jener, die sie suchen.


Wer sucht hier? "Stunden" oder "Stimmen"? Das wird nicht ganz klar, weil beides im Plural steht.

Zitat:

Mehr Platz benötigt sie nicht, als die Ecken,
denen dein Rücken zugekehrt, als die Nischen,
in denen du die Dinge ohnehin nie
zu genau ansiehst.


Das Fehlen des Hilfsverbs lässt diesen Teil des Texts verstauben. Das soll ja nicht so sein - mich erinnert diese Ellipse eher an uralte Gedichte, die das Hilfsverb aussparen, um ein Metrum zu erfüllen. Das ist hier allerdings nicht so - warum tust du es dann trotzdem? Du könntest natürlich Folgendes versuchen: Mehr Platz benötigt sie nicht, als die Ecken, / denen du deinen Rücken zukehrst / oder die Nischen, in denen du Dinge / ohnehin nie zu genau ansiehst.

Zitat:
setzt sie zu trinken an


Diese Infinitivkonstruktion liest sich umständlich und steif.
Besser: ... sie beginnt zu trinken?

Zitat:
Sie ist gar schnell beleidigt.


Füllwort. Außerdem lässt diese Zeile die personifizierte Nacht wie ein trotziges kleines Kind erscheinen. Diesen Effekt wolltest du sicher nicht erzielen?

Zitat:
Was brauchst du Gefühl, scharfe Kanten
zu ertasten in dieser Wohnung?
Was brauchst du Gesicht – die Wände
entblößen sich und sprechen nicht mehr zu dir
in ihrer Gegenwart.


Klingt irgendwie, als hättest du nicht gewusst, wie du den Schluss (in sprachlicher Hinsicht) zu Ende bringen solltest. Das hört sich zu stakkatomäßig an, wenn du hier (un-)bestimmte Artikel weglässt.
Mein Vorschlag:
Was musst du ein Gefühl, scharfe Kanten / ertasten in dieser Wohnung? / Wozu benötigst du ein Gesicht - die Wände / entblößen sich und sprechen nicht mehr zu dir / in ihrer Gegenwart.

Ich meine, du kannst das hier besser.
Aber dafür steht das Gedicht ja auch in der Werkstatt.


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(...) Das Gedicht will zu einem Andern, es braucht dieses Andere, es braucht ein Gegenüber. Paul Celan

Life is what happens while you are busy making other plans.
- JOHN LENNON, "Beautiful Boy"

Uns gefällt Ihr Sound nicht. Gitarrengruppen sind von gestern. (Aus der Begründung der Plattenfirma Decca, die 1962 die Beatles ablehnte.)
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Enfant Terrible
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Beiträge: 7278
Wohnort: München


Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag18.01.2011 20:45

von Enfant Terrible
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Asche auf mein Haupt, da gibt sich der liebe Eddie soviel Mühe und setzt sich kritisch mit meinem Experiment auseinander, und ich bekomme davon nichts mit. Nächstes Mal werde ich die Augen offen halten, versprochen!
Ein umso größeres Dankeschön dafür, dass du dich damit auseinander gesetzt hast. Ich habe dieses Gedicht in die Werkstatt gepostet, weil ich a) mich für recht eingerostet halte und b) weil es sich in der Grauzone zwischen Lyrik und Prosa bewegt. Dort waren aber einige der "Schnitzer" durchaus gewollt - wenn sie sich fehlerhaft lesen, habe ich meine Intention wohl verfehlt.
Du meinst, die Darstellung lässt die Nacht wie ein trotziges kleines Kind wirken - aber genau das ist ja auch Absicht. Lass mich etwas weiter ausholen (gespoilert, um etwaige Interpretationen durch User nicht vorwegzunehmen):
Meine Idee war, die Nacht teilweise als Kind zu personifizieren, wie eines dieser unheimlichen Geschöpfe, die uns in diversen Horrorfilmen begegnen. Hierbei steht "die Nacht" übrigens ganz allgemein für die dunkle Seite des Menschen. Sie kommt uns besuchen, als unschuldiges, vertrautes Wesen getarnt, und entwickelt schnell fordernde Züge. Wir lassen sie herein, doch die Dinge laufen aus dem Ruder, sie beherrscht uns, sie trinkt uns leer und lähmt uns - als gute Gastgeber wollen wir sie ja auch nicht vertreiben.
Ich persönlich fand, dass der getragene Stil gut zum düsteren Kontext passt, kann es aber nachvollziehen, wenn du es als fehlerhaft empfindest.


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EdgarAllanPoe
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Die Tauben
Beitrag18.01.2011 21:11

von EdgarAllanPoe
Antworten mit Zitat

In Ordnung, dieses Gekünstelte ist dann wohl ein Kind, das noch nach Orientierung sucht und gleichzeitig immer wieder in die Falle gerät, was richtige Ausdrucksweise anbelangt. Gleichzeitig entwickelt sich dabei aber eine Gabe der Manipulation, weil die personifizierte "Nacht" ja bereitwillig hereingelassen wird.
(Da muss mein absonderliches Hirn an eine Verführerin denken - oder auch einen Verführer -, der/die seine Geschicke entdeckt und für sich einzuschätzen versteht, allerdings auch immer wieder daran scheitert. Passt das als Deutung?)


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