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Sue Rovia Klammeraffe
Alter: 30 Beiträge: 586 Wohnort: Metronom
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08.01.2024 21:43
von Sue Rovia
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nebenfluss hat Folgendes geschrieben: | weil: Wie sollte das nicht sexistisch sein? Wir alle - zumindest, wenn hetero- oder homosexuell - grenzen bei romantischen/erotischen Annäherungen (mindestens) ein Geschlecht kategorisch aus als sei es inexistent. Eine krassere Benachteiligung aufgrund von Geschlecht ist kaum denkbar.
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Das gefällt mir. Wie hat Jesus gesagt? Wer unter euch ohne Sexismus sein will, der soll ein bisexuelles Disaster werden.
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RaiBruHerte Eselsohr
Beiträge: 306 Wohnort: Rheinf
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08.01.2024 22:16
von RaiBruHerte
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@fabian: es gibt viele Möglichkeiten, sich Literatur zu nähern. Meistens lese oder höre ich, bei Gefallen freut es mich, gefällt es mir nicht, gehts weiter. Doch ab und zu gehe ich zurück und erneuere meinen Blick.
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fabian Klammeraffe
Beiträge: 617
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08.01.2024 22:46 Re: Kurzer roter Lederrock von fabian
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Sue Rovia hat Folgendes geschrieben: | Mir stellt sich also die Frage, was dieser eine Satz dem Text gibt, ob es mehr ist als die bloße Replikation von Sexismus. |
Meiner Meinung nach kennzeichnet dieser Satz einen Aspekt in der Orientierung des LI.
Erzähllogisch ist er die Basis dafür, sich als Leser etwas unter "Ich sprach sie an" vorstellen zu können.
In Verbindung (und das ist doch das Entscheidende: in einem literarischen Werk stehen alle Elemente miteinander in Verbindung, ob in einer immer gelungenen sei mal dahingestellt) mit dem im Text angesprochenen Hinweis auf einen Transformationsprozess (von den geträumten Wunschvorstellungen eines Jugendlichen zum realen Handeln eines Erwachsenen) können wir am Ergebnis (Granate = höchstes Lob) erkennen, dass es sich wohl eher um einen sehr handfesten, sozialen Prozesses gehandelt hat (Umgebung, Peergroup) und nicht um ein individuelles innerliches Ringen nach moralischen Maßstäben.
Das LI beschreibt sich als wünschendes und handelndes, aber nicht als innerlich moralisch abwägendes. Es lernt, sich zu artikulieren, aber es lernt aus Erfahrung.
Insofern meine ich, der Satz "macht Sinn".
Er kann zwar fehlen, aber dann macht der Text eben auch einen anderen Sinn.
_________________ Wer an einem aufgeräumten Schreibtisch sitzt, wer das schafft, kennt keine Gnade.
Terézia Mora im Interview mit Klaus Siblewski (in: TEXT+KRITIK 221) |
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nebenfluss Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5982 Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
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08.01.2024 23:14
von nebenfluss
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fabian hat Folgendes geschrieben: | Sue Rovia hat Folgendes geschrieben: | Mir stellt sich also die Frage, was dieser eine Satz dem Text gibt, ob es mehr ist als die bloße Replikation von Sexismus. |
Meiner Meinung nach kennzeichnet dieser Satz einen Aspekt in der Orientierung des LI.
Erzähllogisch ist er die Basis dafür, sich als Leser etwas unter "Ich sprach sie an" vorstellen zu können. |
Genau, und noch aus meiner Sicht erläuternd:
Ohne den Satz könnte ich mir die Ansprache auch als ein höfliches "Entschuldigen Sie, haben Sie mal Feuer?" vorstellen. Dann wäre die Reaktion der Frau völlig daneben.
Mit dem Satz stelle ich mir die Ansprache eher als eine plumpe Anmache vor. Die (zumindest verbale) Reaktion der Frau ist verständlich (findet auf derselben unzweideutigen Ebene statt -> "gerechte Strafe").
Das letztere soll die misogynere Version sein?
Sue Rovia hat Folgendes geschrieben: | Aus meiner Sicht sind Menschen, die attraktive Frauen oder potentielle Sexualpartnerinnen objektifizieren und alle anderen normal behandeln übrigens auch misogyn . |
Falls sich das auf meinen letzten Beitrag bezieht, habe ich mich unklar ausgedrückt.
Mit "sexuellem Kontext" meinte ich nicht, grundsätzlich attraktive Menschen anders zu behandeln als weniger attraktive. Es geht um die Situation. Ein plakativer sexueller Kontext wäre das Schlafzimmer in einer Hochzeitsnacht. Ein entgegengesetzter Kontext wäre ein Chef, der mit einer Angestellten über eine Gehaltserhöhung verhandelt. Die Bushaltestelle befindet sich irgendwo dazwischen, die Dinge liegen nicht so deutlich. Der titelgebende Lederrock könnte auf einen sexuellen Kontext hindeuten, möglicherweise an einem anderen Ort: dort, wo der Bus hinfährt. Das interessiert den Prota bezeichnenderweise nicht. Er fragt sich nicht, für wen (wenn nicht einfach für sich selbst) die Frau da so steht. Am Ende weiß er: Für ihn jedenfalls nicht. Sue Rovia hat Folgendes geschrieben: | nebenfluss hat Folgendes geschrieben: | weil: Wie sollte das nicht sexistisch sein? Wir alle - zumindest, wenn hetero- oder homosexuell - grenzen bei romantischen/erotischen Annäherungen (mindestens) ein Geschlecht kategorisch aus als sei es inexistent. Eine krassere Benachteiligung aufgrund von Geschlecht ist kaum denkbar.
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Das gefällt mir. Wie hat Jesus gesagt? Wer unter euch ohne Sexismus sein will, der soll ein bisexuelles Disaster werden. |
Verführe mich nicht, die Bibel zu lesen
Leider weiß ich nicht, ob dir das Zitat wirklich gefällt oder du es für Quatsch hältst.
Jedenfalls wollte ich damit nicht indirekt etwas über Bisexualität aussagen. Ob die zwangsläufig in ein Disaster führt, kann ich mangels Neigung nicht beurteilen. Hat nichts mit dem Text zu tun.
_________________ "You can't use reason to convince anyone out of an argument that they didn't use reason to get into" (Neil deGrasse Tyson) |
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Sue Rovia Klammeraffe
Alter: 30 Beiträge: 586 Wohnort: Metronom
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08.01.2024 23:33 Re: Kurzer roter Lederrock von Sue Rovia
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fabian hat Folgendes geschrieben: | Meiner Meinung nach kennzeichnet dieser Satz einen Aspekt in der Orientierung des LI.
Erzähllogisch ist er die Basis dafür, sich als Leser etwas unter "Ich sprach sie an" vorstellen zu können.
In Verbindung (und das ist doch das Entscheidende: in einem literarischen Werk stehen alle Elemente miteinander in Verbindung, ob in einer immer gelungenen sei mal dahingestellt) mit dem im Text angesprochenen Hinweis auf einen Transformationsprozess (von den geträumten Wunschvorstellungen eines Jugendlichen zum realen Handeln eines Erwachsenen) können wir am Ergebnis (Granate = höchstes Lob) erkennen, dass es sich wohl eher um einen sehr handfesten, sozialen Prozesses gehandelt hat (Umgebung, Peergroup) und nicht um ein individuelles innerliches Ringen nach moralischen Maßstäben.
Das LI beschreibt sich als wünschendes und handelndes, aber nicht als innerlich moralisch abwägendes. Es lernt, sich zu artikulieren, aber es lernt aus Erfahrung.
Insofern meine ich, der Satz "macht Sinn".
Er kann zwar fehlen, aber dann macht der Text eben auch einen anderen Sinn. |
Ich würde argumentieren, (wenn meine Computertastatur mich machen ließe,) dass der gekürzte Text nicht unbedingt einen anderen Sinn macht, sondern dass er schlicht mehr Sinn macht.
Die Möglichkeit, die Ansprache so zu interpretieren, wie das im Ursprungstext angelegt ist, bleibt ja bestehen. Nur gäbe es in einer gekürzten Variante auch noch andere Möglichkeiten, der Interpretationsrahmen erweitert. Auch in der gekürzten Version wäre das LI nicht als moralisch abwägend charakterisiert.
Es kann einem Text sehr gut tun, wenn der Interpretationsrahmen enger gefasst wird, das bestreite ich gar nicht. Aber dann will ich als Lesende schon eine gewisse Tiefe im Austausch dafür bekommen. Dieses Zeichnen in die Tiefe hinein fehlt mir hier. Ich sehe nur eine Überzeichnung* und bin dann gelangweilt.
*die für mich übrigens nicht recht zu den angelegten Vieldeutigkeiten passen will. Wenn alles überzeichnet wäre, würde ich das hinnehmen als gewollt und schlicht folgern, dass ich die falsche Leserin bin für diesen Text.
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Sue Rovia Klammeraffe
Alter: 30 Beiträge: 586 Wohnort: Metronom
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08.01.2024 23:59
von Sue Rovia
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aah, ich muss doch eigentlich schlafen...
nebenfluss hat Folgendes geschrieben: |
Das letztere soll die misogynere Version sein? |
Nein, nur die Version, die Misogynie mit den Gedanken des LI repliziert. Wenn das Verhalten der Frau auch als asozial gedeutet werden kann, macht das den Text für mich nicht schlechter.
nebenfluss hat Folgendes geschrieben: |
Falls sich das auf meinen letzten Beitrag bezieht, habe ich mich unklar ausgedrückt.
Mit "sexuellem Kontext" meinte ich nicht, grundsätzlich attraktive Menschen anders zu behandeln als weniger attraktive. Es geht um die Situation. Ein plakativer sexueller Kontext wäre das Schlafzimmer in einer Hochzeitsnacht. Ein entgegengesetzter Kontext wäre ein Chef, der mit einer Angestellten über eine Gehaltserhöhung verhandelt. Die Bushaltestelle befindet sich irgendwo dazwischen, die Dinge liegen nicht so deutlich. Der titelgebende Lederrock könnte auf einen sexuellen Kontext hindeuten, möglicherweise an einem anderen Ort: dort, wo der Bus hinfährt. Das interessiert den Prota bezeichnenderweise nicht. Er fragt sich nicht, für wen (wenn nicht einfach für sich selbst) die Frau da so steht. Am Ende weiß er: Für ihn jedenfalls nicht. |
Ja,nein, also ich habe gedanklich schon Bezug genommen auf deinen Beitrag, mein Satz war aber nicht so als Erwiderung oder Widerspruch gedacht, mehr als ein 'Wie man auf etwas antworten könnte, was sich so oder so ähnlich aus deinen Sätzen ergeben folgern ließe'. Ich sollte wirklich schlafen gehen.
Edit: Trotzdem fand ich jetzt deine nachträgliche Erklärung sehr hilfreich. So ergibt das für mich auch Sinn.
nebenfluss hat Folgendes geschrieben: |
Verführe mich nicht, die Bibel zu lesen
Leider weiß ich nicht, ob dir das Zitat wirklich gefällt oder du es für Quatsch hältst.
Jedenfalls wollte ich damit nicht indirekt etwas über Bisexualität aussagen. Ob die zwangsläufig in ein Disaster führt, kann ich mangels Neigung nicht beurteilen. Hat nichts mit dem Text zu tun. |
Besser nicht, nein.
Doch, das Zitat, also der Gedanke dahinter, beschäftigt mich wirklich: Die Verknüpfung von sexueller Identität und Sexismus und wie das korreliert.
Aber es hat, wie du sagst, wenn überhaupt am Rande was mit dem Text zu tun. Und wir finden sicher eine bessere und entspanntere Gelegenheit, uns darüber auszutauschen.
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Cholyrika Eselsohr
Alter: 60 Beiträge: 471
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09.01.2024 09:04
von Cholyrika
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fabian hat Folgendes geschrieben: | So, wie das LI sich gerüstet hat, so wird es wohl auch gesprochen haben: hart, unsicher, unreif, unfertig. Das braucht hier richtigerweise gar nicht ausgeführt zu werden, es spiegelt sich in der Antwort, die das LI wie Spucke ins Gesicht getroffen haben mag.
Hier hätte der Text von mir aus enden können: mit dem Schweigen des LI darüber, ob und wie es sich getroffen gefühlt haben könnte und dem naheliegenden Verdacht beim Leser, es hätte in seinem Abgang nur verzweifelt versucht, eine Fassade aufrecht zu erhalten.
Das ist für mich auch das Kennzeichnende an diesem LI: es kann im Grunde genommen nicht sprechen, nicht mit jemandem sprechen, es bespricht sich selbst, aber auch nur floskelhaft (in sozial angelernten Floskeln). Ob dieser Zustand allerdings aufrecht erhalten werden wird, lässt sich aus diesem Abgang im Schweigen nicht ableiten. Alle Lebenserfahrung spricht dafür, dass sich hier jemand im Abgang nicht als "schweigender Gentleman" gibt, sondern wohl eher als zutiefst Getroffener, in seiner Identitätvorstellung in Frage Gestellter.
Cholyrika hat Folgendes geschrieben:
Kurzer roter Lederrock, blaue Augen und wasserstoffblonde Haare.
Es hätte was werden können mit uns.
Wurde es aber nicht.
Noch einmal also: Wunsch vs Wirklichkeit. Selbsttäuschung, Schicksal.
Zum Schluss eine lakonische Feststellung (das war wohl nix), aber der Erzählweise entsprechend zu Recht kein Wort darüber, wie die Erfahrung verarbeitet wird.
Andererseits aber auch kein Wort darüber, dass die Erfahrung nicht verarbeitet wird.
Ich glaube nicht, dass man ein open end als Leser unbedingt als Mangel des Textes begreifen muss.
Der Text rechtfertigt in meinen Augen also nicht eine sexistische Attitüde, vielmehr zeigt er die faktische soziale Unfähigkeit des LI, einen Kontakt unter Gleichberechtigten auszuhandeln, also das Scheitern dieser Attitüde. Die Attitüde mag sexistisch sein, der Text ist es jedenfalls nicht. |
Hallo Fabian,
danke für diese hochwertige und zutreffende Analyse.
Ich habe mir hier nur ein Beispiel Deiner hervorragenden Analyse ausgesucht, weil diese ziemlich genau beschreibt, worum es mir ging.
Der Bezug auf das Jahr 1984 ( da war ich 21 Jahre alt) ist nur ein Hinweis auf meine eigenen Anfänge ein sozialadäquates Mitglied der Gesellschaft zu werden.
1984 war das Jahr der Drogen, der Überschreitungen und der fehlenden Reflektion für mich.
Der Text bekommt hier ( für mich) eben auch eine Startbasis.
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Wolfgang Rill Gänsefüßchen
Beiträge: 33 Wohnort: Fulda
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22.04.2024 12:06
von Wolfgang Rill
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Die Lakonie im Text - große Klasse! Da steckt viel "Seele" drin. Bitte nichts verändern. Nur die Schreibfehler haben mich gestört.
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Ralphie Forenonkel
Alter: 71 Beiträge: 6422 Wohnort: 50189 Elsdorf
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22.04.2024 13:59
von Ralphie
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Wie aus dem Leben.
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Cholyrika Eselsohr
Alter: 60 Beiträge: 471
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22.04.2024 15:15
von Cholyrika
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Hallo alter Weggefährte.
Schön immer wieder einen Satz von Dir zu lesen.
LG
Michael
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Cholyrika Eselsohr
Alter: 60 Beiträge: 471
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22.04.2024 15:15
von Cholyrika
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Hallo alter Weggefährte.
Schön immer wieder einen Satz von Dir zu lesen.
LG
Michael
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