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Teil 58 Leonie und das Gymnasium


 
 
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teccla
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 66
Beiträge: 160
Wohnort: Costa Blanca


Was suchst Du in Madagaskar?
Beitrag02.05.2009 11:04
Teil 58 Leonie und das Gymnasium
von teccla
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Mit Madam Josianne und Rondro fuhr ich eines Nachmittags in ein madagassisches Viertel von Mahajanga. Ich lernte die erste Familie kennen, die unsere Hilfe benötigte.
In einer Blechhütte, deren Wände aus notdürftig zusammen gestückelten einzelnen alten halb verwitterten Wellblechstücken bestand, lebten 17 Personen. Unter den Kindern waren auch Waisen, die von der Familie liebevoll aufgenommen waren. Auf der Liste von Madam Josianne standen zwei Mädchen, die jedoch an diesem Tag nicht anwesend waren.
Man erklärte mir, das Essen sei knapp, sie haben kein Geld und so schnorren sich die Kinder bei Verwandtschaft, bei Kameraden und Freunden durch. Wer immer die Gelegenheit hatte, an einem anderen Tisch beköstigt zu werden, entlastete die eigene Familie.
So fotografierte ich die Zustände dort und lernte Leonie kennen. Sie sah aus wie ein Junge und so dachte ich, einen kleinen Jungen zu vermitteln. Doch Leonie entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem hübschen kleinen Mädchen.

Am nächsten Tag fuhr ich mit Rondro zum Gymnasium in Mahajanga. Auch dieser Besuch war sehr aufschlussreich.
Der Direktor zeigte uns alle Räume.

Das Spinnweben hing von der Decke.
Der Chemieraum bestand aus einem kahlen Raum, der teilweise gefliest war. Keine Geräte, keine Utensilien für Versuche, kein Anschauungsmaterial. Nicht einmal das Periodensystem der Elemente auf einer Tafel. Ebenso der Physikraum. Ein kahler Raum. Der Biologieraum ebenso leer. Keine ausgestopften Tiere, keine Pflanzenpräparate, keine Tafeln mit Bildern zur Anschauung. Nichts. Nada.

Der Geografieraum ebenso leer, keine Karten, kein Globus, keine Steine zur Anschauung. Nichts. Ein Lehrer war gerade dabei Kontinente an die Tafel zu malen.
An dieser Schule lernen Gymnasiasten...lernen sie für das Abitur, bereiten sie sich vor auf ein kommendes Studium... Wie geht das?
Ich überlege, wie hätte ich mein Abitur abschliessen sollen, all diesen Stoff lernen sollen, ohne Hilfsmittel? Nur allein mit der Vorstellungskraft und Beschreibung durch einen Lehrer?
Der Sportplatz war ein normaler Dreckplatz. Logisch, dass es hier Unfälle gab. Ein Baskettballkorb allein macht noch keinen Sportplatz. Gibt es eine medizinische Hilfe bei Unfällen?
Oh ja, es gibt einen Medizinraum. Aha.
Der Direktor zeigte einen kleinen Raum, in dem nichts stand ausser einer Liege und einem Medikamentenschrank, der jedoch völlig leer war.
Kein Geld.
Die Duschen – dafür habe ich keinen Ausdruck. Ich weiss einfach nicht, wie man solche Zustände beschreiben soll.

Nun gut, die Duschen wurden noch übertroffen von den Toiletten.
Das Loch im Boden kannte ich ja, aber solche stinkenden, verkommenen Toiletten hatte ich bis dato noch nicht gesehen. Ja, ich tat es mir an und nahm trotz Gestank und Warnung einen Blick. Man konnte den Boden nicht erkennen. Was davon war Unrat, Urin, Kot oder einstiger Betonboden?
Nunja, die Toiletten seien ein Sorgenkind, meinte der Direktor, dessen Stolz auf seine Vorzeigeschule in diesem Moment einen Schatten bekam.
Warum ist es so dreckig?
Putzen kann man doch, oder?
Nun es gab nur 3 Putzfrauen. Aha.
Warum nur 3?
Es gibt eine Anordnung, Personal frei zustellen, für die Aufsicht.
Die Aufsicht der Schüler in den Pausen?
Nein, die Aufsicht der Lehrer, ob sie pünktlich zur Arbeit erscheinen.
Aha und wieviele Aufsichtspersonen hat diese Einrichtung?
Sieben.
Aha, so setzt man die Prioritäten.
Kopfschütteln konnte ich nicht vermeiden.
Was sind die wichtigsten und dringendsten Maßnahmen?
Ein Sprachkabinett.
Bitte, waaas?
Ein Sprachkabinett! Wir haben schon ein Computerkabinett und nun möchte wir noch ein Sprachkabinett einrichten, meinte er stolz.
Wir besichtigten das Computerkabinett. Ein großer Raum mit 5 Computer aus den Anfängen der Informatik. Ich konnte alte 386-er erkennen. Die Bildschirme so klein, dass ich garantiert eine Brille gebraucht hätte.
Und wie viele Schüler lernen hier?
Jede Klasse (mit ca. 50 Schülern in einer Klasse) hat zweimal in der Woche Einführung in die Arbeit mit einem Computer, für jeweils eine halbe Stunde.
Ich stellte mir bildlich vor, wie 50 Schüler um 5 winzige Monitore stehen und etwas erkennen bzw. lernen sollten.
Na dann viel Spaß.

Die Bibliothek war gleichzeitig das Aufenthaltszimmer der Lehrer.
Drei Regale waren leidlich mit Büchern bestückt.
Ja, die Schüler dürfen sich die Bücher ausleihen. Aber nicht mit nach hause nehmen. Es sind so wenige, daher müssen wir darauf achten.
Aha, das war also der ganze Bestand.
Wie sieht es aus mit Lehrbüchern?
Das sind Lehrbücher, die hier stehen.
Und die Schüler haben keine? Ich meine für Mathematik, Chemie usw.?

Nein. Die Bücher sind so teuer, kann sich kaum einer leisten.
Rondro ergänzt: Und die Leute, die sich solche Bücher leisten können, gehen nicht auf ein staatliches Gymnasium, sondern auf eine private Schule.
Mir wurde immer unverständlicher, wie man so das Abitur bestehen kann und um einen Studienplatz auch noch gegen Mitbewerber aus Privatschulen bestehen soll.

Zum Abschluß unserer Besichtigung besuchte ich eine der Deutsch-Klassen, die Rondro unterrichtete.
Ein seltsames Gefühl, wenn die Schüler sich 8700 km entfernt von Deutschland, auf Deutsch vorstellen. Schade, dass das Interesse an unserem Land auf so wenig Gegenliebe stösst.

Immer wieder setzte ich mich nachts an den Laptop und schrieb Schulen an. Vielleicht haben ein paar Schuldirektoren ein Herz und sehen auf dem Dachboden nach. Vielleicht stehen noch irgendwo vergessene alte Anschauungsmaterialien, vielleicht hängen noch irgendwo alte Landkarten, die nicht mehr aktuell sind.
Doch alle Mühe war vergeblich, ich bekam nicht mal eine Antwort.

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