Wien in anderen Umständen

[horus]

Wien in anderen Umständen

Bankdirektoren – eine Fallstudie
Gewinnentwarnung bei Globuli
striktes Rauchverbot in Hundezonen
und die Ringstraße als öffentlicher Raum

die Angst vor dem Elfmeter in Theater
und Oper – die Geister die man rief
Schulversuche – man spricht Deutsch
ein mäßiger Erfolg

Mondscheinsonaten auf allen
Fernsehkanälen – öffentlich rechtlich
wo ein Kläger dort eine Richterin
man streut Mimosen auf Richtplätze

und Weihrauch wird zur allgemeinen
Berauschung freigegeben – nur bei
Schwangerschaften nicht

© HK®intelen  16.01.2008

[MrPink]

Das liest sich wirklich gut, ein lyrischer, pointierter und nachdenklich stimmender Bericht zur Lage der Nation.

Damit kann ich was anfangen.

andi

[Todorov]

Hi,

Dein Text bietet allerhand Material, das zu ordnen nicht so einfach ist. Nach mehrmaliger Lektüre fügen sich die Puzzlestücke erst allmählich zusammen: Die Wien-Charakteristika und damit verbundenen Österreichstereotypen, die Anspielung zur Wirtschaftskrise, der mühsame Weg zur deutschen Sprache, von da aus zum Fernsehn, als wenn man dieses in einem Atemzug mit dem Wort Bildung aussprechen müsse, um der Realität kein falsches Bild zu verpassen - um von hier aus den Gang zur Richtstätte zu gehen, in der Umnebelung einer durchaus zynischen Atmosphäre religiöser Berauschung. Das Thema der Schwangerschaft mit spezifisch Wien in Verbindung zu bringen fällt mir zugegebenermaßen nach wie vor schwer. Ist es das Wunder der Geburt, das hier, vielleicht noch im Kontext der Päpstlichen Kondomdoktrin, auf die Schippe genommen wird? Oder eher die Begleiterscheinungen einer solchen Zeit, die vor lauter Anzeichen in kurzzeitige Heißhungerattacken verfällt? Irgendwie fühl ich mich bei dieser Interpretation auf der falschen Strecke.

Das liegt am zusammengewürfelten Charakter des Textes selber, der mehr Fragen als Antworten stellt. Nicht zuletzt wird dies durch die vielen fehlenden Verbien deutlich, die der Leser durch Sinnzusammenhänge zu kompensieren sucht. Dies gelingt zweifelsohne dort, wo sich, zumindest für deutsche Verhältnisse, Verbindungen anbieten: Fußball, Wirtschaft, Goethe, Fernsehen. Alles andere - wie die Globuli (ist es denn auch der Name eines bestimmten Unternehmens?), kann ich nur als Persiflage auf unsere Zeit verstehen (striktes Rauchverbot in Hundezonen), die sich in Sachen Entscheidungen entscheidend im Niveau vergreift.

Dieser Text hat mir gut gefallen

Grüße

Todorov

[horus]

Lieber MrPink,
lieber Todorov,

danke Euch Zweien fürs lesn, interpretieren und kommentieren. Natürlich sind meine Wientexte (von denen es naturgemäß Einige gibt) immer recht
spezifisch und damit auch nur in genauer Kenntnis der Wiener Verhältnisse absolut zu verstehen wie ich es meine. Natürlich trifft Manches auch auf allgemeine Zustände zu und dem persönlichen Interpretationsraum ist freilich immer Tür und Tor geöffnet.
Todorov Du hast das schon ganz recht ausgelegt.
Bankdirektoren – eine Fallstudie, bezieht sich in der Hauptsache auf Generaldirektor Elsner von der gewerkschafteigenen Bank, die er faktisch mit Spekulationen in den Konkurs trieb und die heute einer amerikanischen Heuschrecke gehört. Seit einem Jahr wird gegen ihn prozessiert, eben eine Fallstudie.
Gewinnentwarnung bei Globuli, das ist eher eine zynisch gemeinte Bosheit über eben diese und andere Banken, wobei Globoli da als Verharmlosung gemeint ist.
striktes Rauchverbot in Hundezonen, natürlich auch ironisch, wobe es sich ums Rauchverbot im allgemeinen und den Hundehaß in Wien mit dem Slogan "Das Sackerl fürs Gackerl." bezieht.
und die Ringstraße als öffentlicher Raum, da ging es um die Fanzone wärend der Fußball WM, wo die Prachtstraße zur Fanzone erklärt wurde und der gesamte Verkehr umgeleitet, die Oberleitungen der Straßenbahnen gekappt wurden.
die Angst vor dem Elfmeter in Theater
und Oper, auch hier mit Bezug auf die WM und die selsamen Auswüchse in Oper und Theater längs der Ringstraße.
– die Geister die man rief Schulversuche – man spricht Deutsch
ein mäßiger Erfolg, nun da gibt es vermutlich nicht viel zu erklären. Berlin hat dieses Problem sicher auch und der Tum von "Pisa"(studie) wankt sowieso bedenklich.
Mondscheinsonaten auf allen Fernsehkanälen – öffentlich rechtlich, hier geht es um den täglichen Dreck mit dem wir zugeschüttet werden und dann ist der ORF auch noch pleite.
wo ein Kläger dort eine Richterin man streut Mimosen auf Richtplätze, hier geht es nochmals um den Prozess des Herrn Generaldirektor Elsner, der von der jetzigen Justizministerin, noch als Richterin verhadelt wurde und die Behandlung beim Prozess. Es mußte immer ein Arzt anwesend sein und die Füsserln des Herrn E. wurden auf Pölsterchen hochgelagert, weil er ja sooo krank ist, na steh Du mal vor Gericht.  
und Weihrauch wird zur allgemeinen Berauschung freigegeben, ist ein kleiner Seitenhieb auf unsere Religiosität, die aber in Wahrheit gar nicht mehr existiert und natürlich um die ewige Debatte Drogen freizugeben.
– nur bei Schwangerschaften nicht, eben Drogen nicht für Schwangere und ein kleiner boshafter Wink auf Sitten und Gebräuche.

  Kurt