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Zu anspruchsvolles Schreiben

 
 
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LeoModest
Geschlecht:männlichLeseratte

Alter: 37
Beiträge: 142
Wohnort: Travemünde


Beitrag28.03.2014 14:04
Zu anspruchsvolles Schreiben
von LeoModest
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo ihr alle,

ich würde gerne mal folgende Diskussion anregen: Wo beginnt die Schriftstellerei anspruchsvoll zu sein? Womit überfordern wir unsere Leserschaft?

Die Frage entstammt nun meinen Erfahrungen hier im Forum. Mir scheint, dass hier unheimlich viel Wert darauf gelegt wird, gleich im Anfangskapitel einen Spannungsbogen anzudeuten. Ständig wird geschrieben, dass man 'so viele Leser langweilt' und man dafür sorgen muss, dass die Leserin 'unbedingt weiterlesen will'.

Ich stimme dem nicht zu. Die Art von Literatur, die ich liebe, hat nicht diese Art von Spannung am Anfang. Wenn ich mir den ersten Satz (!) in Manns 'Doktor Faustus' anschaue: ewig lang, total verschachtelt - und dann "Ich bitte wieder ansetzen zu dürfen", weil er seinem eigenen Stil eine gewisse Unruhe (der genaue Begriff ist mir entfallen) anmerkt. Hier im Forum bekäme unser Herr Mann "Streich' das, damit verlierst du jeden Leser!" zu hören.
Robert Musil, 'Der Mann ohne Eigenschaften'. Da ist der erste Absatz eine meteorologische Analyse, was ist die Durchschnittstemperatur, was ist die Luftfeuchtigkeit, wo stehen die Sterne, blablabla. Er endet sinngemäß: "In einem Worte, es war ein schöner Tag im August." Ich erwartete harte Kritik hier im Forum.
Die Beispiele ließen sich fortsetzen.

Mir selber wurde auch gesagt, dass man so die Leser verliert. Ich will mich hier nicht mit Mann oder Musil vergleichen. Möchte nicht beleidigt wirken oder mich selbst verteidigen. Ich will aber dies sagen: ich habe die schriftstellerische Ambitionen, gute Literatur zu verfassen. Noch bin ich nicht so weit und ob ich es schaffe, sei dahingestellt. Aber ich fühle mich in dieser 'Wo ist die Spannung?'-Atmosphäre unwohl. Eben weil ich selber überhaupt keine Spannung in Büchern möchte. Ich brauche keinen Mord, keine Vergewaltigung, kein Geheimnis und keinen Überfall, keine Gewalt, keinen Sex. Ich brauche nicht auf den ersten drei Seiten die Ankündigung eines großen Skandals und keine Andeutung des großen Konfliktes, der mich bei der Stange hält. Mich reizt es, wenn jemand schön schreibt. Mir gefällt es, wenn jemand neuartige Charaktere schafft, die für mich lebendig werden, mich freut's, wenn das Lesen an sich Freude macht.
Einmal wurde mir hier gesagt, mein Text sei grässlich langweilig, aber sehr schön zu lesen. Für mich Ersteres tatsächlich beim Lesen größtenteils unwichtig: mir reicht guter Stil (wenn ich da auch sehr hohe Ansprüche habe), die Handlung ist mir recht egal.
Natürlich drücke ich dies sehr pointiert aus. Und natürlich braucht's irgendwas, was eine Geschichte ausmacht. Ja, gerne. Und natürlich weiß ich, dass es viele Leser und Leserinnen gibt, die viel Spannung wollen: ständig muss irgendetwas passieren! Klar, wenn ich auf meinen Grundsätzen bestehe, schließe ich einen bedeutenden Anteil der Leserschaft aus. Und ja, dieser Teil ist größer als derjendige, der Thomas Mann liest und liebt (ohne zu sagen, dass ich so gut bin wie er!). Aber das ändert nicht daran, dass es eben auch die andere Leserschaft gibt, die aus anderen Gründen liest als 'Die erste Seite war so spannend, ich will wissen, wie es weitergeht...'

Nun, ich hoffe, das klingt nun nicht sehr verbittert. Ich will auch gar nicht auf meinem Recht bestehen (und gebe auch nichts auf Sätze wie 'Schreib', was du willst!'). Ich wollte nur mal diese Gedanken notieren und wäre neugierig, was hier für Reaktionen kommen.

Mit besten Grüßen

Leo
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Gerling
Geschlecht:männlichExposéadler
G

Alter: 59
Beiträge: 2371
Wohnort: Braunschweig


G
Beitrag28.03.2014 14:25

von Gerling
Antworten mit Zitat

Meinungen werden schnell zu Bewertungen oder werden als solche aufgefasst.
Fakt ist, du kannst nur das wirklich gut schreiben, was du selbst auch gerne lesen würdest. Und da es in der Literatur unterschiedlichste Genres gibt, die jede für sich eigene "Gesetze" hat, ist eine pauschale Aussage zum Beginn eines Buches überhaupt nicht möglich.
Darüber hinaus; wenn man die "Regel" beachtet, dass man nur das wirklich gut schreiben kann, was man selbst auch gerne lesen würde, ist es einem vollkommen schnuppe, ob einer, mehrere oder viele der Meinung sind, dass schon der erste Satz den Leser in seinen Bann ziehen muss - man tut das, was man gerne selber lesen würde. Oder besser, man sollte das tun.
Es ist deine Geschichte, also gelten deine Regeln. Der Leser entscheidet, ob du die richtige Wahl getroffen hast.
Ja, das geht jetzt in die Richtung "schreib, was du willst." Aber das ist meiner Meinung nach der einzige Weg, der zu einem guten Buch führt, welches auch wirklich von dir ist. Ansonsten wäre es eine Aneinanderreihung von Meinungen und Tipps andere. Und das kann niemand wollen. Und es wird auch keiner lesen ...


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Fjodor
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1485



Beitrag28.03.2014 15:28

von Fjodor
Antworten mit Zitat

Hallo LeoModest,

ich habe das getan, was Gerling empfiehlt, nämlich ein Buch geschrieben, das ich selbst gerne lesen würde.
Während der Verlagssuche hätte ich manchmal auch so einen "Stoßseufzer" loslassen können in der Art Deines Beitrags. In einigen Rückmeldungen stand drin, das Buch sei zu anspruchsvoll und die Leser brächten heute nicht die Geduld auf, wie sie die Autoren früher beanspruchen konnten ...
Also genau was du schreibst.

Durch eine gewisse Beharrlichkeit und weil ich nicht als Einziger von dem Werk überzeugt war, ist es jetzt einigermaßen verbreitet, hat einige gute Kritiken bekommen, sogar Sendezeit im Rundfunk, es gibt eine Hörbuchversion, ein eBook-Neuausgabe etc -- aber der kommerzielle Erfolg ist nicht so, dass ich den ablehnenden Verlagen sagen könnte, sie hätten einen Riesenfehler gemacht, denn die leben vom Verkauf und nicht von der Anerkennung.

Ich muss allerdings sagen, dass anspruchsvolle Literatur immer auch den Anspruch haben sollte, den Leser, den sie ansprechen will, nicht zu langweilen. Nur nimmt sich der Autor etwas mehr als vielleicht die kommerziell orientierten Schreiber die Freiheit heraus, selbst zu bestimmen, was er interessant und spannend findet.

"Anspruchsvoll" heißt auch nicht automatisch "besseres Handwerk" - es ehrt Dich, dass Du da erstmal bescheiden denkst. Sonst liegt die Versuchung nahe, sich schnell als verkanntes Genie zu fühlen. Damit ist nichts gewonnen. Ich denke, es gibt die Nischen und Korridore auch für individuelle Produkte, aber man muss dann damit leben können, von der Nachfrage nicht überwältigt zu werden Smile  Und man darf nicht neidisch auf andere schauen.

Bei denen, die populärere Genres bedienen, habe ich allerdings oft den Eindruck, dass sie überwiegend schreiben was sie auch selber mögen - und z.B. die Konstruktion eines guten Thrillers wiederum erfordert eigene Qualitäten.  

LG, F.
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Gerling
Geschlecht:männlichExposéadler
G

Alter: 59
Beiträge: 2371
Wohnort: Braunschweig


G
Beitrag28.03.2014 15:35

von Gerling
Antworten mit Zitat

Fjodor hat Folgendes geschrieben:
Bei denen, die populärere Genres bedienen, habe ich allerdings oft den Eindruck, dass sie überwiegend schreiben was sie auch selber mögen


Auf mich trifft das auf jeden Fall zu ...


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Mr. Curiosity
Exposéadler

Alter: 35
Beiträge: 2545
Wohnort: Köln
Der goldene Käfig


Beitrag28.03.2014 15:47

von Mr. Curiosity
Antworten mit Zitat

Es ist ein Fehlglaube, zu denken, mit "Spannung" seien immer ein Mord, eine Entführung oder dergleichen verknüpft. Es ist halt problematisch, wenn eine Geschichte zu Beginn in keinerlei Hinsicht zupackt. Romane, die nicht von der Handlung angetrieben werden, müssen ihre Spannung eben aus der Sprache beziehen. Wenn beides zusammentrifft, eine belanglose Handlung und eine langweilige Sprache, ist der Roman schlecht. Es ist Quatsch, zu sagen, man wolle keine Spannung in einer Geschichte. Auf irgendeiner Ebene muss die Prosa spannend sein. Damit will ich jetzt nicht sagen, dass eine Geschichte schon dadurch spannend wird, dass man ein sprachliches Feuerwerk abfeuert. Auch Sprache erzeugt nur dann Spannung, wenn da Substanz hintersteckt.
Mein Lieblingsbeispiel ist immer "Jenseits von Eden" von John Steinbeck. Die ersten fünf bis zehn Seiten sind nur eine Landschaftsbeschreibung inklusive naturgeschichtlicher Anmerkungen zum Handlungsort des Romans. Dennoch ist da nichts langweiliges dran, weil darin quasi schon das ganze Grundthema des Romans symbolisch eingearbeitet ist bzw. antizipiert wird. Die Spannung wird aus der Bildsprache bezogen, es wird ein riesiger Raum geöffnet.
Wenn ein Buch weder auf sprachlicher Ebene noch auf Handlungsebene etwas liefert, ist es halt spannungsarm.

Hier im Forum empfehle ich dies: http://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?t=16201&highlight=swingkids

Das hat auch nicht im klassischen Sinne Spannung. Aber es ist dennoch nicht langweilig.


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"Wenn du Schriftsteller sein willst, dann sag, dass du der Beste bist ...
Aber nicht, solange es mich gibt, kapiert?! Es sei denn, du willst das draußen austragen."

(Ernest Hemingway in "Midnight in Paris")
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preusse
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1292
Wohnort: Bayern


Beitrag28.03.2014 16:06

von preusse
Antworten mit Zitat

Gerling hat Folgendes geschrieben:
Fjodor hat Folgendes geschrieben:
Bei denen, die populärere Genres bedienen, habe ich allerdings oft den Eindruck, dass sie überwiegend schreiben was sie auch selber mögen


Auf mich trifft das auf jeden Fall zu ...


Ich schließe mich an und gehe einmal davon aus, dass sich das auch nicht ändert.


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Fjodor
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Beitrag28.03.2014 16:20

von Fjodor
Antworten mit Zitat

@Gerling;Preusse: ja, euch habe ich u.a. gemeint Smile

@Mr.Curiosity: genau, irgendetwas muss Interesse wecken. Nun kann ich dabei vielleicht gewagtere oder eher "sichere" Wege gehen.
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preusse
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1292
Wohnort: Bayern


Beitrag28.03.2014 16:33

von preusse
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Dacht' ich's mir doch. smile

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Isabelle34
Klammeraffe
I


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I
Beitrag28.03.2014 16:46

von Isabelle34
Antworten mit Zitat

Ich schreibe so, wie ich gerne lese. Kein großes Drumrumgerede, rein in die Handlung, gut. Dabei stoße ich die Leser nicht auf irgendeinen großen Konflikt, es geschieht (nicht immer lol2 ) ein Mord oder Ähnliches.

In meinem aktuellen Roman sitzt meine Prota am Anfang in der Sprechstunde bei der Lehrerin ihrer Tochter und schaltet genervt ihr Handy auf stumm, weil ihre Mutter schon wieder anruft. Dann geht sie heim, kocht was (nicht die Mutter!), es passiert nichts Großartiges.

Meine Testleser fanden es nicht langweilig, die wollten wissen, warum sie ständig ihre Mutter wegdrückt. Die Auflösung ist nicht spektakulär, führt aber zu einer weiteren offenen Frage und das baut sich dann auf, bis der Leser mitbekommt, was in dieser Familie das Problem ist. Auf Seite fünfzig oder so.

Ich denke, ein Roman muss unterhalten und das von der ersten Seite an. Aber auf welche Art und Weise er das tut, kann so unterschiedlich sein, wie es die Geschmäcker der Leser sind. Die einen gucken ja auch mit Begeisterung ewig dauernde Serien, zig Folgen lang, bis es zum großen Ende kommt, andere haben lieber einen zwei-Stunden-Action-Streifen. Kommt drauf an wie es gemacht ist.
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Nicnak
Eselsohr

Alter: 39
Beiträge: 206
Wohnort: Pendler zwischen Berlin und Bayern


Beitrag28.03.2014 23:51

von Nicnak
Antworten mit Zitat

Hallo LeoModest,

ich bin mal dem link aus deinem Thread gefolgt.

Zitat:
Die Frage entstammt nun meinen Erfahrungen hier im Forum. Mir scheint, dass hier unheimlich viel Wert darauf gelegt wird, gleich im Anfangskapitel einen Spannungsbogen anzudeuten. Ständig wird geschrieben, dass man 'so viele Leser langweilt' und man dafür sorgen muss, dass die Leserin 'unbedingt weiterlesen will'.


Ich kann nur von mir sprechen, schätze aber es geht vielen anderen auch so.

Ich lese Bücher, lese Zeitung, lese teils auf Arbeit, und schreibe selber (was ja auch mit Lesen verbunden ist).

Wenn man dann etwas liest, was langweilig ist (oder man es als langweilig empfindet), ist doch klar, dass man es in die Kritik mit einbezieht als Tipp und Anregung.

Zitat:
Einmal wurde mir hier gesagt, mein Text sei grässlich langweilig, aber sehr schön zu lesen. Für mich Ersteres tatsächlich beim Lesen größtenteils unwichtig: mir reicht guter Stil (wenn ich da auch sehr hohe Ansprüche habe), die Handlung ist mir recht egal.


Ich schätze mal du meinst mich damit. Wink

Für dich mag es vielleicht reichen, wenn der Text an sich gut ist, egal welche Handlung drin vorkommt (wobei ich dir dass nicht ganz glaube, oder würdest du eine 80 Seitige Bedienungsanleitung für einen I-Pod lesen, nur weil sie von Gothe oder Schiller verfasst wurde (ja, es gab keine I-Pods zu der Zeit : ) , aber den Großteil der Leser würdest du damit nicht erreichen.

Wenn es dir nur um den Text an sich geht, solltest du es vielleicht über den Text schreiben, damit man weiß, worauf man seine Kritik beziehen soll.

Vom Text her gefällt es mir nach wie vor, Verbesserungsvorschläge, bzw. meine Kritikpunkte stehen daneben.

Gruß Nicnak
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Riccie
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 62
Beiträge: 402
Wohnort: Katzenkorb und Wolke 777


Beitrag29.03.2014 00:32

von Riccie
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Jede der oben angeführten Ansichten hat eine eigene Berechtigung.

Allerdings leben wir heute, nicht im 18. oder 19. Jahrhundert, in dem Bücher noch einer kleinen Leserschaft vorbehalten waren. Jenen, die Zeit hatten, Bücher zu lesen.

Ich will nicht sagen der Anspruch war höher. War er nicht. Aber es galten noch andere Gesetze für Geschriebenes. Es gab weitaus weniger Bücher - und vor allem gab es eine ganz andere Sprache.

Verschachtelter, langatmiger, umständlicher. Ja, die Zeit war langatmiger, das Leben behäbiger. Also passte es. Damals. Wenn ich heute alte Klassiker lese, brauche ich eine packende Handlung, um die Sprache ertragen zu können. Aber sie sind nicht mein Ding.

Ich lebe heute. Und ich will Konflikte, Handlungen und Charaktere, in die ich mich hineinversetzen kann - sonst bleibe ich als Leser draußen. Da kann die Sprache noch so geschliffen sein. Wobei ich Schachtelsätze nicht als anspruchsvoll, sondern als Zumutung empfinde. Meine Meinung.

Aber ich mag geschliffene Dialoge, mag Sprachwitz, mag kluge Wendungen, und ich liebe gebrochene, unvorhersehbare Charaktere.

Langeweile hasse ich. Die verzeihe ich nur in Fachbüchern, die mir gesuchte Inhalte vermitteln. Wenn möglich sehr einfach erklärt, je komplizierter die sachlichen Inhalte sind, desto wichtiger ist es, dass die Sprache nicht zusätzlich Rätsel aufgibt.

Alles andere ist wohl eher eine Genrevorliebe.

Ein Thriller darf nicht behäbig daherkommen, er braucht Thrill. Eine Liebesgeschichte darf zart, hart, romantisch, tragisch sein. Aber langweilig?

Ein gesellschaftskritischer Roman kann sowohl spannend für die Zielgruppe, als auch anspruchsvoll sein. In der Handlung. Aber bitte nicht in einer Sprache, deren Sätze oben anfangen und in der Mitte der Seite immer noch weiter plätschern. Das ist schlicht lese-unfreundlich. Nicht anspruchsvoll. Nicht gehoben, allenfalls abgehoben.

Usw...


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Jack Burns
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Alter: 54
Beiträge: 1443



Beitrag29.03.2014 00:47

von Jack Burns
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Hallo

Ob langatmig oder fesselnd ist nur eine Frage des Stils und nicht des Anspruchs. Je nach Situation lese ich beides gern.
Wenn im Forum gefragt wird: "Würdet ihr weiterlesen?" dann geschieht dies oft in Hinblick auf Verkaufschancen. Der größte Teil der Leser ist ungeduldig und die Profis im Forum wissen das auch. Deshalb die gutgemeinte Kritik. Andererseits: Der größte Teil  kauft auch Sarrazin und Feuchtgebiete.

Mach mal Dein Ding! Wenn Du davon überzeugt bist, dann stell Dich gegen den Mainstream! Man sollte immer selbst zufrieden sein mit dem, was man tut - in jedem Job.

Gegenbeispiel zu Deiner These (anspruchsvoll = langatmig):
Siegfried Lenz, Einstieg "Heimatmuseum":
Zitat:
Nein es war kein Unglück. Ich habe das Feuer gelegt, an einem Abend des achtzehnten August, mir blieb nichts anderes mehr übrig, als das Museum zu zerstören, [...] Kein Zufall, mein Lieber.


Grüße
Martin


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Mr. Curiosity
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Beitrag29.03.2014 01:06

von Mr. Curiosity
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Die Vorlieben sind wohl verschieden. Mir geben Thriller und rein von äußerer Handlungs getriebene Romane, bei denen die Sprache außen vor bleibt, nichts. Wenn ich Literatur lese, dann, um ein Erlebnis zu haben, das mir andere Darstellungsformen wie z.B. der Film nicht geben können. Reine U-Lit nehme ich mir aber durchaus zum Strand mit. Aber generell muss mich die Sprache reinziehen. Wenn ich merke, dass mich ein Autor ohne Sprache ködern will, indem er ein paar plumpe Rätsel und Konflikte streut, dann lege ich das Buch eher genervt weg. Das mag auch an der eigenen Schreiberfahrung liegen. Ich sehe dann eben an allen Ecken nur Handwerk und Schreibtechnik und vermisse die Seele, das, was das Buch von anderen abhebt, das, was über die Anwendung des Handwerks hinausgeht und Mehrwert erzeugt.

Zitat:
Aber bitte nicht in einer Sprache, deren Sätze oben anfangen und in der Mitte der Seite immer noch weiter plätschern. Das ist schlicht lese-unfreundlich.


Ich kann mit Begriffen wie "lese-unfreundlich" nicht viel anfangen. Das klingt so, als müsse man es einem Leser immer bequem machen. Dabei hat es doch Reiz, wenn man dazu angehalten wird, langsamer zu lesen, weil die Sprache bewusst gesetzte und sinnvolle Widerstände bildet. In der Musik könnte man auch sagen, weite Teile des Jazz seien hörer-unfreundlich, weil sie keiner einheitlichen, eingängigen Melodie folgen und weil sie z.T. disharmonisch sind. Sollte man den entsprechenden Künstlern aber vorhalten, sie sollten eher auf Pop-Musik umschwenken, weil sich das leichter hören lässt? Da ginge doch eine Menge großartiges Zeug verloren.
Ich wehre mich dagegen, Kunst als Konsumgut zum reinen Zeitvertreib zu sehen. Hingegen wünsche ich mir von Kunst aller Art ein tieferes Erleben. Ich möchte, dass da etwas nachhallt. Und wenn das dadurch erreicht wird, dass ich mich in einem Leserausch verliere, weil mir der Sprachrhythmus und der Ausdruck eines Autors gefallen.
Ein Beispiel für einen Text, der bei mir einen unheimlichen Drive durch die Sprache entwickelt und sinnliche Räume öffnet:

http://bachmannpreis.orf.at/bachmannpreis/texte/stories/13752/

Keine äußere Handlung, nur innere Handlung, die durch die Sprache atmet. So kann es  auch gehen. Es geht sowieso alles, wenn man es gut macht. Ein Text kann keine äußere Handlung besitzen und trotzdem eine Menge sagen.


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Aber nicht, solange es mich gibt, kapiert?! Es sei denn, du willst das draußen austragen."

(Ernest Hemingway in "Midnight in Paris")
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Riccie
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Beiträge: 402
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Beitrag29.03.2014 11:56

von Riccie
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Zitat:
Die Vorlieben sind wohl verschieden. Mir geben Thriller und rein von äußerer Handlungs getriebene Romane, bei denen die Sprache außen vor bleibt, nichts.


Mir auch nicht:-) Aber Thriller, handlungsgetrieben und guter Schreibstil schließen sich doch nicht aus. Handlungsgetriebene Storys kommen einfach purer daher, verzichten auf langatmiges Gefasel, das nur stoppt. Dramaturgisch ist das eine ziemlich anspruchsvolle Aufgabe. Ich habe lernen müssen, dass faseln leichter ist, als auf dem Punkt zu schreiben. Habe gestrichen, Ballast und sehr geliebte Passagen, ganze Szenen und Kapitel, die ich für geschliffen, raffiniert und tiefgehend hielt, wegzulassen. Für ein spannenderes Buch, für eines, das es hoffentlich packt, mitzureißen.

Ist das nun weniger anspruchsvoll?

Wenn ich diese Diskussion verfolge, scheint es so zu sein. Halte ich für falsch.

Aber gut, ich überfliege auch langweilige Passagen, mit denen sich Autoren abgemüht haben - genau das braucht es nicht. Ich spüre das Bemühen, fühle, wenn es nicht fließt. Als Leser und als Schreiber. Und ich will nicht, dass Sprache zum Selbstzweck wird. Aber ich mag halt auch keine Lyrik.

Vielleicht darf man hier doch trennen. Den Lyrikliebhabern das Ihre, den Geschichtenliebhabern das Andere.

Und fettes JA, man kann nur gut schreiben, was man auch gerne liest.
Wobei das locker leichte, sich nicht immer so locker leicht schreibt, wie manche glauben.


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Lonlav
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Beitrag29.03.2014 14:09

von Lonlav
Antworten mit Zitat

Hallo LeoModest,

Ich bin von deinem Text über den langweiligen Menschen hierher gelangt, so dass ich mich auch ein bisschen frage, inwieweit diese Diskussion und der Text aufeinander Bezug nehmen dürfen... - beziehungsweise inwieweit du dir über die Diskussion Anregungen zu deinem Text erhoffst.

Ich stimme dir zu, dass ein gutes Buch keinen Mord auf Seite 3 braucht. Ich benötige, um ein Buch zu mögen, ebenfalls keine übertriebene Action oder einen besonders abgefahrenen Plot.
Mir reicht es, wenn ein Buch gut geschrieben ist - wobei mir dann eine gelungene Sprache allein auch nicht ausreichend ist.

Ich finde auch, dass bei älteren Büchern die Sprache teils schrecklich kompliziert ist, ohne dass es die Leser damals davon abgehalten hat, die Bücher zu lesen.

Hier möchte ich aber eine Unterscheidung machen.

Du führst Musil und Mann an. Die gehören bei mir schon in die neuere Literaturecke. Bezeichnend für die beiden ist, dass sie einen eher "unspektakulären" Plot durch präzise Sprache, plastische Figuren und essayistische Einschübe interessant machen. Spannend würde ich das erstmal nicht nennen. Aber sie haben trotzdem verdammt gute Bücher geschrieben.

Zu ihrer Zeit waren Bücher auch keine Seltenheit mehr, so dass sie bestimmt nicht deswegen gelesen wurden, weil einfach sonst nichts da war.

Wenn man aber bei den noch älteren Büchern und Dramen guckt, dann wird es interessant: Die Sprache ist, für unsere heutigen Verhältnisse immer noch kompliziert. Der Plot wiederum ist sehr oft und sehr offensichtlich auf Spannung ausgelegt. Und da wird, gern auch mal im Namen der Moral, gestorben und gemordet und verliebt und verwechselt. Beispiele sind für mich Eschenbach, Grimmelshausen, Shakespeare, Schiller. Es gibt bestimmt auch Ausnahmen. Und natürlich spielt die einzelne Epoche eine große Rolle. Genau genommen ist es auch nicht besonders präzise die vier Autoren in einem Atemzug zu nennen.

Ich will damit aber illustrieren, dass Spannung wohl immer schon eine wichtige Rolle gespielt hat. Und, dass man sich als Autor auch nicht damit heraus reden kann, dass es bloß am verwöhnten modernen Publikum liegt, wenn man seine Sätze nicht länger als zwei Zeilen machen kann. Das will ich dir aber auch nicht unterstellen.

Fakt ist für mich: Anspruchsvollere Literatur hat es schwer. In einer Zeit, in der es Literatur ohnehin schwer hat, umso mehr.

Gleichzeitig darf sich anspruchsvolle Literatur heute auch genauer überlegen, wie anspruchsvoll sie sich geben will und inwieweit sie ihrem Leser entgegenkommen mag. Früher gab es "Ständeklauseln", die bestimmten Genres ein sprachliches Niveau zuordneten. Heute darf man auch in der E-Litte "Scheiße" sagen. Anspruchsvolle Literatur "muss" sich heute nicht mehr besonders gestelzt ausdrücken, damit sich der Leser besonders schlau fühlen kann. Aber sie darf. Und muss sich dafür unter Umständen fragen lassen, warum manches nicht einfacher formuliert wurde.

Und sie muss auch keinen besonders spannenden Plot haben. Aber sie muss diesen Plot gut umsetzen. Und das muss sie in jeder Epoche.

Ich finde das auch wichtig. Kehlmann lässt seinen Gauß(?) auch mal sagen, dass einzige was man in der Kunst tun könne, sei, seine eigene Zeit darin auszudrücken. (Sinngemäß.) Und damit hat er recht. Man muss auch nicht verkrampft an alten Idealen festhalten. Außer das gehört, wie beim Klassizimus, dazu.

Deswegen: Ausprobieren. Schreiben, was man selbst gern lesen würde (wer schreibt schon freiwillig etwas, was er nicht gern lesen würde???). Und sich fragen, wen man erreichen will. Und, ob man das mit den verwendeten Mitteln schafft. Dieses Gleichgewicht ist wichtig zwischen dem, was man gern sagen will, und den Kompromissen, die man dabei zugunsten der Leser eingehen will.

Wäre Thomas Mann hier, hätte er bestimmt die von dir genannte Art der Kritik bekommen. Das hat ganz sicher auch was mit unserer Zeit zu tun. Man würde ihn heute fragen, warum er es denn so nötig hat, sich so gestelzt auszudrücken. Aber manche würden ihn trotzdem gern lesen. Ich weiß aber auch nicht, ob Mann überhaupt in ein Forum gegangen wäre. Das ist nämlich ein Zeichen dafür, dass man solche Kompromisse zugunsten einer breiteren Leserschaft prinzipiell eingehen würde. Wer weiß, ob er das gewollt hätte?
Jedenfalls: Thomas Mann hat in der Tat nicht so geschrieben, dass er von allen Menschen verschlungen wird. Aber hat seinen Leserkreis. Der ist bestimmt in der breiten Bevölkerung nicht groß. Aber er hat, gerade mit seinen Ecken und Kanten seinen Platz in der Literaturgeschichte.


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Beitrag29.03.2014 14:48

von Gerling
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Lonlav hat Folgendes geschrieben:
Deswegen: Ausprobieren. Schreiben, was man selbst gern lesen würde (wer schreibt schon freiwillig etwas, was er nicht gern lesen würde???).


Davon gibt es (leider) mehr als genug. Nämlich diejenigen, die auf einen fahrenden Zug aufspringen und glauben, damit Erfolg zu haben. Die schreiben nicht das, was ihnen selbst gefällt, sondern das, was gerade angesagt ist.


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Lonlav
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Beitrag29.03.2014 15:33

von Lonlav
Antworten mit Zitat

Gerling hat Folgendes geschrieben:
Lonlav hat Folgendes geschrieben:
Deswegen: Ausprobieren. Schreiben, was man selbst gern lesen würde (wer schreibt schon freiwillig etwas, was er nicht gern lesen würde???).


Davon gibt es (leider) mehr als genug. Nämlich diejenigen, die auf einen fahrenden Zug aufspringen und glauben, damit Erfolg zu haben. Die schreiben nicht das, was ihnen selbst gefällt, sondern das, was gerade angesagt ist.


Besonders tragisch ist es dann, wenn ein Autor ein Buch aus Begeisterung schreibt, damit erfolgreich ist und jetzt in seinem Genre gefangen ist.


_________________
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the antidote was poison too
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LeoModest
Geschlecht:männlichLeseratte

Alter: 37
Beiträge: 142
Wohnort: Travemünde


Beitrag29.03.2014 16:54

von LeoModest
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich freue mich über die angeregte Diskussion und vielen Beiträge...

Ein paar Anmerkungen meinerseits nun vielleicht:

Mr. Curiosity,

es stimmt natürlich, dass Spannung nicht nur Mord bedeutet; ich habe es natürlich auch pointiert formuliert, während viele, die Spannungsmangel beklagen, bisweilen aber eben auch diesem Muster folgen. Daher tue ich mir so schwer, Kritik, die nach Spannung ruft, richtig zu verarbeiten: weil ich es eben nicht einordnen kann. Sagt es jemand, weil er einen Mord will? Oder sagt es jemand, weil das, was ich schreibe, an sich nicht genügend bietet? Ich denke, hierin liegt mein persönliches Problem bei dieser Sache.

@ Nicnak,

Smile

Ja, du hast natürlich recht, dass der Hinweis auf Langeweile in die Kritik gehört. Mir scheint auch, dass ich dabei bin, mich ein wenig zu verrennen. Ich weiß nicht, ob ich es in dem Sinne in den falschen Hals bekommen habe - aber ich meine, dass es eben einen Nerv traf: und so ganz absurd ist diese Diskussion ja auch nicht, wie ich hoffe.

@ Riccie,

ich glaube, ich stimme dir nicht zu. Gewiss, unsere Zeit ist schnellebig, aber ich glaube nicht, dass sich das vollkommen in der Literatur niederschlagen muss. Dass es diesen Zeitgeist gibt, bestreite ich nicht, aber dass er sich umfassend niederschlagen muss oder sollte, sehe ich nicht so.
Übrigens finde ich auch nicht, dass verschachtelte Sätze grundsätzlich schlecht sind. Bisweilen übertreibt man es, aber die Literatur ist voll von großartigen Schriftstellern, die auf sehr komplizierte Weise Tolles fabriziert haben. Also würde ich die pauschal nicht ablehnen..

@ Lonlav,

wie diese Diskussion zu meiner Langweiler-Geschichte in Bezug steht? Ich weiß nicht, ob ich mir hier Anregungen für die Geschichte holen will. Hier geht's mir eher um die grundsätzliche Diskussion.

Ansonsten stimme ich aber dem Großteil deiner Aussagen zu; die haben nämlich Hand und Fuß...
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Piezke
Geschlecht:männlichLeseratte

Alter: 37
Beiträge: 132



Beitrag29.03.2014 18:49

von Piezke
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Ich denke, ich kann deine Vorstellung von E-Literatur nachvollziehen, auch wenn sie nur ein Teil des Spektrums ist.
Viele meiner liebsten Bücher bauen auf ereignisarmen Handlungen auf, um mit der Kamera ganz nah sein zu können. Flughafenfische von Angelika Overath ist ein gutes Beispiel dafür. Drei Hauptfiguren, keine Nebenfigur, und die Handlung erstreckt sich über Wartezeiten an einem Flughafen, Selbstreflektionen und Beobachtungen. Das Besondere im Banalen, weil nichts so nachvollziehbar ist, wie die Banalität des Alltags.
Natürlich erfordert das sprachliche Meisterschaft. Der Autor muss seinem Thema die Essenz abgewinnen und/oder neue Sichtweisen präsentieren, um den Leser nicht zu langweilen. Mit komplizierter Sprache hat das nichts zu tun, sondern mit präziser, gemäß dem Leitsatz: form follows function.
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preusse
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1292
Wohnort: Bayern


Beitrag29.03.2014 18:50

von preusse
Antworten mit Zitat

Lonlav hat Folgendes geschrieben:


Besonders tragisch ist es dann, wenn ein Autor ein Buch aus Begeisterung schreibt, damit erfolgreich ist und jetzt in seinem Genre gefangen ist.


Dem möchte ich vorsichtig widersprechen.
Ob erfolgreich, lasse ich mal dahingestellt.
Aber ich werde sicher immer in meinem Genre - dem historischen Roman - bleiben und fühle mich darin keinesfalls gefangen.
Manchmal möchte ich eher dem einen oder anderen zurufen: "Schuster, bleib bei deinen Leisten!"
Oft geht es daneben, wenn man denkt alles und jeden bedienen zu können.


_________________
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zwima
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Wohnort: Reihenhausidyll


Beitrag29.03.2014 20:30

von zwima
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Gerling hat Folgendes geschrieben:


Davon gibt es (leider) mehr als genug. Nämlich diejenigen, die auf einen fahrenden Zug aufspringen und glauben, damit Erfolg zu haben. Die schreiben nicht das, was ihnen selbst gefällt, sondern das, was gerade angesagt ist.


Ich reagiere mittlerweile latent aggresiv auf diesen immer wieder geäußerten Vorwurf, dass Schreiber, die versuchen "nach dem Markt" zu schreiben, sich selbst verleumden.

Weder habe ich schon besonders viele Romantic Thrills gelesen, die mir gefallen haben, noch besonders viele Erotik-Titel. Das Allermeiste, was ich aus den Bereichen kannte, fand und finde ich absolut grottig.

Wir haben diese Genres gewählt, weil wir danach gefragt wurden. Und trotzdem hat das Schreiben Spaß gemacht und können wir hinter jedem einzelnen unserer bisher unter Vertrag stehenden Titeln zu 100% stehen.

Wir haben den Genres UNSERE Handschrift aufgedrückt, wir haben Geschichten geschrieben, wie wir sie gerne lesen wollten, OBWOHL wir uns an die Genrekonventionen halten mussten. Wir haben die Konventionen nach unseren Maßstäben interpretiert und es ist gelungen.  Das Ergebnis macht uns glücklich, unseren Verlag und, wenn man den Rezensionen glaubt, auch die Leser. Was soll daran falsch sein? Ich kapier's einfach nicht.

Und auf die Ausgangsfrage einzugehen: Zum Glück gibt es für nahezu jeden Lesegeschmack auch eine Verlag, der genau das anbietet, Leo. Wenn du mit Spannungsliteratur nichts anfangen kannst, sucht man in deinem Bücherregal wohl Titel von Heyne eher vergebens. Vielleicht findet man dafür eher etwas von Surkamp.

Ist doch gut und richtig, dass nicht alle das Selbe lesen wollen. Du wirst keine Pauschalantwort darauf finden, was ein Buch mitbringen muss, damit es "gut" ist, denn "gut" ist immer eine Geschmacksfrage. Ich kenne deinen Text nicht, aber du musst auch bedenken, dass hier im Forum ganz unterschiedliche Menschen mit ganz unterschiedlichen Erwartungshaltungen an Literatur aufeinandertreffen. Hinzu kommt, dass man in der Wekstatt immer nur ein Textfitzelchen findet. Gerade langsamer erzählte Geschichten, müssen ja auch Zeit haben, um ihren Sog zu entfalten. Da reichen die 1.000 Worte, die hier als RIchtlinie gelten, eventuell auch einfach nicht aus. In dem Fall (wenn du handwerklich fit genug bist, um nicht mehr an der reinen Sprache arbeiten zu müssen), würdest du eventuell mit einem guten Betaleser (oder einer AG) besser fahren, denn da ist zumindest schon einmal sichergestellt, dass dein Text von Leuten auseinandergenommen werden, die auch deiner Zielgruppe entsprechen.

LIebe Grüße
Zwima


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Winterglück am Meer, Nordlichtträume am Fjord, Sommerzauber am Fjord, Winterküsse unterm Nordstern, Lichter, die vom Himmel fallen, Lichterzauber in Whispering Heights (2024), AT Van (2025)

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Nicnak
Eselsohr

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Beitrag29.03.2014 20:43

von Nicnak
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Zitat:
Davon gibt es (leider) mehr als genug. Nämlich diejenigen, die auf einen fahrenden Zug aufspringen und glauben, damit Erfolg zu haben. Die schreiben nicht das, was ihnen selbst gefällt, sondern das, was gerade angesagt ist.


Aber ist der Zug bis dahin nicht längst abgefahren?

Was bringt es denn nach Silo Dystopien zu schreiben, nach Twilight Vampirro(tz)manzen oder nach H.P. eine jugendliche Zaubergeschichte?

Im Kino mag das vielleicht funktionieren, Filme rauszubringen mit ähnlichem Inhalt: “Olympus Has Fallen” und “White House Down”, “Armageddon” und “Deep Impact”...

Die folgen aber recht Zeitnah, bis die Bücher dagegen fertig sind
ist das Thema doch längst gelesen.
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