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Im Tiergarten


 
 
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ELsa
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 74
Beiträge: 1398



Beitrag28.07.2010 15:48
Im Tiergarten
von ELsa
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Im Tiergarten

Frau Stein steht aufgeplustert vor Helenes Schulbank, der hintersten im Klassenraum. Der kohlschwarz gefärbte Farah-Diba-Dutt wippt auf ihrem Kopf, und Helene nagt an den Fingernägeln, um nicht loszulachen. Dazu sticht Frau Stein mit Spinnenfingern nach ihr.

Kaum tauchte sie vor ein paar Monaten als neue Klassenlehrerin auf, weil ihre Vorgängerin ein Baby bekam, war sie Helenes Feindin geworden.

Frau Stein hebt die dünnen Striche, die ihre Augenbrauen darstellen sollen.
„Achtjährige rauchen nicht auf dem Schulklo. Man raucht überhaupt nicht! Ich erwarte eine Entschuldigung, dann darfst du mit in den Zoo.“
„Gehen“, bessert Helene nach.
„Das kommt auch auf dein Sündenregister.“
„Verzeihung“, schießt Helene heraus.
Nachdem Frau Stein alle Schüler auf den Ausflug mitnehmen muss, gibt sie sich offensichtlich damit zufrieden.
„An dir ist Hopfen und Malz verloren“, sagt sie noch und stampft zur Tafel.

Im Schönbrunner Affenhaus brechen alle in entzückte Schreie aus. Helene nicht. Diese Kreaturen sind abscheulich, sie belästigen sie regelmäßig in Albträumen. Geduldig wartet sie.

Ihr schmecken Zigaretten nicht. Das hat sie Papa gesagt. Als er fragte, warum dann, antwortete sie, „weil ich Regeln ablehne.“
Er lachte vor Frau Stein und der Direktorin, was aber in Helenes Schwarzbuch geschrieben wurde.

Am Ende der Tour durch den Zoo gelangt die Klasse an Helenes Lieblingsort: Das Meereshaus, in dem sie schon viele Stunden verbrachte, um im stillen Dunkel zu sitzen und dem Tanz der Fische durchs blaugrün schimmernde Wasser zuzusehen.
Frau Stein treibt die Schüler an den Aquarien vorbei; sie nehmen in Sachkunde gerade Reptilien durch. Im angeschlossenen Terrarium liegen in Dschungelhitze Warane, Schlangen, Echsen hinter den Scheiben. Ganz hinten befinden sich die Krokodile; das Ziel Frau Steins. Die Glaswand reicht Helene bis zum Kinn. Der schlammgrüne Riese döst mit offenem Maul. Er liegt zur Hälfte in der Pfütze, die einen Teich darstellt.
„Hallo, du“, sagt Helene.
Das Krokodil zwinkert ihr mit dem linken Auge zu. Als Helene klein war, hat sie sich so sehr gefürchtet vor ihm, wenn es nachts unterm Bett lauerte. Sie ist seine Freundin geworden, hat begriffen, dass sie von ihm behütet wurde.  

Windgleich fliegt Helene über die Absperrung, gefolgt von einem Aufschrei der Mitschüler. Frau Stein muss handeln, das weiß Helene. Lächelnd legt sie sich zwischen die Zahnreihen. Sie atmet seinen Atem ein, der nach Fisch und Urzeit riecht.
Frau Stein klettert herüber, ihr enger Rock reißt auf. Es schüttelt sie vor Angst.
„Komm sofort aus dem Maul heraus“, flüstert sie.
Das Krokodil bewegt den Schwanz, Helene hebt den Arm und streichelt die Schnauze über sich. Der Gaumen ist tiefrosa, ein Samtbett, bewehrt mit Palisaden.
Es spuckt Helene aus und schießt auf Frau Stein zu. Ihre Knochen knacken unter den Kaubewegungen, dann ist sie verschwunden bis auf den Dutt. Den mag nicht einmal das Krokodil.

Seither raucht Helene keine Zigaretten mehr.



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MagicMushroomTea
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 34
Beiträge: 525
Wohnort: München


Beitrag28.07.2010 16:50

von MagicMushroomTea
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Hui! smile

Die Geschichte begann ganz normal und dann kam dieser rasante Schluss mit dem niemand rechnen konnte! Ich finde die Geschichte als solche sehr kurzweilig und unterhaltsam.
Der Schlusssatz wirkt sehr pfiffig, aber meiner Meinung nach etwas aus dem Konzept gerissen.

Jetzt muss ich nur kurz überlegen an welche Geschichte mich der Schluss erinnert. Irgendein Abenteuer der Lausbuben Max und Moritz war es.

Liebe Grüße,
MMT


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"The story of life is quicker than the wink of an eye.
The story of life is 'Hello' and 'Goodbye' until we meet again."­
Jimi Hendrix
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ELsa
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 74
Beiträge: 1398



Beitrag28.07.2010 16:57

von ELsa
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Liebe MMT,

danke fürs "hui"!

Du meinst der Schlusssatz ...?
Also eigentlich führt er nur fort, was in der Mitte des Textes angelegt ist, dass Helene nur raucht, um zu protestieren gegen die Regeln. Oder kommt das nicht raus?
Nachdem Frau Stein aufgefressen ist, muss sie sich nicht mehr gegen sie auflehnen. So wars wenigstens gedacht.

Liebe Grüße
ELsa


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Alogius
Geschlecht:männlichKinnbeber

Alter: 47
Beiträge: 3206

Die Goldene Bushaltestelle Goldene Feder Prosa (Anzahl: 2)


Vom Verschwinden der Muse
Beitrag30.07.2010 12:38

von Alogius
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Moin,

ich finde diesen Text grandios. Zuerst scheint alles alltäglich, mit den typischen Problemchen. Die Ursache für das Handeln Deiner kleinen Hauptfigur wird deutlich - alles normal.

Dann folgt der Ausflug und die zunehmend bizarrer werdende Szenerie, bis die Alte endlich gefressen wird. Man mag an eine böse Hexe denken, die ihre gerechte Strafe bekommt durch das, was nur zuerst (wenn man ganz klein und unwissend ist) als Ungeheuer schien und sich als positiver Charakter zeigt. Deus ex machina im allerbesten (und entgegen landläufiger Meinung eben nicht im typischen Sinne) Zweck des Wortes.

Ich glaube, die Kleine wird ihren Weg machen. Sehr fein gemacht.

Danke

Gruß

Tom


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Aus einem Traum:
Entsetzter Gartenzwerg: Es gibt immer noch ein nullteres Fußballfeld. Wir werden viele Evolutionen verpassen.
Busfahrer: Tröste dich. Mit etwas Glück sehen wir den Tentakel des Yankeespielers, wie er den Ereignishorizont des Schwarzen Loches verlässt.
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Ernst Clemens
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 78
Beiträge: 594
Wohnort: München


Beitrag30.07.2010 14:20

von Ernst Clemens
Antworten mit Zitat

hallo elsa - wie üblich: gut gemachte geschichte von dir! aber vielleicht eingestellt, bevor sie richtig fertig war?

schau dir doch einmal diese stellen an, bitte:



Zitat:
„Verzeihung“, schießt Helene heraus.
- dieser satz ist nicht einmal umgangsprachlich vollständig, finde ich. wie wäre es mit "Verzeichung", presste Helene zwischen den Lippen heraus.



Zitat:
Das hat sie Papa gesagt. Als er fragte, warum dann, antwortete sie, „weil ich Regeln ablehne.“
- hier SPÜRE ich, dass etwas nicht rund ist - aber ich kann dir leider nicht sagen, was es ist. sorry.



Zitat:
Er lachte vor Frau Stein und der Direktorin, was aber in Helenes Schwarzbuch geschrieben wurde.
- hier ging es mir zu schnell: war der papa in der schule? wurde er vorgeladen?

herzliche grüße und nichts für ungut

ernst
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ELsa
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 74
Beiträge: 1398



Beitrag30.07.2010 18:29

von ELsa
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Lieber Tom,

Zitat:
ich finde diesen Text grandios. Zuerst scheint alles alltäglich, mit den typischen Problemchen. Die Ursache für das Handeln Deiner kleinen Hauptfigur wird deutlich - alles normal.
  Oh, das freut mich, danke!

Zitat:
Deus ex machina im allerbesten (und entgegen landläufiger Meinung eben nicht im typischen Sinne) Zweck des Wortes.

Ich glaube, die Kleine wird ihren Weg machen. Sehr fein gemacht.
Wie schön, dann ist es gelungen.

Ich habe jetzt schon 140 Seiten gefüllt. Geplant ist ein Buch, in dem dem zu mehreren der Helene-Episoden s/w Fotos gemacht werden. Hier z.B. das Krokodil Wink

Lieber Ernst, vielen Dank für deine Überlegungen.

Zitat:
hallo elsa - wie üblich: gut gemachte geschichte von dir! aber vielleicht eingestellt, bevor sie richtig fertig war?

Eigentlich nicht, aber Fehler finden sich ja immer wieder, leider.

Zitat:
schau dir doch einmal diese stellen an, bitte:
Zitat:
„Verzeihung“, schießt Helene heraus.
- dieser satz ist nicht einmal umgangsprachlich vollständig, finde ich. wie wäre es mit "Verzeichung", presste Helene zwischen den Lippen heraus.
Hm, naja, damit bin ich nicht recht einverstanden, die ganzen Episoden sind Helenes Altersstufe angepasst erzählt, die zum einen der Erzählstil ausmachen, zum anderen bin ich eine Wiener Autorin und mache vieles ganz bewusst so.

Zitat:
Zitat:
Das hat sie Papa gesagt. Als er fragte, warum dann, antwortete sie, „weil ich Regeln ablehne.“
- hier SPÜRE ich, dass etwas nicht rund ist - aber ich kann dir leider nicht sagen, was es ist. sorry.
Schade, es würde mir beim Nachdenken helfen ...

Zitat:
Zitat:
Er lachte vor Frau Stein und der Direktorin, was aber in Helenes Schwarzbuch geschrieben wurde.
- hier ging es mir zu schnell: war der papa in der schule? wurde er vorgeladen?
Das meinte ich auch, es funktioniert, weil durch die Leerzeile ein Orts- und Zeitenwechsel impliziert ist. Dass der Vater vorgeladen wurde, ist klar, dachte ich. Es ist wie im Film quasi ein Schnitt.

Lieben Dankesgruß
ELsa


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*Gast*
Klammeraffe
*


Beiträge: 504
Wohnort: Rheinland-Pfalz


*
Beitrag01.08.2010 13:03

von *Gast*
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Hallo Elsa,

eine Geschichte zum Genießen. Schön, wie die Realität dem Absurden Platz macht.

Ein paar kleine Anmerkungen hätte ich:

Zitat:
Kaum tauchte sie vor ein paar Monaten als neue Klassenlehrerin auf, weil ihre Vorgängerin ein Baby bekam, war sie Helenes Feindin geworden.
Den Satz fand ich überflüssig.

Zitat:
Das kommt auch auf dein Sündenregister.
Ich kenne das nur als "in dein Sündenregister".

Zitat:
Das Krokodil zwinkert ihr mit dem linken Auge zu. Als Helene klein war, hat sie sich so sehr gefürchtet vor ihm, wenn es nachts unterm Bett lauerte. Sie ist seine Freundin geworden, hat begriffen, dass sie von ihm behütet wurde.
Eine sehr schöne Stelle, mit dem Zwinkern hast Du einen feinen Übergang geschaffen. Nur fehlt mir etwas vor dem letzten Satz, und wenn es nur ein sonst überflüssiges Füllsel wie "dann" oder "mit der Zeit" oder etwas ähnliches wäre.

Zitat:
Es spuckt Helene aus und schießt auf Frau Stein zu. Ihre Knochen knacken unter den Kaubewegungen, dann ist sie verschwunden bis auf den Dutt. Den mag nicht einmal das Krokodil.
Der Dutt, den mag ich. Ein sehr schönes Detail. Nur würde ich den letzten Satz hier vielleicht weglassen. Ist ja eigentlich offensichtlich, dass das Krokodil ihn nicht mag.

Der Schluss mit den Zigaretten passt für mich. Überhaupt schön, wie Du Motive immer wieder aufgreifst, dass die Geschichten rund werden.

Lieben Gruß
Sabine
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ELsa
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 74
Beiträge: 1398



Beitrag01.08.2010 13:08

von ELsa
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Liebe Sabine,

vielen herzlichen Dank für die Vorschläge und fein, dass es dir gefällt!

Ich sacke mal deine Ideen ein!

Liebe Sonntagsgrüße
ELsa


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Mercedes de Bonaventura
Geschlecht:weiblichMetonymia

Alter: 40
Beiträge: 1254
Wohnort: Graz


Beitrag01.08.2010 13:48

von Mercedes de Bonaventura
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Guten Morgen. smile

Finde die Geschichte verstörend,  aber für meinen Geschmack zu ungleichmäßig.
(liest sich wie eine holprige Berg- und Talfahrt.)

 
ELsa hat Folgendes geschrieben:
Ihre Knochen knacken unter den Kaubewegungen,

find ich gut; ohne die Kaubewegungen.

Ich mag die Nüchternheit des Textes.
Das Ende weniger, auch wenn es vielleicht logisch erscheint.

Schönen Sonntag!
Lg M.


_________________
"Every secret of a writer's soul, every experience of his life, every quality of his mind is written large in his works."
(Virginia Woolf)
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ELsa
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 74
Beiträge: 1398



Beitrag01.08.2010 13:57

von ELsa
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Hallo Mercedes,

Danke schön fürs Lesen und deine Einschätzung.

Zitat:
aber für meinen Geschmack zu ungleichmäßig.
(liest sich wie eine holprige Berg- und Talfahrt.)
Ok, das muss ich mal so hinnehmen.

Liebe Grüße
ELsa


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