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Endstation


 
 
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Enfant Terrible
Geschlecht:weiblichalte Motzbirne

Alter: 30
Beiträge: 7278
Wohnort: München


Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag29.09.2009 14:20
Endstation
von Enfant Terrible
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Von oben verriegelt,
damit aus den Rohren die Luft
zirkulieren kann, ohne jemand
unnötig zu streifen.

Mäntel und Haare haben unten zu bleiben.
Gepäck festigt die Hand, die selbst im Vakuum
etwas zum Kämpfen braucht.

Diagonale Förderbänder
von oben nach unten
seitwärts und im Kreis
- Stufen eliminiert
als unnötige Irritatiion -
zu den Spiegeln,
immer zu den Spiegeln,
die den Zug zwischen zwei Schlünden
hin und her werfen,
und er steht.



_________________
"...und ich bringe dir das Feuer
um die Dunkelheit zu sehen"
ASP

Geschmacksverwirrte über meine Schreibe:
"Schreib nie mehr sowas. Ich bitte dich darum." © Eddie
"Deine Sprache ist so saftig, fast möchte man reinbeißen." © Hallogallo
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Nina
Geschlecht:weiblichDichterin


Beiträge: 5012
Wohnort: Berlin


Beitrag29.09.2009 14:38
Re: Endstation
von Nina
Antworten mit Zitat

liebes krümelchen,

endlich mal ein gedicht, zu dem ich spontan einen zugang finde! wie schön! bei manchen deiner gedichte komme ich durch die wechselnde metapherflut nicht hindurch. hier ist es anders. hier bleibst du bei einem  bild. das finde ich gut.
ich schreibe zwischen die einzelen zeilen, ich hoffe, du findest dich darin zurecht.

Enfant Terrible hat Folgendes geschrieben:
Von oben verriegelt,
damit aus - in den Rohren die Luft
zirkulieren kann, ohne jemanden
unnötig zu streifen.

...
das lyrische ich ist bei sich, seinen gedanken. es ist nach außen hin sichtbar, aber nicht erreichbar. es hat sich selbst verschlossen (von oben verriegelt), und sich, so gut es geht, in seinem leben eingerichtet. (damit in den rohren die luft zirkulieren kann). es möchte, dass etwas in ihm lebendig und beweglich bleibt, und doch, ist es auf ihre art starr (rohre). begegnen möchte es vielleicht, aber nicht berührt werden, nicht berühren. es möchte einfach nur da-sein, einfach nur existieren.

....

Mäntel und Haare haben unten zu bleiben. (müssen, sollen, dürfen....)
Gepäck festigt die Hand, die selbst im Vakuum
etwas zum Kämpfen braucht.

diese strophe finde ich sprachlich etwas schwergängig. der einstieg ist meines erachtens etwas holprig geraten. haben unten zu bleiben formuliert etwas von außen, so verstehe ich es. wie etwas zu sein hat, aufgedrängt durch moral und wertvorstellungen der gesellschaft, vielleicht der eltern oder andere menschen. etwas, das über dem lyrischen ich steht, und es auf eine art bedrängt. gepäck festigt die hand, die selbst im vakuum etwas zum kämpfen braucht. das lese ich so, dass das lyrische ich, halt sucht, vielleicht einen halt auch braucht, weil es kämpfen möchte. es möchte sich mit der welt auseinander setzen, sich in ihr bewegen, auch wenn es ohne berührung bleiben möchte. es möchte, in sich geschlossen, "sein".

...

Diagonale Förderbänder
von oben nach unten
seitwärts und im Kreis
- Stufen eliminiert
als unnötige Irritatiion -
zu den Spiegeln,
immer zu den Spiegeln,
die den Zug zwischen zwei Schlünden? (schlünde ist korrekt - ich habe gerade mal nachgeschaut. so richtig schön klingt das wort hier allerdings nicht. eine alternative habe ich aber nicht zur hand.)
hin und her werfen,
und er steht.


förderbänder, diagonal. bildlich recht stark, doch inhaltlich zögere ich noch darin zu lesen. vielleicht sind es menschen, die das lyrische ich "fördern" (wollen) au fihre art. das lyrische ich ist umgeben von etwas beweglichem, und doch wirkt es selbst wie unbewegt, wie ein betrachter der gesamten szenerie. stufen eliminiert es, als unnötige stör"felder". keine stufen, alles soll flach und glatt sein, nichts soll behindern oder hindernis sein. in den spiegeln, was vermutlich die umwelt, das umfeld ist, betrachtet sich das lyrische ich immer wieder. es sieht sich nur in und durch die anderen. das lyrische ich ist ein wie ein zug, welcher auf schienen (vielleicht der eintönigkeit) durch eine strecke geschüttelt wird, (da ist das bild mit dem zug etwas brüchig. vielleicht meinst du es ja auch anders), um, nach dieser anstrengenden reise, wieder in ruhe zu sein.

lg
nina


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EdgarAllanPoe
Geschlecht:männlichPoepulistischer Plattfüßler

Alter: 32
Beiträge: 2356
Wohnort: Greifswald
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Goldene Feder Lyrik


Die Tauben
Beitrag30.09.2009 20:07

von EdgarAllanPoe
Antworten mit Zitat

Hallo Krümel!

Gestern, als ich das Gedicht zum ersten Mal las, wusste ich gar nichts damit anzufangen, weil mein Gehirn vor lauter Erkältung so stark rebelliert hat, dass mein lyrisches Verständnis auf der Strecke blieb.
Wenden wir uns nun, nachdem es mir wieder besser geht, den einzelnen Versen zu und versuchen uns an einer Interpretation:

Zitat:
Von oben verriegelt,
damit aus den Rohren die Luft
zirkulieren kann, ohne jemand
unnötig zu streifen.


Unser Betrachter - im Gegensatz zu Nina würde ich nicht unbedingt sagen, dass es ein LI sein muss (woher soll ich das denn wissen?) - befindet sich in einem abgeriegelten "Raum", also einer Situation, aus der er nicht fliehen kann. Wie so oft in deinen Gedichten, vermute ich hier spontan, dass es sich bei dem Raum um eine Gesellschaft handelt, die ihren Mitgliedern keinen Freiraum lässt. Die "Rohre", durch die eigentlich Sauerstoff zugeführt werden soll, lassen die "Luft" nach draußen ziehen. Das bedeutet hier zum Einen, dass die Menschen in einer unwürdigen Situation nicht mehr leben können, dass sie förmlich "ersticken", und zum anderen stelle ich mir Folgendes vor: Wenn man eine brillante Idee hat, fühlt man sich oft, als sei man von einem Lufthauch gestreift worden. Auf diese unwürdige Situation übertragen, weist das auf einen oder mehrere Menschen hin, der bzw. die einen erhellenden Weg gefunden haben, aus der schlechten, der nahezu diktatorischen Gesellschaft auszubrechen; doch die Luft, die vorher da war, zieht an ihnen vorbei, wird "abgesaugt". Das weist darauf hin, dass die Chefs dieser Gesellschaft solche befreienden, den anderen nützlichen Ideen nicht dulden.

Zitat:
Mäntel und Haare haben unten zu bleiben.
Gepäck festigt die Hand, die selbst im Vakuum
etwas zum Kämpfen braucht.


In ihrem Inneren sind die Menschen davon überzeugt, dass diese Gesellschaft verkommen ist, doch sie haben "Mäntel" darüber legen müssen. Daraus schlussfolgere ich, dass sie das Elend der Gesellschaft nur passiv anerkennen. Sie schwimmen mit ihm. Sie können niemals fliehen, alles Äußere - Freundschaft usw., "Gepäck" eben, das man zum Leben braucht -, wird nicht geduldet.

Zitat:
Diagonale Förderbänder
von oben nach unten
seitwärts und im Kreis
- Stufen eliminiert
als unnötige Irritatiion -
zu den Spiegeln,
immer zu den Spiegeln,
die den Zug zwischen zwei Schlünden
hin und her werfen,
und er steht.


Die Menschen werden auf "Förderbändern" transportiert, das heißt, sie werden durch die Regierung und was auch immer von allen Richtungen - oben, unten, seitwärts, kreisdrehend - beeinflusst. Es gibt keine Unebenheiten in diesem Kreislauf ("Stufe eliminiert"), das heißt, alle werden gleichgestellt, damit sie der menschenunwürdigen oberen Etage glauben. Gleichzeitig macht man ihnen bewusst, dass es so und anders nicht sein kann (man "spiegelt" sie), weshalb die Menschen dieser Manipulation nicht entfliehen können. Somit fahren sie in den Abgrund (die "Schlünde"), weil jegliche Individualität im Keim erstickt.

Liebe Grüße,

Eddie


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(...) Das Gedicht will zu einem Andern, es braucht dieses Andere, es braucht ein Gegenüber. Paul Celan

Life is what happens while you are busy making other plans.
- JOHN LENNON, "Beautiful Boy"

Uns gefällt Ihr Sound nicht. Gitarrengruppen sind von gestern. (Aus der Begründung der Plattenfirma Decca, die 1962 die Beatles ablehnte.)
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Enfant Terrible
Geschlecht:weiblichalte Motzbirne

Alter: 30
Beiträge: 7278
Wohnort: München


Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag03.10.2009 12:30

von Enfant Terrible
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo euch beiden und vielen lieben Dank für die interessanten Kommentare!

Nina, es freut mich sehr, dich bei einem meiner Texte anzutreffen, umso schöner ist es, dass du dich so gründlich mit diesem experimentellen Gedicht auseinander gesetzt hast. Deine Interpretation finde ich sehr spannend, weil du dich hier aufs Individuum konzentrierst, weniger auf das "System", sondern auf das Leben einer Person, gewissermaßen die Selbstfindung des LIs. (falls ich deine Interpretation meinerseits richtig deute). Auf jeden Fall fand ich es faszinierend, wie du die Persönlichkeit des LIs aus seiner Umgebung heraus charakterisiert hast. Über deine sprachlichen Anmerkungen werde ich noch nachdenken.

Eddie, du hast dir die gesellschaftskritische Komponente des Gedicht herausgegriffen, auch das finde ich interessant und stimmig. Insgesamt habe ich in dem Gedicht (übrigens von einem Song inspiriert) ja das Bild einer U-Bahn aufgegriffen und ad absurdum geführt, um dieses "Transportiertwerden" herauszuarbeiten, diese Willenlosigkeit, auch Unmündigkeit bei der Wahl eines eigenen Weges. Mit "Förderbändern" (Rolltreppen, die nicht einmal mehr Stufen habe) wird den Menschen vorgegaukelt, dass es weitergeht, dass es "Levels" gibt - aber oben ist alles abgeriegelt und so werden sie sinnlos innerhalb des Labyrinths transportiert, ohne voranzukommen. Wie begrenzt diese Welt ist, merkt man daran, dass sie zwischen zwei Spiegel passt: Es gibt keine Veränderung, keine richtige "Reise", das vorhandene wird immer hin und her reflektiert und dadurch auch immer mehr verfremdet. Da bleibt kein Platz für etwas Neues, oder für "frischen Wind". Stabilität wird simuliert, indem man den "Reisenden" Gepäck in die Hand drückt, sinnlosen Ballast, etwas, was sie zu schleppen, gegen dessen Gewicht sie ankämpfen können - als Beschäftigungstherapie, als Illusion, etwas Sinvolles zu machen, etwas zu bewegen.

Ich danke euch beiden nochmals, diese Intepretationen von euch waren sehr lehrreich!


_________________
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