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femme-fatale233 Füßchen
Alter: 31 Beiträge: 1913 Wohnort: München
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10.12.2008 17:16 Guten Tag, Herr Tod! von femme-fatale233
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Ich weiß der Text ist etwas lang, aber er wirkt nur als Ganzes...
Guten Morgen, Herr Tod!
Es war ein Dienstagmorgen im April, als ich aufwachte und mir der Tod gegenübertrat. Warum er schon da war oder woher er kam wusste ich nicht, ich hatte ihn mir nur irgendwie eindrucksvoller vorgestellt. Aber das, was da vor mir stand, war ein netter, älterer Herr mit langem Bart, einer schlecht gebunden Krawatte und einem fleckigen, grauen Anzug. Er wirkte eher wie ein Penner aus der Fußgängerzone und nicht wie der Superschurke schlechthin.
„Guten Morgen, Herr Tod“ murmelte ich höflich und schälte mich aus meinem Bett. Er grüßte freundlich zurück und musterte mich. Weil ihm die Situation etwas unangenehm zu sein schien, versuchte ich das Eis zu brechen. „Wo haben sie denn ihre Sense gelassen?“ fragte ich interessiert. Eine seiner Augenbrauen zuckte kurz, ansonsten kam von ihm keine Reaktion. Es war, als würde er über etwas nachdenken.
„Soll ich mir schon mal meine letzten Worte überlegen?“, versuchte ich ihm auf die Sprünge zu helfen, aber er schüttelte nur den Kopf.
„Na ja, dann mach ich mir jetzt erst einen Kaffee, vielleicht haben sie es sich ja bis dahin überlegt“, flötete ich und tapste barfuß in die Küche, wo ich heißes Wasser aufsetzen wollte. Der Tod schlurfte mir nach und sah sich schweigend um. Nachdem er das Zimmer einmal mit den Augen abgegrast hatte, ging er auf mein kleines Weinregal neben dem Esstisch zu und zog eine teure Flasche Spätburgunder heraus. Lautlos nahm er einen Korkenzieher, der neben dem Herd lag, und öffnete sie.
„Wo habe sie denn Gläser?“ wollte Herr Tod wissen. Ich deutete etwas verdutzt auf den Schrank rechts der Tür.
„Trinken sie immer Wein wenn sie jemanden zu sich holen?“ Jetzt sah ich ihn direkt an.
„Nein“, meinte der Mann, während er uns beiden etwas von dem guten Tropfen einschüttete, „für gewöhnlich nicht. Sonst wäre ich ja dauernd blau. Das ist für meine Karriere nicht gerade förderlich. Ich will ja nicht, dass man mich feuert. Aber manchmal, wenn es mir irgendwo sehr gut gefällt oder ich einen besonderen Auftrag habe, dann gönne ich mir ein bisschen.“
„Ach das klingt ja sehr interessant“, antwortete ich, „aber warum bin gerade ich etwas Besonderes? Ich bin kein toller Musiker, ich bin nicht der nächste Che Guevara, ich war nicht besonders gut in der Schule… ich bin doch nur ein einfacher Industriekaufmann mit zwei Kindern, einem Hund und einer mehr oder weniger karrieregeilen Frau.“
„Sie sind lustig“, kiekste Herr Tod, der während unseres Gesprächs schon anderthalb Gläser Wein geleert hatte, „Wissen sie denn nicht, dass einige menschliche Vergehen mit einem sofortigen Besuch von mir bestraft werden?“ Ich schüttelte den Kopf. Nein, so etwas hatte ich noch nicht vorher gehört.
„Nun sind sie sicher gespannt zu erfahren was sie denn so Schlimmes getan haben.“ Ich nickte.
„Ich will es ihnen sagen: Wissen sie Gott hat seine eigenen Gesetze. Alle glauben immer man käme ins Fegefeuer, wenn man mordet, Kinder missbraucht, stielt oder Brand stiftet etc. Aber nein, dem ist nicht so. Wieso auch? Das würde ja bedeuten, dass Gott von Grund auf gut wäre und das ist ja nun wirklich ein absurder Gedanke. Er mag es einfach nur nicht, wenn man seine Prinzipien missachtet.“
„Und was wären das für ‚Prinzipen‘?“, fragte ich.
„Ach, da gibt es alles Mögliche: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast, Lass dich nicht bei etwas Dummen erwischen, Kaufe dir kein Pay-TV, um dann Tiersendungen statt den Pornokanal zu gucken, öffne niemals einem Zeugen Jehovas die Tür…“
„Aber was ist denn jetzt mit mir?“ Langsam wurde ich ungeduldig.
„Immer schön relaxen!“ Der Tod schenkte sich genüsslich das dritte Gläschen ein und nippte daran. „Da waren eine Reihe von Sünden die sich in letzter Zeit gehäuft haben: Am 18.03. waren sie auf einer Schlagerparty, drei Tage später haben sie lieber mit ihrer Frau Ostereier bemalt anstatt die Einladung ihrer sexy Kollegin anzunehmen mit ihr einen Trinken zu gehen. In der darauffolgenden Woche haben sie ihrem Chef gesagt sie seien für den Absturz des Serversystems verantwortlich, weil ihnen Kaffee über den Computer gelaufen ist, obwohl sie diesen Fehler ruhig auf den neuen Praktikanten hätten schieben können. Keine fünf Tage danach führen sie mit dem kleinen Lars ein total verpatztes ‚Vater-Sohn-Bienchen-Blümchen-Gespräch‘ und am gleichen Abend sagen sie auf die Frage ihrer Frau, ob sie mal wieder Lust auf Sex hätten, ‚Nein Schatz heute nicht, ich habe Kopfschmerzen‘. Und erst gestern haben sie einen 500 Euro-Schein zum Fundamt getragen, anstatt ihn stillschweigend zu behalten. Alles in allem ist das ziemlich viel, was sich auf ihrem göttlichen Payback-Konto angesammelt hat. Und deshalb fand Gott nun einmal, dass es Zeit ist!“
„Das wusste ich nicht“, lächelte ich unschuldig, „auf welche Weise soll ich denn nun sterben?“
„Oh Mann, sie sind ein Trottel, ein Armleuchter!“ stöhnte der Mann und schüttete den Rest des Spätburgunders in sein Glas. „Jeder normale Mensch würde mich auf Knien anflehen ihn leben zu lassen, aber sie….“
Der Tod trank den letzten Schluck und erhob sich dann feierlich, um mir zum Abschied ein Ständchen zu lallen. Was dann passierte – keine Ahnung. Ich wusste nur, dass eine lange Reise begonnen hatte.
Ich freue mich über eure Meinung.
Weitere Werke von femme-fatale233:
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Pütchen Weltenbummler
Moderatorin
Beiträge: 10312 NaNoWriMo: 40788 Wohnort: Im Ländle
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08.09.2009 02:12
von Pütchen
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Mannomann, Femme, dass das Ding so lange unbeachtet blieb, ist wirklich so richtig schade
Ich hab mich köstlich amüsiert. Diese Geschichten liegen dir total.
Klasse gemacht
Jetzt hab ich irgendwo ein fehlendes Komma entdeckt. Wer findet es?
Der kriegt ein Werther's Echte Karamellbonbon
Ansonsten nichts zu meckern
Mensch, Federn geht im Trash nicht, aber virtuell, da kriegst du so einige von mir
Liebe Grüße, Pütchen
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"Die Menschen bauen zu viele Mauern und zu wenig Brücken."
(Isaac Newton, 1642-1726)
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Florian Wortedrechsler
Alter: 34 Beiträge: 65 Wohnort: Schwabenland
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08.09.2009 03:02
von Florian
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Mensch Pütchen, ich hoffe femme freut sich wenigstens darüber, dass wir dieses alte Ding wieder ausgraben.
Hat mir gut gefallen, der Text weiß immer wieder auf komische Weise zu überraschen. Vor allem der Dialog war sehr erfrischend geschrieben.
Nur konnte ich leider keinen tieferen Sinn darin erkennen.
Zitat: | Ich will es ihnen sagen: Wissen sie, Gott hat seine eigenen Gesetze. |
Wo bleibt mein Bonbon? Ich habe es dringend nötig, hier liegt nur diese ekelhafte Kaffee-Variante rum.
Grüße, Flo
_________________ Nichts ist wahr. Alles ist erlaubt. |
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femme-fatale233 Füßchen
Alter: 31 Beiträge: 1913 Wohnort: München
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08.09.2009 09:44
von femme-fatale233
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Hallo Puetchen, hallo Florian!
Ich freue mich, von euch beiden ein Feedback bekommen zu haben, besonders, weil der Text so lange unbeantwortet blieb.
Nun macht es mich natürlich besonders stolz, dass ihr euch beim Lesen amüsiert habt, denn ich habe zwischendurch an diesem Text gezweifelt. (erst hat mir mein Bauchgefühl gesagt, er sei "eigentlich ganz gut", dann habe ich mir plötzlich gedacht "ist er zu abgedroschen?", tja und was blieb war Verwirrung)
Schade Florian, dass sich dir der tiefere Sinn meiner Geschichte nicht erschließt.
Liebe Grüße, Caro
PS: Puetchen, wenn du Werthers Echte so gerne magst bringe ich zum Forentreffen, falls ich komme, ne Tüte Karambar mit. Das sind französische Karamelstangen, die Dinger machen echt süchtig.
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Angst Scheinheiliger
A Alter: 34 Beiträge: 1571
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A 08.09.2009 10:46
von Angst
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Florian hat Folgendes geschrieben: | Zitat: | Ich will es Ihnen sagen: Wissen Sie, Gott hat seine eigenen Gesetze. |
Wo bleibt mein Bonbon? |
Und wo meines???
Nö, also, ehm, tja, eigentlich sollt ich mich schämen, weil ich auf diesem Fehler rumreite, ohne die Geschichte überhaupt gelesen zu haben. Wird später nachgeholt, versprochen!
Kleinlaute Grüsse,
Scheinheilige
_________________ »Das Paradox ist die Leidenschaft des Gedankens.«
— Søren Kierkegaard, Philosophische Brosamen,
München: Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 48. |
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MrPink Lyromane
Alter: 53 Beiträge: 2431 Wohnort: Oberbayern
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25.09.2009 22:11
von MrPink
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Liest sich locker weg. Das Ende hätte noch einen Knaller parat haben können. Der Typ erinnert mich irgendwie an den guten alten Ned Flanders, und das ist schon mal positiv.
okelidokeli..
andi
_________________ „Das Schreiben wird nicht von Schmerzen besorgt, sondern von einem Autor.“
(Buk) |
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femme-fatale233 Füßchen
Alter: 31 Beiträge: 1913 Wohnort: München
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25.09.2009 22:17
von femme-fatale233
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Hallo MrPink,
schön, dass dich die Figur an Ned Flanders erinnert. An den habe ich beim Schreiben selber gar nicht gedacht, aber jetzt wo du es sagst... ja gewisse Ähnlichkeiten haben die beiden.
Okelidokeli^^,
liebe Grüße, Caro
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