18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Das eine Gedicht


 
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
Angst
Geschlecht:männlichScheinheiliger
A

Alter: 33
Beiträge: 1571



A
Beitrag24.09.2009 23:01
Das eine Gedicht
von Angst
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Der Versuch, mal nicht schnoddrig zu sein. Misslungen?

Das eine Gedicht

Einst traf Leah im Wald einen Wanderer, der aussah, als hätte er alle Qualen der Hölle gespürt und alle Verheissungen des Himmels gekostet, ohne jene je erfahren zu haben. „Was bedrückt Sie?“, fragte Leah. „Das Leben“, antwortete er, „Ich finde keine Freude daran. Die halbe Welt hab ich bereist, doch kein Arzt, kein Maler und kein Magier konnte meinen Trübsinn überwinden.“

„Haben Sie es schon mit Lyrik versucht?“, erkundigte sich Leah, die eine leidenschaftliche, aber unbegabte Poetin war. Der Wanderer schüttelte den Kopf. „Gedulden Sie sich zwei Tage und kehren dann an diesen Ort zurück, an diese Rotbuche. Ich werde Ihnen das schönste Gedicht geben, das Sie sich vorstellen können.“ Der Wanderer erklärte sich einverstanden und liess sie allein.

Leah lehnte sich an die Buche und verharrte dort Stunden, ohne auch nur einen Vers in ihrem Kopf bilden zu können. Dann, kurz bevor sie aufbrechen wollte, sah sie es; das eine, wahre Gedicht. Die Kraft und die Schönheit der Worte drückten sie nieder wie die Hand des Allmächtigen selbst. Da sie weder Stift noch Papier bei sich trug, zückte sie ihr Messer und ritze das Gedicht in die Rinde der Rotbuche. Silbe um Silbe übertrug sie die Vision, rauschhaft, gewaltsam verleibte sie sie dem Baume ein.

Leah betrachtete ihr vollendetes Werk, das bereits im Halbschatten des Abends versank. Wie ein geopfertes Körperteil schien es ihr, wie etwas, das nicht mehr ihr gehörte. Die wilde Begeisterung, die sie empfunden hatte, war verflogen. Leah kehrte nach hause zurück und legte sich ins Bett, ohne ihrem Mann etwas von dem Vorfall zu erzählen.

Als sie am nächsten Morgen des nächsten Tages zurückkehrte, kniete vor der Rotbuche eine alte Frau. Wie Seide flossen die Tränen über ihr brüchiges Gesicht. „Vater, ich sehe dich“, schluckte sie, „Vater, ich weiss jetzt, dass du mich liebst.“ Sie bemerkte Leah, schreckte hoch und stolperte hinunter ins Dorf. Erneut las Leah ihr Gedicht, erneut blieb sie ungerührt. Es war ihr unmöglich, die Zeilen in das Notizbuch zu übertragen, das sie mitgenommen hatte.

Sie stand da und starrte, bis zwei Kinder des Weges kamen und das Gedicht misstrauisch beäugten. Eine kleine Pause nur, dann brachen sie beide in Gelächter aus. Sie schleuderten sich die eben gelesenen Verse entgegen, als wären sie schmutzige Witze. Ohne Leah eines Blickes zu würdigen, tänzelten sie hinfort. Ein wenig später nur gesellte sich ein Gelehrter zu ihr und begutachtete das Werk. Mit offenem Munde sah er ins Leere. „So ist das!“, rief er wie ein Mann, der die Entdeckung seines Lebens gemacht hatte. Er stürmte hinunter ins Dorf, um dort die Einleitung zu einem Werk zu schreiben, das die Wissenschaft der nächsten Jahrhunderte massgeblich beeinflussen sollte.

Wieder bleib Leah allein. Sie las sich das Gedicht laut vor. Nichts. Sie fuhr mit ihren Fingern über die Rillen im Holz. Nichts. Sie kniete sich vor die Buche und legte ihre Stirn auf die verwundete Rinde. Nichts, nur ihre Stimme, nur ihre Haut, nur das Pochen ihres eigenen Kopfes. Verzweifelt kauerte sie sich in die Wurzeln der Rotbuche.

Ein Knistern hinter ihr. Es war Leahs Mann, der mit Puppenaugen auf ihr Werk starrte. „Ich liebe dich“, nuschelte er, „Ich liebe dich.“ Er zog sie auf die Beine und drückte sie an den Baumstamm. Hier nahm er sie, leidenschaftlicher als jemals zuvor. Doch Leah konnte nur an die Rillen an ihrem Rücken denken. Sie brannten wie Kohle und alles war egal, egal, egal.

Mitternacht. Leah schlug die Augen auf, nahm die Axt aus dem Schuppen und ging in den Wald. Trotz der Dunkelheit fand sie die Buche sofort. Sie las das Gedicht, ohne es zu sehen. Verse, Wörter, Buchstaben, Striche, Bögen, Rillen, Hohlräume, Nichts. Mit festem Griff schlug sie die Narben aus dem Baum. Sie waren nicht mehr, doch sie schlug weiter. Weiter. Die ganze Buche war verseucht, jeder Jahresring bis ins Herz hinein.

Am nächsten Morgen kehrte der Wanderer zurück. Doch anstelle der Rotbuche fand er Leah vor, um sie herum rauschte das Holzchaos. Ein gekentertes Schiff, sie die einzige Überlebende. „Die Leute aus dem Dorf haben mir gesagt, hier stünde das schönste Gedicht der Welt. Warum haben Sie es zerstört?“

„Es war nicht Ich, die da im Baume stand.“



_________________
»Das Paradox ist die Leidenschaft des Gedankens.«
— Søren Kierkegaard, Philosophische Brosamen,
München: Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 48.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Gast







Beitrag24.09.2009 23:21
Re: Das eine Gedicht
von Gast
Antworten mit Zitat

Scheinheilige hat Folgendes geschrieben:
Der Versuch, mal nicht schnoddrig zu sein. Misslungen?


Hallo Scheinheilige,

finde ich in keiner Weise. Ich hab' diesen Text sehr gerne gelesen - auch das Nicht-Schnoddrige liegt dir und wirkt authentisch - und die Idee gefällt!

Zitat:
zückte sie ihr Messer und ritzte das Gedicht in die Rinde der Rotbuche.


Hier habe ich ein "t" für dich.

Zitat:
Leah kehrte nach Hause zurück


Und hier ein großes "H".

Ansonsten absolut nichts zu meckern, gerne mehr in diese Richtung! Daumen hoch

LG

Soraya
Nach oben
Angst
Geschlecht:männlichScheinheiliger
A

Alter: 33
Beiträge: 1571



A
Beitrag24.09.2009 23:29
Re: Das eine Gedicht
von Angst
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Danke für die Hinweise und das Lob, das freut mich wirklich sehr. Bin erleichtert, dass es nicht nach hinten los gegangen ist. Hätte nämlich ebensogut sein können. Oh, und wenn ich schon mal hier bin, möchte ich mich gleich auch noch selbst korrigieren, und zwar hier:

Scheinheilige hat Folgendes geschrieben:
Als sie am nächsten Morgen des nächsten Tages zurückkehrte, […]


Liebe Grüsse,
Scheinheilige


_________________
»Das Paradox ist die Leidenschaft des Gedankens.«
— Søren Kierkegaard, Philosophische Brosamen,
München: Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 48.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Alogius
Geschlecht:männlichKinnbeber

Alter: 47
Beiträge: 3206

Die Goldene Bushaltestelle Goldene Feder Prosa (Anzahl: 2)


Vom Verschwinden der Muse
Beitrag25.09.2009 08:36

von Alogius
Antworten mit Zitat

Moin,

ich finde den Text absolut nicht misslungen - im Gegenteil.
Ein interessantes Thema, das sprachlich gut umgesetzt ist. An einigen Stellen dachte ich an etwas viel Pathos, aber die Bedenken wurden aufgefangen und die Grenze nicht verlassen. Nicht schnoddrig, sondern sehr berührend und auch vereinnahmend im positiven Sinne.
Tatsächlich birgt die Geschichte auch einiges an Rätseln. Vordergründig geht es in einem Teil natürlich auch um die typische Art und Weise, dass und wie ein Gedicht verschieden gelesen werden kann, wie manch einer ergriffen, ein anderer belustigt und wieder jemand einen tieferen Sinn daraus schließt, während der Verfasser selbst vielleicht weniger dabei gedacht hat. Zumal, interessant, die Verfasserin laut Text leidenschaftliche, aber unbegabte Dichterin ist. Das sagt schon was aus, wie ich finde.
Dann geht es auch um das Wesen des Schreibens. Wieviel Ich steckt in einem Text, einem Gedicht? Wie tief geht es für den Schreiber?
Letztlich ist da auch eine Komponente, die sich verschließt und die man nur erahnend benerken kann.
Ich denke auch an das Phänomen, dass ein Text, sobald geschrieben und sozusagen den Lesern "gegeben", für den Verfasser an Wirkung und Wichtigkeit verliert, als wäre es tatsächlich nicht mehr seines.
In der Hinsicht ist es ebenso wichtig, dass sie ihr Gedicht als das erkennt, was es sein soll. Aber als es geschrieben steht, verpufft jede vorher ersonnene Wirkung an ihr, an ihrem eigenen Anspruch.
Sehr gut gemacht.

Kleinigkeiten, wirklich nur Kleinigkeiten:

Zitat:
Wie ein geopfertes Körperteil schien es ihr, wie etwas, das nicht mehr ihr gehörte.

Sehr guter, treffender Vergleich.

Zitat:
Die Kraft und die Schönheit der Worte drückten sie nieder wie die Hand des Allmächtigen selbst.

Die "Hand des Allmächtigen" wirkt sehr getragen. Hart an der Grenze. wink
Andererseits: So manch ein Dichter fühlt sich wie vom Herrgott getragen, von daher...^^

Das
Zitat:
„Es war nicht Ich, die da im Baume stand.“

ist ein tolles Ende. Schöner Satz.

Denke mir gerade, dass im übertragenen Sinne der Text auch sehr mit der menschlichen (Selbst)wahrnehmung spielt.
Vielleicht deute ich auch ganz falsch, das macht aber nichts - jeder sieht darin, was er sieht...

Fazit:
Gute Idee, sehr gute und interessante Umsetzung, die nicht schnoddert. wink

Danke
Gruß
Tom


_________________
Aus einem Traum:
Entsetzter Gartenzwerg: Es gibt immer noch ein nullteres Fußballfeld. Wir werden viele Evolutionen verpassen.
Busfahrer: Tröste dich. Mit etwas Glück sehen wir den Tentakel des Yankeespielers, wie er den Ereignishorizont des Schwarzen Loches verlässt.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Angst
Geschlecht:männlichScheinheiliger
A

Alter: 33
Beiträge: 1571



A
Beitrag25.09.2009 08:54

von Angst
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Danke! Und nur eine sehr knappe Reaktion, da ich gleich gehen muss.

Alogius hat Folgendes geschrieben:
Die "Hand des Allmächtigen" wirkt sehr getragen. Hart an der Grenze. ;)
Andererseits: So manch ein Dichter fühlt sich wie vom Herrgott getragen, von daher...^^

Nein, du hast hier schon recht. Das mit dem Gott sollte eigentlich eben nicht so sein. Wollte nur betonen, dass Leahs Inspiration "von aussen" kommt, von einer Muse, der Aussenwelt, wasauchimmer, nur nicht direkt und bewusst von ihr. Da hat sich der liebe Onkel im Himmel oben gerade angeboten. Gefallen tut mir der Ausdruck vor allem nicht, weil es der Hauptaussage ein wenig zuwiderläuft. Danke jedenfalls, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast :)

Liebe Grüsse,
Scheinheilige
(später mehr)


_________________
»Das Paradox ist die Leidenschaft des Gedankens.«
— Søren Kierkegaard, Philosophische Brosamen,
München: Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 48.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Nina
Geschlecht:weiblichDichterin


Beiträge: 5012
Wohnort: Berlin


Beitrag25.09.2009 09:12

von Nina
Antworten mit Zitat

liebe scheinheilige,

deine geschichte hat mir sehr gefallen. neugierig hat sie mich gemacht - das gedicht hätte ich gern gelesen.

den part mit dem mann, der sie im wald nahm, konnte ich nicht so recht einordnen. irgendwie empfand ich es als fremdkörper in dieser geschichte.

insgesamt sehr schön erzählt. ich fands spannend. dass betreffende person das gedicht nicht mehr lesen konnte, durfte (so wie ich als leserin auch) hat ein kleines stück traurigkeit hinterlassen. ein angekündigtes geschenk, welches hinterher wieder zurück genommen wird, - so habe ich es empfunden.

die unterschiedlichen reaktionen auf das gedicht haben mir auch sehr gefallen. und alogius formulierte es bereits - wie unterschiedlich texte, gedichte etc. gelesen werden können.

fazit: schön gemacht. gern mehr davon.

lg
nina


_________________
Liebe tut der Seele gut.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
lupus
Geschlecht:männlichBücherwurm

Alter: 56
Beiträge: 3913
Wohnort: wien



Beitrag25.09.2009 12:48

von lupus
Antworten mit Zitat

wow! is ja wunderschön!

Der Text hat irgendwie auch was Romantisches, dieses 'nicht erreichen können', die Suche nach dem 'Ich'. und dazu paßt auch sehr gut die Wahl des Mediums, der Rinde. so wird aus der Blauen Blume eine Rote Buche Wink Auch, dass der 'Akt der Zerstörung' in der Nacht passiert, hat einen romantischen Touch, wie die Tatsache, dass es sich um einen Wanderer handelt, der hier auf der suche ist, aber eben schlußendlich auch nicht findet, und so ein Wanderer /Suchender bleiben wird.

Tom hat eigentlich inhaltlich schon alles auf den Punkt gebracht. Die Art und Weise, wie du den Inhalt umgesetzt hast ... top!

besonders gefallen hat mir auch, dass du sprachlich mit dem Verlauf der Geschichte - äh - minimalistischer wirst. Soll heißen: du beginnst die Absätze immer knapper:

Zitat:
Wieder bleib Leah allein.

Zitat:
Ein Knistern hinter ihr.

Zitat:
Mitternacht


Diese sprachliche 'Reduktion' begleitet den Text schön zu seinem Höhepunkt, der ja eigentlich ein gefühlter Tiefpunkt ist.

wenn ich die Symbolik rausnehm, seh ich den Schriftsteller vor mir, wie er seine Werke im offenen Kamin verbrennt.

Nur in einem Absatz hab ich einen kleinen (sehr, ganz, superminikleinen) Kritikpunkt entdeckt:

Zitat:
Wieder bleib Leah allein. Sie las sich das Gedicht laut vor. Nichts. Sie fuhr mit ihren Fingern über die Rillen im Holz. Nichts. Sie kniete sich vor die Buche und legte ihre Stirn auf die verwundete Rinde. Nichts, nur ihre Stimme, nur ihre Haut, nur das Pochen ihres eigenen Kopfes. Verzweifelt kauerte sie sich in die Wurzeln der Rotbuche.


das erste 'sich' (außer natürlich es hat einen tieferen sinn, der mir entgangen ist) könntest du ganz streichen.

das zweite könntest du mit 'vor der Buche nieder' loswerden. Bringt möglicherweise eine kleine Bedeutungsverschiebung mit sich, die zu überdenken wär'

das dritte 'sich' kann dann eingerollt vor der Buche liegen bleiben.

fazit: danke

LGL

P.S.: Holzchaos wollte sprachlic auch nach mehrmaligem Lesen nicht so ganz zum Rest passen - aber das is ja nun wirklich Geschmackssache und somit wurscht.


_________________
lg Wolfgang

gott ist nicht tot noch nicht aber auf seinem rückzug vom schlachtfeld des krieges den er begonnen hat spielt er verbrannte erde mit meinem leben

-------------------------------------------------------
"Ich bin leicht zu verführen. Da muss nur ein fremder Mann herkommen, mir eine Eiskugel kaufen und schon liebe ich ihn, da bin ich recht naiv. " (c) by Hubi
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Angst
Geschlecht:männlichScheinheiliger
A

Alter: 33
Beiträge: 1571



A
Beitrag25.09.2009 14:22

von Angst
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hey,

Erstmal muss ich Tom für seine Interpretation danken, die genau diejenige ist, auf die ich abgezielt habe. Grundlage für diese kleine Geschichte ist die Theorie, dass die Sprache per Definition nichts Individuelles in sich tragen kann. Das hat mich als selbsternannte Lyrikerin hart getroffen.

Danke, Nina und lupus

Nina hat Folgendes geschrieben:
den part mit dem mann, der sie im wald nahm, konnte ich nicht so recht einordnen. irgendwie empfand ich es als fremdkörper in dieser geschichte.

Tatsächlich war ich kurz davor, die Stelle zu streichen, konnte mich dann aber doch nicht von ihr trennen. Leahs Leser ignorieren sie allesamt als Person, nur ihr Mann tut dies nicht. Und das auch nur wegen eines Gedichtes, das rein gar nichts mit ihr selbst zu tun hat. Diese Tragik wollte ich damit ausdrücken. Du hast aber recht damit, dass die Stelle innerhalb der Geschichte etwas verdreht erscheint. Vielleicht auch, weil man sowas in einem "Märchen" nicht erwartet. Aber nur deswegen möcht ich's nicht rausnehmen.

lupus hat Folgendes geschrieben:
das erste 'sich' (außer natürlich es hat einen tieferen sinn, der mir entgangen ist) könntest du ganz streichen.

Eigentlich hänge ich gerade dort am sich. Weil Leah eben gerade versucht, sich das Gedicht selbst begreiflich zu machen. Wenn sie nur ziellos lesen würde, wäre das nicht ganz korrekt, find ich. Hmm… Na, mal schauen, die Sichs lassen sich sicher sicherlich mit Sicherheit ausmerzen :D

Liebe Grüsse,
Scheinheilige

PS: Whoah, die Parallelen zur Romantik hab ich gar nicht bemerkt, obwohl sie ziemlich offensichtlich sind.


_________________
»Das Paradox ist die Leidenschaft des Gedankens.«
— Søren Kierkegaard, Philosophische Brosamen,
München: Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 48.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
BlueNote
Geschlecht:männlichStimme der Vernunft


Beiträge: 7306
Wohnort: NBY



Beitrag25.09.2009 15:50

von BlueNote
Antworten mit Zitat

Hallo Scheinheilige,

deine Geschichte erinnert mich an H. Hesses Siddharta, vor allem wegen des an ein Märchen angelehnten Sprachstils und der "philosophischen" Gedanken, die damit transportiert werden sollen. Die Idee gefällt mir sehr gut.

Ich mache mal ein paar Anmerkungen für Verbesserungen, du kannst sie dir durch den Kopf gehen lassen:

Zitat:

Die halbe Welt hab ich bereist, doch kein Arzt, kein Maler und kein Magier konnte meinen Trübsinn überwinden.“

„Haben Sie es schon mit Lyrik versucht?“, erkundigte sich Leah, die eine leidenschaftliche, aber unbegabte Poetin war.


An dieser Stelle würde ich es mir etwas weitschweifiger (märchenhafter) wünschen. Du kommst so schnell auf den Punkt. Es hört sich an wie eine Ärztin, die sich die Krankengeschichte anhörte und rücktfragte: "Haben Sie es schon einmal mit kalten Wadenwickeln versucht?". Weitschweifiger würde ich es mir in etwa so vorstellen: Leah hörte sich die Worte des Mannes aufmerksam an und, obwohl sie selbsts zwar eine leidenschaftliche, aber unbegabte Poetin war, fragte sie: "Haben Sie es schon mit Lyrik versucht?".


Zitat:

Ich werde Ihnen das schönste Gedicht geben, das Sie sich vorstellen können.



Was macht Leah eigentlich so sicher, das schönste Gedicht überhaupt zu finden? Sie könnte doch wenigstens kurz darüber nachdenken, bevor sie diesen Vorschlag macht.


Das ist übrigens eine sehr schöne Idee, das Gedicht in eine Rotbuche zu schnitzen - und auch alles sonst, was mit dem Holz noch geschieht.



Zitat:

ohne auch nur einen Vers in ihrem Kopf bilden zu können


Einen Vers in ihrem Kopf bilden ... Hört sich für mich ein bisschen seltsam an. Es bildet sich ein Vers in ihrem Kopf ...

Zitat:

Vision, rauschhaft, gewaltsam verleibte sie sie dem Baume ein.


Da an dieser Stelle sowieso ziemlich dick aufgetragen (was ja nicht schlecht ist), könnte man auf das "verleibte" vielleicht verzichten.

Zitat:

Leah betrachtete ihr vollendetes Werk, das bereits im Halbschatten des Abends versank


Das Wort "versinken" finde ich an dieser Stelle unpassend. Die Sonne versinkt ja, nicht das Werk.

Die Stelle mit der Frau ist auch sehr poetisch ...

Zitat:

Wie Seide flossen die Tränen über ihr brüchiges Gesicht.


Du nimmst hier die "fließenden Tränen" und vergleichst sie mit fließender Seide. Aber diese fließende Seide ist doch etwas ganz anderes als fließende Tränen. Du meinst wahrscheinlich, dass die Tränen sanft herunter rinnen, aber ich würde das so nicht sagen. (Den Tipp habe ich schon einmal gegeben: Diese "wie"-Vergleiche würde ich generell etwas reduzieren).

Ach, ich glaube, ich stoppe hier lieber, sonst wird das wieder zu viel Kritik. Der Text ist generell gesehen ja gut und die Idee ist, wie bereits gesagt, sehr gut.

So weit meine Meinung

BN
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Angst
Geschlecht:männlichScheinheiliger
A

Alter: 33
Beiträge: 1571



A
Beitrag25.09.2009 17:06

von Angst
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo, BlueNote und danke für deine ausführliche Besprechung :) Teilweise muss ich dir recht geben, teilweise muss ich aber widersprechen. Mal schauen.

BlueNote hat Folgendes geschrieben:
An dieser Stelle würde ich es mir etwas weitschweifiger (märchenhafter) wünschen. Du kommst so schnell auf den Punkt. Es hört sich an wie eine Ärztin, die sich die Krankengeschichte anhörte und rücktfragte: "Haben Sie es schon einmal mit kalten Wadenwickeln versucht?".

Märchenhafter, tjah. In der Urfassung war es das wohl. (Da hatt ich auch noch Ihr statt Sie drin.) Aber dann wollte ich mich doch ein wenig von diesem Altertümlichen lösen. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass einiges "überhastet" wirkt – obwohl ich persönlich es lieber "auf den Punkt gebracht" nenne. Ich könnte Leah schon lauschen lassen. Aber das impliziert die Szene ja. Diesen Zusatz finde ich unnötig, aus dem selben Grund, weswegen ich auch auf eine genaue Beschreibung des Waldes verzichtet habe. Aber du hast recht, die Form der Fragestellung selbst finde ich auch ein wenig problematisch. Muss ich wohl eine Alternative finden.

BlueNote hat Folgendes geschrieben:
Was macht Leah eigentlich so sicher, das schönste Gedicht überhaupt zu finden? Sie könnte doch wenigstens kurz darüber nachdenken, bevor sie diesen Vorschlag macht.

Hier plädiere ich auch dafür, Leah nicht denken, sondern sprechen, handeln zu lassen. Sie ist eine leidenschaftliche, doch eben unbegabte Dichterin. Und unbegabte Dichter haben es so an sich, dass sie ihre Fähigkeiten überschätzen ;D Nimm es also als dargestellte Charaktereigenschaft.

BlueNote hat Folgendes geschrieben:
Einen Vers in ihrem Kopf bilden ... Hört sich für mich ein bisschen seltsam an. Es bildet sich ein Vers in ihrem Kopf ...

Stimmt. Hier könnte man vielleicht den Kopf einfach weglassen?

BlueNote hat Folgendes geschrieben:
Da an dieser Stelle sowieso ziemlich dick aufgetragen (was ja nicht schlecht ist), könnte man auf das "verleibte" vielleicht verzichten.

Hm, lieber etwas anderes eigentlich. Das Wort Einverleiben empfinde ich als wichtig.

BlueNote hat Folgendes geschrieben:
Das Wort "versinken" finde ich an dieser Stelle unpassend. Die Sonne versinkt ja, nicht das Werk.

Ich finde schon, dass das passt. Mit der Sonne hat das mMn nix zu tun.

BlueNote hat Folgendes geschrieben:
Du nimmst hier die "fließenden Tränen" und vergleichst sie mit fließender Seide. Aber diese fließende Seide ist doch etwas ganz anderes als fließende Tränen. Du meinst wahrscheinlich, dass die Tränen sanft herunter rinnen, aber ich würde das so nicht sagen.

Okay, da muss ich mich vielleicht näher erklären. Hier hatte ich eher den Unterschied zwischen glatter Seide und dem brüchigen Gesicht der alten Frau im Kopf. Als würden die Tränen ihr Alter, ihre Narben auflösen. Ist wohl zu unklar. (?)

Liebe Grüsse,
Scheinheilige


_________________
»Das Paradox ist die Leidenschaft des Gedankens.«
— Søren Kierkegaard, Philosophische Brosamen,
München: Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 48.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
meran
Gänsefüßchen


Beiträge: 16
Wohnort: wolkesieben


Beitrag02.04.2014 10:46

von meran
Antworten mit Zitat

Hallo Scheinheilige,

habe den Thread zu "wieviel Leidenschaft erträgt ein Gedicht" gelesen, und mich beherrscht, nicht gleich Etliches ins Forum reinzuhacken, um (nach mind. 15 eig. Beiträgen) dann deine Gedichte lesen zu können wink.
Diese Geschichte finde ich verdammt wertvoll.
Was ich verstehe:
man setzt als Künstler durch sein Werk eine Wahrheit, manchmal eine Erkenntnis, frei. Von Etwas, dass ein übergreifend gültiges Dasein an sich schon hat, auch ohne unser Zutun. Das Werk bildet eine Brücke zwischen realer und methaphysischer Welt, respektive eine Form, die dem suchenden Betrachter einen Zugang erschließt, Erlösung durch Begreifen möglich macht.
Das zeichnet u. A. ein gelungenes Werk (meiner Ansicht nach) aus, insbesondere, wenn in der Begeisterung darüber, im ergreifenden Erlebnis daran, dem Betrachter der Schaffende als Sprachrohr gar nicht (störend) in den Sinn kommt.
Warum aber verliert Leah, unmittelbar nachdem sie (sozusagen als Medium) gesprochen hat, selbst den Zugang dazu? Warum verzweifelt sie daran, sich nicht selbst verewigt zu finden?
Hindert eine Egomanie sie, den Raum der Genialität wieder zu betreten, der sie vorher mit Formschöpfung, mit Ver-Dichtungs-Potenzial begabt hat?
Ist es Leahs persönlicher Geltungsdrang, der dann auch dem Wanderer das Versprochene zerstört?

Vielleicht magst du mir etwas dazu sagen, obwohl die Geschichte ja schon vor langer Zeit geboren wurde?

Was ich dir noch sagen möchte, Scheinheileige:

bitte, schreib!!

Gruß, meran
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Prosa -> Werkstatt
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Dies und Das
Was bedeutet das Wort dialogal?
von PatDeburgh
PatDeburgh Dies und Das 5 26.04.2024 13:57 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Rechtschreibung, Grammatik & Co
Aufstartete; warum zeigt Word das als...
von TheRabbit95
TheRabbit95 Rechtschreibung, Grammatik & Co 12 24.04.2024 16:24 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Feedback
Eine Frau wie ich hat immer ein Gehei...
von Hera Klit
Hera Klit Feedback 0 23.04.2024 09:26 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Rezensionen
,,Die Ärztin“- ein Theaterstück m...
von Oneeyedpirate
Oneeyedpirate Rezensionen 0 19.04.2024 22:53 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Roter Teppich & Check-In
Hallo an alle und eine kleine Vorstel...
von Oneeyedpirate
Oneeyedpirate Roter Teppich & Check-In 2 18.04.2024 22:53 Letzten Beitrag anzeigen

EmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungBuchEmpfehlungBuchEmpfehlungEmpfehlung

von Boro

von nebenfluss

von EdgarAllanPoe

von Fao

von Fao

von jon

von Gefühlsgier

von Nina C

von Literättin

von Mardii

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!