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Felix Abschied


 
 
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Eselhengst
Geschlecht:männlichErklärbär
E


Beiträge: 1



E
Beitrag27.11.2010 01:07
Felix Abschied
von Eselhengst
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Manche Menschen schreiben Lieder. Sie spielen ihr Instrument durch Noten und erschaffen Melodien, die uns manchmal im Innersten erschüttern. Mein Instrument sind Worte, die ich euch von Zeit zu Zeit vorspielen möchte.

Ich schreibe viele Lieder, manchmal traurig, manchmal heiter. Dies ist ein trauriges Lied. Eins haben alle meine Lieder gemeinsam: sie sollen euch berühren.

Wie schreibt man über den Tod eines Kindes? Ist es medizinisch? Am Ende religiös?

Liebe Grüße,
Der Eselhengst


Felix Abschied

Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Die Hoffnung war mein stetiger, stets lächelnder Begleiter der letzten sechs Monate. Im Juni wurde mein Pflegesohn Felix, den ich seit mehr als zwei Jahren betreute, krank. Im Nachhinein waren die Symptome klassisch und wie für ein Lehrbuch der praktischen Medizin geeignet. Fieber, Blässe und nicht besser werdende Hämatome, die er sich durch harmlos scheinende Jungenspiele und kleine Raufereien zugezogen hatte.

Der endlich hinzugezogene Hausarzt ordnete nach einer eingehenden Blutuntersuchung die Überwiesung in die Uniklinik an, in der sie meinem Felix in einer schmerzhaften, weil unerklärten Prozedur eine Probe seines Knochenmarks entnahmen. Darin fanden sich viele unreife Zellen, ein sicheres Symptom für Blutkrebs.

Felix wurde elf Jahre alt.

Die letzten Stunden saß ich an seinem Bett und streichelte seinen fast haarlosen Schädel, den die letzte und endgültige Chemotherapie hinterlassen hat. Schon während dieser Behandlung, als Felix es nicht mehr ertrug, fragte er mich unter Tränen, warum ich ihn nicht gehen lasse. Er könne die Schmerzen nicht mehr ertragen.

Die Schmerzen. Die Schmerzen eines Kindes. Die, die wir so gern abnehmen und selbst erleiden wollten, würden sie nur dem Kind nicht angetan. Die Schmerzen, die uns hilflos und weinend machen. Ist es nicht am Ende Selbstzweck, wenn wir die Maschine der Medizin angelassen und jetzt Angst haben, sie vielleicht durch energisches Eingreifen, einem Veto, einer verzweifelten Aktion anzuhalten? Mutig möchten wir den Ärzten Einhalt gebieten, wagen es aber viel zu feige nicht, wenn sie mit professioneller Miene ein weiteres, eine andere Dosis eines neuen, eines bisher nicht da gewesenen Medikaments vorschlagen.

„Was ist mit mir los?“ fragt dich da das Kind und du bist völlig hilflos zu antworten. Allein, Gott verfluchend, warum er dieses Kind so leiden lässt. Ein wenig ist auch Selbstmitleid dabei, weil du so traurig und ausgeliefert bist. Lass mich nicht allein, schreist du das Kind an, die unbarmherzige Wahrheit sehend.

Am Ende kam der Stationsarzt und nahm mich beiseite. „Nehmen Sie Felix mit nach Hause.“ Dies sagte er nicht im leichtfertig fröhlichen Tonfall eines Mediziners, der einen Patienten als geheilt entlässt, sondern mit ernst blickenden Augen und seiner rechten Hand, die meine Schulter umfasste. Seine Mundwinkel verzogen sich für eine einzige Sekunde zu einem Lächeln, das mehr als alles bisher Gesagte und seither Getane eine Endgültigkeit zum Ausdruck brachte. Unsere Augen trafen uns und in unserem Blick war alles wieder da, die Angst, die Hoffnung, die Zweifel, neue Hoffnung, Verzweiflung. Nun der Absturz, die Endgültigkeit, das ausgesprochene Todesurteil. Ich schlug die Augen nieder, blind vor Tränen.

Ich nahm Felix in meine Arme, hob ihn hoch, ein leichtes Gerippe mit etwas Fleisch daran. „Komm, mein Schatz, wir gehen heim.“ Felix döste, schlief vielleicht, in einem stetigen Dämmerzustand zwischen Leben und Tod. Die letzte Grenze war noch nicht überschritten, aber in Sicht. „Nein … nein … nicht mehr …!“ murmelte der Junge in meinem Arm, wand sich kraftlos. Ich küsste ihn auf die Stirn, beruhigte ihn mit liebevollen Worten, ging an der Oberschwester vorbei, die gerade ihre Stimme erheben wollte, als der Oberarzt an ihre Seite trat, seine Hand auf ihren Arm legte.

Ich drehte mich um, wollte zum Abschied etwas Böses, etwas Vernichtendes über die Schulmedizin sagen, doch als ich ihre Augen sah, stockten mir die Worte. Sie trat an uns heran, hatte verstanden. Sie berührte mit unendlicher Vorsicht die Lippen von Felix, als wollte sie abermals dem aufkommenden Schmerz eines Kindes die Stimme nehmen, es gut sein lassen und verabschiedete sich auf ihre Weise.

„Bitte … können Sie ein Taxi…?“ war nun alles, was ich noch hervorbrachte und dies war übrig geblieben von meinem in langen Nächten gewachsenen Pamphlet auf die Schulmedizin, in der ich mit geschliffenem Sarkasmus die letale Unfähigkeit, das Versagen derselben zum Ausdruck gebracht hatte. Am Ende sind wir alle sprachlos.

Wir fuhren nach Hause und ich brachte ihn in sein kühles Zimmer, legte ihn ins Bett, bereitete mich auf die Nacht vor, indem ich meine Decke auf das Sofa legte. Eine plötzliche Stimme, mag es eine Eingebung oder eine Ahnung gewesen sein, sagte mir, ich solle mich zu ihm legen. Und so tat ich es, nahm ihn ganz vorsichtig in meine Arme, umfasste zärtlich seine Brust. Felix atmete ruhig und tief, schlief ein und ich folgte ihm in den Schlaf.

Seine Hand auf meinem Gesicht weckte mich, eine kühle, eine kraftlose Hand. Dennoch lächelte er mich an, als ich die Augen öffnete und in die seinen blickte. Die Sonne war noch nicht aufgegangen. November, kalt und nass.

„Wohin gehe ich jetzt?“ flüsterte er. Hatte es noch Sinn, ihm das Unvermeidliche zu ersparen? Sein Gesicht war bereits vom Tode berührt.

„In den Himmel.“, flüsterte ich zurück. „Weißt Du nicht mehr? Die Kinder, die Gott zu sich holt, werden gleich zu einem Stern. Der Stern strahlt umso heller, je mehr die Kinder gelitten haben und krank gewesen sind.“

„Ich habe Angst.“

„Du brauchst keine Angst haben. Ich werde dich begleiten, soweit es geht.“

„Warum tut es so weh?“ Sein Flüstern war leiser geworden, zu einem Wispern, das ich nur verstehen konnte, weil Felix in meinen Armen lag.

„Ich bin bei dir …“

Warum straft Gott die Menschen so? Vielleicht haben sie eine Sünde begangen, eine unverzeihliche? Eine Sünde, die die Qualen rechtfertigt, die wir in der Stunde unseres Todes erleiden. Aber die Kinder, Gott? Welche Sünde können die Kinder denn begangen haben, dass Du sie so quälst? Dies ist nicht dein Sohn! Ich habe nicht mehr die Kraft, dich anzurufen. Lass ihn endlich! Gib mir doch die Kraft, ihn gehen zu lassen!

„Es ist alles gut, Felix. Du kannst jetzt gehen.“ Dann sah und spürte ich, wie die Muskeln, die wenigen verbliebenen, schlaff wurden und sich zum letzten Mal entspannten.

„Papa?“ Ein letztes Flüstern. Ein kurzes, erschrecktes Einatmen. Felix war tot.

Dies alles ist jetzt viele Jahre her. Nie wieder habe ich mich um eine Pflegestelle beworben. Zu grausam war der Tod von Felix gewesen, der in meinen Armen starb. Eines werde ich jedoch nie vergessen, das Lächeln in seinen Augen, als er mich ansah und hinüberging.

Aber ein Stern, ein neuer, hellster Stern, der war da in der kommenden Nacht.

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derSibirier
Reißwolf
D


Beiträge: 1250



D
Beitrag27.11.2010 10:24

von derSibirier
Antworten mit Zitat

Zitat:
Ich schreibe viele Lieder, manchmal traurig, manchmal heiter. Dies ist ein trauriges Lied. Eins haben alle meine Lieder gemeinsam: sie sollen euch berühren.


Dein Text macht den Sibirier eigentlich nur eiskalt.
Eine Tränendrüse liegt auf der Straße und ein Esel trampelt darüber, immer wieder.
Ein schlechter Text.
Weshalb?
Immer wieder versuchen solche Hengste wie du mit aller Gewalt Mitleid beim Leser zu wecken. Immer auf die gleiche Art. Fällt euch eigentlich nichts besseres mehr ein.

Übersättigt.

Schmeiß das Zeug weg und schreib was Gescheites.


er grüßt den Esel.
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anuphti
Geschlecht:weiblichTrostkeks

Alter: 58
Beiträge: 4320
Wohnort: Isarstrand
DSFo-Sponsor Pokapro 2015


Beitrag27.11.2010 11:10

von anuphti
Antworten mit Zitat

Hallo Eselhengst!

Erst einmal Herzlich Willkommen im dsfo!
(wenn Du Dich vorstellen möchtest und uns etwas von Dir erzählen möchtest, dann kannst Du das im Unterforum Roter Teppich und Check in tun)

Leider muss ich dem Sibirier zustimmen.
Dein Text berührt mich nicht.

Es ist immer wahnsinnig schwierig biographische (??) Erlebnisse so zu verarbeiten, dass es die Leser erreicht, aber es gelingt, indem man dem Leser Raum für die Gefühle gibt und nicht die Gefühle "aufs Auge drückt".

Dein Text wirkt unglaublich distanziert, dann wieder bemüht philosophisch, der Schmerz über den Tod von Felix kommt nicht wirklich rüber.


http://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?t=23592

Dieser link führt Dich zu einem Text von Nordlicht, der für mich das genau Gegenbeispiel darstellt, es geht um den Tod eines alten Hundes.
Der Text ist sehr kurz, aber ich hatte nach den ersten Zeilen schon Tränen in den Augen.

Vielleicht liest Du ihn mal und versuchst die Unterschiede zu Deinem Text heraus zu finden.

Nichts für ungut *Trostkeks rüberschieb*

Wir sind alle hier, um zu lernen und uns zu verbessern.

Liebe Grüße
Nuff


_________________
Pronomen: sie/ihr

Learn from the mistakes of others. You don´t live long enough to make all of them yourself. (Eleanor Roosevelt)

You don´t have to fight to live as you wish; live as you wish and pay whatever price is required. (Richard Bach)
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mysterion
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
M


Beiträge: 42



M
Beitrag27.11.2010 11:53

von mysterion
Antworten mit Zitat

Aloha he!

Ich finde den Text gut. Wortwahl und Satzbau wirken in weiten Teilen sehr sicher. Einzig dem Einwand anuphtis, dem Leser würde nicht genug Raum für seine eigenen Empfindungen gegeben, muss ich zustimmen. Wenn ein Text nicht nur erzählen, sondern vielmehr berühren soll, dann muss ihn der Leser sich selbst erarbeiten.

Gruß,
M
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derSibirier
Reißwolf
D


Beiträge: 1250



D
Beitrag27.11.2010 15:28

von derSibirier
Antworten mit Zitat

Zitat:
Wenn ein Text nicht nur erzählen, sondern vielmehr berühren soll, dann muss ihn der Leser sich selbst erarbeiten.


oje, oje mister misteriös, dann braucht man ja gar nicht mehr zu lesen und kann sich alles selbst ausdenken. Deine These ist sehr gewagt,
wie sagte jemand demletzt; " als das Internet erfunden wurde, war es die Geburtsstunde aller Stümper, die hunderte Jahre in ihren Kämmerchen versteckt vor sich hinvegetierten, denen sich endlich eine Möglichkeit auftat, ihre Errungenschaften der ganzen Welt zu präsentieren ..."

beeindruckte Grüße

derSibirier,
dem kalt wird
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Ilona
Klammeraffe
I


Beiträge: 558
Wohnort: irgendwo in Hessen


I
Beitrag27.11.2010 16:23

von Ilona
Antworten mit Zitat

In Sibirien ist scheinbar der Lebertran ausgegangen,  Wink

Aniuphti und Mystirion sprechen etwas sehr wichtiges an: Der Leser sollte mitfühlen können und sich auf diese Weise sein eigenes Bild von der Geschichte malane können. Hier im Forum kann man  sehen, wie unterschiedlich Texte wahrgenommen werden.

Grüße von

Ilona
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mysterion
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
M


Beiträge: 42



M
Beitrag27.11.2010 17:54

von mysterion
Antworten mit Zitat

Aloha!

Richtig, Texte werden unterschiedlich wahrgenommen. Die Kunst ist eben, genau so viel wegzulassen, dass Menschen mit den unterschiedlichsten Einstellungen die Lücken schließen können, und trotzdem zum selben Ergebnis kommen.

Lässt man die Lücken zu breit, wird die Story anstrengend zu lesen. Sind sie zu eng, fühlt man sich vom Erzähler gegängelt und die Spannung geht flöten.

Gruß,
M
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Gast3
Klammeraffe
G


Beiträge: 794
Wohnort: BY


G
Beitrag28.11.2010 15:46

von Gast3
Antworten mit Zitat

Hallo Eselhengst,

ich finde es immer sehr schwierig, einen so privaten Text, noch dazu mit so einem tragischen Hintergrund zu kommentieren. Hier fällt es mir schwer, zu schreiben, das gefällt mir jetzt nicht, das hätte ich anders gemacht. Irgendwie finde ich das in so einem Fall unpassend. Andererseits hast du diese Geschichte hier eingestellt.

O.k., was ich dazu sagen möchte, ist, dass mich deine Geschichte nicht völlig kalt lässt, sie berührt mich stellenweise durchaus, aber nicht in der Gesamtheit. Normalerweise würde ich bei einem Text mit solchem Hintergrund hier mit Tränen sitzen (was bei mir eigentlich sehr einfach ist, weil ich recht leicht zu Tränen zu rühren bin). Hier ist das jetzt aber leider nur bedingt der Fall.

Nichts für Ungut, liebe Grüße
schneestern


_________________
Sich vergleichen, ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.
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