Was den Menschen treibt

[Dunkelblaue Kunst]

Hallo

Manchmal hat stumpfsinnige Arbeit ja etwas Meditatives. Denn, während man ständig die selben Handbewegungen macht, hat man viel Zeit nachzudenken und in sich zu gehen.
Zu so einer Gelegenheit ist auch folgendes Machwerk entstanden.
Ich weiß, es hat weder Reim noch Versmaß, aber ich fand, das eine freie Gedichtsform die Gedanken besser kleidet, als ein starres Korsett.
Vielleicht findet ja jemand gefallen an den Ausführungen.

Auf bald.

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Was den Menschen treibt

Es war Nachmittag und er lag sonnig in der Luft.
Wir genossen ihn im urigen Biergarten sitzend.
Wir, das waren vier alte Kameraden und ich,
die sich noch aus der Schule kannten.
Jeder hatte sein Leben und diese Treffen waren selten.
Aber wir trotzten dennoch der Zeit.

Alles wurde gesagt, was auf der Strecke geblieben war.
Es gab nichts zu verschweigen, wie es schien.
So flossen Bier und Wasser reichlich,
damit unsere Münder und Rachen
vom Reden und Lachen
nicht vollkommen austrockneten.

Ich weiß nicht mehr wie es dazu kam.
Im Grunde ist es auch egal.
Denn plötzlich war sie einfach da.
Ganz ungefragt drängte sie zu uns herbei,
und schwebte ungeniert zwischen uns herum.
„Wisst ihr, was den Menschen treibt?“

Björn war der erste der dazu sprach.
Er hatte irgendeinen Büroberuf,
in irgendeinem grauen Gebäude und war sich sicher:
„Die Angst ist es, die den Menschen treibt!
Ich arbeite härter aus Angst vor meinem Chef.
Ich beschenke meine Frau aus Angst sie zu verlieren.
Ich verbessere mich aus Angst vor Fehlern.
Angst ist da immer mit im Spiel.“

„Quatsch,“ widersprach Manfred vehement.
Er war schon immer energisch laut
und am Ende Polizist geworden. Er sprach:
„Der Hass, der treibt den Menschen!
Skin hasst Ausländer, Linker hasst Skin.
Die Spirale dreht sich und ich stehe mittendrin.
Menschen kämpfen aus Hass, sie töten aus Hass.
Menschen werden durch Hass gegen andere verbunden.“

„Ach nein, das glaube ich nicht,“ meinte Lisbeth schlicht.
Sie war Schwester und half
Patienten bei der Gesundung im Krankenhaus.
„Ich bin sicher, die Liebe treibt den Menschen!
Wenn ich sehe, wie sich Menschen helfen
allein aus Liebe zu einander.
Wenn sie sich Kraft und Trost spenden
und gegenseitig inspirieren, dann ist das Liebe.“

Horst seufzte nur: „Hach, wäre das schön.“
Er hatte es geschafft, war der Reichste von uns allen.
Als Bankier machte er seinen Reibach.
„Tut mir Leid, aber der Mensch wird von Gier getrieben.
Er greift immer nach den höchsten Äpfeln,
nur um einmal hinein zubeißen.
Er will mehr, mehr und mehr
und das ohne Reue in seiner blinden Gier.“

Nun lagen die Augen auf mir,
nachdem jeder seine Wahrheit verkündet hatte.
Ich schrieb Bücher und verdingte mich damit.
„Nun, ich denke, ihr liegt alle falsch,
auch wenn ihr Wahres sprecht.
Aber was den Menschen treibt, ist der Mensch.
Kein Ding namens Angst zischte mir zu sich zu fürchten.
Kein Ungetüm namens Hass drängte mich vor Wut zu schreien.
Keine Göttin namens Liebe ließ mich meine Frau küssen.
Kein Teufel namens Gier zwingt mich immer mehr zu wollen.
Was ihr beschreibt ist nicht echt.
Es sind nur Worte für das,
was Menschen denken und fühlen,
wenn sie sich durch das Leben treiben,“
schloss ich meine Gedanken
und die anderen nickten stumm.

Der Abend ging danach schnell vorbei,
viel zu schnell, man kennt das ja.
Wir versprachen uns bald wiederzusehen.
Ich hoffte nur, dass dem auch so wahr.
Dass wir, durch unsere Freundschaft geführt,
wieder auf uns zutreiben mögen.

[Gast2]

Hallo,

der Text regt geradezu an, zu diskutieren. Der Mensch also? Aber was macht ihn denn aus? Doch auch die von dir beschriebenen Eigenschaften...?

Liebe Grüße

Heidi

[Dunkelblaue Kunst]

Hallo,

Das mit dem "Diskutieren wollen" nehme ich mal als Lob, danke sehr.  
Und vielen Dank, dass du dir die Mühe gemacht hast, das Geschaffel durchzulesen.
Wie ich finde, ist dies ein bisschen wie die Henne und das Ei.
Was sind Gefühle ohne den Menschen, aber was ist der Mensch ohne Gefühle?
 
Woran ich beim Schreiben aber gedacht hatte war, dass sich Menschen hinter ihren Gefühlen verstecken. Wenn es heißt "Er hat sie aus Liebe getötet" oder "Die Einwohner wurden wegen der Gier der Konzernführung vertrieben", dann klingt das immer wie eine Entschuldigung. Unter dem Motto: "Ich war es nicht, sondern das Gefühl." Aber ich finde, der Mensch ist immer noch in der Lage zu entscheiden, ob er sich von seinem Gefühl einfach treiben lässt. Ich plädiere zwar nicht dafür, dass wir unsere Gefühle unterdrücken sollen. Aber wir sollten bewusster mit ihnen umgehen!

Auf bald.

[Gast2]

Ja ich finde deinen Text gut! Du meinst Gefühle durch den Willen steuern -sich kontrollieren?
Jetzt verstehe ich...interessant. Was ist mit sich "fallen lassen"?

[Dunkelblaue Kunst]

Hallo,

Hach, du wirfst mir ja richtig schwierige Fragen in den Weg. Gut, das dies in schriftlicher Form passiert, da bleibt mir genug Zeit zum nachdenken. Ansonsten hättest du mich längst übertrumpft.

Gefühle zu steuern halte ich für schwierig, aber schon gar nicht durch den Willen. Durch Drogen oder Medikamente vielleicht noch, aber soweit will es wohl kaum einer kommen lassen. Oder durch Hypnose, wo dann aber eigentlich auch der Wille außen vor bleibt.

Und wenn du kontrollieren im Sinne von "Prüfen" und nicht "Beherrschen" meinst, dann ja. Ich denke, dass man sich der Konsequenzen bewusst sein sollte.

Sich fallen lassen...
Da sagst du was.
Ich habe mich, seit ich "geistig erwachsen" bin (also im Alter von 3 Jahren ), glaube ich noch nie wirklich "fallen gelassen". Umso mehr verstehe ich Menschen nicht, die das die ganze Zeit machen. Und ich dann deren daraus resultierenden Probleme sehe.
Ich will mit meinem Text nicht sagen: "Folgt mir nach, den ich habe den heiligen Gral gefunden!"
Sondern eher: "Denkt auch mal ein bisschen über euch nach."

Auf bald.

[yoghurt]

ich habe den text nun schon so viele male besucht dass ich doch wirklich auch mal was dazu sagen könnt, und zwar zur form und nur kurz:
mir gefällt der crossover zwischen biergartensituation und die erzählform einer gesprächsrunde, um verschiedene facetten und zum schluss eine art spiegel dieser facetten zu erzählen, die für mich etwas eher klassisches ist und mich an arabische geschichten erinnert.

..und was ich zur diskussion sagen wollt lass ich doch weg es ist wirklich zu wirr. vielleicht bei einem weiteren anlauf.

ich habe den text sehr gerne gelesen
lg
yo

[Dunkelblaue Kunst]

Hallo,

Ich bin ehrlich überrascht, dass da noch jemand gefallen an diesem Kleinod verschwurbelter Gedankengänge findet.

Ich muss sagen, ich habe kaum klassische Werke, und gar keine arabischen gelesen. Auch habe ich den Text eigentlich sehr flott runtergeschrieben, und mich von meinen Gedanken treiben lassen. Mit einem konkreten Plan bin ich da nicht herangegangen. Deshalb habe ich es auch, und weil es mein erster Beitrag ist, in den "Trash"-Bereich gepostet. Obwohl ich es eigentlich mag.

Vielen Dank für den Kommentar.

Auf bald.

Martin