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[KUG] Schöne Bescherung

 
 
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Lore
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 90
Beiträge: 932
Wohnort: Düsseldorf


Code Philomele
Frauenschicksale in einer Großstadt
Beitrag18.12.2007 13:35
[KUG] Schöne Bescherung
von Lore
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Die Weihnachten meiner Kindheit krankten alle daran, dass genau dann die Diskrepanz
zwischen meinem kläglich bestückten Gabentisch und dem
meiner Freundin Christel - Kind eines reichen Bauern - überdeutlich wurde.
Das blieb auch so bis zum Kriegsende und setzte sich nahtlos fort bis zur Währungsreform 1948.

Gerade als ich zu hoffen begann, zumindest ein gleichberechtigter und vor allem
gleichermaßen beschenkter Teenager zu werden, gabs den
nächsten Schlag ins Kontor.
Christels Vater erschloss eine Kiesgrube auf seinem Grundstück, wurde Millionär
und der meine verlor mal wieder seine Stelle als Fahrer, weil er darauf bestand,
seinen Chefs seine höchst spezielle Sicht auf das Geschäftsleben unterbreiten zu wollen,
was dann regelmäßig mit dem Satz endete, "Konrad, Du bist zwar ein Klasse
Fahrer, aber das wiegt Deine Unverschämtheiten nicht auf, raus hier".

Na gut, er wurde später immer wieder eingestellt, denn wenn er etwas wirklich konnte,
dann bewies er das auf dem Bock eines Fernlastzuges, zu mehr aber war er weder fähig, noch bereit.
Als Vater war er eine ebensolche Niete wie als Ehemann und als das endlich auch
meine Mutter schnallte, hatte ich bereits meinen ersten eigenen Flirt im begeisterungsfähigen Auge.
Konrad verschwand dann etwas plötzlich aus meinem Gesichtkreis und das Leben wurde planbarer.

Leichter nicht unbedingt, der Gabentisch zu Weihnachten blieb mehr als überschaubar.

Noch immer gehörte z.B. auch ein Restaurantbesuch zu den vermeidbaren Ausgaben.
Ich war schon neunzehn, ehe ich zum erstenmal darauf wartete, bedient zu werden,
was dann solange eine leicht getrübte Erfahrung blieb, bis die Rechnung auf dem Tisch lag.
Leider war das Essen da aber schon vorbei und ich hatte es wegen der Befürchtung,
mein Gastgeber könne vielleicht nicht solvent sein, erst gar nicht genießen können.

Da ich diesen Begleiter zu ehelichen gedachte, wars mir natürlich nicht egal,
ob er sich mit meiner Bewirtung eventuell übernehmen würde.
Also unterblieben diese Extravaganzen künftig.

Dafür aber waren nun mindestens drei Weihnachten in Folge die Teller auf dem
Weihnachtstisch mit all den Köstlichkeiten beladen, an die ich bisher nur sehnsüchtig
und mit wässerndem Mund gedacht hatte.
Pralinen, Orangen, Feigen, Torten, Eclairs, ganz zu schweigen von köstlich
duftenden Braten bei Tisch.
Ich fühlte mich zum erstenmal privilegiert, fest überzeugt, dass der liebe Gott
es durchaus gut mit mir gemeint haben musste, als er darauf verzichtete, mich
im hungernden Afrika zur Welt kommen zu lassen.

Wie gesagt, drei Weihnachten hintereinander hielt sich diese Sicht auf die Dinge.
Die Luftblase kulinarischer Genüsse zerplatzte dann jäh, als jemand den ich
lange nicht gesehen hatte, bei meinem Anblick sagte " Hui, dass es Dir gut geht, kann man sehen. "
Als sinnvolles Weihnachtsgeschenk erhielt ich von besagtem netten Wesen dann mein
erstes Diätbuch.

Was war mit Christel?

Der widerfuhr erneut die Gunst des Schicksals, sie hatte einen prima
Stoffwechsel und setzte trotz üppigster Lebensweise kein Gramm Fett an.

Ich aber saß von da an erneut am Katzentisch des Lebens.
Verzicht wurde mein stetiger Begleiter und wenn es dafür je einen Bambi gegeben
hätte, mir wäre derselbe wohl in Serie verliehen worden.

Mein Traum, es möge mich irgendwann mal jemand nachts im Verkaufsfraum
der örtlichen Meisterconditorei einschließen und für drei Tage den
Schlüssel wegwerfen, blieb auf nächtliche Hungervisionen beschränkt....
Langsam...unendlich langsam lernte ich zu akzeptieren,
dass Verzicht den Charakter stärkt. Leider hat mich nie jemand
gefragt, was ich von starken Charakteren halte.
Auf den meinen hätte ich möglicherweise nicht so unbedingt Wert gelegt.

Die Jahre vergingen, rein finanziell hätte ich mir mindestens einmal in der Woche
einen Besuch in einem Gourmettempel leisten können, aber.....man hätte mir bereits
in der vierten Woche die unaufhörliche Verwandlung vom Reh zum Wildschwein angesehen.
Murrender Verzicht und ab und an ein Wutanfall, das war alles, was ich mir leisten konnte.

Und dann wurde ich sechszig.
Christel ebenfalls und zum erstenmal wäre ich nicht so unbedingt bereit gewesen,
mit ihr zu tauschen.
Sie war eine dürre vertrocknete Ziege und ihre Falten Legion.

Ich dagegen war nicht dick, aber hübsch gepolstert, zum Glück nicht schlecht
proportiniert und....voll der hinreißendsten Vorsätze.
Jetzt würde ich aufdrehen, jetzt, wo es keine Rolle mehr spielen würde,
ob ich noch Modelmaße hatte.
Jetzt, wo jedes männliche Wesen mich kreuzweise und mir im Mondschein
begegnen -und -so-weiter-konnte.
Ich würde unendlich frei sein und mir A L L E S gönnen, was das Leben mir
und meinem genussfreudigen Gaumen bisher nicht nur an allen Weihnachtsfesten,
sondern auch dazwischen ,bösartig versagt hatte.

Fröhlichen Herzens ging ich dieses erste Weihnachten völliger Freiheit an.
Ich würde vorher noch eine kurze vegetarische Kur in Bad Oeynhausen einplanen,
dann aber voll zuschlagen.

In freudiger Erwartung stellte ich meinen Kurantrag und harrte der Genehmigung.
Die kam dann auch ziemlich schnell.
Ich wurde aufgefordert mich zur Diabetikerschulung im nahegelegenen diabetischen
Zentrum einzufinden.
Erst danach könne über den Kurantrag entschieden werden und zwar dann,
wenn es mir gelungen sei, meine Werte durch entsprechende Ernährungsumstellung
auf Dauer stabil zu erhalten.

Ich werde in Kürze zum Buddhismus konvertieren.
Die Lehre von der Reinkarnation scheint mir erwiesen.
Ein ausgeklügelterer und perfiderer Plan, mich für die Sünden meiner letzten
Daseinsform in der jetzigen büßen zu lassen, hätte diesem sadistischen Schicksalslenker
nicht einmal dann gelingen können, wenn er mich in der Sahelzone hätte zur Welt kommen lassen.

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